Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Oktober 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 180/02
(BPatG: Beschluss v. 22.10.2003, Az.: 28 W (pat) 180/02)
Tenor
Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 29 des DPMA vom 1. Juli 2001 und vom 16. Juli 2002 aufgehoben, soweit der Widerspruch auch für die Waren
"auf Fett basierende Zubereitungen für Brot, feine Backwaren und Teig und daraus bestehende Produkte, Mehle und Getreidepräparate, Brot und Brotprodukte, Brötchen süßer und pikanter Geschmacksrichtung, feine Backwaren und Konditorwaren, Zutaten für feine Backwaren und Konditorwaren"
zurückgewiesen worden ist.
Insoweit wird wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 046 082 die Löschung der Marke 397 11 105 angeordnet.
Gründe
I.
Eingetragen für eine Vielzahl von Waren der Klassen 29 und 30, unter anderem aus dem Bereich der Back- und Getreideerzeugnisse, ist seit dem 16. Juni 1997 die Wortmarke 397 11 105 ÄHRENSTARK.
Widerspruch eingelegt hat die Inhaberin der ebenfalls für diverse Back- und Getreidepräparate der Klassen 29 und 30 geschützten Marke 2 046 082 siehe Abb. 1 am Endedie seit dem 30. September 1993 eingetragen ist.
Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch zurückgewiesen, weil keine Gefahr von Verwechslungen zwischen beiden Marken bestehe. Auch vor dem Hintergrund teils identischer, teils sehr ähnlicher Waren hielten die Marken im Gesamteindruck den erforderlichen Abstand ein. Die Widerspruchsmarke werde nicht durch den identischen Bestandteil "ÄHRENSTARK" geprägt, weil dieser beschreibende Anklänge aufweise, die den Verkehr davon abhielten, die Firmenkennzeichnung der Widerspruchsmarke wegzulassen und die Marke allein danach zu benennen. Auf die Benutzungslage käme es daher nicht an.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die weitere Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung ihrer Marke einreicht und rügt, dass die Markenstelle nicht ausreichend die normale Kennzeichnungskraft des Bestandteils "ÄHRENSTARK" berücksichtigt habe, der durchaus als Kenn- und Merkwort in der Widerspruchsmarke diene.
In der mündlichen Verhandlung hat die Widersprechende ihren Widerspruch beschränkt und beantragt sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und auf den Widerspruch die Löschung der angegriffenen Marke für die Waren "auf Fett basierende Zubereitungen für Brot, feine Backwaren und Teig und daraus bestehende Produkte, Mehle und Getreidepräparate, Brot und Brotprodukte, Brötchen süßer und pikanter Geschmacksrichtung, feine Backwaren und Konditorwaren, Zutaten für feine Backwaren und Konditorwaren" anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält ihre Nichtbenutzungseinrede aufrecht, weil keine markenmäßige Verwendung der Widerspruchsmarke dargetan sei. Im übrigen schließt sie sich den Ausführungen der angefochtenen Beschlüsse an und verweist auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage der Verwechslungsgefahr bei Kombinationszeichen, die aus einer Firmen- und einer lediglich kennzeichnungsschwachen Produktkennzeichnung zusammengesetzt sind. Die Bezeichnung "Ährenstark" werde lediglich als Hinweis auf die Brotqualität verstanden, zumal sie durch Verwendung von Ausrufezeichen und Unterstreichungen als werbemäßige Anpreisung eingesetzt sei. Daher trete die in Größe und Anordnung optisch herausgehobene Firmenkennzeichnung "AGRANO" in der Widerspruchsmarke nicht in dem Umfang zurück, wie die Widersprechende angenommen habe.
II.
Die auf die im Tenor aufgeführten Waren beschränkte, zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet, da die Vergleichsmarken insoweit verwechselbar ähnlich im Sinne von § 9 Abs.1 Nr. 2 MarkenG sind.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, wobei von einer Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen ist .
Was die Warenlage betrifft, ist von der Markeninhaberin die Benutzung der Widerspruchsmarke in zulässiger Weise bestritten worden. Nach Auffassung des Senats hat die Widersprechende eine Benutzung gemäß § 26 Abs. 2 MarkenG jedenfalls für die in der eidesstattlichen Versicherung aufgeführten Waren "Fertigmix-Produkte, Halbmix-Produkte, Backmittel" hinreichend glaubhaft gemacht. Die von der Markeninhaberin gegen eine markenmäßige Verwendung erhobenen Bedenken greifen nicht durch. In den eingereichten Verwendungsbeispielen ist zwar der Bestandteil "Ährenstark" nicht immer entsprechend der eingetragenen Form unter der Firmenkennzeichnung angebracht, sondern auch daneben oder darüber. Dadurch ist aber der kennzeichnende Charakter im Sinne von § 26 Abs. 3 MarkenG nicht verloren gegangen. Vielmehr ist hierfür entscheidend, ob beide Formen in ihrer Kennzeichnungskraft übereinstimmen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7.Aufl. 2003, § 26 Rdn. 154 m.w.N.). Nachdem der streitige Bestandteil "Ährenstark" in den Verwendungsbeispielen weder in Größe oder Lesbarkeit entscheidend zurücktritt, bleibt die Widerspruchsmarke in ihrer Kennzeichnungskraft unverändert, zumal damit zu rechnen ist, dass die Abweichungen vom Publikum gar nicht bewusst wahrgenommen werden, was für eine rechtserhaltende Benutzung spricht (vgl. Ströbele/Hacker a.a.O., Rdn. 161).
Auch die Verwendung der Widerspruchsmarke unter Hinzufügung weiterer markenmäßig herausgestellter Bezeichnungen wie "Crusta/S", "Bäckerlob", "POMSTICKS", "PomPan" oder "Kutscherbrot" schließt die rechtserhaltende Benutzung nicht aus, da es sich hierbei ersichtlich um zulässige Mehrfachkennzeichnungen handelt, die die Einzelwaren identifizieren. Gegenüber diesen ist jedenfalls die Widerspruchsmarke gerade durch ihre Anordnung darüber auch so herausgestellt, dass sie als selbständiger betrieblicher Herkunftshinweis verstanden wird. Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin spielt es keine Rolle, ob in der konkreten Benutzung der Bestandteil "Ährenstark" in den Hintergrund tritt oder als reine Werbeanpreisung verstanden wird. Entscheidend ist vielmehr, dass die Widerspruchsmarke insgesamt nicht in ihrem Charakter verändert wird, was hier zu bejahen ist.
Hinsichtlich der benutzten Waren stehen sich identische bzw. hochgradig ähnliche Produkte gegenüber, was auch von der Markeninhaberin nicht in Abrede gestellt wird. Deshalb ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ein eher strenger Maßstab anzulegen, auch wenn sich sämtliche Waren nach dem Vorbringen der Beteiligten nur an gewerbliche Abnehmer und damit Fachverbraucher richten. Der danach erforderliche deutliche Abstand zur älteren Widerspruchsmarke wird von der jüngeren Marke nicht mehr eingehalten.
Zwar werden die Marken in ihrer Gesamtheit wegen der deutlich unterschiedlichen Länge nicht miteinander verwechselt werden und genau so wenig kann eine Verwechslungsgefahr allein schon aus dem Umstand abgeleitet werden, dass die sich gegenüberstehende Marken identische Bestandteile aufweisen, so dass die Gefahr von Verwechslungen, wie auch die Beteiligten richtig erkannt haben, nur dann in Betracht kommt, wenn der jüngeren Marke der Bestandteil "Ährenstark" der Widerspruchsmarke isoliert kollisionsbegründend gegenübergestellt wird.
Grundsätzlich wird einer Marke durch ihre Eintragung Schutz nur in der eingetragenen Form gewährt, da im Eintragungsverfahren nur die Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke in ihrer Gesamtheit geprüft wird. Daraus folgt jedoch nicht, dass bei der Prüfung der Gefahr von Verwechslungen zwischen einer jüngeren Marke und einer älteren Widerspruchsmarke ausnahmslos von der jeweiligen Marke in ihrer Gesamtheit auszugehen ist. Maßgebend ist vielmehr jeweils der Gesamteindruck der betreffenden Marke, der in Ausnahmefällen vorrangig auch durch einen von mehreren Bestandteilen bestimmt werden kann. Kollisionsbegründend ist ein solcher Bestandteil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann, wenn er den Gesamteindruck der Marke dergestalt prägt, daß neben ihm ein weiterer oder mehrere andere Bestandteile in den Hintergrund treten.
Setzt sich eine Marke - wie hier die Widerspruchsmarke - aus einer Herstellerangabe und einem weiteren Bestandteil zusammen, so ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Herstellerangabe etwa deshalb in den Hintergrund tritt, weil die angesprochenen Verkehrskreise sich vorrangig an einer in der Marke neben der Herstellerangabe enthaltenen weiteren Bezeichnung orientieren. Als maßgebliche Kriterien für die Beurteilung dieser Frage kommt es neben der Bekanntheit oder zumindest Erkennbarkeit des Firmennamens der Widersprechenden auch auf die Kennzeichnungskraft des neben diesem in der Widerspruchsmarke enthaltenen Bestandteils sowie die Bezeichnungsgewohnheiten auf dem maßgeblichen Warensektor an (BGH GRUR 2002, 342 "Astra/Estra Puren" mwNachw.).
Dass vorliegend der Firmenname der Widersprechenden gerade für die hier betroffenen Fachkreise ohne weiteres erkennbar, wenn nicht sogar bekannt ist, wird auch von der Markeninhaberin nicht bestritten; soweit sie allerdings aus diesem Umstand sowie der optischen Gestaltung der Widerspruchsmarke schließt, dass schon deshalb der weitere Bestandteil "Ährenstark" den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke nicht prägen könne, ist das für den Senat nicht nachvollziehbar. Eine solche Beurteilung käme nur dann in Betracht, wenn sich die angesprochenen Verkehrskreise auf dem hier relevanten Warengebiet bei aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzten Marken tatsächlich ausschließlich an der Unternehmensbezeichnung orientieren oder dieser gegenüber anderen Warenkennzeichnungen eine vergleichsweise stärkere Bedeutung zumessen würden. Dies ist im vorliegenden Fall weder geltend gemacht worden noch anderweitig ersichtlich. Ansonsten ist die Prägungswirkung abhängig von der Kennzeichnungskraft der jeweils gewählten Produktbezeichnung; je griffiger und einschlägiger die Produktmarke ist, um so mehr tritt die Herstellerangabe als überflüssig in den Hintergrund. Bei aus Firmen- und Produktkennzeichnung kombinierten Marken erhält in diesen Fällen die kennzeichnungskräftige Produktbezeichnung dann Vorrangstellung und wird vom Verkehr als die eigentliche Warenkennzeichnung angesehen mit der Folge, dass in markenregisterrechtlicher Sicht dieser Bestandteil damit den Gesamteindruck der Marke prägt. So liegen die Dinge auch hier, da es sich bei dem in beiden Marken identischen Wort "Ährenstark" um einen im Kontext der beanspruchten Waren reinen Phantasiebegriff handelt, der sich aufgrund seiner Kürze und Prägnanz durchaus als Produktkennzeichnung eignet und vom Verkehr auch entsprechend aufgegriffen wird. Hierfür spricht zunächst, dass die angegriffene Marke ohne diesbezügliche Beanstandung eingetragen worden ist. Darüber hinaus ist aber auch nicht ersichtlich, welcher beschreibende Anklang darin enthalten sein soll. Die Behauptung der Markeninhaberin sowie der Markenstelle, es handele sich lediglich um einen schlagwortartigen und werbewirksamen andeutenden Hinweis auf die besondere Qualität, ist rein spekulativ. Zum einen ist der Sinngehalt des Wortes reichlich diffus, zumal es lexikalisch nicht nachweisbar ist. Selbst wenn die Verkehrskreise - nach einer Reihe von gedanklichen Schritten - zu der Vorstellung gelangen sollten, zur Herstellung der Widerspruchswaren seien widerstandsfähige oder vielleicht auch besonders kornhaltige Ähren verwendet worden, lässt sich hieraus kein für die Abnehmer bedeutsamer Umstand erkennen. Jedenfalls hat die Markeninhaberin dies für die betroffenen Backmischungen und Backmittel nicht behauptet. Auch wenn man dem streitigen Bestandteil eine Werbeanpreisung mit dem Sinngehalt wie etwa "bärenstark" entnehmen wollte, so wäre sie doch zweifellos sprachunüblich und damit fantasievoll, womit dem Wort zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft zuzubilligen ist.
Für den Senat bestehen daher keine Bedenken, diesen Bestandteil der Widerspruchsmarke isoliert kollisionsbegründend heranzuziehen, so dass sich identische Markenwörter gegenüberstehen, was angesichts der Warensituation zwangsläufig zur Annahme einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr führt.
Bei dieser Sach- und Rechtslage konnte die Beschwerde der Markeninhaberin keinen Erfolg haben. Zu einer Kostenentscheidung besteht keine Veranlassung, MarkenG § 71.
Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Bb Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/D105579.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 22.10.2003
Az: 28 W (pat) 180/02
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