Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Februar 2009
Aktenzeichen: 10 W (pat) 40/06

(BPatG: Beschluss v. 26.02.2009, Az.: 10 W (pat) 40/06)

Tenor

1.

Der Beschluss des Deutschen Patentund Markenamts -Prüfungsstelle 32/EP -vom 25. November 2005 wird aufgehoben.

2.

Der Patentinhaberin wird Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der 10. Jahresgebühr ohne Zuschlag gewährt.

3.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Auf eine Anmeldung vom 28. Januar 1993 wurde vom Europäischen Patentamt (EPA) das Patent EP 0 554 197 mit Wirkung für Deutschland erteilt. Das Patent trägt in der deutschen Übersetzung die Bezeichnung "Überwachungsvorrichtung mit bewegbarer Kamera" und wird vom Deutschen Patentund Markenamt (DPMA) unter dem Aktenzeichen 693 05 192.2-08 geführt. Am 3. April 2002 zahlte die Patentinhaberin die 10. Jahresgebühr (350 €). Das DPMA versandte an die Patentinhaberin ein Schreiben vom 11. Juni 2002 des Inhalts, dass die 10. Jahresgebühr nicht innerhalb der zuschlagfreien Zahlungsfrist gezahlt worden sei, weshalb das Patent erlösche, wenn nicht bis zum 31. Juli 2002 zusätzlich der Verspätungszuschlag in Höhe von 50 € entrichtet werde. Nachdem keine weitere Zahlung eingegangen war, wurde in der Akte des Patentamts das Erlöschen des Patents zum 1. August 2002 festgehalten. Die Patentinhaberin, die davon keine Nachricht erhielt, zahlte am 10. März 2003 die Gebühr für die 11. Jahresgebühr ein. Durch Mitteilung vom 4. Februar 2004 wurde sie davon benachrichtigt, dass die Zahlungen für die 10. und für die 11. Jahresgebühr wegen Erlöschens des Patents ohne Rechtsgrund erfolgt seien und daher zurückerstattet würden. Im Patentregister wurde das Erlöschen des Patents unter dem Datum des 29. Januar 2004 erfasst.

Die Patentinhaberin beantragte am 3. März 2004 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die Frist zur Zahlung der 10. Jahresgebühr. Zur Begründung machte sie geltend, sie habe erst durch das Schreiben vom 4. Februar 2004 Kenntnis von der Fristversäumung erhalten. Die Jahresausschlussfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG sei nicht verletzt, auch wenn bis zum 31. Juli 2003 kein förmlicher Wiedereinsetzungsantrag gestellt worden sei. Ein solcher förmlicher Antrag sei nämlich nicht erforderlich, wenn sich aus der Akte eine klare Absichtserklärung zur Aufrechterhaltung der Anmeldung ergebe. Alle anderen Erfordernisse für eine Wiedereinsetzung könnten auch später erfüllt werden. Hier sei die Absichtserklärung in der Zahlung der 11. Jahresgebühr zu sehen.

Der Wiedereinsetzungsantrag sei auch begründet. Die Überweisung der 10. Jahresgebühr sei zunächst fehlgeschlagen. Der entsprechende Betrag sei dann erneut am 28. März 2002 überwiesen worden. Die Gutschrift auf dem Konto des DPMA sei dann aber anscheinend erst am 3. April 2002 erfolgt. Die Buchhalterin Frau K..., eine zuverlässige und in regelmäßigen Abständen überwachte Mitarbeiterin, sei damals in gutem Glauben davon ausgegangen, dass mit der Überweisung alle Probleme behoben gewesen seien.

Zur Glaubhaftmachung legte die Patentinhaberin eine eidesstattliche Versicherung von Frau K... vor. Diese bekundet darin u. a., ihr sei zum damaligen Zeitpunkt nicht bewusst gewesen, dass möglicherweise durch die Verspätung der Überweisung eine Frist versäumt werden konnte. Sie sei in dem Zeitraum allerdings auch wegen eines Krankenhausaufenthalts ihres Mannes einer psychischen Belastung ausgesetzt gewesen. Wenn sie sich damals besser gefühlt hätte, wäre ihr die Gefahr der Situation wohl eher bewusst gewesen.

Der Wiedereinsetzungsantrag wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle 32/EP des DPMA vom 25. November 2005 zurückgewiesen. In seiner Begründung stellt der Beschluss auf die Versäumung der Jahresausschlussfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG ab. Diese Frist laufe unabhängig von der Kenntnis des Säumigen und könne nicht verlängert werden. Die Berücksichtigung von Billigkeitsgründen sei nicht möglich. Auch sei in der fristgemäßen Zahlung der 11. Jahresgebühr keine klar dokumentierte Absichtserklärung für die Aufrechterhaltung des Patents zu sehen, weil die Gebührenzahlungen regelmäßig nicht aktenkundig gemacht würden.

Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin. Sie beantragt,

-den angefochtenen Beschluss aufzuheben,

-Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die verspätete Zahlung der 10. Jahresgebühr ohne Zuschlag zu gewähren,

-die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.

Am 17. Juli 2008 hat der Senat eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Schriftsätzlich sowie in der mündlichen Verhandlung trägt die Patentinhaberin zur Begründung ihrer Beschwerde vor, bereits in der verspäteten Zahlung der 10. Jahresgebühr sei ein konkludenter Wiedereinsetzungsantrag zu sehen. Zu berücksichtigen sei auch, dass sie den Gebührenbetrag zeitgleich mit der ersten fehlgeschlagenen Überweisung in eine Einzahlungsliste eingetragen und diese Liste samt einem Quittungsvordruck über den Betrag von 350 € dem DPMA zugesandt habe. Die Absicht der Gebührenzahlung sei auch deshalb für das DPMA erkennbar gewesen. Schon aus Gründen des Vertrauensschutzes sei die Praxis des Patentamts, Quittungen auch dann abzustempeln, wenn noch gar kein Zahlungseingang vorliege, sehr fragwürdig.

In der Kanzlei der Vertreter der Patentinhaberin sei für die Fristenüberwachung die Bürovorsteherin Frau W... zuständig gewesen. Die Fristen seien auf Karteikarten notiert worden. Es sei dann auf Grund dieser Notierungen eine Einzahlungsliste generiert worden. Die Streichung einer Frist sei erfolgt, nachdem die Zahlung des jeweiligen Betrages angewiesen worden sei. Im Fall fehlgeschlagener Überweisungen sei man durch die Bank informiert worden; es sei dann sofort ein erneuter Zahlungsvorgang eingeleitet worden. Für kritische Fälle habe es die Anweisung gegeben, in besonderer Weise auf die fristgerechte Zahlung zu achten, wobei es für alle Beteiligten selbstverständlich gewesen sei, dass es bei Überweisungen auf den Tag des Zahlungseingangs ankomme. Die Fristenkontrolle habe in solchen kritischen Fällen den Anwälten oblegen, nach deren Anweisungen Frau K... die Formalitäten selber zu erledigen gehabt habe. Sie hätte im vorliegenden Fall Frau W... mitteilen müssen, dass die Überweisung fehlgeschlagen und die Streichung der Gebührenzahlungsfrist wieder rückgängig zu machen sei. Es hätte dann eine Bareinzahlung auf das Konto des Patentamts erfolgen müssen. Da im vorliegenden Fall die Mitteilung an Frau W... unterblieben sei, habe diese vom Fehlschlagen der ersten Überweisung keine Kenntnis gehabt.

Frau K... sei für ihre Aufgaben schon bei Beginn ihrer Tätigkeit im Jahr 1993 und in der Folgezeit eingehend und sorgfältig instruiert worden. U. a. seien ihr die besonderen Sorgfaltspflichten bei Zahlungen kurz vor Fristablauf und die in solchen Notfällen angezeigten speziellen Zahlungswege zur Kenntnis gebracht worden. Auch habe grundsätzlich die Weisung bestanden, dass sich Frau K... über den Zahlungseingang der fristgebundenen Gebühren zu informieren hatte. Dies sei auch erfolgt, teilweise über die eigenständige Kontrolle der Zahlungsbelege bei einer Bareinzahlung, ggf. auch durch Kontrollanrufe beim Patentamt. Frau K... habe in ihrer etwa zehnjährigen Tätigkeit stets gewissenhaft und sorgfältig gearbeitet. Es habe bis zum vorliegenden Fall nie eine Fristversäumnis durch eine verspätete Zahlung gegeben. Vorliegend habe sie wegen der Erkrankung ihres Mannes die Überweisungsliste zu lange liegen lassen und sich beim DPMA nicht nach der Rechtzeitigkeit der Zahlung erkundigt.

Zum Zwecke der Glaubhaftmachung dieses Vortrags sind in der mündlichen Verhandlung die präsenten Zeugen, der seinerzeit in der Kanzlei tätige Patentanwalt L... sowie die damalige Buchhalterin Frau K..., vernommen worden. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 17. Juli 2008.

Auf die mündliche Verhandlung hat der Senat einen Beschluss gemäß § 77 PatG erlassen und dem Präsidenten des DPMA den Beitritt zum Beschwerdeverfahren anheimgestellt. In dem Beschluss wird die Frage aufgeworfen, ob der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag trotz Versäumung der Jahresausschlussfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG zulässig ist. Der Präsident des DPMA hat seinen Beitritt erklärt und sich dafür ausgesprochen, von dieser Frist hier keine Ausnahme zu machen. Die Patentinhaberin hat dem widersprochen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg und führt -unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses -zu der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Von einer Anordnung der Rückerstattung der Beschwerdegebühr hat der Senat jedoch abgesehen.

1.

Der angefochtene Beschluss des Patentamts leidet an einem formalen Fehler, weil er entgegen § 27 Abs. 1 Nr. 2 PatG nicht von der Patentabteilung, sondern von der Prüfungsstelle erlassen worden ist. Dieser Fehler führt aber weder zur Nichtigkeit noch zwingend zur Aufhebung des Beschlusses. Vielmehr kann der Senat angesichts der bestehenden Entscheidungsreife in der Sache selbst entscheiden (Busse, PatG, 6. Aufl., § 27 Rn. 67).

2.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der zuschlagfreien 10. Jahresgebühr ist statthaft, weil die Patentinhaberin diese Frist versäumt hat und deshalb einem gesetzlichen Rechtsnachteil unterliegt.

Die Jahresgebühr war -ausgehend vom Anmeldetag 28. Januar 1993 -am 31. Januar 2002 fällig geworden (§ 3 Abs. 2 Satz 1 PatKostG). Sie hätte bis Ende März 2002 zuschlagfrei gezahlt werden können (§ 7 Abs. 1 Satz 1 PatKostG). Da der 31. März 2002 ein Sonntag (Ostersonntag) und der 1. April 2002 ein Feiertag (Ostermontag) war, verschiebt sich bei Anwendung der Regelungen des § 222 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 193 BGB (hierzu Busse, a. a. O., § 7 PatKostG Rn. 7 i. V. m. § 6 PatKostG Rn. 7) das Fristende auf Dienstag, 2. April 2002. Die Patentinhaberin hat die Gebühr (ohne Zuschlag) erst am Mittwoch, den 3. April 2002, und somit verspätet eingezahlt.

Weil es hier gemäß dem Antrag der Patentinhaberin um die zuschlagfreie Jahresgebühr geht, bestand der mit der Fristversäumung verbundene Rechtsnachteil zunächst darin, dass die Patentinhaberin zu der verspätet überwiesenen Gebühr einen Verspätungszuschlag hätte zahlen müssen. Der weitere (und eigentliche) Rechtsnachteil ergab sich aber daraus, dass das Patent, nachdem der Zuschlag nicht gezahlt worden war, gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 PatG erlosch.

3. Die Wiedereinsetzung ist nicht wegen Versäumung der Jahresausschlussfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG ausgeschlossen.

a) Weil es hier um die zuschlagfreie Gebühr geht, lief diese Jahresfrist Ende März 2003 ab. Bis zu diesem Datum hatte die Patentinhaberin weder einen ausdrücklichen noch einen konkludenten Wiedereinsetzungsantrag gestellt.

Soweit die Patentinhaberin geltend macht, bereits in der verspäteten Zahlung der 10.

Jahresgebühr am 3. April 2002 sei in Zusammenhang mit der dem DPMA übersandten Einzahlungsliste ein konkludenter Wiedereinsetzungsantrag zu sehen, kann dem nicht zugestimmt werden. Bei Verallgemeinerung dieser Auffassung müsste in jedem Fall einer verspäteten Verfahrenshandlung automatisch eine Wiedereinsetzung geprüft werden, was im Widerspruch zum Antragserfordernis des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG stünde. Dieses setzt voraus, dass sich der Antragsteller überhaupt darüber im Klaren ist, eine Frist versäumt zu haben, und dass er den Weg einer Wiedereinsetzung mit dem Ziel, die nachteiligen Folgen der Fristversäumung wieder zu beseitigen, bewusst beschreitet. Dadurch ist die Möglichkeit eines konkludenten Antrags nicht ausgeschlossen, sofern sich die genannte Zielrichtung aus den Umständen entnehmen lässt. Davon kann hier aber nicht die Rede sein, da die Patentinhaberin nach eigener Aussage mit der Möglichkeit einer Fristversäumung gar nicht gerechnet hatte. Aus demselben Grund kann auch nicht angenommen werden, dass zumindest die Zahlung der 11.

Jahresgebühr am 10. März 2003 einen konkludenten Wiedereinsetzungsantrag beinhalte.

Zu Unrecht beruft sich die Patentinhaberin auf die Kommentarstelle von Schulte, PatG, 8. Aufl., § 123 Rn. 33. Dort heißt es: "Entsprechend ihrem Sinn wird die Jahresfrist bereits gewahrt, wenn die Akte eine klare Absichtserklärung enthält, die Anmeldung aufrechterhalten zu wollen.... Alle weiteren Erfordernisse für eine Wiedereinsetzung können auch später erfüllt werden." Diese Stelle bezieht sich auf eine Entscheidung der Juristischen Beschwerdekammer des EPA vom 22. Oktober 1992 (J 6/90, ABl. 1993, 714 ff.). Nach dem Sachverhalt dieser Entscheidung hatte die Anmelderin vor Ablauf der Jahresausschlussfrist des Art. 122 Abs. 2 Satz 3 EPÜ die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags angekündigt. Diese Ankündigung wertete das EPA bereits als Antrag (Abschnitt 2.5) und stellte sich auf den Standpunkt, dass über diesen Antrag hinaus die weiteren Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung (insbesondere Nachholung der versäumten Handlung, Einreichen einer Antragsbegründung) nicht bereits vor Ablauf der Jahresfrist, sondern lediglich innerhalb der Zweimonatsfrist nach Wegfall des Hindernisses (Art. 122 Abs. 2 Satz 1, 2 EPÜ) vorzuliegen haben (Abschnitt 2.4). Keinesfalls verzichtete die Beschwerdekammer demnach auf das Vorliegen einer als Antragstellung aufzufassenden Verfahrenshandlung, an der es im vorliegenden Fall gerade fehlt.

b) Nach Auffassung des Senats ist auf Grund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles die Jahresausschlussfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG ausnahmsweise nicht anwendbar.

Bei dieser Frist handelt es sich um eine Ausschlussfrist, die der Rechtssicherheit dient und daher grundsätzlich unabhängig von Kenntnis und Verschulden läuft (siehe Schulte, a. a. O., § 123 Rn. 32 m. w. N.). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur entsprechenden Jahresausschlussfrist gemäß § 234 Abs. 3 ZPO ist jedoch anerkannt, dass diese Frist in bestimmten Ausnahmefällen nicht anzuwenden ist, insbesondere wenn die Ursache ihrer Überschreitung nicht in der Sphäre der Partei liegt, sondern allein dem Gericht zuzurechnen ist (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl., § 234 Rn. 12 m. w. N.). Dies soll etwa im Fall einer Versäumung der Berufungsund Berufungsbegründungsfristen dann der Fall sein, wenn das Rechtsmittelgericht innerhalb der Jahresfrist über einen für die Berufungsinstanz gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe entweder nicht entschieden oder die ablehnende Entscheidung dem Antragsteller nicht mitgeteilt und dieser auch sonst keine Kenntnis von der Entscheidung erlangt hat (BGH VersR 2008, 1088). Dabei betont der Bundesgerichtshof den Zweck einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dieses Institut solle in besonderer Weise dazu dienen, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren, weshalb die Verfahrensrechte auf Gewährung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes und auf rechtliches Gehör es geböten, den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren.

Auch wenn es im vorliegenden Fall nicht um eine gegenüber einem Gericht, sondern gegenüber dem Patentamt einzuhaltende Frist geht, so lassen es dennoch die genannten Überlegungen des Bundesgerichtshofs angesichts des Zusammentreffens verschiedener, die Patentanmelderin benachteiligender Umstände, die ihre Ursache in der Sphäre des Patentamts haben, für geboten erscheinen, die Jahresausschlussfrist hier ausnahmsweise nicht anzuwenden.

So ist -nachdem die Mitteilung des DPMA vom 11. Juni 2002 der Patentinhaberin nach deren Angaben nicht zugegangen war -davon auszugehen, dass diese nicht über die verspätete Gebührenzahlung und den drohenden Rechtsverlust informiert wurde. Vor Ablauf der Jahresausschlussfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG wurde sie vom Patentamt auch nicht über das Erlöschen ihres Patents in Kenntnis gesetzt, weder durch Veröffentlichung des Rechtsverlusts im Patentregister, noch durch Rücküberweisung der verspätet gezahlten Gebühr.

Dem Patentamt kann -wie dessen Präsident in seiner Stellungnahme betont diese fehlende bzw. verspätete Information nicht zum Vorwurf gemacht werden, weil das praktizierte Verfahren mit den gesetzlichen Vorschriften durchaus im Einklang steht. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass seit dem Inkrafttreten des Patentkostengesetzes zum 1. Januar 2002 das mit einer verspäteten Gebührenzahlung verbundene Risiko in sehr einseitiger Weise dem Gebührenschuldner auferlegt worden ist. Während nach früherem Gebührenrecht die Zahlungsfrist erst durch die förmliche Zustellung einer Gebührennachricht in Gang gesetzt wurde (vgl. § 17 Abs. 3 Satz 3 PatG a. F.), werden heute lediglich noch Mitteilungen über den drohenden Rechtsverlust formlos verschickt, ohne dass der Gebührenschuldner darauf einen Anspruch hätte. Er wird -anders als im europäischen Verfahren, vgl. Regel 112 EPÜAO -auch nicht unterrichtet, wenn nach unterbliebener oder verspäteter Zahlung das Schutzrecht verlorengeht. In der Regel wird er zwar dadurch Kenntnis von dem Rechtsverlust erhalten, dass eine verspätet gezahlte Gebühr innerhalb von wenigen Wochen oder Monaten an ihn zurückerstattet wird. Jedoch kann sich das im Einzelfall -wie auch hier -über die Jahresfrist hinaus verzögern. Da auch keine Gewähr dafür besteht, dass der Rechtsverlust zeitnah im Patentregister veröffentlicht wird, besteht für den Schutzrechtsinhaber nur die Möglichkeit, sich durch Akteneinsicht oder durch Anfrage beim Patentamt über den Fortbestand seines Patents zu vergewissern. Dies wird er aber nicht tun, wenn er nicht mit der Verspätung seiner Gebührenzahlung zu rechnen braucht.

Wenn der Präsident des Patentamts in seiner Stellungnahme betont, dass ein mit den heutigen Gebührenregelungen konformes Verhalten des Patentamts nicht dazu führen dürfe, eine andere gesetzliche Vorschrift (§ 123 Abs. 2 Satz 4 PatG) auszuhebeln, so ist dem grundsätzlich zuzustimmen. Bei der Gesetzesanwendung dürfen aber auch -gerade in der Zusammenschau der verschiedenen Vorschriften -die genannten Prinzipien des Rechtsschutzes und des rechtlichen Gehörs nicht außer Acht gelassen werden. Dies gilt umsomehr, als das Patentgesetz eine verspätete Gebührenzahlung u. U. mit der denkbar schwerwiegendsten Rechtsfolge, nämlich dem völligen Rechtsverlust, sanktioniert.

Soweit der Präsident des Patentamts weiterhin auf das Interesse der Öffentlichkeit abstellt, die grundsätzlich ein besonderes Interesse daran habe, dass nach Ablauf eines Jahres -unabhängig von Billigkeitsgesichtspunkten -endgültige Sicherheit über das Erlöschen des Patents bestehe, so ist auch dieses Argument im Grundsatz zutreffend. Es gebietet aber nicht, dass die Abwägung zwischen der Rechtssicherheit einerseits und der Einzelfallgerechtigkeit andererseits bei absolut wirkenden Schutzrechten -anders als in zweiseitigen Streitsachen -in jedem Fall zuungunsten des Schutzrechtsinhabers ausfallen muss. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass Dritte, die auf das Erlöschen eines Patents vertrauen und entsprechende Dispositionen getroffen haben, durch das Weiterbenutzungsrecht des § 123 Abs. 5 PatG geschützt werden.

Nicht zugestimmt werden kann dem weiteren Argument des Präsidenten des Patentamts, wonach ohne strikte Beachtung der Jahresausschlussfrist die im Interesse der Öffentlichkeit erforderliche endgültige Rechtssicherheit über den Bestand der Schutzrechte nur gewährleistet werden könne, wenn Mitteilungen über die nicht rechtzeitige Gebührenzahlung förmlich zugestellt würden, was der Gesetzgeber durch die Änderungen im Gebührenwesen gerade habe abschaffen wollen. Für die strikte Beachtung der Jahresausschlussfrist ist es nämlich ausreichend, wenn der Gebührenschuldner auf andere Weise (etwa durch eine vorherige Gebührenrückzahlung) von der Versäumung der Zahlungsfrist Kenntnis erhält; einer förmlichen Mitteilung bedarf es hierzu nicht.

4. Der Wiedereinsetzungsantrag vom 3. März 2004 ist rechtzeitig innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden, § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG. Als Hindernis ist hier die Unkenntnis von dem verspäteten Zugang des für die 10. Jahresgebühr überwiesenen Geldbetrags anzusehen. Dieses Hindernis ist objektiv erst weggefallen, als die Vertreter der Patentinhaberin die Mitteilung vom 4. Februar 2004 erhielten, wonach die 10. und die 11. Jahresgebühr wegen Erlöschens des Patents zurückerstattet würden. Rechtlich ist vom Wegfall des Hindernisses zwar bereits dann auszugehen, wenn sein Fortbestehen nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann (Schulte, PatG, 8. Aufl., § 123 Rn. 27). Es kann aber hier nicht gesagt werden, dass das Nichtwissen von der Fristversäumung auf dem Verschulden der Vertreter der Anmelderin beruht, das sich diese gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsste.

a) Nach Darstellung der Vertreter wurde die Gebühr durch eine am Gründonnerstag, 28. März 2002, in Auftrag gegebene Überweisung bezahlt. Gemäß § 676 a Abs. 2 Nr. 2 BGB gilt bei Inlandsüberweisungen eine Ausführungsfrist von drei Bankarbeitstagen. Da -ausgehend vom Gründonnerstag -der darauffolgende Dienstag, 2. April 2002, erst der nächste Bankarbeitstag war, konnte die Patentinhaberin nicht damit rechnen, dass an diesem Tag der Überweisungsbetrag dem Empfängerkonto des DPMA bei der Deutschen Bundesbank gutgeschrieben und die Zahlung somit gemäß § 2 Nr. 2 PatKostZV rechtzeitig bewirkt würde. Es hätten andere Zahlungswege zur Verfügung gestanden, bei denen die Einhaltung der Zahlungsfrist nicht gefährdet gewesen wäre (Bareinzahlung oder Erteilung einer Lastschrifteinzugsermächtigung, ggf. per Telefax, vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1, 4 i. V. m. § 2 Nr. 1, 4 PatKostZV).

b) Die Vertreter der Patentinhaberin können sich zu ihrer Entlastung nicht darauf berufen, dass das Patentamt eine inhaltlich falsche Bestätigung des rechtzeitigen Gebühreneingangs durch Versendung einer falschen Quittung herausgegeben habe. Bei dieser "Quittung" handelt es sich lediglich um die Bestätigung des Eingangs eines von den Vertretern eingereichten Vordrucks. Die durch die Poststelle des DPMA wunschgemäß veranlasste Rücksendung dieses Vordrucks stellte keine Bestätigung der Rechtzeitigkeit der Gebührenzahlung dar. Den mit dem patentrechtlichen Gebührenwesen vertrauten Anwälten musste auch klar sein, dass die Poststelle mit den eigentlichen Zahlungsvorgängen nichts zu tun hat und deshalb auch keine Bescheinigungen für die Rechtzeitigkeit von Zahlungen herausgeben kann.

c) Die Wahl des falschen Zahlungswegs kann den Vertretern aber nicht angelastet werden. Hierbei ist von deren Vorbringen in der Antragsschrift vom 3. März 2004 auszugehen, wobei dieses Vorbringen durch die schriftlichen und mündlichen Äußerungen im Beschwerdeverfahren in zulässiger Weise lediglich ergänzt -und nicht etwa durch völlig neue Tatsachenangaben ersetzt -worden sind (vgl. Schulte, a. a. O., § 123 Rn. 41). Danach waren die Fristenüberwachung und die Gebührenzahlung in der Vertreterkanzlei so organisiert, dass Fristversäumnisse bei Beachtung der anwaltlichen Anordnungen nicht vorkommen konnten. Zum einen wurden die Fristen nach diesen Anordnungen in zuverlässiger Weise notiert und erst nach Tätigung einer (Sammel-)Überweisung zur Begleichung einer Gebührenschuld gestrichen. Zum anderen war auch Vorsorge für die Fälle getroffen, in denen auf Grund fehlgeschlagener Überweisung die Einhaltung einer Frist gefährdet war. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Darlegung, dass in solchen Fällen eine Zahlung nicht durch nochmalige Überweisung, sondern durch Bareinzahlung zu erfolgen hatte.

Diese Ausführungen sind in der mündlichen Verhandlung durch die glaubwürdigen Ausführungen der beiden vernommenen Zeugen glaubhaft gemacht worden. Die Zeugen L... und K bestätigten den Vortrag zu dem in der Kanzlei angeordneten System der Fristenüberwachung und Gebührenzahlung. Nach Aussage von Frau K... wusste sie, dass bei einer Banküberweisung der Tag der Gutschrift entscheidend sei. Sie sei von ihrer Kanzlei dahingehend eingewiesen worden. Wenn ihr am 28. März 2002 bewusst gewesen wäre, dass an diesem Tag eine Frist kurz vor dem Ablauf stand, dann hätte sie auf jeden Fall einen Anwalt kontaktiert und es wäre dann eine Bareinzahlung getätigt worden. Sie könne nicht ausschließen, dass ihr damals auch eine entsprechende Weisung erteilt worden sei, aber auf Grund der besonderen Umstände an diesem Tag sei sie mit ihren Gedanken woanders gewesen. Bei der erneuten Überweisung habe sie nicht daran gedacht, dass bei diesem Vorgang eine kritische Frist enthalten sein könne; sonst hätte sie das von den beiden für die Fristenkontrolle zuständigen Kolleginnen nochmals überprüfen lassen.

Somit ist davon auszugehen, dass den Vertretern der Patentinhaberin kein Organisationsverschulden anzulasten ist. Vielmehr handelt es sich um ein individuelles Verschulden der Buchhalterin Frau K.... Diese hat es versäumt, nach Feststellung des Scheiterns der Überweisung die notwendige nochmalige Überprüfung der Zahlungsfrist in die Wege zu leiten bzw. aus der Erkenntnis, dass der Fristablauf unmittelbar bevorstand, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und die Zahlung durch Bareinzahlung oder Übersendung einer Einzugsermächtigung zu veranlassen. Das Verhalten von Frau K... begründet keinen Schuldvorwurf gegenüber den Vertretern der Patentinhaberin. Diese haben sich hinsichtlich der Auswahl, Überwachung und Unterweisung der Buchhalterin in ausreichender Weise exkulpiert.

d) Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass das Hindernis i. S. d. § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG tatsächlich erst mit Zugang der Mitteilung vom 4. Februar 2004 weggefallen ist. Somit wurde der Wiedereinsetzungsantrag vom 3. März 2004 innerhalb der Zweimonatsfrist gestellt.

5. Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass der Antrag auch begründet ist. Die Vertreter der Patentinhaberin trifft kein der Patentinhaberin zurechenbares Verschulden an der Versäumung der Frist zur Zahlung der zuschlagfreien 10. Jahresgebühr.

6.

Gesichtspunkte, die eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen für geboten erscheinen ließen (§ 80 Abs. 3 PatG), sind nicht zu erkennen. Insbesondere kann nicht gesagt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf Verfahrensfehlern des Patentamts oder auf einer offensichtlich unrichtigen Gesetzesanwendung beruht.

7.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt im Hinblick auf die Frage, ob im vorliegenden Fall die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand trotz Überschreitung der in § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG für die Stellung des Antrags vorgesehenen Jahresausschlussfrist möglich ist. Es handelt sich hierbei um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 100 Abs. 2 Nr. 1 PatG).

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BPatG:
Beschluss v. 26.02.2009
Az: 10 W (pat) 40/06


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