Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Dezember 2008
Aktenzeichen: 19 W (pat) 3/08

(BPatG: Beschluss v. 11.12.2008, Az.: 19 W (pat) 3/08)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 05 B des Deutschen Patentund Marken-

BPatG 152 amts vom 18. September 2007 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patentund Markenamt zurückverwiesen.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

Das Deutsche Patentund Markenamt -Prüfungsstelle für Klasse G 05 B -hat die am 6. Juni 2002 eingereichte Anmeldung mit der Bezeichnung "Rechnergestütztes Steuerverfahren für eine Werkzeugmaschine", für das die Priorität der Anmeldung vom 10. September 2001 mit dem Aktenzeichen 101444482.6 in Anspruch genommen ist, durch Beschluss vom 18. September 2007 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

In dem (einzigen) Prüfungsbescheid vom 23. März 2007 hat die Prüfungsstelle festgestellt, dass Anspruch 1 u. a. wegen fehlender Neuheit nicht gewährbar sei und als Computerprogramm als solches nicht zu den patentfähigen Erfindungen zähle.

Zur Begründung verweist die Prüfungsstelle auf die Druckschrift (1) (A.G.Ulsoy, Y.Koren, IEEE Control 'Systems Magazine, Bd. 9, Nr. 4, 1989, 33 bis 37), wobei sie einen Merkmalsvergleich zwischen dem Wortlaut des Anspruchs 1 und dem Stand der Technik nach dieser Druckschrift durchführt. Die Prüfungsstelle stellt dann fest, welche der beiden Parameter "depth of cut d" oder "feel rate f" bei konstanter Schneidkraft angepasst werde und nach welchem Algorithmus (Stufen, monoton, alternierend) angepasst werden solle, lasse anhand der vorliegenden Anmeldung nicht erkennen, welches konkrete technische Problem gelöst werden solle. Die Art der in den Ansprüchen 1 bis 12 beanspruchten Variationen der Schnitttiefe lasse gegenüber (1) folglich keine technisch bedeutsame Problemlösung erkennen.

Im Folgenden nimmt die Prüfungsstelle zum nebengeordneten Anspruch 13 Stellung, das als Computerprogrammprodukt zur Durchführung eines Steuerverfahrens insbesondere auf Anspruch 1 rückbezogen ist. Hierzu stellt sie einleitend fest, dass Computerprogrammprodukte jeglicher Art und in jeglicher Gestalt urheberrechtlich zu beurteilen seien. Sie verweist auf zwei Kommentarstellen zum Urheberrecht und führt aus, bei der BGH Entscheidung "Suche fehlerhafter Zeichenketten" bestünde Klärungsbedarf hinsichtlich der einheitlichen Rechtsprechung zwischen erstem und zehntem Senat des Bundesgerichtshofs. Das in Anspruch 1 beanspruchte Verfahren lasse jedoch nichts erkennen, was aus dem Patentierungsausschluss "Verfahren für ... Programme für Datenverarbeitungsanlagen ... als solche" herausführen könnte. Steuerrechner mit einem Computerprogramm nach Anspruch 14 zu programmieren, sei platt selbstverständlich.

Die Anmelderin legt mit ihrer Eingabe vom 7. August 2007 neue Ansprüche 1 und 13 vor. Anspruch 1 lautet:

"Rechnergestütztes Steuerverfahren für eine Werkzeugmaschine (1), mittels derer ein Werkstück (7) spanabhebend, insbesondere durch Drehen, bearbeitbar ist,

- wobei einem Steuerrechner (2) für die Werkzeugmaschine (1) ein Steuerbefehl (S) vorgegeben wird, aufgrunddessen das Werkstück (7) in einem zusammenhängenden Bereich mit einem Werkzeug (6) über eine Gesamthöhe (H)

bearbeitet werden soll,

- wobei der Steuerrechner (2) anhand des Steuerbefehls (S)

selbsttätig eine Anzahl von Verfahrbewegungen ermittelt, aufgrund derer das Werkstück (7) in dem Bereich jeweilsüber eine Teilhöhe (h) und insgesamt über die Gesamthöhe (H) bearbeitet wird und die Werkzeugmaschine (1) entsprechend den ermittelten Verfahrbewegungen steuert, dadurch gekennzeichnet, dass der Steuerrechner (2) die Verfahrbewegungen derart ermittelt, dass die Teilhöhe (h) variiert."

Anspruch 13 lautet:

"Mit einem Computerprogrammprodukt (3) zur Durchführung eines Steuerverfahrens nach einem der obigen Ansprüche programmierter Steuerrechner."

Die Anmelderin führt aus, dass der klargestellte Anspruch 1 klar und eindeutig das Gebiet der Technik betreffe, sein Gegenstand neu sei und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Der Gegenstand des Anspruchs 13 enthalte auf Grund seines impliziten Rückbezugs ebenfalls Merkmale des Anspruchs 1 und sei daher ebenfalls gewährbar.

In ihrem Zurückweisungsbeschluss vom 18. September 2007 stellt die Prüfungsstelle unter Abschnitt II. fest, dass der Anspruch 13 als Sachanspruch wegen fehlender Neuheit nicht gewährbar sei, weil er alle vorbekannten programmierbaren Steuerrechner für Werkzeugmaschinen umfasse und dessen beanspruchte Programmierung durch ein Computerprogrammprodukt zur Durchführung eines Steuerverfahrens nach Anspruch 1 als solche nach § 1 (3) 3. mit 1 (4) PatG nicht als Erfindung angesehen werden dürfe.

Sie stellt fest, ausweislich der Beschreibung seien zum Prioritätstag programmierbare Steuerrechner für Werkzeugmaschinen bekannt gewesen, die programmiert gewesen seien, Verfahren nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 auszuführen. Außerdem sei es ausweislich der Beschreibung zudem bekannt, dass vorzeitiger Werkzeugverschleiß durch Kerbenbildung nur dann hätte vermieden werden können, wenn der Maschinenbediener jede einzelne Verfahrbewegung "manuell" programmieren würde, so dass die Teilhöhe nicht konstant sei. Das Verfahren des Anspruchs 1 unterscheide sich von vorbekannten rechnergestützten Steuerverfahren für Werkzeugmaschinen folglich einzig darin, dass der Steuerrechner dem Maschinenbediener bei dessen Programmierung der Verfahrbewegung die Variation der Teilhöhen abnehme. Anspruch 1 erschöpfe sich demnach in dem Wunsch der Automatisierung der Variation der Teilhöhen bei der Programmierung der Verfahrbewegungen durch den Steuerrechner. BGH "Rentabilitätsermittlung" habe solche Automatisierungswünsche nicht als konkretes technisches Problem angesehen.

Gegenüber BGH "Rentabilitätsermittlung" könnte man zwar sagen, dass das hier vorliegende Problem der Vermeidung bzw. Reduzierung des vorzeitigen Werkzeugverschleißes ein eindeutiges technisches Problem darstelle. Bei einer Einzelfallanalyse an hinsichtlich der Frage nach dem Konkretheitserfordernis für die Problemstellung kommt die Prüfungsstelle zu dem Ergebnis, die -zwei Teile enthaltende -Problemstellung sei bezüglich ihres ersten Teils zweifelsfrei sowohl technisch als auch konkret und das Lösungsmerkmal, die Teilhöhen bei den Verfahrbewegungen der Werkzeugmaschine zu variieren, sei gleichfalls unzweifelhaft technisch, aber ausweislich der Beschreibung nicht neu.

Die Prüfungsstelle fährt in ihrer Begründung fort, dass die "manuelle" Tätigkeit der Programmierung der Verfahrbewegung eine geistige Tätigkeit der Maschinenbediener sei. Dem Automatisierungswunsch reiner Berechnungen werde nach der Rechtsprechung zumeist keine technische Problemstellung (zweiter Teil der Problemstellung) zuerkannt. Da dem Anspruch über diesen Automatisierungswunsch hinaus keine weiteren konkreten Anweisungen über die Realisierung des angestrebten Ergebnisses mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung zu entnehmen seien, dürfe nach BGH Rentabilitätsermittlung das Problem nicht als konkretes technisches Problem angesehen werden.

Die Prüfungsstelle meint, BGH "elektronischer Zahlungsverkehr" fordere zu prüfen, ob eine Bereicherung der Technik vorliege. Ausweislich der Beschreibung, bestätigt durch Kollegen der Mechanikabteilungen, sei die Variation der Teilhöhe eine bekannte Maßnahme, vorzeitigen Verschließ der Werkzeugschneide durch Kerbenbildung zu verhindern oder zu verringern, und sei damit keine Bereicherung der Technik. Im Weiteren stellt die Prüfungsstelle Überlegungen zu den Zielsetzungen patentrechtlichen Schutzes und urheberrechtlichen Schutzes an.

Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Zielsetzung erfinderischen Schutzes für die Prüfungsstelle die Patentierung solcher Computerprogrammprodukte verbiete, selbst wenn diese in Verbindung mit zweifelsfrei technischen Gegenständen als programmierte Steuerrechner für eine Werkzeugmaschine beansprucht seien. Zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung sehe die Prüfungsstelle nur die Möglichkeit, dass sich der erste und der zehnte Senat des BGH hinsichtlich der Zuständigkeitsgrenzen bei der Vergabe von Eigentumsrechten bei computerimplementierten Erfindungen einigen würden, wenn seitens des BPatG bereits so Standardprogrammdatenstrukturen wie Ringspeicher als technizitätsund damit patentbegründend angesehen würden. Anscheinend sehe das BPatG gelegentlich auch schon allein in der technischen Zweckbestimmung, die bei programmierbaren Steuerungssystemen immer gegeben sei, ausreichend Grund für die eigene Zuständigkeit bei der Vergabe von Eigentumsrechten an Algorithmen in Computerprogrammen, ohne eine Klärung der Zuständigkeitsfrage zwischen den BGH-Senaten oder durch den GSZ angeregt zu haben.

Abschließend stellt die Prüfungsstelle fest, da diese Einigung nicht zwischen Prüfungsstelle und Anmelderin erzielt werden könne, sei das Prüfungsverfahren mit einem beschwerdefähigen Beschluss zu beenden. Damit sei die Anmeldung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 PatG zurückzuweisen.

Die Anmelderin beantragt;

1.

die Zurückweisung der Patentanmeldung aufzuheben;

2.

das Patent mit den derzeit vorliegenden Unterlagen zuerteilen;

3.

hilfsweise einen Termin für eine mündliche Verhandlung anzuberaumen;

4.

weiter hilfsweise den Anspruch 13 zu streichen und das Patent auf der Grundlage der nunmehr vorliegenden Unterlagen zu erteilen.

Die Anmelderin ist der Meinung, dass der Gegenstand des Anspruchs 13 neu sei, da auf Grund des Rückbezugs "zur Durchführung eines Steuerverfahrens nach einem der obigen Ansprüche" der Steuerrechner im Betrieb selbsttätig ein im folgenden von der Anmelderin im Einzelnen ausgeführtes Verfahren ausführe. Eine derartige Vorgehensweise werde von keinem Steuerrechner des Standes der Technik ausgeführt. Darauf, ob diese neue Funktionalität durch ein entsprechendes Programmieren mit einem Computerprogrammprodukt erreicht werde oder durch entsprechende schaltungstechnische oder sonstige Ausgestaltung, komme es nicht an.

Die Anmelderin setzt sich dann mit den Argumenten der Prüfungsstelle auseinander, da sie die Möglichkeit nicht ungenutzt lasse wolle, dass die Prüfungsstelle der Beschwerde gemäß Hauptantrag abhelfe. Unter anderem ist sie der Auffassung, die Prüfungsstelle setze sich mit ihrer Rechtsauffassung in Widerspruch zur gefestigten Rechtsprechung von Bundespatentgericht und Bundesgerichtshof und ihre völlig zergliedernde Analyse werde der vorliegenden Erfindung nicht gerecht. Außerdem sei das Urheberrecht für die Frage, ob eine patentfähige Erfindung vorliege, doch wohl unbeachtlich und die Berufung auf das Urheberecht gehe daher völlig an der Sache vorbei.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die fristund formgerecht erhobene Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und auch begründet, denn der angefochtene Beschluss ist aufzuheben und die Sache an das Deutsche Patentund Markenamt zurückzuverweisen, da der Beschluss verfahrensfehlerhaft ergangen ist (§ 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 PatG).

1) Gemäß § 45 Abs. 2 PatG hat die Prüfungsstelle, wenn sie zu dem Ergebnis kommt, dass keine nach §§ 1 bis 5 patentfähige Erfindung vorliegt, dies der Patentsucherin unter Angabe der Gründe dies mitzuteilen. Gründe, auf denen die spätere Entscheidung der Prüfungsstelle beruht, sind der Anmelderin vor der Entscheidung mitzuteilen (§§ 48 Abs. 1 Satz 2, 42 Abs. 3 Satz 2 PatG). Bereits dies hat die Prüfungsstelle unterlassen. Sie hat somit der Anmelderin nicht in ausreichender Weise rechtliches Gehör gewährt.

Im einzigen Bescheid vom 23. März 2007 stellte die Prüfungsstelle fest, dass der Anspruch 1 u. a. wegen fehlender Neuheit nicht gewährbar sei und als Computerprogramm als solches nicht zu den patentfähigen Erfindungen zähle, dass Computerprogrammprodukte in Gestalt nach Anspruch 13 urheberrechtlich zu beurteilen seien und dass Steuerrechner mit einem Computerprogramm nach Anspruch 14 zu programmieren platt selbstverständlich sei. Mit Eingabe vom 7. August 2007 legte die Anmelderin neue Ansprüche 1 und 13 vor und erläuterte, worin sie den Unterschied zum Stand der Technik sieht. Der dem Beschluss zugrundeliegende Anspruch 13 sei eine Zusammenfassung der ursprünglichen Ansprüche 13 und 14 und eines der Ansprüche 1 bis 12.

Im Zurückweisungsbeschluss stellt die Prüfungsstelle ohne weiteren Bescheid fest, der neu vorgelegte Anspruch 13 sei als Sachanspruch wegen fehlender Neuheit nicht gewährbar, weil er alle vorbekannten programmierbaren Steuerrechner für Werkzeugmaschinen umfasse und dessen beanspruchte Programmierung durch ein Computerprogrammprodukt zur Durchführung eines Steuerverfahrens nach Anspruch 1 als solche nach § 1 (3) 3. mit 1 (4) PatG nicht als Erfindung angesehen werden dürfe..

Hierbei befasst sich die Prüfungsstelle nicht mit der Frage, ob durch den neuen Anspruch 13 eine neue Sachlage entstanden ist. Vielmehr wird in der Begründung fehlende Neuheit als Zurückweisungsgrund genannt. Fehlende Neuheit der Gegenstände der ursprünglichen Ansprüche 13 und 14 war aber im Bescheid vom 23. Mai 2007 nicht angesprochen. Ferner verweist die Prüfungsstelle anders als im Vorbescheid auf einen sich aus der Beschreibungseinleitung der Patentanmeldung ergebenden, sowie auf einen durch mündliche Erkundigung bei anderen Prüfern ermittelten Stand der Technik.

Den Anforderungen des § 45 Abs. 2 PatG ist somit nicht genüge geleistet worden und somit ist zugleich § 48 Satz 2 i. V. m. § 42 Abs. 3 Satz 2 PatG verletzt worden.

2) Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 sind die Beschlüsse der Prüfungsstelle zu begründen.

Als Begründung genügen insbesondere nicht allgemeine Behauptungen oder in sich unklare und widersprüchliche, unverständliche und verworrene Ausführungen, die nicht erkennen lassen, welche Überlegungen bzw. Gründe für die Entscheidung maßgebend waren (vgl. Schulte PatG, 8. Aufl. § 47 Tdn. 19 bis 22; Busse PatG, 6. Aufl. § 47 Rdn. 26, 27; vgl. auch BPatG 21 W (pat) 15/05, 19 W (pat) 13/08). Dies ist hier der Fall:

Die Prüfungsstelle verweist zu Beginn des Abschnitts II ihres Zurückweisungsbeschlusses darauf, dass Anspruch 13 als Sachanspruch wegen fehlender Neuheit nicht gewährbar sei, weil er alle vorbekannten programmierbaren Steuerrechner für Werkzeugmaschinen umfasse und dessen beanspruchte Programmierung durch ein Computerprogrammprodukt zur Durchführung eines Steuerverfahrens nach Anspruch 1 als solche nach § 1 (3) 3. mit 1 (4) PatG nicht als Erfindung angesehen werden dürfe. Bereits hier ist unklar, welcher Anspruch und mit welcher Begründung dieser nicht gewährbar sein soll. Ist der Gegenstand von Anspruch 13 nicht neu oder ist der Gegenstand des Anspruch 1 nach § 1 (3) 3. mit 1 (4) PatG nicht patentfähig€ Oder soll der Gegenstand von Anspruch 13 wegen fehlender Neuheit in Kombination mit § 1 (3) 3. mit 1 (4) PatG nicht patentfähig sein€

Zur Begründung führt die Prüfungsstelle zunächst einen pauschalen Neuheitsvergleich für den Anspruch 1 durch; dann stellt sie fest, worin sie den Unterschied zu vorbekannten rechnergestützten Steuerverfahren für Werkzeugmaschinen sieht. Sie kommt dann zu dem Schluss, dieser Unterschied erschöpfe sich in dem Wunsch der Automatisierung, was nicht als konkretes technisches Problem gesehen werden könne. Ein Zusammenhang mit dem anfänglichen Neuheitsvergleich erschließt sich hier nicht. Im weiteren untersucht die Prüfungsstelle, ob nicht doch ein eindeutiges technisches Problem vorliegen könnte: sie benennt zwei Anweisungen sowie die diesen zugrundeliegenden Problemstellungen und kommt im Zusammenhang mit einem von ihr sogenannten "4-Stufen-Test", der ihrer Meinung nach im Leitsatz des BGH "elektronischer Zahlungsverkehr" skizziert sei, zu dem Ergebnis, dass ein Teil der Problemstellung zweifelsfrei technisch als auch konkret sei, das Lösungsmerkmal zu Problem 1. aber ausweislich der Beschreibung nicht neu sei. Der Senat kann schon nicht nachzuvollziehen, wie sich aus dem genannten Leitsatz ein "4-Stufen-Test" ableiten lässt. Auch bleibt unklar, was hiermit im Rahmen der Begründung ausgesagt werden soll. Die Prüfungsstelle kommt dann in ihrer Begründung zu der "manuellen" Tätigkeit der Programmierung, diei. a. turingberechenbar sei und mit Alan Turings Schrift von 1936 die Automatisierbarkeit auch dieser Art der Programmierung der Verfahrwegbewegung bewiesen sei. Der Sinn dieser Aussage im Zurückweisungsbeschluss erschließt sich ebenfalls nicht, denn die Frage der Nacharbeitbarkeit hatte sich bisher im Verfahren nicht gestellt. Die Prüfungsstelle kommt dann wieder zurück auf den "Automatisierungswunsch" und ihren "4-Stufen-Test" und stellt fest, dass die Variation der Teilhöhe nach der Problemlösung 1. eine bekannte Maßnahme sei, vorzeitigen Verschließ der Werkzeugschneide durch Kerbenbildung zu verhindern oder zu verringern, und damit keine Bereicherung der Technik. Die Feststellung, eine bekannte Maßnahme sei keine Bereichung der Technik, ist platt selbstverständlich und kann somit nicht zur Begründung beitragen.

Die Prüfungsstelle stellt dann zur Problemlösung zu Problem 2. fest, sie bereichere in der beanspruchten Form als Automatisierungswunsch die Technik nicht und "dürfe" nicht als Erfindung im Sinne des § 1 PatG angesehen werden. Zur weiteren Erläuterung kommt sie auf den Urheberrechtsschutz zu sprechen, vermischt mit Feststellungen, wie z. B. "diese Frage der Technizität" sei "unabhängig von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit zu beantworten", oder "Die Prüfungsstelle sieht die Aufgabenstellung, eine Zeichenkette "hello world" mit Hilfe einer Datenverarbeitungsanlage darzustellen für identisch "technisch" wie die der vorliegenden Anmeldung". Der Sinn dieser Aussagen, insbesondere die Hinweise auf das Urheberrecht, im Hinblick auf die Begründung der Zurückweisung erschließt sich ebenfalls nicht. Auch ist nicht nachvollziehbar, warum "die Zielsetzung erfinderischen Schutzes ... für die Prüfungsstelle die Patentierung solcher Computerprogrammprodukte" verbietet, warum die Prüfungsstelle "zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung" "nur die Möglichkeit sieht, dass sich der erste und der zehnte Senat des BGH hinsichtlich der Zuständigkeitsgrenzen bei der Vergabe von Eigentumsrechten bei computerimplementierten Erfindungen einigen" und wie dies alles im Zusammenhang mit der Begründung zu verstehen ist.

Es handelt sich um eine verworrene Ansammlung von Überlegungen und Feststellungen der Prüfungsstelle, die in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Patentanspruchs 13 stehen. Die entscheidungserheblichen tatsächlichen und rechtlichen Überlegungen in logischer Gedankenführung, die zu dem Zurückweisungsbeschluss geführt haben, sind im Beschluss der Prüfungsstelle nicht erkennbar. Somit ist auch unklar, auf welche Vorschrift des Patentgesetzes die Zurückweisung letztendlich gestützt ist und wie dies konkret begründet wird.

III.

Die Zurückverweisung an die Prüfungsstelle erfolgt, da bisher kein geordnetes Prüfungsverfahren hinsichtlich der vorliegenden Anmeldung durchgeführt worden ist und dies einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 9 Abs. 3 Nr. 2 PatG darstellt.

Bei der Fortführung des Prüfungsverfahrens ist die Prüfung der Patentanmeldung auf der Grundlage des Patentgesetzes durchzuführen, wobei die Prüfungsstelle die in den Entscheidungen des X. Senats des BGH und des BPatG genannten Kriterien zu Technizität, Computerprogrammen als solchen und Computerprogrammprodukten anzuwenden hat. Zur Feststellung, ob ein Computerprogramm als solches vorliegt, hat sie sich mit allen Merkmalen eines Patentanspruchs auseinanderzusetzen und festzustellen, ob ein konkretes technisches Problem mit technischen Mitteln gelöst wird. Wenn verfahrensmäßigen Anweisungen der technische Charakter zuerkannt wird, betreffen hierauf Bezug nehmende Patentansprüche als Sachansprüche kein Computerprogramm als solches (BGH GRUR 2002, 143, 146 -Suche fehlerhafter Zeichenketten; BGH GRUR 2005, 749, 753 -Aufzeichnungsträger; BPatG 19 W (pat) 61/03).

IV.

Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 80 Abs. 3 PatG ist dann veranlasst, wenn bei ordnungsgemäßer und angemessener Sachbehandlung der Erlass eines Zurückweisungsbeschlusses nicht in Betracht gekommen wäre und damit die Erhebung der Beschwerde sowie die Einzahlung der Beschwerdegebühr hätte vermieden werden können.

Wenn ein Beschluss verfahrensfehlerhaft ergangen ist, liegt ein Grund vor, der eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigt (siehe auch Schulte PatG, 7. Aufl. § 73 Rdn. 120 bis 133 -jeweils mit weiteren Hinweisen).

V.

Da mit der Aufhebung des Beschlusses der Prüfungsstelle dem Antrag der Anmelderin in der Hauptsache gefolgt worden ist und über eine Patenterteilung wegen des fehlenden Prüfungsverfahrens noch nicht zu entscheiden war, konnte die hilfsweise beantragte mündliche Verhandlung unterbleiben.

Bertl Dr. Mayer Gutermuth Dr. Scholz Pr






BPatG:
Beschluss v. 11.12.2008
Az: 19 W (pat) 3/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d9596a347247/BPatG_Beschluss_vom_11-Dezember-2008_Az_19-W-pat-3-08




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share