Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Dezember 2004
Aktenzeichen: 27 W (pat) 105/04
(BPatG: Beschluss v. 14.12.2004, Az.: 27 W (pat) 105/04)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die Eintragung der Wort- Bildmarkeu.a. für "Spiele, Spielzeug" ist - beschränkt auf diese Waren - Widerspruch erhoben worden aus der für "Spielwaren" eingetragenen Marke 850 033 Dalle Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die Verwechslungsgefahr der Marken verneint. Sie hat die Ansicht vertreten, dass auch bei den wegen der Warenidentität und der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke gebotenen strengen Anforderungen an den Abstand der Marken ihre Ähnlichkeit nicht ausreichend groß sei, um beim Publikum die Gefahr von Verwechslungen hervorrufen zu können. In ihrer Gesamtheit unterscheide sich die angegriffene Marke schon wegen ihrer zusätzlichen Wortbestandteile und ihrer grafischen Gestaltung von der Widerspruchsmarke. Es bestehe aber auch kein Anlass für die Annahme, dass sich der Verkehr die angegriffene Marke allein an dem Wortelement "Nalle" einpräge und die weiteren Bestandteile als für die Kennzeichnung unbeachtlich vernachlässige. Diese träten zwar gegenüber dem im Mittelpunkt stehenden Wort "Nalle" größenmäßig deutlich zurück. Daraus folge aber nicht, dass der durchschnittlich informierte, umsichtige und aufmerksame Verbraucher ihnen keine Beachtung schenke. Das gelte insbesondere für den ohne weiteres als Herstellerangabe erkennbaren Bestandteil "von Mia Wallin". Diesem messe der Verkehr eine jedenfalls mitprägende Bedeutung bei, weil er im Bereich der Spielwaren üblicherweise auch die Herstellerangabe als zusätzliche Unterscheidungshilfe heranziehe. Im übrigen bestehe selbst bei Annahme einer selbständig kollisionsbegründenden Stellung des Bestandteils "Nalle" keine Gefahr von Verwechslungen mit der von diesem klanglich, schriftbildlich und begrifflich hinreichend abweichenden Widerspruchsmarke "Dalle".
Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde beantragt die Widersprechende (sinngemäß) die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und Löschung der angegriffenen Marke für die mit dem Widerspruch angegriffenen Waren. Sie ist der Ansicht, dass das Markenwort "Nalle" der angegriffenen Marke von den Verbrauchern schon deshalb als die eigentliche Kennzeichnung angesehen werde, weil die weiteren Bestandteile optisch kaum wahrnehmbar seien. Hinzu komme, dass sich für die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen die breite Masse der Durchschnittsverbraucher gehöre, auch aus Gründen der Bequemlichkeit die kurze Bezeichnung "Nalle" als individuelle Kennzeichnung der von Mia Vallin entworfenen oder vertriebenen Künstlerbären anbiete. Der Unterschied der Wörter "Nalle" und "Dalle" reiche aber keinesfalls aus, um bei schlechter Aussprache oder ungünstigen Übermittlungsbedingungen eine sichere Unterscheidung zu ermöglichen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt die Zurückweisung der Beschwerde. Sie macht sich die Ausführungen der Markenstelle in den angefochtenen Beschlüssen zu eigen und macht weiterhin geltend, dass eine zur Gefahr von Verwechslungen, insbesondere in klanglicher Hinsicht, führende Ähnlichkeit der Marken nicht vorliege.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Die Markenstelle hat den Widerspruch daher zu Recht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen.
Die Markenstelle ist zutreffend von dem in der Rechtsprechung anerkannten Grundsatz ausgegangen, dass in Wechselwirkung zu der Identität der durch die Marken erfassten Waren und der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke die Gefahr von Verwechslungen schon bei einem geringeren Ähnlichkeitsgrad der Marken anzunehmen sein kann (stRspr., vgl. EUGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma; EUGH GRUR Int. 1999, 734, 736 - Lloyd; BGH GRUR 2003, 1044, 1045 - Kelly; 2004, 783, 784 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX). Sie hat auch zutreffend berücksichtigt, dass die Ähnlichkeit der Marken nach ihrem Gesamteindruck zu beurteilen ist, den sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen im Klang, im (Schrift)Bild und im Sinngehalt hervorrufen, wobei schon die Übereinstimmung in einer Hinsicht für die Annahme einer Verwechslungsgefahr ausreichen kann (vgl EuGH aaO, Rdn. 25 - Lloyd; BGH GRUR 1999, 241, 243 - Lions; GRUR 2004, 240 - MIDAS/MedAS).
Die Ansicht der Markenstelle, dass die angegriffene Marke schon aufgrund ihrer grafischen Gestaltung insgesamt keine Ähnlichkeit mit der Widerspruchsmarke als reiner Wortmarke aufweise, ist von der Widersprechenden selbst nicht ernsthaft in Zweifel gezogen worden. Es bestehen aber auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Auffassung der Widersprechenden, die angegriffene Marke begründe jedenfalls wegen des optisch dominierenden Bestandteils "Nalle" die Gefahr von Verwechslungen mit der Widerspruchsmarke. Der Gesamteindruck einer aus mehreren Wort- und Bildbestandteilen zusammengesetzten Marke kann zwar ausnahmsweise durch einen einzelnen Bestandteil derart geprägt sein, dass sich der Verkehr nur hieran orientiert und den weiteren Bestandteilen keine für die Kennzeichnung beachtliche Bedeutung beimisst (stRspr., BGH GRUR 2002, 167, 169 - Bid/Bud; 2003, 880, 881 - City Plus; 2004, 783, 784 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).
Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Auch wenn die Wortbestandteile "Künstlerbären" und "von Mia Wallin" in der Gesamtdarstellung eine gegenüber dem Wort "Nalle" größenmäßig untergeordnete Stellung einnehmen, sind sie für den Verkehr, der die angemeldete Marke bei der Betrachtung der Waren im Geschäft oder in Katalogen in der Regel aus der Nähe sieht, optisch doch deutlich wahrnehmbar. Bei dieser Beurteilung darf entgegen der Ansicht der Widersprechenden auch nicht allein deshalb, weil es sich bei den von den Marken erfaßten Spielwaren um Produkte handelt, die sich an das breite Verbraucherpublikum richten, nur eine oberflächliche und flüchtige Wahrnehmung der Marken als Maßstab zugrundegelegt werden (vgl auch BGH GRUR 2000, 506, 508 reSp - ATTACHÉ/TISSERAND). Vielmehr ist, wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, von einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher auszugehen, dessen Aufmerksamkeitsgrad allerdings je nach Art der Waren und Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (vgl EuGH GRUR Int. 1999, 734, 736 Rdn. 26 - Lloyd; BGH aaO - ATTACHÉ/TISSERAND). Bei Spielwaren, die der Verkehr nicht täglich kauft und die er meist mit einiger Überlegung unter Berücksichtigung des Aussehens und der Qualität der Waren aussucht, ist mit einer beachtlichen Aufmerksamkeit zu rechnen. Es wird dem Verkehr daher in der Regel nicht entgehen, dass in der angegriffenen Marke über dem Wort "Nalle" die Beschaffenheitsangabe "Künstlerbären" enthalten ist und darunter die erkennbar auf die Designerin oder Herstellerin der Bären hinweisende Angabe "von Mia Wallin". Auf die individuellkünstlerische Gestaltung weist dabei noch zusätzlich das in die Gesamtdarstellung nicht ohne jede Originalität integrierte Bildelement eines Fadens mit eingefädelter Nadel hin. Eine den visuellen Gesamteindruck der angegriffenen Marke prägende Wirkung (vgl auch BGH GRUR 1999, 241, 244 - Lions; GRUR 2002, 167, 170 reSp - Bit/Bud) kann dem Bestandteil "Nalle" unter diesen Umständen nicht zugebilligt werden.
Der Verkehr wird die angegriffene Marke aber auch bei ihrer mündlichen Wiedergabe nicht nur mit "Nalle" benennen und die weiteren Bestandteile aus Gründen der Kürze und Einfachheit vernachlässigen. Selbst wenn er die Angabe "Künstlerbären" als Sachhinweis auf eine künstlerische Gestaltung der betreffenden Spielfiguren unberücksichtigt läßt, ist jedenfalls kaum anzunehmen, dass er auch den Hersteller - oder Designernamen "von Mia Wallin" als für die Kennzeichnung unbeachtlich ansieht und bei der Benennung der Marke daher wegläßt. Wie der Bundesgerichtshof mehrfach betont hat, ist es jeweils der Beurteilung des Einzelfalls vorbehalten, ob für den Verkehr nur der jeweilige Produktname für die Kennzeichnung wesentlich ist oder ob er die Waren jedenfalls auch nach dem Herstellernamen unterscheidet (BGH GRUR 1996, 406, 407 - JUWEL; BGH GRUR 2002, 167, 170 - Bit/Bud; GRUR 2004, 865, 866 - MUSTANG). Im vorliegenden Fall spricht für die mitprägende Bedeutung des Namens "von Mia Wallin" einerseits, dass er in Verbindung mit der Angabe "Künstlerbären" ersichtlich als Designername zu verstehen ist, auf den ein großer Teil des Verkehrs - ähnlich wie bei den Namen von Modeschöpfern (vgl. BGH aaO - JUWEL; GRUR 1996, 774, 775 - falkerun/LE RUN) - besonderes Gewicht legt, weil er keine Standard- oder Massenware erwerben will, sondern eine individuelle Designerfigur. Hinzu kommt, dass er in der Bezeichnung "Nalle" nur einen der zahlreichen Kosenamen sehen wird, mit denen die im Spielwarenbereich angebotenen Stofftiere oder sonstige Spielfiguren in ansprechender Weise personifiziert werden. Diesen Namen mißt der Verkehr kaum die allein maßgebliche kennzeichnende Wirkung bei, sondern orientiert sich normalerweise zusätzlich auch an dem Herstellernamen.
Selbst wenn im übrigen ein Teil der angesprochenen Verkehrskreise die angegriffene Marke nur mit "Nalle" benennen sollte, bleibt der - wenn auch geringe - klangliche Unterschied zu der Widerspruchsmarke "Dalle" jedenfalls bei einer deutlichen Aussprache des Sprenglauts "D" keineswegs immer unbemerkt, zumal im mündlichen Geschäftsverkehr auch nicht durchweg ungünstige akustische Übermittlungsbedingungen herrschen. Die Gefahr, dass es in einer insgesamt noch relevanten Zahl von Fällen zu klanglichen Verwechslungen kommt, kann daher unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles ausgeschlossen werden.
Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.
Dr. Schermer Prietzel-Funk Richter Dr. van Radenkann wegen Urlaubs nicht unterschreiben Dr. Schermer Na
BPatG:
Beschluss v. 14.12.2004
Az: 27 W (pat) 105/04
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