Bundesgerichtshof:
Urteil vom 22. Oktober 2013
Aktenzeichen: X ZR 103/10

(BGH: Urteil v. 22.10.2013, Az.: X ZR 103/10)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 12. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte 3/4 der Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 540 808 (Streitpatents), das unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 41 36 147 vom 2. November 1991 am 7. April 1992 angemeldet wurde. Patentanspruch 1 hat in der Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:

"Synchronisationsverfahren für Mobilfunktelefone in einem zellularen, digitalen Mobilfunktelefonnetz, das mehrere Feststationen und Mobilfunktelefone umfasst und nach dem GSM-Verfahren arbeitet, dadurch gekennzeichnet, dass in dem Mobilfunktelefon eine

(1) Anfangssynchronisation, die der Verbindungsaufnahme zwischen einem Mobilfunktelefon und einer Feststation dient,

(2) Normalbetrieb-Synchronisation, 1

(3) Aufsynchronisation, das heißt Synchronisation eines Mobilfunktelefons auf eine Nachbarzelle während des Normalbetriebs, in einer Weise stattfindet, bei der die Anfangssynchronisation in folgende Schritte aufgeteilt ist:

(1.1) Frequenz-Grobsynchronisation zumindest bei nicht ausreichender Genauigkeit der Trägerfrequenzen, wobei die Frequenz-Grobsynchronisation burstunabhängig arbeitet und ermittelt, ob die Frequenz des ermittelten Trägers innerhalb eines Toleranzbereiches liegt,

(1.2) Rahmen-Grobsynchronisation durch näherungsweise Detektion des Rahmenbeginns mit Hilfe der Erkennung des Beginns eines Frequency-Correction-Bursts (12),

(1.3) Frequenz-Feinsynchronisation durch Phasen-Differenzbildung zu einem Frequency-Correction-Burst (12),

(1.4) Rahmen-Feinsynchronisation, das heißt bitgenaue Rahmen-Synchronisation, die Normalbetrieb-Synchronisation in folgende Schritte aufgeteilt ist:

(2.1) Rahmensynchronisation mit Frequenz-Feinsynchronisation,

(2.2) frequenzkorrigierende Datensignalvorverarbeitung mit einem Frequenz-Korrekturwert, der aus aktuellen Frequenzmessungen ermittelt wird, und die Aufsynchronisation aus einer

(3.1) Rahmen-Grobsynchronisation,

(3.2) Rahmen-Feinsynchronisation mit Frequenz-Feinsynchronisation besteht.

Die Patentansprüche 2 bis 13 sind unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen.

Die Klägerinnen haben mit den vom Patentgericht zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen geltend gemacht, dass der Gegenstand des Streitpatents über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinausgehe, unzureichend offenbart und gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig sei. 2 Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie verteidigt das Streitpatent zuletzt mit einem um das Kennzeichen des Patentanspruchs 9 ergänzten beschränkten Hauptantrag sowie weiter beschränkten Hilfsanträgen. Die Klägerin zu 1 tritt dem Rechtsmittel entgegen; die Klägerin zu 2 hat ihre Klage zurückgenommen.

Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. D. , Lehrstuhl für Kommuni- kationstechnik der Universität K. , ein schriftliches Gutachten erstattet (nachfol- gend: Gutachten D. ), das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Das von Prof. Dr.-Ing. S. , Technische Universität K. , Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik, Lehrstuhl für Funkkommunikation und Navigation, in dem Patentnichtigkeitsberufungsverfahren X ZR 137/09 betreffend das aus der Prioritätsanmeldung hervorgegangene deutsche Patent 41 36 147 erstattete Gutachten (nachfolgend: Gutachten S. ) war gleichfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Zudem haben die Klägerin eine gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. V. (nachfolgend: Gutachten V. ) und die Beklagte eine gutachterliche Stellungnahme von Dr. O. (nachfolgend: Gutachten O. ) vorgelegt.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

I. Das Streitpatent betrifft ein Synchronisationsverfahren für Mobiltelefone in einem mehrere Feststationen und Mobiltelefone umfassenden zellularen, digitalen Mobilfunktelefonnetz, das nach dem GSM-Verfahren arbeitet. 4 1. In der Beschreibung des Streitpatents wird ausgeführt, dass bei dem Mobilfunknetz GSM (Groupe Speciale Mobile; heute wohl auch: Global System for Mobile Communications), das die Grundlage für das in Deutschland verwendete D-Netz bildet, die Übertragung auf dem Funkweg rein digital erfolgt. Der für das D-Netz reservierte Empfangsfrequenzbereich erstreckt sich von 935 bis 960 MHz und ist in 124 Empfangskanäle mit je 200 kHz Bandbreite aufgeteilt. Dabei sind je Frequenzband acht Teilnehmerkanäle in einem Zeitmultiplexraster angeordnet. Nach der GSM-Empfehlung 5.02 sind die (den acht Teilnehmerkanälen entsprechenden) acht Zeitschlitze zu einem TDMA-Rahmen (TDMA = Time Division Multiple Access) zusammengefasst (Rn. 8, 10). Ein Zeitschlitz dient jeweils der Übertragung von 148 Bits und kann mit unterschiedlichen Datenformaten (Bursts) belegt werden.

Das Mobilfunktelefon muss sowohl für die Verbindungsaufnahme zur Basisstation (Einbuchung) als auch für den eigentlichen Sende- und Empfangsbetrieb hinsichtlich der Frequenz und der Zeitlagen von Rahmen, Zeitschlitzen und Symbolen (Bits) auf die Basisstation eingestellt (mit dieser synchronisiert) werden (Gutachten S. 8).

Die hohen Anforderungen bei der Übertragung der digitalen Informationen bedingen, wie in der Patentschrift weiter erläutert wird, einen verhältnismäßig großen Aufwand bei der Synchronisation. Das Synchronisationsverfahren basiert auf der Auswertung der kontinuierlichen Phasenwinkel, die jeweils aus einer I- (Inphase-) und einer Q- (Quadratur-) Komponente berechnet werden. Die Streitpatentschrift unterscheidet drei Synchronisationsarten, nämlich die Anfangssynchronisation, die Normalbetriebssynchronisation und die Aufsynchronisation während des Normalbetriebs. Von diesen dient erstere der grundsätzlichen Verbindungsaufnahme zwischen Mobiltelefon und Feststation, die Normalbetriebssynchronisation der Aufrechterhaltung des Synchronismus und die Aufsynchronisation zur Vorbereitung einer Übergabe (Handover) der Synchronisation eines Mobilfunktelefons mit Nachbarzellen während des Normalbetriebs (Rn. 2, 9, 10). 9 Als Aufgabe der Erfindung wird es bezeichnet, ein Synchronisationsverfahren anzugeben, das bei möglichst geringem technischem Aufwand den hohen Anforderungen an die Synchronisation eines Mobilfunktelefons genügt (Rn. 4).

2. Dies soll nach Patentanspruch 1 durch ein Synchronisationsverfahren für Mobilfunktelefone in einem mehrere Feststationen und Mobilfunktelefone umfassenden zellularen, digitalen Mobilfunktelefonnetz, das nach dem GSM-Verfahren arbeitet, erreicht werden, wobei sich die Merkmale von Patentanspruch 1 unter Berücksichtigung der Fassungen der zuletzt gestellten Haupt- und Hilfsanträge wie folgt gliedern lassen (durch den Haupt- und die Hilfsanträge gegenüber der erteilten Fassung hinzugefügte Merkmale kursiv):

(0) In dem Mobilfunktelefon findet

(0.1) eine Anfangssynchronisation,

(0.2) eine Normalbetriebssynchronisation und

(0.3) eine Aufsynchronisationin folgender Weise statt:

(1) Die Anfangssynchronisation dient der Verbindung zwischen einem Mobilfunktelefon und einer Feststation und ist in folgende Schritte aufgeteilt:

(1.1) zumindest bei nicht ausreichender Genauigkeit der Trägerfrequenzen eine Frequenz-Grobsynchronisation, die

(1.1.1) burstunabhängig arbeitet und

(1.1.2) ermittelt, ob die Frequenz des ermittelten Trägers innerhalb eines Toleranzbereiches liegt,

(1.2) eine Rahmen-Grobsynchronisation durch näherungsweise Detektion des Rahmenbeginns mit Hilfe der Erkennung des Beginns eines Frequenzkorrekturbursts,

(1.3) eine Frequenz-Feinsynchronisation durch Phasendifferenzbildung zu einem Frequenzkorrekturburst, 12

(1.4) eine Rahmen-Feinsynchronisation, das heißt bitgenaue Rahmensynchronisation, die über die Erkennung und Auswertung der Trainingssequenz im Synchronisationsburst (13) erfolgt [Hilfsanträge II, II a, VII und VII a],

(2) Die Normalbetriebssynchronisation erfolgt durch eine ständige Überwachung und Aufrechterhaltung des Rahmen- und Frequenzsynchronismus über die Erkennung und Auswertung der Trainingssequenz innerhalb des Normalbursts [Hauptantrag (teilweise) und Hilfsanträge II, II a und VII] und ist in folgende Schritte aufgeteilt:

(2.1) eine Rahmensynchronisation mit Frequenz-Feinsynchronisationund

(2.2) eine frequenzkorrigierende [Hilfsanträge II und II a] Datensignalvorverarbeitung mit einem Frequenzkorrekturwert, der aus aktuellen Frequenzmessungen von einer zentralen Steuereinheit (31) [Hilfsanträge I, II a, III a, IV a, V a, VI a, VII a] ermittelt wird, so dass dem Entzerrer (29) die aktuellen Daten bereits frequenzkorrigiert zugeführt werden [Hilfsanträge III, III a, VII und VII a].

(3) Die Aufsynchronisation dient der Synchronisation eines Mobilfunktelefons auf eine Nachbarzelle während des Normalbetriebs und besteht aus:

(3.1) einer Rahmen-Grobsynchronisation und

(3.2) einer Rahmen-Feinsynchronisation mit Frequenz-Feinsynchronisation, wobei die Aufsynchronisation auf umgebende Nachbarzellen während des Normalbetriebes durch eine Rahmen-Grobsynchronisation erfolgt und danach eine Rahmen-

Feinsynchronisation mit Frequenz-Feinsynchronisation durch Erkennen und Auswerten des Synchronisationsbursts (13) stattfindet [Hilfsanträge IV, IV a, V und V a], die Aufsynchronisation mit geringerer Priorität gegenüber dem Normalbetrieb ausgeführt wird [Hilfsanträge V und V a] undbei der Aufsynchronisation die für die Zellüberschreitung notwendigen Synchronisationsparameter, das heißt Rahmen- und Frequenzversatz, für die umliegenden Nachbarzellen ermittelt werden [Hilfsanträge VI und VI a].

3. Zum Verständnis dieser Lehre ist zu erläutern:

a) Der Funkverkehr zwischen Basis- und Mobilstation im GSM-System wird über Steuerkanäle auf einer gemeinsamen Frequenz koordiniert. Jede Basisstation sendet Informationen zum Systembetrieb der Funkzelle auf einem Organisationskanal (BCCH = Broadcast Control Channel), der durch einen der acht Zeitschlitze auf einer festen Frequenz definiert ist. Eine Mobilstation, die das GSM-Netz nutzen will, muss zunächst diesen Organisationskanal finden und auswerten; dabei werden ihr ein freier Empfangs- und ein freier Sendeplatz zugewiesen, die jeweils durch Frequenz und Zeitschlitz eindeutig gekennzeichnet sind. Auf einem hierfür vorgesehenen Steuerkanal (FCCH = Frequency Correction Channel) werden ferner Frequenzkorrekturbursts (FCB) und auf einem Synchronisationskanal (SCH) Synchronisationsbursts (SCB) übertragen.

b) In der Beschreibung wird im Hinblick auf das dargestellte erfindungsgemäße Ausführungsbeispiel erläutert, dass die Frequenz-Grobsynchronisation als erster Schritt der Anfangssynchronisation burstunabhängig arbeite und damit nach dem Auffinden einer Trägerfrequenz zu einer ersten Frequenzabschätzung herangezogen werden könne. Das Ergebnis gebe Auskunft darüber, ob die Frequenz des ermittelten Trägers innerhalb oder außerhalb eines Toleranzbereichs liege. Bei aus-14 reichender Genauigkeit der Trägerfrequenzen könne auf die burstunabhängige Frequenz-Grobbestimmung verzichtet werden. Dann genügten die weiteren Schritte der Anfangssynchronisation (Rn. 17). Diese Frequenz-Grobsynchronisation ist Bestandteil der Suche nach dem und der Synchronisation auf den Organisationskanal BCCH (Gutachten S. 10). Bei der nachfolgenden Rahmen-Grobbestimmung sei es, so erläutert die Beschreibung weiter, notwendig, den Rahmenbeginn näherungsweise zu detektieren. Hierfür werde der Frequenzkorrekturburst verwendet (Rn. 18). Nach erfolgter Bestimmung des Rahmenbeginns sei die Oszillatorfrequenz des Mobiltelefons - entsprechend den Vorgaben der GSM-Empfehlung 5.10, Fassung 3.4.0 (Anlage A7, 6.1) - mit hoher Genauigkeit, nämlich auf 0,1 ppm, mit der Oszillatorfrequenz der Basisstation in Übereinstimmung zu bringen, wofür ebenfalls der Frequenzkorrekturburst verwendet werde, der für die Dauer eines Zeitschlitzes einem reinen Sinussignal entspreche (Frequenz-Feinsynchronisation Rn. 19; vgl. auch Patentanspruch 6). Schließlich erfolge die Rahmen-Feinbestimmung als bitgenaue Rahmensynchronisation über die Erkennung und Auswertung der Trainingssequenz in dem hierfür vom GSM-System zur Verfügung gestellten Synchronisationsburst. Durch ein Musterkorrelationsverfahren sei eine bitgenaue Rahmenbestimmung möglich (Rn. 21; s. auch Patentanspruch 7 ff.).

c) Die Normalbetriebssynchronisation erfolgt nach Patentanspruch 1 in den beiden in den Merkmalen 2.1. und 2.2. bezeichneten Schritten, wie in der Beschreibung erläutert und nunmehr in Merkmal 2 bestimmt, über die Auswertung der Trainingssequenz innerhalb des für die Verkehrsdaten (Kommunikationsnutzdaten) vorgesehenen Normalbursts, was eine fehlerfreie Dekodierung gewährleisten soll. Dabei werde zunächst der Rahmenversatz bestimmt; der ermittelte Wert (Taktversatz) sei ein notwendiger Parameter, um bitgenau die Mustersequenz innerhalb des Datensatzes zu markieren. Dies sei Voraussetzung für die anschließende korrekte Korrelationsrechnung zur Bestimmung der aktuellen Frequenzablage (Rn. 24). Ein aus den aktuellen Frequenzmessungen von der zentralen Steuereinheit ermittelter Frequenzkorrekturwert werde einem Synchronprozessor zugeführt. Damit würden die Daten vorverarbeitet, wodurch sich die Dekodiersicherheit verbessere, indem dem 17 Entzerrer die aktuellen Daten bereits frequenzkorrigiert zugeführt würden. Durch die Datensignalvorverarbeitung könne die Einschränkung der fehlerfreien Dekodierung bei Frequenzablagen über 200 Hz, die auf den Dopplereffekt und den Oszillator (des Mobiltelefons) zurückzuführen seien, vollständig eliminiert werden (Rn. 25).

d) Bei der Aufsynchronisation würden Sonderfälle der Anfangs-Synchronisation abgearbeitet, um sicherzustellen, dass beim Verlassen einer Funkzelle die Basisstation der aktuellen Zelle das Bestehenbleiben der Verbindung gewährleiste. Dafür würden im Normalbetrieb als Hintergrundprozess die für eine Zellüberschreitung notwendigen Synchronisationsparameter (Rahmen- und Frequenzversatz) für die umliegenden Nachbarzellen ermittelt. Dabei umfasse die Aufsynchronisation mit - Ausnahme der Frequenz-Grobsynchronisation - grundsätzlich die Schritte der Anfangssynchronisation. Für die Rahmensynchronisation "mit" Frequenz-Feinsynchronisation (Merkmal 3.2) wird erläutert, dass hierfür der Synchronisationsburst verwendet werde (Rn. 27 ff., vgl. Patentanspruch 11).

II. Das Patentgericht hat angenommen, dass Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe und sein Gegenstand nicht patentfähig sei, weil er sich für den Fachmann - einen Diplomingenieur der elektrischen Übertragungstechnik mit Hochschulausbildung, der schwerpunktmäßig mit der Mobilfunktelekommunikation befasst sei und über Kenntnisse der einschlägigen Standardisierungsvorschriften insbesondere für den digitalen Mobilfunk verfüge - in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben habe.

Letzteres hat das Patentgericht im Wesentlichen wie folgt begründet:

Eine Anfangssynchronisation mit allen Merkmalen der Merkmalsgruppe 1 sei, wie das Patentgericht näher ausführt, in der internationalen Patentanmeldung 91/10305 ("Canosi", Anlage A 11) beschrieben.

Den erreichten synchronen Betriebszustand gelte es über den gesamten Zeitraum der Nutzsignalübertragung (des Normalbetriebs) störungsfrei aufrechtzuerhal-18 ten. Für die Umsetzung dieser Aufgabe werde dem Fachmann in der veröffentlichten europäischen Patentanmeldung 0 454 266 ("Baier", Anlage A 19 = K 38) eine Anordnung zur Schätzung der Frequenzablage offenbart, die in einem TDMA-Mobilfunk-System angewendet werden könne. Im Normalbetrieb solle der Empfänger in die Lage versetzt werden, Frequenzablagen infolge von Toleranzen und Drift der Sendefrequenz und der Mischfrequenzen sowie infolge von Dopplereffekten bei Bewegung des Mobilteils mit hoher Geschwindigkeit zu schätzen und zu verarbeiten. In der Beschreibung (A 19, S. 5, Z. 35-37) werde in Verbindung mit der in Figur 2 dargestellten Burststruktur und der Verwendung der Trainingsfolge für die Kanalschätzung für jeden übertragenen Datenblock unmittelbar eine Verwendung der Trainingssequenz des Normalbursts offenbart. Die von der Basisstation ankommenden Signale würden der in Figur 1 dargestellten Schaltung zugeführt. Nach Umsetzung in das Basisband würden Abtastwerte der I- und der Q-Komponente gebildet und u.a. einem adaptiven Kanalschätzer zugeführt, der aus der übertragenen Trainingsfolge die aktuelle Kanalimpulsantwort schätze, was auch zur Schätzung der Frequenzablage diene, wozu die zeitliche Veränderung der Kanalimpulsantworten (Kanalschätzvektoren) ausgewertet würden. Die geschätzten Frequenzablagen würden zur Nachführung des Zwischenfrequenz-Oszillators verwendet, worin eine erfindungsgemäße Frequenz-Feinsynchronisation liege.

Die Entgegenhaltung A 19 lehre weiterhin die Verwendung der geschätzten Frequenzablage in einer Korrektureinrichtung. Die hierbei zwischen Analog-Digital-Umsetzung und dem Kanalschätzer verortete Multiplikation des abgetasteten Basisbandsignals mit einem aus der Frequenzablage gewonnenen Korrektursignals bewirke eine frequenzkorrigierende Datensignalvorverarbeitung während des Normalbetriebs mit Frequenzkorrekturwert, der aus aktuellen Frequenzmessungen ermittelt werde. In der A 19 werde zwar ausgeführt, bei Verwendung der genannten Korrektureinrichtung müssten die Oszillatoren nicht (zwingend) nachgeführt werden. Der Fachmann sei aber dennoch durch die in der A 19 beschriebenen zeitlichen Implikationen der Frequenzstörungen (schnellerer infolge Dopplereffekt und langsamerer infolge Oszillatordrift) veranlasst, in diesem Betriebsfall auf eine zweistufige Rege-23 lung in Form einer Doppelverwertung der geschätzten Frequenzablage zurückzugreifen, wie sie etwa in dem Aufsatz von d'Avella et al., An Adaptive MLSE Receiver for TDMA Digital Mobile Radio, IEEE Journal on Selected Areas in Communications 1989, 122 ("d'Avella", Anlage A 5) realisiert sei. Dort werde neben der (relativ schnell wirkenden) Datensignalvorverarbeitung mittels Phasenadaption auch eine (langsamer wirkende) Nachführung des lokalen Oszillators vorgenommen.

Wenngleich sich die A 19 auf eine Beschreibung von Korrekturmöglichkeiten der Frequenzablage unter Nutzung der Trainingssequenz des Normalbursts beziehe, sei dem Fachmann bewusst, dass im Normalbetrieb auch eine Korrektur des Rahmenversatzes erfolgen müsse. Dass auch hierfür der Normalburst herangezogen werden könne, sei zum Fachwissen des Fachmanns zu rechnen, wie beispielsweise durch den Aufsatz von d'Aria/Zingarelli, Synchronisation techniques and Viterbi equalizers for TDMA mobile radio, CSELT Technical Reports 1989, 125 ("d'Aria", Anlage A 18 = K 37) belegt sei.

Schließlich sei dem Fachmann die Notwendigkeit der Aufsynchronisation ebenso bekannt gewesen wie die Notwendigkeit der Durchführung einer Rahmen-Grobsynchronisation sowie einer Rahmen-Feinsynchronisation zu ihrer Realisierung, was sich schon aus der Notwendigkeit ergebe, den Synchronisationsburst auszulesen. Eine erfinderische Leistung ergebe sich auch nicht aus der Anweisung, im Rahmen der Aufsynchronisation eine Frequenz-Feinsynchronisation vorzusehen.

In der A 19 werde beschrieben, dass Empfänger, die wechselweise auf verschiedenen Empfangsfrequenzen Signale empfingen, die Frequenzablage getrennt für jede Empfangsfrequenz ermitteln und speichern könnten, was die sonst notwendigen Einschwingzeiten entfallen lasse. Genau dies sei die Situation des Mobilfunkgerätes, wenn es im Rahmen der Aufsynchronisation auf verschiedenen Frequenzen Daten von umliegenden Basisstationen abfrage. Zudem müsse nach der GSM-Empfehlung 5.10 (A 7, 6.8) bei der Übergabe die Sendebereitschaft innerhalb von 120 ms wiederhergestellt werden. Schließlich verlange auch der Entwurf 0.1 der GSM-Empfehlung 5.10 (Anlage A 4, 4.1 (ii)) von dem Mobilfunkgerät für das Senden 24 wie das Empfangen die Einhaltung einer maximalen Frequenzabweichung von 0,2 ppm, was aus Sicht des Fachmanns nur mit einer Frequenz-Feinsynchronisation eingehalten werden könne, jedenfalls, wenn zusätzlich zu erwartende Störungen (z.B. aufgrund von Dopplereffekten) berücksichtigt würden.

III. Dies hält den Angriffen der Berufung jedenfalls im Ergebnis stand.

Ob der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des (zuletzt neu gefassten) Hauptantrags und der Hilfsanträge der Beklagten über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht (Art. 138 Abs. 1, Buchst. c EPÜ; Art. II § 6 Abs. 1, Nr. 3 IntPatÜbkG), bedarf keiner Entscheidung. Denn jedenfalls beruht dieser nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil er sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG i.V.m. Art. 52 Abs. 1, 56 EPÜ).

1. Merkmalsgruppe 0 Dem Fachmann, einem Diplom-Ingenieur der elektrischen Übertragungstechnik entsprechend der oben wiedergegebenen Spezifikation des Patentgerichts, der zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents ein Synchronisationsverfahren mit möglichst geringem technischem Aufwand für Mobilfunktelefone im GSM-Netz entwickeln wollte, war vorgegeben, dass es der Synchronisation in dreifacher Hinsicht bedurfte. Zur Verbindungsaufnahme zwischen Mobilfunktelefon und Feststation war es zunächst erforderlich, eine Anfangssynchronisation durchzuführen, wie sie auch in den zum Prioritätszeitpunkt aktuellen GSM-Empfehlungen 5.10, Fassung 3.4.0, vorgesehen ist (A 7, unter 2). Danach bestand die Notwendigkeit, die aufgenommene Verbindung für den Normalbetrieb in der vom Standard für das Senden vom Mobilfunktelefon an die Feststation geforderten Genauigkeit aufrechtzuerhalten. Die GSM-Empfehlungen enthalten insoweit Bestimmungen insbesondere hinsichtlich der Genauigkeit der Frequenz- und ("bitgenauen") Zeitsynchronisation, die mit der Aufnahme der Verbindung für deren gesamte Dauer gelten (vgl. A 7, unter 6.1 bis 6.4). Schließlich muss während des Normalbetriebs im Hintergrund eine Aufsynchronisation erfolgen, damit 27 beim Wechsel des "Mobil-"Funktelefons von einer Funkzelle (Feststation) zu einer benachbarten ein geführtes Gespräch unterbrechungsfrei übergeben werden kann. Die GSM-Empfehlungen schreiben insoweit vor, dass das Mobilfunktelefon nach Empfang eines Handover-Befehls innerhalb von 120 ms zur Übergabe unter Einhaltung der genannten Anforderungen an die Genauigkeit der Frequenz- und Zeitsynchronisation bereit sein soll (A 7 unter 6.8).

Dem Fachmann war außerdem bekannt, dass ihm durch den GSM-Standard auf dem Organisationskanal (BCCH) ein Frequenzkorrekturburst und ein Synchronisationsburst zur Verfügung stehen, die zur Synchronisation mit der Basisstation und zur Korrektur der Frequenzreferenz genutzt werden können (A 7 unter 2 und 3; vgl. auch Gutachten S. 18).

Weitere Anregungen erhielt der Fachmann, der ein technisch möglichst wenig aufwendiges Synchronisationsverfahren für Mobilfunktelefone nach den Vorgaben des GSM-Standards entwickeln wollte, aus Veröffentlichungen, die sich mit der Realisierung eines solchen Synchronisationsverfahrens beschäftigten, auch wenn diese jeweils nur Teilbereiche des Gesamtverfahrens betrafen (Gutachten D. 13; Gut- achten S. 27 f.).

2. Merkmalsgruppe 1 Im Hinblick auf die Anfangssynchronisation war aus Sicht des Fachmanns neben der vom Patentgericht herangezogenen Druckschrift "Canosi" (A 11) vor allem auch die Veröffentlichung von Frank und Koch, Anfangssynchronisation der Mobilstation im D-Netz (PKI Tech. Mitt. 1990, 43, "Frank/Koch", Anlage K 25a; in erster Instanz in englischer Fassung [Initial Synchronisation of a Mobile Station in the D Net, PKI Technical Journal 1990, 43 ff.] als Anlage K 25 vorgelegt) von großem Interesse. Es werden - entsprechend den vier Schritten der Merkmalsgruppe 1 des Streitpatents - die Aufgaben der Anfangssynchronisation wie folgt aufgelistet: "Auffinden des Organisationskanals, Zeitschlitzsynchronisation, Frequenznachführung auf 0,1 ppm 31 und Herstellen der Rahmensynchronisation" (K 25a, 43, re. Sp.). Die Frequenz-Grobsynchronisation erfolgt auch nach den weiteren Erläuterungen der K 25a dergestalt, dass (burstunabhängig) zur Auffindung des BCCH-Organisationskanals zunächst durch eine erste Abschätzung mittels eines Bandpassfilters oder einer äquivalenten Anordnung ermittelt wird, ob die Frequenz eines Trägers in einem Toleranzbereich liegt (vgl. K 25a, 46, li. Sp.; vgl. auch Gutachten S. 22). Zudem ist eine Rahmen-Grobsynchronisation vorgesehen, bei der der Frequenzkorrekturburst zur näherungsweisen Detektion der zeitlichen Lage des Rahmens und damit dessen Beginns verwendet wird (K 25a, 47, re. Sp.; 44, re. Sp., Abs. 2). Mittels des Frequenzkorrekturbursts wird auch die Frequenzabweichung zwischen dem Sender und dem Lokaloszillator ermittelt und letzterer auf 0,1 ppm nachgeführt, so dass eine Frequenz-Feinsynchronisation offenbart ist (K 25a, Abschnitt 4.3). Schließlich erfolgt eine Rahmen-Feinsynchronisation unter Verwendung der Trainingssequenz des Synchronisationsbursts (K 25a, 43, re. Sp., Abs. 2, Punkt 4; 44, re. Sp., Abs. 2). Damit offenbarte die K 25a dem Fachmann alle Merkmale der Merkmalsgruppe 1.

3. Merkmalsgruppe 2 a) Die K 25a befasst sich - entsprechend ihrem Titel - vor allem mit der Verwirklichung der Anfangssynchronisation der Mobilstation im D-Netz. Der Fachmann konnte der Entgegenhaltung jedoch auch einen Hinweis entnehmen, wie der mit der Anfangssynchronisation erreichte Betriebszustand während des gesamten Zeitraums der Nutzsignalübertragung (Normalbetrieb) störungsfrei mit der durch die GSM-Empfehlungen geforderten Synchronisationsgenauigkeit aufrechterhalten werden konnte. Denn ihm wurde darin erläutert, dass die Bitsynchronisation, die nicht Bestandteil der Anfangssynchronisation sei, für jeden Zeitschlitz individuell durchgeführt werden müsse, weil die Empfangsbedingungen zeitlich sehr schnell veränderlich seien. Dies erfolge indirekt über die Schätzung der Kanalimpulsantwort aus einer Trainingssequenz (K 25a, 43, re. Sp.). Auch wenn damit nicht unmittelbar die für die Fortdauer der Sendebefugnis des Mobilfunkgeräts erforderliche Aufrechterhaltung der Rahmen(fein)synchronisation angesprochen sein mag, so erhielt der Fachmann 35 jedoch bereits hiermit einen Hinweis, dass ihm mit der für die Bitsynchronisation heranzuziehenden Schätzung der Kanalimpulsantwort aus einer Trainingssequenz ein Instrument zur Verfügung stand, das er auch für die Aufrechterhaltung einer einmal erreichten Rahmensynchronisation nutzen konnte, weil mit der aus der Trainingssequenz gewonnenen Information über die Bitlage notwendigerweise auch eine Information über die Rahmenlage (den Rahmenversatz) verbunden war.

Dass dem Fachmann bewusst war, dass im Normalbetrieb auch eine Korrektur des Rahmenversatzes erfolgen muss, hat bereits das Patentgericht zutreffend und unangefochten ausgeführt. Dementsprechend hat der gerichtliche Sachverständige bei seiner Anhörung unter Verweis auf die Ausführungen bei Sklar, Digital Communications: Fundamentals and Applications (International Edition 1988, 460 f.) darauf hingewiesen, dass es sich bei der fortlaufenden Rahmensynchronisation mittels einer Trainingssequenz (dort als synchronisation codeword bezeichnet) im Rahmen eines digitalen Übertragungssystems aus fachmännischer Sicht um eine für die Funktionsfähigkeit des Systems essentielle Selbstverständlichkeit handele. Da die Exaktheit der Rahmensynchronisation von der Länge der Trainingssequenz, aber auch von der Häufigkeit ihres Auftretens abhängt, worauf Sklar ebenfalls hinweist, versteht es sich für den Fachmann auch, dass eine kürzere Trainingssequenz einer längeren gleichwertig, gegebenenfalls sogar überlegen sein kann, wenn sie besonders häufig zur Verfügung steht. Mit dem Gutachten S. (S. 5) und entgegen dem Gutachten O. (Rn. 148, 176) kann hierin deshalb keine Erkenntnis des Streitpatents gesehen werden. Auch diesen Zusammenhang musste der Fachmann vielmehr im Auge behalten, wenn er sich Gedanken über das geeignete Mittel zur Aufrechterhaltung der Rahmensynchronisation während des Normalbetriebs machte.

Vor diesem Hintergrund hatte der Fachmann Anlass, sich mit denjenigen am Prioritätstag zur Verfügung stehenden Arbeiten zu befassen, die sich näher zu der von Koch/Frank (K 25a) in allgemeiner Form angesprochenen Bitsynchronisation äußern. Entgegen der Meinung der Berufung war damit keine Abkehr von den Vorgaben des GSM-Standards verbunden. Denn dieser stellt zwar den Synchronisati-37 onsburst zur Rahmensynchronisation zur Verfügung, schreibt jedoch, worauf auch der Sachverständige nachdrücklich hingewiesen hat, nicht etwa vor, dass dieser hierzu und insbesondere zur Aufrechterhaltung einer einmal - wie auch im Streitpatent - mit Hilfe des Synchronisationsbursts erzielten Rahmen-Feinsynchronisation zu verwenden ist, wie er überhaupt die Anforderungen an die Sendebefugnis eines Mobilfunkgeräts formuliert, nicht aber vorschreibt, wie diese erfüllt werden.

Zog der Fachmann demgemäß die Arbeit von d'Avella (A 5) heran, wurde ihm dort ein MLSE-Empfänger (MLSE = Maximum Likelihood Sequence Estimation) mit Optimalfilter und einem modifizierten Viterbi-Prozessor für das GSM-Mobilfunksystem vorgestellt. In der A 5 wird erläutert, dass die übertragenen (Normal-)Bursts eine "Präambel" umfassten, deren Funktion es sei, eine burstweise Schätzung der Kanalimpulsantwort (CIR = Channel Impulse Response; auch als Kanalstoßantwort bezeichnet) und eine geeignete Initialisierung der Empfängerparameter auf einer Burstzu-Burst-Basis ("burstbyburst basis") zu ermöglichen; dabei geht die Entgegenhaltung von einer vorherigen Grobsynchronisation aus und behandelt diese nicht weiter (S. 122, re. Sp.). Die "Präambel" ist die Trainingssequenz des Normalbursts, die sich, wie Figur 1 zeigt, in Burstmitte befindet. Der Empfänger müsse in der Lage sein, die stark selektiven Verzerrungen auszugleichen, die sich aus der Mehrwegeausbreitung ergäben. Er müsse daher während des Trainingsmodus des adaptiven Betriebs für jeden Nachrichtenburst die Kanalantwort schätzen und sich selbst entsprechend einstellen. Eine zusätzliche Verbesserung könne durch die Anpassung während der Nachrichtendetektion ("Tracking Mode") erzielt werden und könne notwendig sein, um bei hohen Geschwindigkeiten der Mobilstation mit sehr schnellen Änderungen der Kanalantwort zurechtzukommen und den aus der verbleibenden Frequenzablage resultierenden Phasenfehler zu kompensieren. Es wird als Ziel der beabsichtigten Phasenanpassung bezeichnet, einen verbleibenden Frequenzfehler von ± 1 kHz zu erreichen; dies könne auch einen einfachen Weg zur Korrektur der lokalen Oszillatorfrequenz weisen und die Frequenzablage so auf nahezu Null reduzieren (S. 123, li. Sp.). 39 Damit wurde dem Fachmann in der K 25a eine Auswertung der Trainingssequenz des Normalbursts beschrieben, die dem Ausführungsbeispiel des Streitpatents (Rn. 24 f.) im Wesentlichen gleicht. Zwar wird in der Entgegenhaltung nicht erwähnt, dass der Rahmenversatz anhand der Auswertung der Trainingssequenz bestimmt und zur Nachführung der Rahmenlage verwendet wird. Ebenso wie das Streitpatent bemerkt, dass der ermittelte Taktversatz ein notwendiger Parameter sei, um bitgenau die Mustersequenz innerhalb des Datensatzes zu markieren, was für die anschließende korrekte Korrelationsrechnung zur Bestimmung der aktuellen Frequenzablage Voraussetzung sei, ergibt sich aber auch umgekehrt für den Fachmann, dass ihm mit der erhaltenen Information über die Zeitlage des Rahmens ein Mittel zur Verfügung steht, das er zur Aufrechterhaltung der Rahmen-Feinsynchronisation nutzen kann. Es wäre aus fachmännischer Sicht geradezu widersinnig, würde die ohnehin zur Verfügung stehende Information über die Zeitlage des Rahmens ungenutzt gelassen, um statt dessen auf anderem Wege zu versuchen, die für den Normalbetrieb des Mobilfunkgeräts unerlässliche Aufrechterhaltung der Rahmen-Feinsynchronisation zu gewährleisten. Zu Recht hat das Patentgericht - bezogen auf d'Aria (A 18), aber im hier erörterten Zusammenhang gleichermaßen gültig - bemerkt, dass der Fachmann in Kenntnis der gegebenen Nutzungsmöglichkeiten alleine aus Effizienzgründen die Verwendung nur eines Bursttyps, nämlich des Normalbursts, möglichen Alternativen vorziehen werde, zumal er den Aufwand zum Auslesen des Normalbursts aufgrund der notwendigen Kanalschätzung ohnehin treiben müsse. Dementsprechend hat nicht nur der Parteigutachter V. der Klägerin zu 2, sondern auch der Sachverstän- dige S. ausgeführt, dass die in der K 25a offenbarte Verwendung der Kanal- schätzwerte zur Ansteuerung des Entzerrers einer Bit-Synchronisation und auch einer Rahmen-Feinsynchronisation und die Phasenkorrektur einer Frequenz-Synchronisation unter Verwendung der Präambel des Normalbursts entspreche (Gutachten S. 19, 28; Gutachten V. 29). Auch im Gutachten O. (Rn. 121) heißt es hierzu lediglich, da es bei der Schätzung der Kanalimpulsantwort um das Auffinden des Energiemaximums zur Einstellung der Koeffizienten des Entzerrers und nicht um die aufgrund der Mehrwegeausbreitung notwendige Ermittlung des ersten empfangenen Bursts zur Einstellung der internen Zeitbasis gehe, stimmten "sowohl die ori-40 ginären Voraussetzungen als auch die originären Folgen" der Schätzung der Kanalimpulsantwort mit der erfindungsgemäßen Auswertung der Trainingssequenz des Normalbursts nicht überein.

Dem steht auch nicht entgegen, dass sich die Präambel des Normalbursts nach den GSM-Empfehlungen in der Mitte des Normalbursts befindet (Hodges, The GSM radio interface, Br. Telecom Technol. J., Vol. 8 No. 1 [Anlage A 9], 35, re. Sp., Fig. 4). Die mittige Anordnung der Trainingssequenz hat vielmehr aus fachlicher Sicht den Vorteil, dass für die Synchronisation ein Messwert zugrunde gelegt werden kann, der aufgrund der identischen Entfernung für die vor und hinter der Trainingssequenz empfangenen Daten gleichermaßen repräsentativ ist. Das gilt auch im Hinblick auf die Offenbarung der A 5. In dieser Entgegenhaltung wird zwar erwähnt, dass eine Burststruktur mit der Präambel in der Mitte für das Kanal-Tracking weniger nützlich sein könnte als eine Anordnung am Anfang des Bursts (vgl. A 5, 124, li. Sp., "B. Tracking Mode", letzter Abs.). Das betrifft aber - im Hinblick auf die noch zu erläuternde ohnehin gebotene Mittelwertbildung - nicht den Gesichtspunkt der Synchronisation, wie der Sachverständige D. erläutert hat. Im Übrigen geht auch die A 5 bei ihren Darlegungen - ungeachtet der genannten Kritik - von einer Anordnung der Präambel in der Mitte des Normalbursts aus, wie sich für den Fachmann insbesondere aus der Darstellung der Struktur des Normalbursts in der Figur 1 ergibt, auf die im Fließtext bereits zu Anfang unter der Überschrift "Transmission Characteristics" hingewiesen wird (A 5, 122, re. Sp.).

Soweit schließlich die Beklagte und der Sachverständige O. damit ar- gumentieren, dass die erfindungsgemäße "Normalbetriebs-Feinsynchronisation" nur möglich sei, weil erfindungsgemäß schon bei der Anfangssynchronisation nicht nur eine Frequenz- und Rahmen-Grobsynchronisation (Merkmale 1.1 und 1.2), sondern auch jeweils eine Feinsynchronisation (Merkmale 1.3 und 1.4) stattfinde, führt auch dies nicht weiter. Die Frequenz-Feinsynchronisation mit Hilfe des Frequenzkorrekturbursts und die Rahmen-Feinsynchronisation mit Hilfe des Synchronisationsbursts müssen notwendig durchgeführt werden, und dazu stellt sie, wie auch die Beklagte 41 ausführt, der Standard zur Verfügung. Auch wenn d'Avella explizit nur eine vorherige Grobsynchronisation voraussetzt, ohne diese weiter zu beschreiben (vgl. A 5, 122, re. Sp.), ist aus fachlicher Sicht eindeutig, dass die "implizite Aufrechterhaltung der Frequenz- und Rahmen-Feinsynchronisation" der - konventionellen - Nutzung des Frequenzkorrekturbursts und des Synchronisationsbursts zu ihrer Herstellung nachfolgt (vgl. Frank/Koch, K 25a, 43, re. Sp. und dazu Gutachten O. Rn. 234, 243).

Der Fachmann ließ sich schließlich bei seinen Überlegungen, ob er die Trainingssequenz der Normalbursts bei der Rahmensynchronisation und Frequenz-Feinsynchronisation während des Normalbetriebs verwenden soll, auch von dem Umstand leiten, dass der Normalburst in wesentlich kürzeren Abständen als der Synchronisationsburst oder der Frequenzkorrekturburst empfangen wird und damit häufiger ausgewertet werden kann, wie von der Klägerin zu 2 in der Berufungserwiderung im Einzelnen dargelegt und von der Beklagten nicht in Abrede gestellt worden ist. Zudem kann die Auswertung der Trainingssequenz mehrerer Normalbursts die Schätzgenauigkeit von Schätzungen aufgrund der Synchronburst-Präambel übertreffen (Gutachten S. 5). Soweit die Beklagte einwendet, dass die Normalburst in geringeren zeitlichen Abständen empfangen würden, als nach den GSM-Empfehlungen die Rahmenlage nachgeführt werden dürfe (A 7, S. 4, Nr. 6.2), kann darin mit dem gerichtlichen Sachverständigen D. kein Hindernis für den Fachmann gese- hen werden, die Rahmen-Feinsynchronisation im Normalbetrieb durch Auswertung der Trainingssequenz des Normalbursts vorzunehmen, da für die Rahmensynchronisation sinnvollerweise nicht der einzelne Normalburst, sondern - nicht anders als beim Frequenzversatz, bei dem für das Nachstellen des Oszillators bei d'Avella über 100 Zeitschlitze gemittelt wird (A 5, S. 127, re. Sp.) und für den auch im Gutachten O. (Rn. 77 f.) darauf hingewiesen wird, dass der Oszillator nicht an jeden Burst oder jeden Zeitschlitz angepasst werden dürfe, weil diese unter anderem mit teilweise gravierenden Dopplereffekten behaftet seien - der Mittelwert einer Vielzahl von Normalbursts herangezogen wird, wodurch ein stärkerer Rahmenversatz bei einzelnen Bursts ausgeglichen werden kann. 43 b) In der A 5 wurde dem Fachmann zudem - entsprechend Merkmal 2.2 - eine frequenzkorrigerende Datensignalvorverarbeitung mit einem Frequenzkorrekturwert offenbart, der aus aktuellen Frequenzmessungen ermittelt wird. Denn aus der Entgegenhaltung geht hervor, dass die Anpassung des Empfängers an veränderliche Kanalstoßantworten und Frequenzverschiebungen im Tracking Modus ("Tracking Mode") durch einen Optimal-Filter ("Matched Filter") und einen Viterbi-Prozessor erfolgen könne, wobei die Phasenadaption, wie auch aus Figur 2 der A 5 ersichtlich, unmittelbar vor dem Viterbi-Prozessor ausgeführt wird, um die Gesamtverzögerung der Schleife zu minimieren (A 5, 124, li. Sp.). Dass dies durch eine zentrale Steuereinheit erfolgen kann, ist zwar nicht ausdrücklich in der A 5 beschrieben, erschließt sich dem Fachmann jedoch aufgrund seines Fachwissens, wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat.

Die A 5 lehrte den Fachmann zudem, dass der von Ungerboeck stammende, einen Optimal-Filter und einen modifizierten Viterbi-Prozessor umfassende MLSE-Empfänger besonders gut geeignet sei. Bei einer solchen Anordnung werden, wie in der A 5 weiterhin erläutert und in Figur 2 gezeigt wird, dem Viterbi-Prozessor die aktuellen Daten frequenzkorrigiert zugeführt. Denn die Phasenanpassung erfolgt dabei unmittelbar vor dem Viterbi-Prozessor, wobei der Frequenzversatz während des Bursts aus der Phasendifferenz zwischen den Endpunkten geschätzt wird (A 5, 124, li. Sp., Abs. 3). Für den Fachmann ergab sich daraus zugleich die Erkenntnis, dass die aktuellen Daten dem Entzerrer bereits frequenzkorrigiert zugeführt werden können. Das gilt selbst dann, wenn - entsprechend den Ausführungen des Parteigutachters O. - angenommen wird, dass ein Viterbi-Prozessor nicht ohne einen Opti- malfilter als Entzerrer eingesetzt werden kann und diese beiden Bauteile deshalb als Einheit angesehen werden müssen (Gutachten O. Rn. 261). Denn dies ändert nichts an dem Umstand, dass auch bei dem in Figur 2 gezeigten Ungerboeck-Empfänger die Entzerrung unter Verarbeitung frequenzkorrigierter Daten erfolgt, woraus für den Fachmann die allgemeine Erkenntnis folgt, dass dem Entzerrer die Daten bereits frequenzkorrigiert zugeführt werden können. Die Zuführung der frequenzkorrigierten aktuellen Daten beim Ungerboeck-Empfänger unmittelbar vor dem 44 Viterbi-Prozessor ist allein auf den sich bei dieser besonderen Ausführungsform ergebenden Gesichtspunkt zurückzuführen, dass dadurch die Gesamtverzögerung der Schleife minimiert werden soll (A 5, 124, li. Sp., Abs. 3). Die auf Verzerrer im Allgemeinen bezogene Erkenntnis des Fachmanns, diesem die aktuellen Daten bereits frequenzorientiert zuzuführen, bleibt davon unberührt.

4. Merkmalsgruppe 4 Wie bereits ausgeführt, schreiben die GSM-Empfehlungen vor, dass das Mobilfunktelefon nach Empfang eines "Handover"-Befehls innerhalb von 120 ms zur Übergabe unter Einhaltung der genannten Anforderungen an die Genauigkeit der Frequenz- und Zeitsynchronisation bereit sein soll (A 7 unter 6.8). Um diese Vorgabe erfüllen zu können, enthalten die GSM-Empfehlungen zudem den Hinweis, dass die Mobilstation den Zeittakt der benachbarten Basisstationen, die sie überwacht, mit einer Genauigkeit von ± 1 Bitperiode beibehalten muss (A 7 "Note" nach 6.8.). Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Aufsynchronisation im Sinne des Streitpatents, das unter diesem Begriff eine Synchronisation eines Mobilfunktelefons auf umgebende Nachbarzellen während des Normalbetriebes versteht (Sp. 5 Rn. 26).

Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass es insoweit erforderlich ist, während des Normalbetriebs eine Rahmen-Grobsynchronisation und eine Rahmen-Feinsynchronisation auf umgebende Feststationen durchzuführen. Einer Frequenz-Feinsynchronisation habe es aber nicht bedurft, weil benachbarte Basisstationen aufgrund des GSM-Standards stets zueinander frequenzsynchronisiert seien. Es sei erstmals die Idee des Streitpatents gewesen, bei der Aufsynchronisation auch eine Frequenz-Feinsynchronisation anhand des jeweiligen Synchronisationsbursts der Nachbarzellen durchzuführen. Damit könne das Mobilfunktelefon, wenn es einen Handover-Befehl von der Basisstation erhalte, nahtlos auf eine der Nachbarzellen wechseln, also ohne zunächst die Frequenz-Feinsynchronität herstellen zu müssen. Dadurch werde letztlich die vom GSM-Standard vorgegebene Zeit von 120 ms nach 46 dem Wechsel zur Nachbarzelle, in der das Mobilfunktelefon wieder senden können muss, unterboten.

Der Argumentation der Beklagten kann nicht gefolgt werden. Der Fachmann, der die Vorgaben der GSM-Empfehlungen praktisch umsetzen wollte, konnte dem Überblickaufsatz von Hodges den Hinweis entnehmen, dass zur Aufsynchronisation der Synchronisationskanal benachbarter Feststationen abgehört wird, um sich auf diese zu synchronisieren (A 9, 41, re. Sp., Abs. 2). Synchronisationskanäle werden, so wird in derselben Entgegenhaltung an anderer Stelle erläutert, für die Rahmensynchronisation verwendet (A 9, 35, li. Sp.). Zudem ist der A 9 zu entnehmen, dass der Burst für die zeitliche Synchronisation der Synchronisationsburst ist (A 9, 35, re. Sp.).

Wurde dem Fachmann mithin in der A 9 offenbart, den Synchronisationsburst bei der Aufsynchronisation für die Rahmen-Synchronisation zu verwenden, musste sich ihm die Frage stellen, wie er mit der Frequenz-Feinsynchronisation umgehen sollte. Dabei hatte er zu beachten, dass gemäß den GSM-Empfehlungen nach einem Handover-Befehl die Sendebereitschaft innerhalb von "nur" 120 ms wiederhergestellt sein muss. Um einen entsprechend schnellen und störungsfreien Übergang zu ermöglichen bot es sich für den Fachmann an, den Synchronisationsburst nicht nur zur zeitlichen, sondern auch zur frequenzmäßigen Synchronisation des Mobilfunktelefons auf benachbarte Feststationen zu verwenden, zumal ihm aufgrund seines Fachwissens bekannt war, dass aufgrund jedes beliebigen Bursts mit bekannter Trainingssequenz Informationen zur Frequenzsynchronisation ermittelt werden können. Sich hinsichtlich der Frequenz-Feinsynchronisation allein auf die standardmäßig festgelegten Frequenzsynchronisation zwischen der Feststation und den Nachbarstationen zu verlassen, war aus Sicht des Fachmanns keine gleichwertige Alternative, weil dadurch ein Wechsel der Feststation nach einem "Handover" nicht gleichermaßen nahtlos durchgeführt werden kann, wie auch der gerichtliche Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung ausgeführt hat.

Dass es für den Fachmann auch selbstverständlich ist, die für die Zellüberschreitung notwendigen Synchronisationsparameter, das heißt Rahmen- und Frequenzversatz, für die umliegenden Nachbarzellen zu ermitteln, folgt aus den entsprechenden obigen Erläuterungen zur Rahmen-Feinsynchronisation und zur Frequenz-Feinsynchronisation im Rahmen der Anfangssynchronisation.

5. Patentansprüche 2 bis 13 Dass die Gegenstände der auf Patentanspruch 1 unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 13 des Streitpatents (soweit diese nicht mit Patenanspruch 1 zur hilfsweisen Verteidigung verbunden und insoweit bereits vorstehend behandelt wurden) eine andere Beurteilung der Patentfähigkeit erfordern, ist von der Beklagten nicht dargetan worden und auch sonst nicht ersichtlich. 51 IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.

Meier-Beck Grabinski Hoffmann Deichfuß Kober-Dehm Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 12.05.2010 - 5 Ni 109/09 (führend), 5 Ni 128/09 (EU) hinzuverbunden - 54






BGH:
Urteil v. 22.10.2013
Az: X ZR 103/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d88c46747906/BGH_Urteil_vom_22-Oktober-2013_Az_X-ZR-103-10




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