Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Januar 2008
Aktenzeichen: 14 W (pat) 23/05
(BPatG: Beschluss v. 15.01.2008, Az.: 14 W (pat) 23/05)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Mit Beschluss vom 4. März 2005 hat die Prüfungsstelle für Klasse C03B des Deutschen Patent- und Markenamts die Patentanmeldung 102 57 544.4 - 45 mit der Bezeichnung
"Verfahren zum Brechen von lasergeritzten, flachen Werkstücken aus sprödem Material"
zurückgewiesen.
Die Zurückweisung ist unter Hinweis auf die Druckschriften
(1) DE 100 16 628 A1 und
(2) PAJ - Abstract zu JP 63 - 295 454 A im Wesentlichen damit begründet, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Ausgehend von der Druckschrift (1), aus der ein Verfahren zum Herstellen von kleinen Dünnglasscheiben aus einem größeren Halbfabrikat bekannt sei, bei dem das Vereinzeln durch Ritzen der größeren Dünnglasscheibe mittels eines Laserstrahls und anschließendes mechanisches Brechen erfolge, habe der Fachmann nämlich der Entgegenhaltung (2) bereits eine Anregung für die Reihenfolge des Zerteilens entnehmen können.
Gegen diesen Beschluss der Prüfungsstelle hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Sie verfolgt ihr Patentbegehren gemäß Hauptantrag mit den ursprünglich eingereichten Patentansprüchen 1 bis 4 und hilfsweise mit dem Patentanspruch 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 7. Januar 2008, an den sich die ursprünglich eingereichten Ansprüche 2 bis 4 anschließen. Die Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hauptantrag haben folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zum Brechen von nacheinander in zwei zueinander senkrecht stehenden Schneidrichtungen mit jeweils vorgegebenen Abständen lasergeritzten, flachen Werkstücken aus sprödem Material, dadurch gekennzeichnet, dass das jeweilige flache Werkstück zuerst entlang der Ritze der zweiten Schneidrichtung und anschließend entlang der Ritze der ersten Schneidrichtung gebrochen wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Brechen manuell erfolgt.
3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Brechen maschinell erfolgt.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass das flache Werkstück durch eine Flachglastafel gebildet ist."
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet:
"1. Verfahren zum Brechen von lasergeritzten, flachen Werkstücken aus sprödem Material, bei dem das Werkstück nacheinander zunächst entlang einer ersten Schneidrichtung lasergeritzt wird und danach in vorgegebenen Abständen entlang einer zweiten Schneidrichtung lasergeritzt wird, dadurch gekennzeichnet, dass das Werkstück zuerst entlang der Ritze der zweiten Schneidrichtung und anschließend entlang der Ritze der ersten Schneidrichtung gebrochen wird."
Die Anmelderin ist der Auffassung, die Offenbarung der Entgegenhaltung (2) sei unklar. So verlaufe nach der Figur des Abstracts (2) die mit y1 bezeichnete Schneidlinie horizontal, was im Widerspruch zu den Ausführungen im Abstract stehe, worin von einem vertikalen Verlauf die Rede sei. Auch die Bezeichnung der rechteckigen Elemente in der Figur trage nichts zur Aufklärung des Widerspruchs bei, da für ein und dasselbe Element verschiedene Bezugszeichen, nämlich 2 und 4, angegeben seien. Daher sei der Entgegenhaltung (2) keine eindeutige Lehre entnehmen. Im Übrigen gebe es auch mehr als zwei Möglichkeiten, das geritzte Werkstück zu brechen, so dass die im Anspruch 1 zur Lösung der Aufgabe angegebene Verfahrensweise für den Fachmann nicht nahe gelegen habe.
Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Erteilung des Patents mit den geltenden ursprünglichen Unterlagen gemäß Hauptantrag zu beschließen, hilfsweise mit den am 7. Januar 2008 eingereichten Unterlagen, weiter hilfsweise beantragt sie, die Sache zur weiteren Prüfung an das DPMA zurückzuverweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II 1. Die Beschwerde ist zulässig (§ 73 PatG), jedoch nicht begründet.
2. Bezüglich ausreichender Offenbarung des Gegenstandes nach den Patentansprüchen 1 bis 4 gemäß Hauptantrag und auch gemäß Hilfsantrag bestehen keine Bedenken. Mit Ausnahme des überarbeiteten, ansonsten inhaltsgleichen Anspruches 1 gemäß Hilfsantrag handelt es sich um die ursprünglich eingereichten Ansprüche.
3. Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags ist neu; weitere Ausführungen hierzu erübrigen sich, da es nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
4. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 nach Haupt- und Hilfsantrag beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Aufgabe der vorliegenden Anmeldung ist es, ein Verfahren zum Brechen von nacheinander in zwei zueinander senkrecht stehenden Schneidrichtungen mit jeweils vorgegebenen Abständen lasergeritzten, flachen Werkstücken aus sprödem Material so zu führen, dass ein Brechen der geritzten flachen Werkstücke mit hoher Bruchqualität und hoher Ausbeute möglich ist (S. 2, Abs. 3 Erstunterlagen).
Zur Lösung schlägt die Anmelderin gemäß Anspruch 1 des Haupt- und des Hilfsantrags vor, das jeweilige flache Werkstück zuerst entlang der Ritze der zweiten Schneidrichtung und anschließend entlang der Ritze der ersten Schneidrichtung zu brechen.
Als nächst liegender Stand der Technik ist die Entgegenhaltung (1) anzusehen. Darin wird ein Verfahren zur Herstellung von kleinen Dünnglasscheiben aus einer größeren Glastafel - ein flaches Werkstück aus sprödem Material - beschrieben, bei dem das Ritzen der größeren Glastafel durch einen Laserstrahl und das anschließende Brechen mechanisch erfolgt (Ansprüche 1, 2 und 3 i. V. m. Abs. [0031] und [0032]). Das Werkstück kann zueinander senkrecht stehende Schneidrichtungen aufweisen (Abs. [0027] und Fig. 1). Aus (1) geht jedoch nichts über die Reihenfolge des Brechens des geritzten Werkstücks entlang der Soll-Trennlinien hervor.
Vor die vorstehend genannte Aufgabe gestellt, aus einer größeren Glastafel Werkstücke mit hoher Bruchqualität und hoher Ausbeute herzustellen, erhält der Fachmann jedoch aus (2) eine Anregung zu deren Lösung, denn daraus kann er bereits den Hinweis entnehmen, wie derart gute Ausbeuten erzielt werden können (Abstract, re. Sp. Abs. 1). Er entnimmt dieser Druckschrift ein Verfahren zum Schneiden bzw. Brechen von Glas - ein flaches Werkstück aus sprödem Material - nach dem Oberbegriff von Anspruch 1, bei dem nacheinander zwei zueinander senkrecht stehende Ritzlinien mit jeweils vorgegebenen Abständen auf dem flachen Werkstück angebracht werden (li. Sp. Abs. 2 i. V. m. Figur: "1st cutting lines" x1 bis x6 und sodann "second cutting lines" y1 bis y5), und wie beansprucht anschließend das Werkstück zuerst entlang der Ritze der 2. Schneidrichtung - y1 bis y5 - und weiter anschließend entlang der 1. Schneidrichtung - x1 bis x6 - gebrochen wird (li. Sp. Abs. 2 i. V. m. der Figur). Der Fachmann kann zwar erkennen, dass bei dem Verfahren gemäß der Druckschrift (2) unterschiedliche Drücke zum Anbringen der Ritzlinien anstelle des Ritzens mit dem Laser angewendet werden, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen; dies wird ihn indessen nicht abhalten, die Reihenfolge des Brechens an einem lasergeritzten Werkstück zu erproben. Einer erfinderischen Tätigkeit bedurfte es zur Durchführung dieses Versuches nicht, zumal in (2) ausdrücklich auf die Vorteile dieser Vorgehensweise hingewiesen wird (re. Sp. Abs. 1).
Soweit die Anmelderin der Ansicht ist, die Offenbarung der Entgegenhaltung (2) sei unklar, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Die Ausrichtung der Bezugszeichen in der Figur lässt unzweifelhaft erkennen, dass die Figur im Uhrzeigersinn um 90¡ zu drehen ist, um sie "lesbar" zu machen; daraus ergibt sich unmissverständlich, dass die Angaben im Text des Abstracts und die Bezeichnung der Ritzlinien in der Glastafel in der Figur übereinstimmen, d. h. die 1. Schneidrichtung x1 bis x6 verläuft horizontal und die 2. Schneidrichtung y1 bis y5 sodann vertikal. Die zuerst entlang der 2. Schneidrichtung abgebrochenen vertikalen Reihen übereinander angeordneter Glastäfelchen sind die "continuous bodies 4", die anschließend zu "unit cell bodies 2" durch Brechen entlang der Ritze der 1. Schneidrichtung separiert werden. Aus der mehrfachen Kennzeichnung einzelner Glastäfelchen mit der Bezugsziffer "2" geht auch hervor, dass die Ziffern "2" und "4" nicht für ein und dasselbe Element verwendet werden.
Nach alledem beruht das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach Haupt- und Hilfsantrag gegenüber einer Zusammenschau des Standes der Technik (1) und (2) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, so dass die Ansprüche 1 nicht gewährbar sind.
Die auf den Patentanspruch 1 nach Haupt- und Hilfsantrag rückbezogenen Ansprüche 2 bis 4 teilen das Schicksal des Anspruchs 1 (BGH "Elektrisches Speicherheizgerät" GRUR 1997, 120).
5. Eine Zurückverweisung an das Deutsche Patent. und Markenamt ist aus Sicht des Senats nicht angezeigt, weil keiner der in § 79 PatG (3) Satz 1 genannten Gründe vorliegt.
Dr. Schröder Harrer Proksch-Ledig Schuster Bb
BPatG:
Beschluss v. 15.01.2008
Az: 14 W (pat) 23/05
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d8f3b591d353/BPatG_Beschluss_vom_15-Januar-2008_Az_14-W-pat-23-05