Amtsgericht Kerpen:
Beschluss vom 18. Dezember 1996
Aktenzeichen: 15 II 27/96

(AG Kerpen: Beschluss v. 18.12.1996, Az.: 15 II 27/96)

Tenor

Der auf der Eigentümerversammlung vom 2.4.1996 gefaßte Beschluß zur Genehmigung der Jahresabrechnung 1994/95 wird insofern für unwirksam erklärt, als in den Einzelabrechnungen der Wohnungseigentümer eine unterschiedslose Verrechnung aller Einnahmen mit den anteiligen Ausgaben vorgenommen wurde. Darüber hinaus ist die Abrechnung um eine korrekte Wiedergabe der Kontenstände zu ergänzen.

Die dem Verwalter gewährte Entlastung wird für ungültig erklärt.

Die Verfahrenskosten werden dem Verwalter auferlegt.

Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten findet nicht statt.

Gründe

G R Ó N D E :

Die Antragsteller sind Wohnungseigentümer in der Anlage P-garten in L.

In den vergangenen Jahren war die Gemeinschaft mit der Sanierung der Balkone befaßt. Die Finanzierung erfolgt über die Erhebung einer Umlage; teilweise soll sie auch durch den Rückgriff auf die Instandhaltungsrücklage erfolgen.

In der Eigentümerversammlung vom 2.4.1996 wurde unter TOP 4 (in der Einladung noch als TOP 3 geführt, vgl. Bl. 4 bzw. Bl. 113 GA) die Jahresabrechnung 1994/1995 mehrheitlich gebilligt. Unter TOP 6 (Einladung noch TOP 5, vgl. a.a.O.) wurde dem Verwalter Entlastung erteilt.

Die Antragsteller meinen, daß die Abrechnung 1994/1995 zu beanstanden sei. Weiter sind sie der Auffassung, daß der Verwalter im Rahmen der Balkonsanierung seine Pflichten nicht zureichend wahrgenommen habe. Die dem Verwalter erteilte Entlastung sei daher für unwirksam zu erklären.

Nachdem sie zunächst fristwahrend die gefaßten Beschlüsse in vollem Umfang angefochten haben, wurde der Anfechtungsumfang mit Schriftsatz vom 2.7.1996 (dort S. 7 = Bl. 15 GA) begrenzt.

Die Antragsteller beantragen,

die Beschlüsse zur Jahresabrechnung 1994/95 - bezogen auf den Komplex der Balkonsanierung - und zur Entlastung des Verwalters für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegner haben keinen Antrag gestellt.

Der Verwalter beantragt,

den gestellten Antrag zurückzuweisen.

Der Verwalter ist der Ansicht, die Balkonsanierung unter Einhaltung der geschlossenen Verträge und den darin begründeten Zuständigkeiten korrekt abgewickelt zu haben.

Auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8.11.1996 wird Bezug genommen.

Der Anfechtungsantrag ist begründet.

Zu Recht machen die Antragsteller geltend, daß die Abrechnung für das Jahr 1994/95 nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht soweit die Sanierung der Loggien betroffen ist. Die Abrechnung nebst der Darstellung der Kontenstände ist rechtlich fehlerhaft. Die Abrechnung ist daher insofern für unwirksam zu erklären, als der Komplex der Balkonsanierung betroffen ist.

In rechtlicher Hinsicht ist von folgenden Erwägungen auszugehen:

Die Jahresabrechnung ist eine reine Einnahmen- und Ausgabenrechnung (Weitnauer, WEG, 8. Aufl., § 28 Rz. 24 m.w. Nachw.). In die Abrechnung sind daher alle Einnahmen und Ausgaben des Wirtschaftsjahres aufzuführen. Dabei sind die Kontenstände der Gemeinschaft darzulegen.

Durch diese Form soll insbesondere eine schnelle Óbersicht über die gesamten Aufwendungen und Einnahmen der Gemeinschaft ermöglicht werden. Dies dient gleichzeitig eine Kontrolle der Stimmigkeit der Kontenstände der Gemeinschaft (vgl. Weitnauer, § 28 Rz. 25).

Neben der Óbersicht über die Ausgaben und Einnahmen der Gemeinschaft dient die Abrechnung dazu, die Zahlungsverpflichtung eines jeden Wohnungseigentümers zu konkretisieren. Gewöhnlich ergibt sich aus der Einzelabrechnung eines jeden Wohnungseigentümers ohne weiteres, ob er durch die Vorschüsse zuviel oder zu wenig Wohngeld für das laufende Wirtschaftsjahr erbracht hat.

Anders stellt sich die Lage indes dar, wenn - wie hier - nicht nur Vorauszahlungen auf das Wohngeld, sondern auch Beiträge auf eine beschlossene Sonderumlage zu entrichten sind. Die rechtliche Eigenständigkeit der beiden Zahlungsverpflichtungen verbietet in solchen Fällen eine gemeinsame Behandlung aller Ausgaben und Einnahmen.

Für die Gesamtabrechnung hat es allerdings dabei zu verbleiben, daß in ihr alle Ausgaben (einschließlich derjenigen der Balkonsanierung) darzustellen sind.

In der Wohngeldabrechnung eines jeden Wohnungseigentümers (Einzelabrechnung) sind demgegenüber nur die übrigen Betriebskosten zu erfassen und auf den jeweiligen Wohnungseigentümer zu verteilen. Diesen Kosten sind die Vorauszahlungen des Wohnungseigentümers (gemäß § 16 Abs. 2 WEG) gegenüberzustellen. Nur das gezahlte Wohngeld ist sodann mit dem Aufwand zu verrechnen, der auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfällt. Der sich hieraus ergebende Saldo verpflichtet den Wohnungseigentümer zu einer Nachzahlung oder weist für ihn ein Guthaben aus.

Aufwendungen für Sanierungsarbeiten, die über eine Sonderumlage finanziert werden sollen, gehören demgegenüber nicht in die Einzelabrechnung. Denn diese Kosten sollen auch nicht über das zu erhebende Wohngeld gedeckt werden. Sollen die Ausgaben aber nicht über das Wohngeld erhoben werden, so sind die anfallenden Kosten auch nicht in der Einzelabrechnung auf die einzelnen Wohnungseigentümer zu verteilen.

Damit korreliert, daß Zahlungen auf die Sonderumlage nicht einfach wie Vorauszahlungen auf das Wohngeld behandelt werden dürfen. Dies folgt auch aus dem Umstand, daß die Sonderumlage zweckgebunden für die Balkonsanierung erhoben wird. Nach Beendigung der Sanierungsmaßnahme hat sodann außerhalb der Einzelabrechnungen eine gesonderte Abrechnung über die Kosten der Balkonsanierung zu erfolgen.

Nur wenn die Abrechnung den vorstehenden Anforderungen gerecht wird, ist gewährleistet, daß die Wohnungseigentümer einerseits ein zutreffendes Bild über die Ausgaben und Einnahmen der Gemeinschaft erhalten (nebst zutreffender Óbersicht über die Kontenstände) und andererseits die jeweiligen Einnahmen nur ihrem besonderen Zweck entsprechend (zur Tilgung der laufen Kosten bzw. als Sonderumlage) verrechnet werden.

Diesen Anforderungen wird die vorgelegte Abrechnung nicht gerecht.

Entgegen der im Termin geäußerten Rechtsauffassung ist es jedoch nicht zu beanstanden, wenn in den Einzelabrechnungen dem Sanierungsaufwand in Höhe von 512.111,53 DM (Kostenart 33) eine entsprechende Gegenbuchung über die Entnahme aus der Rücklage (Kostenart 37) in gleicher Höhe entgegengestellt worden ist. Durch diesen Vorgang wird in zureichender Weise in der Abrechnung verdeutlicht, daß zwar Kosten in der genannten Höhe für die Sanierung aufgewendet wurden, dieser Aufwand aber nicht im Rahmen der Abrechnung von den einzelnen Wohnungseigentümern getragen werden soll.

Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist hier auch nicht zu beanstanden, daß die Entnahme aus der Rücklage "Sanierung" in Höhe von -512.111,53 DM ohne einen entsprechenden Beschluß der Gemeinschaft gebucht sein mag. Denn alleine entscheidend ist für die Richtigkeit der Abrechnung insofern, daß der genannte Betrag tatsächlich aufgewendet wurde. Für die Abrechnung interessiert daher auch nicht die Frage, ob die Verwaltung berechtigt war, über diesen (Gesamt-)Betrag ohne eine weitere Beschlußfassung der Gemeinschaft zu verfügen.

Zu beanstanden ist demgegenüber, daß durch die Verwaltung einfach alle Zahlungen der Antragsteller mit den auf sie entfallenden Ausgaben im Wirtschaftsjahr verrechnet worden sind. Eine solche Handhabung ist nach den oben dargelegten Grundsätzen nicht zulässig. Dieser Fehler bedingt auch, daß für die Antragsteller zu Unrecht ein Guthaben ausgewiesen worden ist.

So entfallen auf die Antragsteller für den Zeitraum vom 1.7.1994 bis zum 30.6.1995 Kosten in Höhe von 4.041,56 DM (ohne den Sanierungsaufwand). Dieser Betrag erhöht sich um die Heizkostenabrechnung in Höhe von 464,46 DM und die - nicht angegriffene - Óbernahme des Zahlungssolls aus dem Vorjahr in Höhe von 777,47 DM. Dies ergibt eine Gesamtbelastung der Antragsteller für das Abrechnungsjahr in Höhe von 5.283,49 DM (4.041,56 DM + 464,46 DM + 777,47 DM).

Dem stehen Zahlungen der Antragsteller in Höhe von 1.705 DM, drei mal 658 DM und neun mal 378 DM gegenüber. Die Zahlungen über 658 DM enthalten dabei jeweils einen Anteil in Höhe von 378 DM, der auf das Wohngeld entfällt. Der überschießende Betrag (280 DM) wurde auf die Sonderumlage entrichtet.

Auf das Wohngeld haben die Antragsteller somit insgesamt zwölf mal 378 DM erbracht. Dies macht einen Gesamtbetrag in Höhe von 4.536 DM aus.

Die Zahlungen auf die Sanierung der Loggien machen einen Betrag in Höhe von 2.545 DM aus. Dieser setzt sich aus der einmaligen Zahlung in Höhe von 1.705 DM und den drei Zahlungen in Höhe von jeweils 280 DM (658 DM - 378 DM an Wohngeld) zusammen.

(Auf ausdrücklich Wunsch der Antragsteller sei dabei am Rande erwähnt, daß der Betrag in Höhe von 1.705 DM durchaus nicht "willkürlich" von den Antragstellern entrichtet wurde. Vielmehr entsprach die Zahlung einer Anforderung seitens des Verwalters vom 27.10.1994, was in der mündlichen Verhandlung dargetan wurde.)

Insgesamt steht damit einer Gesamtbelastung der Antragsteller (ohne Sanierungsaufwand für die Loggien) in Höhe von 5.283,49 DM Wohngeldzahlungen in Höhe von 4.536 DM und Zahlungen auf die Sonderumlage in Höhe von 2.545 DM gegenüber.

Aus dieser Auflistung ergibt sich bereits, daß die Antragsteller der Gemeinschaft für das Abrechnungsjahr noch Wohngeld in Höhe von 747,49 DM (5.283,49 DM - 4.536 DM) schulden. Wenn die Abrechnung des Verwalters demgegenüber ein Guthaben für die Antragsteller in Höhe von 107,51 DM ausweist, so ist dies das Ergebnis der (unzulässigen) Verrechnung aller anteiligen Ausgaben und Einnahmen, die den Antragstellern zuzuordnen sind. Eine solche Verrechnung verbietet sich aber, weil die Zahlungen auf das Wohngeld und Zahlungen auf die Sonderumlage jeweils gesondert zu führen sind.

Dieser Zusammenhang zwischen der richtigen Behandlung von Leistungen auf die Sonderumlage und der vorzunehmenden Verrechnung von gezahlten Wohngeld mit angefallenen Kosten gehört zu dem Komplex "Balkonsanierung/Instandhaltung", der von den Antragstellern angegriffen worden ist. Auch bei den Einzelabrechnungen der anderen Wohnungseigentümer ist daher eine neue Verrechnung vorzunehmen. Denn gerade die Einzelabrechnung der Antragsteller zeigt, daß erst durch eine korrekte Verrechnung ermittelt werden kann, welche Salden sich beim Wohngeld ergeben und in welcher Höhe Leistungen auf die Sonderumlage festzustellen sind.

Aus den obigen Darlegungen folgt weiter, daß auch die Sollstellung der Sonderumlage nicht in die Abrechnung gehört. Zur Abrechnung gehören vielmehr nur die (gesondert zu erfassenden) Zahlungen des einzelnen Wohnungseigentümers auf die Sonderumlage.

Allenfalls kann aus Gründen der Information mitgeteilt werden, welcher Betrag von der beschlossenen Umlage auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfällt und welche Beträge ggfs. in früheren Abrechnungsperioden schon von dem Wohnungseigentümer entrichtet wurden.

Weiter ist an der Abrechnung zu bemängeln, daß die Entwicklung der Kontenstände nicht zureichend nachvollziehbar dargetan worden ist.

Die Entwicklung der Kontenstände gehört zur Abrechnung (vgl. etwa Palandt-Bassenge, 54. Aufl., § 28 WEG Rz. 13 m.w. Nachw.; BayObLG, NJW-RR 1992, 1169). Vorliegend hat der Verwalter die Entwicklung im Schreiben vom 7.2.1996 (Bl. 48 GA) nachzeichnen wollen.

Hier ist fehlerhaft, daß bei den Positionen "Zugang 94/95" und "Sonderumlagen Sanierung Loggien" mit "Soll-Zahlen" gearbeitet wird. Denn unstreitig handelt es sich bei den beiden genannten Beträgen um die Summen, die erst noch durch die Eigentümer aufzubringen sind bzw. erst teilweise aufgebracht worden sind. Unklar ist dabei auch, welche Bedeutung der Mitteilung zukommen soll, wonach 193.835,52 DM "noch einzuzahlen" sind. Hier ist mit Recht in der mündlichen Verhandlung die Frage aufgekommen, wo sich das noch einzuzahlende Geld derzeit befindet. Auch die Kontenstände sind daher nicht in der gehörigen Form dargetan worden, was nachzuholen ist.

Bestandskräftig ist die Abrechnung demgegenüber hinsichtlich der Verteilung der sonstigen Betriebskosten auf die einzelnen Wohnungseigentümer. Dies folgt schon aus der Tatsache, daß die Antragsteller die Abrechnung insoweit nicht angefochten haben bzw. ihren Angriff mit Schriftsatz vom 2.7.1996 (dort auf S. 7 = Bl. 15 GA) auf den Komplex "Balkonsanierung/Instandhaltung" beschränkt haben.

Weiter ist die Kostenposition Nr. 33 "Sanierung Loggien" mit einem Gesamtbetrag in Höhe von 512.111,53 DM nicht für unwirksam zu erklären.

Dabei kann dahinstehen, ob die Antragsteller diese Kostenposition ebenfalls mit angefochten wissen wollten. Für eine solche Auslegung spricht immerhin, daß die Antragsteller den Komplex "Balkonsanierung/Instandhaltung" angefochten haben. Zu diesem Komplex gehört natürlich auch die Ausgabeposition in Höhe von 512.111,53 DM.

Andererseits ist zu bedenken, daß die Antragsteller in der Anfechtungsbegründung auch nicht ansatzweise dargetan haben, daß der Betrag zu Unrecht in die Abrechnung eingestellt worden sei. Insbesondere gibt der Vortrag der Antragsteller keinen Anhalt dafür, daß im Abrechnungsjahr höhere oder niedrigere Kosten für die Sanierung der Balkone aufgewandt worden wären. Da das Gericht nicht im Wege der Amtsermittlung verpflichtet ist, zu ermitteln, ob Kosten in zutreffender Höhe in eine Abrechnung eingestellt worden sind, ist daher davon auszugehen, daß unstreitig der Betrag von 512.111,53 DM für die Sanierung ausgegeben worden ist.

Unter Beachtung der obigen Darlegungen ist daher eine neue Abrechnung für die Wohnungseigentümer vorzunehmen. Darüber hinaus sind die Kontenstände korrekt darzustellen.

Die dem Verwalter erteilte Entlastung für das Jahr 1994/95 ist für unwirksam zu erklären.

Nach der gängigen Rechtsprechung ist eine Entlastung dann für unwirksam zu erklären, wenn den Verwalter eine Pflichtverletzung trifft. Vielfach wird dabei die Entlastung insgesamt für unwirksam erklärt, auch wenn sich der Pflichtenverstoß nur auf einen abgrenzbaren Bereich bezieht.

Solche Entscheidungen begegnen insofern Bedenken, als sonst - Teilbarkeit vorausgesetzt - Beschlüsse nur insoweit für unwirksam zu erklären sind, wie ihre Rechtswidrigkeit reicht (vgl. Bärmann/Pick, WEG, 12. Aufl., § 23 Rz. 33 mit Hinweis auf § 139 BGB). Steht daher nur eine abgrenzbare Pflichtverletzung des Verwalters fest, so wäre an sich auch die gewährte Entlastung nur teilweise für unwirksam zu erklären.

Ob ein weitergehender Anfechtungserfolg damit begründet werden kann, daß der Beschlußfassung der Gemeinschaft insgesamt die Grundlage entzogen worden ist, wenn jedenfalls in Teilbereichen eine Pflichtverletzung des Verwalters feststeht, braucht nach Auffassung des Gerichts nicht vertieft zu werden.

Denn nach Ansicht des Gerichts ist die Entlastung insgesamt bereits deshalb für unwirksam zu erklären, weil der Verwalter auf die Gewährung von Entlastung keinen Anspruch besessen hat.

Die Entlastung des Verwalters ist im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) nicht gesetzlich geregelt. Die erteilte Entlastung hat die Wirkung eines negativen Schuldanerkenntnisses (vgl. Weitnauer, WEG, § 28 Rz. 31 mit Hinweis auf OLG Frankfurt, OLGE 1989, 60): Mit der Entlastung wird die Geschäftsführung des Verwalters gebilligt; gleichzeitig wird auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen verzichtet, soweit die Voraussetzungen für die Geltendmachung von solchen Ansprüchen bekannt waren oder bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt für die Wohnungseigentümer hätten erkennbar sein müssen (vgl. wiederum Weitnauer, a.a.O., m.w. Nachw.).

Umstritten ist, unter welchen Voraussetzungen ein Verwalter Anspruch auf Erteilung einer Entlastung besitzt.

Nach der Einschätzung von Weitnauer (vgl. a.a.O., Rz. 32) ist dies in Anlehnung an die Rechtslage bei Geschäftsführern einer GmbH zu beantworten. Für das GmbH-Recht wird teilweise die Ansicht vertreten, daß ein Anspruch auf Entlastung bestehen soll, wenn die "Amtsführung des Geschäftsführers zu nennenswerten Beanstandungen keinen Anlaß (gegeben hat)" (so Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl., § 46 Rz. 29).

Demgegenüber wird überwiegend eine Klage auf Entlastung für unzulässig gehalten (vgl. für die Aktiengesellschaft Hüffer, AktG, § 120 Rz. 38 - wegen der jetzigen Regelung in § 120 Abs. 2 S. 2 AktG liegt die Problematik aber ohnehin nicht mehr vergleichbar; für die GmbH insbesondere BGHZ, 94, 324 [326 ff.] = NJW 1986, 129 f.). Mit Beschluß vom 19.8.1996 hat das OLG Düsseldorf einen Antrag als unbegründet zurückgewiesen, mit welchem ein ausgeschiedener Verwalter die Gemeinschaft verpflichtet wissen wollte, ihm Entlastung zu erteilen (3 Wx 581/94, ZMR 1996, 622 f.).

Das Gericht teilt die Auffassung des OLG Düsseldorf, wonach ein Verwalter regelmäßig keinen Anspruch auf Entlastung besitzt.

Soweit es bei der Entlastung um den Verzicht auf etwaige Ersatzansprüche der Gemeinschaft gegen den Verwalter geht, ist in der Tat auf die Rechtslage bei der GmbH zu verweisen. In diesem Zusammenhang hat der BGH (a.a.O. S. 130 li. Spalte a.E.) ausgeführt:

"Hat die Gesellschaft Ersatzansprüche, so ist kein Grund ersichtlich, weshalb sie darauf verzichten sollte; müßten andererseits die Gesellschafter verzichten, weil die Geschäftsführung ordnungsgemäß war, so gäbe es nichts, worauf sie verzichten könnten. K. Schmidt hat mit Recht darauf hingewiesen, daß es sinnlos ist, einen Verzicht auf Ansprüche davon abhängig zu machen, daß es diese Ansprüche nicht gibt (ZGR 1978, 441)."

Nichts anderes kann nach Auffassung des Gerichts für das Wohnungseigentumsrecht gelten: Auch hier zeigt die Entlastung gerade dann Wirkung, wenn der Verwalter seine Pflichten verletzt hat und somit (ohne die Entlastung) Schadensersatzansprüche der Gemeinschaft bestünden. In diesen Fällen hat der Verwalter naturgemäß keinen Anspruch auf Entlastung. Hat der Verwalter demgegenüber seinen Vertrag vollständig und pflichtgemäß erfüllt, so bliebe die Entlastung ohne Wirkung - für einen solchen Fall macht aber die Entlastung wiederum selbst keinen Sinn.

Für die Zubilligung eines Anspruchs auf Entlastung sind nach Ansicht des Abteilungsrichters auch keine überzeugenden Gründe vorhanden.

Dabei ist insbesondere zu bedenken, daß der Verwalter für seine Tätigkeit von der Gemeinschaft ein Entgelt erhält. Als Gegenleistung hat der Verwalter seine Aufgaben ordnungsgemäß zu erledigen. Weshalb nun der Verwalter in periodischen Abständen einen Anspruch darauf haben sollte, von einer etwaigen Ersatzverpflichtung für frühere Pflichtverletzungen "freigestellt" zu werden, ist nicht erfindlich. Eine Rechtsgrundlage für eine solchen Verzicht der Gemeinschaft ist nicht vorhanden.

Auch das OLG Düsseldorf führt dann (a.a.O. S. 623 li. Spalte) unter anderem aus: "Es ist nicht zu erkennen, weshalb eine so weitgehende Preisgabe von Rechtspositionen gegenüber einem ausgeschiedenen Verwalter dem wohlverstandenen Interesse der Eigentümergemeinschaft und damit dem Erfordernis ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen könnte."

Gleiches gilt erst recht für einen Verwalter, der noch immer für die beteiligte Wohnungseigentümergemeinschaft tätig ist.

Zeigt sich somit bei der Entlastung eine Wirkung in rechtlicher Hinsicht nur dann, wenn der Verwalter seine Pflichten verletzt haben sollte, so kann ein solcher Beschluß der Gemeinschaft nicht mehr als ordnungsgemäße Verwaltung angesehen werden. Denn mit dem Beschluß würde alleine der Gefahr Vorschub geleistet, daß die Gemeinschaft möglicherweise zu Unrecht Entlastung erteilt und auf Forderungen gegenüber dem Verwalter verzichtet. Für einen solchen Forderungsverzicht fehlt es aber an einer nachvollziehbaren Begründung. Dies gilt jedenfalls für den Verwalter, der für seine Tätigkeit ein Entgelt erhält. Mit Recht hat dann auch bereits das BayObLG in einer Entscheidung vom 7.1.1980 (Rechtspfleger 1980, 192) in Frage gestellt, ob einem Verwalter kraft Gesetzes überhaupt einen gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Entlastung zusteht.

Soweit das BayObLG in einer neueren Entscheidung (vom 12.6.1991, NJW-RR 1991, 1360 ff.) eine gewährte Entlastung bereits dann für unwirksam hält, wenn Schadensersatzansprüche nur "möglich" erscheinen, geht dies nach Auffassung des Gerichts nicht weit genug.

Bedenken begegnet dabei schon der Ansatz des BayObLG. Wenn nämlich die Entlastung nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen soll, wenn der Beirat und der Verwalter ihre Pflichten voll erfüllt haben, so stellt sich naturgemäß die Frage, wie dies im einzelnen festgestellt werden soll. Da die Entlastung somit nur bei einer perfekten Vertragserfüllung zulässig sein soll, müßte an sich zuvor die gesamte Verwaltung durchleuchtet werden. Wer dies im einzelnen sachgerecht sollte erfüllen können, ist nicht ersichtlich.

Hinzu kommt, daß diese Rechtsprechung mit Blick auf die angeführte BGH-Entscheidung wenig Sinn macht. Denn bei einer vollkommenen Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen würde ja wiederum ein Anspruch gar nicht bestehen. Die gewährte Entlastung wäre somit sinnlos, was auf der Hand liegt.

Nach alledem kann nach Ansicht des Gerichts allenfalls dann ein Anspruch auf Entlastung geboten sein, wenn der Verwalter aufgrund der Teilungserklärung oder des Verwaltervertrages einen Anspruch auf Entlastung besitzt. Für den vorliegenden Fall ergibt sich aber aus der Teilungserklärung, die zugleich den Verwaltervertrag enthält (vgl. Bl. 95 ff.) kein Anspruch auf Entlastung. Die Teilungserklärung schweigt vielmehr zu der hier interessierenden Frage.

Ist somit ein Anspruch auf Entlastung nicht gegeben, so entspricht es grundsätzlich auch nicht ordnungsgemäßem Verwaltungshandeln, wenn die Gemeinschaft mehrheitlich eine derartige Entlastung beschließt.

Dabei wird nicht verkannt, daß Gesellschaftern für das GmbH-Recht ein Ermessensspielraum eingeräumt wird, der Geschäftsführung Entlastung zu erteilen oder diese zu versagen (vgl. erneut Zöllner, a.a.O., § 46 Rz. 28). Diese Beurteilung wird vom BGH (a.a.O., S. 130 li. Spalte zweiter Absatz) geteilt, auch wenn es sich dabei nicht um eine tragende Erwägung der Entscheidung handelt. Ob dieser Ermessensspielraum bei den Geschäftsführern einer GmbH zu Recht angenommen wird, kann nach Ansicht des Gerichts dahinstehen. Der Rechtsgedanke kann nämlich nicht auf die Rechtslage bei Wohnungseigentümergemeinschaften übertragen werden. So stellt auch der BGH seine Ausführungen dazu in den Zusammenhang mit der Frage nach dem unternehmerischen Geschick. Die Gesellschafterversammlung besitze bei der Frage, ob der Geschäftsführer eine "glückliche Hand" besessen habe (so wörtlich der BGH, a.a.O., S. 130 li. Spalte zweiter Absatz), eine "breite Spanne des Ermessens". Während daher bei der Entlastung der Geschäftsführung einer GmbH immerhin noch die Frage nach dem unternehmerischen Weitblick und Geschick des Geschäftsführers eine Rolle spielt, ist dies für das Wohnungseigentumsrecht nicht der Fall. Mag daher im GmbH-Recht durch die unternehmerische Prägung ein Ermessensspielraum für die Gesellschafter bestehen, so kann dies für die Wohnungseigentümer nicht angenommen werden. Beim WEG-Recht hat es vielmehr dabei zu verbleiben, daß die rechtliche Wirkung einer Entlastung nur mit der Gefahr eines Rechtsverlustes für die Gemeinschaft verbunden ist. Weshalb die Óbernahme eines solchen Risikos noch im Bereich ordnungsgemäßer Verwaltung sollte liegen können, ist nicht erkennbar. Insofern besteht auch Óbereinstimmung mit der bereits zitierten Entscheidung des BayObLG vom 12.6.1991. Denn auch nach der Auffassung des BayObLG läßt bereits die Möglichkeit von bestehenden Schadensersatzansprüchen die Grundlage für eine Entlastung entfallen. Die Entlastung soll vielmehr nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, "wenn Verwalter und Verwaltungsbeirat objektiv keine Pflichtverletzung begangen haben, also ihre Pflichten voll erfüllt haben". Nach Ansicht des BayObLG ist die Entlastung - mit der Verzichtswirkung - mithin nur dann nicht zu beanstanden, wenn eben die gewollte Rechtswirkung (Verzicht) nicht eintritt. Von der Zubilligung eines Ermessensspielraumes geht daher auch das BayObLG nicht aus.

Die vorstehenden Óberlegung bedürfen nach Ansicht des Gerichts allerdings einer Einschränkung.

So unterliegt es keinem vernünftigen Zweifel, daß in einem Verwaltervertrag ein Anspruch auf Entlastung vereinbart werden kann. Weiter bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen eine nachträgliche Anpassung des Verwaltervertrages.

Ist somit die Mehrheit der Gemeinschaft beim Abschluß des Verwaltervertrages in der Lage, die Minderheit zu vertreten (Vertretungsmacht kraft des Mehrheitsbeschlusses) und einen Anspruch auf Entlastung zugunsten des Verwalters zu statuieren, so wird man der Mehrheit auch das Recht zubilligen müssen, nachträglich einen Anspruch auf Entlastung zu schaffen. Wird in Erfüllung eines solchen Anspruches die Entlastung erteilt, so ist diese nur dann anfechtbar, wenn dies durch besondere Umstände berechtigt ist.

Für den vorliegenden Fall ergeben sich aufgrund dieser Betrachtung jedoch keine Ànderungen. Denn eine wirksame Entlastung kann aufgrund der dargelegten Umstände nur dann angenommen werden, wenn bei der Gemeinschaft überhaupt der Wille zu einer Ergänzung des Vertrages vorhanden und der Beschluß zur Entlastung vor diesem Hintergrund gefaßt wurde.

Dies ist hier nicht dargetan. Im übrigen weist auch die Einladung (Bl. 3 ff. GA) nicht darauf hin, daß der Verwaltervertrag um einen Anspruch auf Entlastung erweitert werden sollte. Versteht man die gewährte Entlastung daher als Erweiterung des Verwaltervertrages, so wäre diese mangels zureichender Ankündigung wegen § 23 Abs. 2 WEG für unwirksam zu erklären.

Soweit bislang eine gewährte Entlastung bereits dann für wirksam erklärt wurde, wenn eine Pflichtverletzung nicht konkret dargetan wurde, wird an der Rechtsprechung nicht festgehalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG.

Es entsprach billigem Ermessen, dem Verwalter die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Denn als Verwalter hat er die Verpflichtung, eine ordnungsgemäße Abrechnung vorzulegen. Da die Abrechnung diesen Anforderungen nicht genügt, hat der Verwalter das Verfahren veranlaßt.

Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten hat es bei der Regel des § 47 S. 2 WEG zu verbleiben.

Der Geschäftswert für die (Teil-)Anfechtung der Jahresabrechnung wird auf 10.000 DM; der für die Entlastung des Verwalters auf 5.000 DM festgesetzt. Eine solche Festsetzung erweist sich gemäß § 48 Abs. 3 S. 2 WEG als geboten (vgl. auch BVerfG, WM 1992, 293 ff. mit Anm.).

Insgesamt ergibt sich somit ein Geschäftswert von 15.000 DM.






AG Kerpen:
Beschluss v. 18.12.1996
Az: 15 II 27/96


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