Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 27. April 2010
Aktenzeichen: 11 W 59/09
(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 27.04.2010, Az.: 11 W 59/09)
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14.5.2009 (Az.: 2 € 3 O 481/08) in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 25.9.2009 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 699,96 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Parteien streiten um die Erstattung einer 1,1 Verfahrensgebühr nach VVRVG Nr. 3201, nachdem die Klägerin ihre Berufung vor der Begründung zurückgenommen hat.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht eine 1,1 Gebühr gem. Nr. 3201 VVRVG als erwachsen und erstattungsfähig angesehen.
1. Die Zuerkennung der Gebühr ist begründet, weil der Berufungsbeklagte nach Einlegung der Berufung seinerseits anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen und nach Rücknahme der Berufung grundsätzlich Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten beanspruchen kann (BGH, NJW 2007, 3723; OLG Karlsruhe, JurBüro 2008, 540 zit. nach juris; OLG Saarbrücken, OLGR 2006, 1096; KG, RPfleger 2005, 569; zur BRAGO: OLG Köln, OLGR 2003, 223).
Die verminderte Verfahrensgebühr setzt nicht voraus, dass in der Sache Anträge gestellt werden oder Sachvortrag erfolgt (OLG Saarbrücken a.a.O.). Das erforderliche Tätigwerden nach Nr. 3201 VVRVG muss nicht nach außen in Erscheinung treten (OLG Karlsruhe a.a.O.).Es genügt die Entgegennahme der Information, um mit dem Mandanten die Erfolgsaussichten der Berufung erörtern zu können.
Darauf hat der Rechtspfleger in dem Nichtabhilfebeschluss vom 11.1.2010 im Ergebnis zutreffend abgestellt. Zwar hat die Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom 18.2,2010 zu Recht gerügt, dass sich € im Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtspflegers - aus dem Parteivortrag keine konkreten Anhaltspunkte für eine Besprechung des Beklagten mit seinem Prozessbevollmächtigten darüber ergaben, ob und inwieweit auf die Berufung reagiert werden solle.
Jedoch hat der Beklagtenvertreter seinerseits mit Schriftsatz vom 10.2.2010, der eine Stellungnahme zum Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts enthält, behauptet, mit der Berufungsbeklagten sei unmittelbar nach Eingang der Berufung telefonisch besprochen worden, ob und wie auf die Berufung reagiert werden solle. Mit weiterem Schriftsatz vom 25.2.2010 hat er diesen Vortrag ergänzt und behauptet, in einem ausführlichen Telefonat am 2. oder 3.3.2009 seien die Erfolgsaussichten der Berufung erörtert worden. Diesem Vortrag, zu dessen Beweis sich der Prozessbevollmächtigte des Berufungsbeklagten als Zeuge benannt hat, ist der Beschwerdeführer nicht mehr entgegengetreten. Er ist daher als unstreitig zugrunde zu legen. Damit sind die Voraussetzungen für die Entstehung und die Erstattungsfähigkeit der Gebühr nach Nr. 3201 VVRVG dargetan.
2. Die Parteien haben ein Stillhalteabkommen, das der Geltendmachung der Gebühr entgegenstehen könnte, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht geschlossen. Ein Stillhalteabkommen kommt nur zustande, wenn der gegnerische Rechtsanwalt zustimmt. Dafür genügt allein die Erklärung des Rechtsmittelklägers, die Berufung werde zunächst nur fristwahrend eingelegt verbunden mit der Bitte an den gegnerischen Anwalt, sich noch nicht für den Berufungsbeklagten bei Gericht zu bestellen, nicht. Der Gegner muss ausdrücklich zustimmen (KG, a.a.O; OLG Köln a.a.O.; Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG,18. Aufl. VV3200 Rn. 70; Enders, JurBüro 2003, 561, 563). Dafür genügt das bloße Schweigen des Rechtsmittelbeklagten nur ausnahmsweise (Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG,18. Aufl. VV3200 Rn. 70; Enders, JurBüro 2003, 561, 563). Umstände, die hier das bloße Schweigen des Prozessbevollmächtigten des Rechtsmittelbeklagten als Zustimmung erscheinen lassen könnten, sind weder dargetan noch ersichtlich.
Auch durch die Nachfrage einer Mitarbeiterin des gegnerischen Bevollmächtigten ist ein Stillhalteabkommen nicht konkludent zustande gekommen. Die bloße Bitte, sich zunächst nicht bei Gericht zu bestellen, musste von dem gegnerischen Bevollmächtigten keineswegs als Antrag auf Vereinbarung eines Stillhalteabkommens angesehen werden. Denn der Wunsch oder die Aufforderung zum Abschluss einer ausdrücklichen Vereinbarung kommt darin nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck. Vor diesem Hintergrund ist die spätere Nachfrage einer Büroangestellten, ob die Berufung durchgeführt werde, auch nicht als (konkludente) Zustimmung zu werten. Der Bevollmächtigte des Berufungsbeklagten ist vielmehr der Bitte, sich noch nicht im Berufungsverfahren zu bestellen, nachgekommen. Dafür, dass er damit zugleich auf die Erstattung der unabhängig davon zu seinen Gunsten entstandenen Gebühren verzichten wollte, ist nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Streitwert entspricht den im Streit stehenden Gebühren.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein Grund.
OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 27.04.2010
Az: 11 W 59/09
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