Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg:
Beschluss vom 6. Juni 2014
Aktenzeichen: OVG 12 S 27.14

(OVG Berlin-Brandenburg: Beschluss v. 06.06.2014, Az.: OVG 12 S 27.14)

Die Übernahme der Funktion des Vorsitzenden des Verwaltungsrats einer Schweizer Aktiengesellschaft stellt eine mit dem Beruf des Wirtschaftsprüfers nicht vereinbare gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 43a Abs. 3 Nr. 1 WPO dar. Nach den einschlägigen Vorschriften des Schweizer Aktienrechts ist die Tätigkeit des Vorsitzenden des Verwaltungsrats weder mit einem Aufsichtsratsvorsitzenden nach deutschem Aktienrecht noch mit der Stellung als Gesellschafter einer GmbH vergleichbar.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18. März 2014 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 15 000 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist teilweise bereits unzulässig (1.) und im Übrigen unbegründet (2.). Das Beschwerdevorbringen, das allein Gegenstand der Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt keine Änderung des angegriffenen Beschlusses.

Das Verwaltungsgericht hat den erstinstanzlich gestellten Haupt- und Hilfsantrag des Antragstellers, mit dem er im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, ihm die Genehmigung zur Ausübung der Funktion als Vorsitzender des Verwaltungsrats einer Schweizer Aktiengesellschaft zu erteilen, bereits als unzulässig angesehen. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 43a Abs. 3 Nr. 2 Halbsatz 2 der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) komme vorliegend nicht in Betracht. Ein Antragsrecht auf Erteilung einer Genehmigung stehe dem Antragsteller auch nicht im Wege der teleologischen Reduktion oder einer analogen Anwendung der Vorschrift zu. Seinem berechtigten Rechtsschutzinteresse an der Klärung der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob die von ihm beabsichtigte Tätigkeit mit seinen Berufspflichten als Wirtschaftsprüfer vereinbar sei, entspreche im Hauptsacheverfahren eine Feststellungsklage und im Eilverfahren ein Feststellungsantrag. Einen derartigen Antrag habe der Antragsteller trotz ausdrücklichen gerichtlichen Hinweises nicht gestellt; für eine Umdeutung seines Verpflichtungsantrags sei angesichts der anwaltlichen Vertretung kein Raum.

Mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs wäre der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung aber auch als Feststellungsantrag unbegründet. Bei der vom Antragsteller angestrebten Übernahme des Vorsitzes des Verwaltungsrats einer Schweizer Aktiengesellschaft handele es sich um eine mit dem Beruf des Wirtschaftsprüfers unvereinbare gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 43a Abs. 3 Nr. 1 WPO. Eine vollständige Trennung zwischen Aufsichtsorgan und geschäftsführendem Organ sehe das Schweizer Aktienrecht nicht vor. Angesichts der dem Verwaltungsrat zwingend vorbehaltenen Aufgaben der Geschäftsführung könne die Gefahr von Interessenkonflikten und eine Gefährdung der unabhängigen und unparteilichen Aufgabenwahrnehmung als bestellter Wirtschaftsprüfer nicht ausgeschlossen werden. Die gesetzliche Unvereinbarkeitsregelung begegne weder durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken noch könne sich der Antragsteller mit Erfolg auf eine Verletzung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit berufen.

1. Soweit der Antragsteller seinen erstinstanzlich gestellten Haupt- und Hilfsantrag unverändert im Beschwerdeverfahren weiterverfolgt, ist die Beschwerde bereits unzulässig. Zu den Gründen, aus denen das Verwaltungsgericht die auf Erteilung einer Genehmigung gerichteten Anträge als unzulässig angesehen hat, verhält sich die Beschwerde nicht; die pauschale Bezugnahme auf das Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren genügt nicht den Begründungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Für eine mit Schriftsatz vom 8. Mai 2014 vorgenommene €Ergänzung€ der vorstehenden Anträge um einen weiteren - gleichfalls auf Erteilung einer Genehmigung gerichteten - Hilfsantrag ist im Beschwerdeverfahren gleichfalls kein Raum. Die Beschwerde dient nur der Überprüfung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts und beschränkt sich daher auf den erstinstanzlichen Streitgegenstand (st. Rspr. des Senats, vgl. u.a. Beschluss vom 24. September 2013 - OVG 12 S 82.13 - BA S. 3 m.w.N.). Im Übrigen wäre auch der erst im Beschwerdeverfahren gestellte Hilfsantrag aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses unzulässig.

Ob die Beschwerde mit den erstmals ausdrücklich gestellten Feststellungsanträgen zulässig ist, kann im Ergebnis dahinstehen. Soweit eine €Ergänzung€ um einen weiteren im Schriftsatz vom 8. Mai 2014 enthaltenen (zweiten) Hilfsantrag - wie vorstehend dargelegt - von vornherein ausscheidet, trifft es entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zu, dass das Feststellungsbegehren im Übrigen bereits €als minus€ in den erstinstanzlichen Verpflichtungsanträgen enthalten gewesen sei. Vielmehr handelt es sich um selbständige Begehren, die der Antragsteller trotz gerichtlichen Hinweises im erstinstanzlichen Verfahren nicht geltend gemacht und über die das Verwaltungsgericht auch nicht selbständig tragend entschieden hat; bei den diesbezüglichen Ausführungen handelt es sich ersichtlich nur um ergänzende, die angegriffene Entscheidung nicht tragende Erwägungen. Unabhängig davon hat die Beschwerde jedenfalls in der Sache keinen Erfolg.

2. Der Antragsteller hat auch im Beschwerdeverfahren einen im Wege einstweiliger Anordnung sicherungsfähigen Anspruch auf die begehrte vorläufige Feststellung nicht glaubhaft gemacht. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei der von ihm angestrebten Übernahme der Funktion des Vorsitzenden des Verwaltungsrats einer Schweizer Aktiengesellschaft um eine mit dem Beruf des Wirtschaftsprüfers nicht vereinbare gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 43a Abs. 3 Nr. 1 WPO handelt. Soweit es dabei maßgeblich auf die dem Verwaltungsrat nach den einschlägigen Regelungen des Schweizer Aktienrechts zukommenden Geschäftsführungskompetenzen abgestellt hat, bietet das Beschwerdevorbringen keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung.

Ohne Erfolg macht der Antragsteller unter Berufung auf § 111 AktG und § 37 GmbHG geltend, dass eine €vollständige Trennschärfe€ zwischen Geschäftsführung und Aufsichtsfunktion auch im System des deutschen Gesellschaftsrechts nicht vorgesehen sei. Der bloße Hinweis, dass § 111 AktG €eine Genehmigung€ vorsehe, vermag die behauptete Parallelität von deutschem Recht und Schweizer Aktienrecht nicht zu begründen. Nach dem deutschen Aktienrecht obliegt die eigenverantwortliche Leitung und Geschäftsführung einer Aktiengesellschaft dem Vorstand (§§ 76, 77 AktG). Der Aufsichtsrat ist dagegen kein geschäftsführendes Organ. Er hat nach § 111 Abs. 1 AktG die Geschäftsführung zu überwachen; Maßnahmen der Geschäftsführung können ihm nicht übertragen werden (§ 111 Abs. 4 Satz 1 AktG). An dieser Kompetenzverteilung ändert auch die vom Antragsteller mit dem Begriff der €Genehmigung€ offensichtlich gemeinte Regelung in § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG nichts. Auf der Grundlage dieser Vorschrift vorgesehene Zustimmungsvorbehalte für bestimmte Arten von Geschäften stellen ein Instrument vorbeugender Kontrolle des Aufsichtsrats dar, mit der Maßnahmen der Geschäftsleitung von vornherein unterbunden werden können (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2006 - II ZR 243/05 - DB 2007, 275; zitiert nach juris Rn. 9 m.w.N.). Ein Leitungs- oder Weisungsrecht gegenüber dem geschäftsführenden Vorstand wird dem Aufsichtsrat damit nicht eingeräumt. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts sind dem Verwaltungsrat nach dem Schweizer Aktienrecht dagegen Aufgaben der Geschäftsführung übertragen. Zu den dem Verwaltungsrat vorbehaltenen, nicht auf andere Organe übertragbaren Aufgaben gehört insbesondere die €Oberleitung€ der Gesellschaft, d.h. die strategische Zielsetzung des Unternehmens, und die Erteilung der zur Durchsetzung der unternehmerischen Strategie nötigen Weisungen an die geschäftsführenden Organe. Für die Annahme, den Vertretern im Verwaltungsrat werde nach den einschlägigen Regeln des Schweizer Rechts lediglich ein Mindestmaß an Verantwortung belassen, damit sie ihrer Aufsichtsfunktion nachkommen könnten, ist danach entgegen dem Beschwerdevorbringen kein Raum. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht eine Vergleichbarkeit der Tätigkeit als Vorsitzender des Verwaltungsrats mit der Wahrnehmung der Aufgaben eines Aufsichtsratsvorsitzenden nach deutschem Recht zutreffend verneint.

Der vom Antragsteller angeführte Vergleich mit der Stellung als Gesellschafter einer GmbH rechtfertigt gleichfalls keine abweichende Beurteilung. Nach § 37 Abs. 1 GmbHG können sich Beschränkungen der Befugnis der Geschäftsführer zwar nicht nur aus Zustimmungsvorbehalten der Gesellschafterversammlung, sondern auch aus von den Gesellschaftern beschlossenen bindenden Weisungen ergeben (Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 37 Rn. 20). Eine mit den unübertragbaren Aufgaben des Verwaltungsrats nach Schweizer Recht vergleichbare €Oberleitung€ der Gesellschaft ist damit jedoch nicht verbunden. Als Gesellschafter einer GmbH bleibt der Wirtschaftsprüfer nach den zutreffenden Ausführungen der Antragsgegnerin in der Beschwerdeerwiderung darauf beschränkt, die ihm als Gesellschafter zustehenden Rechte wahrzunehmen. Bei einer über die Wahrnehmung dieser Rechte hinausgehenden €faktischen€ Übernahme der Geschäftsführungsfunktion läge eine dem gewerblichen Charakter der Gesellschaft entsprechende gewerbliche Tätigkeit vor, die ebenso wenig wie die vom Antragsteller angestrebte Tätigkeit als Vorsitzender des Verwaltungsrats mit dem Beruf des Wirtschaftsprüfers vereinbar wäre.

Soweit das in § 43a Abs. 3 Nr. 1 WPO geregelte Verbot einer gewerblichen Tätigkeit den Zweck verfolgt, die vom Gesetzgeber unterstellte abstrakte Gefahr von Interessenkollisionen zu vermeiden und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfer zu schützen (vgl. Urteil des Senats vom 10. Mai 2011 - OVG 12 B 14.10 - juris Rn. 23 f.), greifen auch die Einwände gegen die vom Verwaltungsgericht angeblich pauschal angenommene Interessenkollision nicht durch. Dass das Verwaltungsgericht eine bei gleichzeitiger Ausübung des Berufs des Wirtschaftsprüfers und der vom Antragsteller angestrebten gewerblichen Tätigkeit deutlich absehbare Gefahr einer Interessenkollision im Sinne der in der Beschwerdegründung angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht geprüft habe, trifft nicht zu. Vielmehr hat es insbesondere mit Blick auf die dem Verwaltungsrat vorbehaltene Finanzverantwortung (Ausgestaltung des Rechnungswesens, Finanzkontrolle und Finanzplanung) eine erhebliche Gefahr des Auftretens von Interessenkonflikten bejaht, denen auch durch eine einzelfallbezogene Überwachung der beabsichtigten gewerblichen Betätigung des Antragstellers nicht wirksam begegnet werden könne (BA S. 6 f.). Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegen die erstinstanzlichen Ausführungen nicht €vollkommen neben der Sache€. Sie berücksichtigen vielmehr zu Recht, dass die vorgenannten Aufgaben Kernbereiche der Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers berühren, die zwangsläufig mit einem umfassenden Einblick in die finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Mandaten einhergehen und daher bei gleichzeitiger Tätigkeit für ein gewerbliches Unternehmen zu einer Interessenkollision führen können. Für die Annahme, dieser Gefahr könne mit Hilfe von Berufsausübungsregelungen wirksam entgegengetreten werden, bietet das Beschwerdevorbringen keine Anhaltspunkte; der bloße Hinweis, dass eine Interessenkollision €durch den Wirtschaftsprüfer selbst zu überwachen€ sei, gibt dafür nicht her. Dass es darüber hinaus der Prüfung einer konkreten Gefährdung im Einzelfall bedürfte, ist weder dargetan noch angesichts der gesetzlichen Ausgestaltung der Unvereinbarkeitsregelung ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).






OVG Berlin-Brandenburg:
Beschluss v. 06.06.2014
Az: OVG 12 S 27.14


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