Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 5. April 1991
Aktenzeichen: 6 U 150/90
(OLG Köln: Urteil v. 05.04.1991, Az.: 6 U 150/90)
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 21. Juni 1990 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 0 25/90 - abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt,1. es bei Meidung eines vom Gerichtfür jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000,-- DM, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten zu unterlassen,in der an den Endverbraucher gerichteten Werbung für Fernsehgeräte eine Bildröhrendiagonale unter cm-Angabe anzukündigen, wie nachstehend wiedergegeben: 2. an den Kläger 171,-- DM nebst4 % Zinsen seit dem 5. März 1990 zu zahlen. Der Beklagten wird zu Ziff. 1 für Prospekte und Verpackungsmaterial eine Aufbrauchsfrist bis zum 30. September 1991 gewährt. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000,00 DM hinsichtlich des im Tenor enthaltenen Unterlassungsgebotes, in Höhe von 180,-- DM hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung und in Höhe von 11.000,-- DM hinsichtlich der Prozeßkosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger seinerseits vor der Zwangsvollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beiden Parteien wird nachgelassen, die von ihnen zu erbringende Sicherheit auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu leisten. Die Beschwer der Beklagten wird auf 100.171,-- DM festgesetzt.
Gründe
Der Kläger ist ein gerichtsbekannter
Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben es gehört,
Wettbewerbsverstöße zu bekämpfen. Die Beklagte vertreibt u. a.
Fernsehgeräte. Sie bewirbt die Geräte in der im Tenor
wiedergegebenen Form, indem jeweils in der Textbeschreibung Angaben
in Zentimetern erfolgen, die sich auf die Diagonale der Bildröhre
beziehen. Letztere ist aus technischen Gründen grundsätzlich
größer als die Diagonale des tatsächlich sichtbaren Bildes. Die
Parteien streiten darüber, ob die vorgenannten Angaben irreführend
sind.
Der Kläger hat sein
Unterlassungsbegehren darauf gestützt, daß der unvoreingenommene,
technisch nicht versierte Endverbraucher die cm-Angabe auf die
Diagonale des sichtbaren Fernsehbildes, d. h. auf die sichtbare
Bildschirmdiagonale beziehe. Dieser Eindruck sei jedoch
unzutreffend, da die Maße sich auf die Bildröhrendiagonale bezögen.
Die mithin durch die cm-Angabe verursachte Irreführung sei
wettbewerblich relevant, weil die Größe des sichtbaren Bildes ein
entscheidender Faktor bei der Auswahl des Gerätes sei. Dies werde
besonders bei der Preisbemessung deutlich:
Geräte mit einem sichtbaren Bild von 46
cm in der Diagonale seien zum Teil nur halb so teuer wie etwa
Geräte mit 66 cm. Auf eine entsprechende Branchenübung könne sich
die Beklagte schon deswegen nicht berufen, weil die Handhabung der
Angaben in der Praxis sehr unterschiedlich sei. Einige Unternehmen
teilten die Diagonale des sichtbaren Bildes mit, andere seien
inzwischen dazu übergegangen, diese Maße zumindest zusätzlich zur
Bildröhrendiagonale anzugeben.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei
Meidung eines vom Gericht für jeden
Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu
Höhe von 500.000,-- DM, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von
Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten zu unterlassen,
in der an den Endverbraucher
gerichteten Werbung für Fernsehgeräte eine Bildröhrendiagonale
unter cm-Angabe anzukündigen, ohne gleichzeitig und deutlich
darauf hinzuweisen, daß die Diagonale des sichtbaren Fernsehbildes
eine geringere cm-Anzahl aufweist, insbesondere wie nachstehend
wiedergegeben:
Die Beklagte zu verurteilen an
den Kläger 171,-- DM nebst 4 % Zinsen
seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf eine seit fast drei
Jahrzehnten bestehende, dem Verbraucher vertraute Branchen-übung
berufen, nach der das Maß der Bildröhrendiagonale als alleinige
und maßgebliche Kategorie für die Bezeichnung der Größe eines
Fernsehgerätes verwendet werde. Hierzu hat sie vorgetragen, der
Verbraucher habe an diesen Angaben kein Interesse wegen der
absoluten Größe, sondern ausschließlich deshalb, weil er anhand der
Bildröhrengröße die Preise verschiedener Geräte vergleichen könne.
Mithin benötige er die Angaben nur, um Vergleichsklassen zu
bilden. Von einer Irreführung könne deswegen nicht gesprochen
werden.
Jedenfalls aber sei eine
"Restirreführungsgefahr" wettbewerbsrechtlich irrelevant, denn die
Abweichung des Röhrenmaßes vom Bildmaß betreffe keinen
eigentlichen Wertschätzungsfaktor. Da sämtliche Wettbewerber in
gleicher Weise verführen, bleibe die Eindeutigkeit der
Kategorisierung und damit Vergleichbarkeit für die Verbraucher
gewahrt.
Die Beklagte hat gemeint, das
Irreführungsverbot sei im übrigen auch aufgrund einer Güter- und
Interessenabwägung unanwendbar, weil ein schützenswertes
Interesse an der Aufrechterhaltung der bisherigen
Bezeichnungspraxis bestehe. Schließlich gebiete auch Art. 30
EWG-Vertrag eine zurückhaltende Anwendung des § 3 UWG. Die
Abmahnkosten könne der Kläger nicht geltend machen; diese seien
auch in der Höhe nicht gerechtfertigt.
Durch Urteil vom 21. Juni 1990, auf
dessen Inhalt verwiesen wird, hat das Landgericht Köln die Klage
abgewiesen. Gegen das ihm am 28. Juni 1990 zugestellte Urteil hat
der Kläger mit einem am 20. Juli 1990 eingegangenen Schriftsatz
Berufung eingelegt, die er nach entsprechender Fristverlängerung
mit einem am 13. November 1990 eingegangenen Schriftsatz begründet
hat.
Der Kläger wiederholt und vertieft sein
erstinstanzliches Vorbringen. Er ist der Ansicht, das Landgericht
habe zu Unrecht angenommen, die durch die beanstandete Werbung
hervorgerufenen irrigen Vorstellungen des Verkehrs über die Größe
des sichtbaren Teils des Bildes seien für den Kaufentschluß nicht
von wesentlicher Bedeutung. Die Bildgröße an sich stelle ein
entscheidendes Qualitätsmerkmal für Fernsehgeräte dar. Wer ein
55er-Gerät erwerbe in der irrtümlichen Annahme, er bekomme damit
auch ein sichtbares Fernsehbild in dieser Größe, müsse naturgemäß
enttäuscht sein, wenn er erfahre, daß die tatsächliche Größe des
sichtbaren Bildes nur 50 cm oder weniger betrage. Ein solcher
Verbraucher hätte von vornherein die nächsthöhere Kategorie
gewählt, wenn ihm die eigentliche Bedeutung der cm-Angabe bekannt
gewesen wäre. Im übrigen zeige nicht zuletzt die Vielfalt von
Geräten innerhalb des Größenbereichs von 25 bis 117 cm, daß
Größenunterschiede von wenigen Zentimetern von Bedeutung sein
könnten. Auch die Werbung der Fernsehgerätehersteller, in der
marginale Vergrößerungen des sichtbaren Fernsehbildes massiv als
Vorteil herausgestellt würden, lasse erkennen, daß solche
Größenunterschiede für den Kaufentschluß von Bedeutung seien. Es
komme hinzu, daß zwischenzeitlich einige Hersteller dazu
übergegangen seien, zumindest neben der Bildröhrendiagonale auch
die Diagonale des sichtbaren Bildes anzugeben. Im übrigen werde
insbesondere bei kleineren LCD-Gerä-ten in Ermangelung der Röhre
stets das Maß des sichtbaren Bildes mitgeteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des
Berufungsvorbringens wird auf die Schriftsätze vom 8. November
1990, 7. Februar 1991, und 15. März 1991 nebst Anlagen
verwiesen.
Der Kläger hat zunächst den Antrag
angekündigt,
unter Abänderung des Urteils der 4.
Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 21. Juni 1990 -
84 0 25/90 - nach den erstinstanzlichen Klageanträgen zu
erkennen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung
hat er seinen Antrag teilweise neu gefaßt.
Der Kläger beantragt nunmehr,
unter Abänderung des Urteils der 4.
Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 21. Juni 1990 -
84 0 25/90 -
die Beklagte zu verurteilen, es
bei Meidung eines vom Gericht für jeden
Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur
Höhe von 500.000,-- DM, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von
Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten zu unterlassen,
in der an den Endverbraucher
gerichteten Werbung für Fernsehgeräte eine Bildröhrendiagonale
unter cm-Angabe anzukündigen, wie im Tenor dieses Urteils in
Ablichtung wiedergegeben.
die Beklagte zu verurteilen, an
den Kläger 171,-- DM nebst 4 % Zinsen
seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
hilfsweise dem Kläger nachzulassen,
die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, die
auch in Form der selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen
Großbank undoder öffentlichrechtlichen Sparkasse erbracht werden
kann.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
ihr Vollstreckungsschutz zu gewähren
und nachzulassen, Sicherheit auch durch Bankbürgschaft zu
leisten.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil
und tritt den Ausführungen des Klägers unter Wiederholung und
Ergänzung ihres Vorbringens aus dem ersten Rechtszug entgegen.
Die Beklagte hält den nunmehr
gestellten Klageantrag für zu unbestimmt. In der Sache trägt sie
vor, die Abweichung der Diagonale des sichtbaren Bildes bezogen auf
die gleichen Röhrengrößen könne aus technischen Gründen zwischen
den verschiedenen Herstellern praktisch nur weniger als ca. einen
Zentimeter betragen. Das Diagonalmaß des sichtbaren Bildes wie der
Bildröhre stelle kein technisches Leistungs- oder
Qualitätskriterium dar, sondern diene allein der
Größenklassifizierung. Aus welchem Grunde das exakte Maß der
Bilddiagonale für den Kaufentschluß des Verbrauchers von Bedeutung
sein solle, sei nicht ersichtlich. Der Verbraucher entscheide
grundsätzlich nach seinem persönlichen optischen und akustischen
Eindruck über den Kauf eines Fernsehgerätes. Rein abstrakt könne er
sich ein Maß von beispielsweise 70 cm gar nicht vorstellen. Selbst
wenn man eine wettbewerbsrechtlich relevante
Restirreführungsgefahr unterstellen wolle, spreche eine
nachtatbestandliche Güter- und Interessenabwägung für die
Beibehaltung des gefestigten Handelsbrauchs, der die Gerätegröße
nach dem Bildröhrendiagonalmaß bestimme.
Die Beklagte weist schließlich darauf
hin, daß die beanstandete Werbung grenzüberschreitend sei. Mit
denselben Prospekten werde im deutschsprachigen EG-Ausland
geworden; die Prospekte seien zudem auch in den Sprachen der
übrigen EG-Staaten verfaßt und in Aufmachung und Text mit dem
deutschsprachigen weitgehend identisch. Die Kennzeichnungen der
Verpackungen seien deswegen ebenfalls weitgehend einheitlich
gestaltet. Dies sei auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 30
EWG-Vertrag zu berücksichtigen.
Die Bezeichnung der Gerätegrößen nach
der Bildröhrendiagonale habe sich in den Ländern der EG als
allgemein gültige Norm durchgesetzt und werde allgemein
gehandhabt.
Wegen des weiteren Vorbringens der
Beklagten wird auf die Schriftsätze vom 25. Januar und 12. März
1991 nebst Anlagen verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d
Die Berufung ist zulässig. Sie hat auch
in der Sache Erfolg.
Der nunmehr vom Kläger gestellte Antrag
ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zu unbestimmt. Das
Klagebegehren ist unmißverständlich darauf gerichtet, Werbung
unter cm-Angabe der Bildröhrendiagonale, wie sie sich konkret aus
dem eingeblendeten Prospektteil ergibt, zu untersagen. Die
beanstandete konkrete Verletzungsform, wie sie aus dem Prospekt zu
ersehen ist, ist dadurch charakterisiert, daß in der Werbung
allein die Länge der Bildröhrendiagonale herausgestellt ist und es
deswegen für den Verbraucher nicht zu ersehen ist, daß es sich
nicht um die Angabe der tatsächlich sichtbaren Bilddiagonale
handelt. Wie die Größenangabe in der Werbung der Beklagten in
Zukunft auszusehen hat, war hingegen nicht in den Antrag
aufzunehmen. Es ist nämlich nicht Sache des Anspruchstellers, auf
welche Weise der auf Unterlassung in Anspruch Genommene einem
solchen Begehren gegebenenfalls nachkommt. Dies bleibt vielmehr dem
zur Unterlassung Verpflichteten überlassen.
Der Kläger verlangt von der Beklagten
zu Recht die Unterlassung von Werbung in der konkret beanstandeten
Form, denn diese verstößt gegen § 3 UWG. Die Ankündigung der
Bildröhrendiagonale unter cm-Angabe, wie sie im Urteilstenor
wiedergegeben ist, stellt eine irreführende Angabe über die
Beschaffenheit der angebotenen Fernsehgeräte dar.
Zwar ist die Größenangabe in der
Werbung der Beklagten "86 cm FST-Bildröhre" für sich betrachtet
nach ihrem Wortsinn nicht unwahr, denn sie entspricht unstreitig
der tatsächlichen Länge der Bildröhrendiagonale. Sie begründet
jedoch bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen
Verbraucher die Fehlvorstellung, die cm-Angabe gebe zugleich die
Länge der Diagonale des sichtbaren Bildes wieder.
Der Senat sieht keine Bedenken, dies
aus eigener Sachkunde und Erfahrung anzunehmen. Seine Mitglieder
gehören zu den angesprochenen Verkehrskreisen und wären selbst
durch die beanstandete Angabe in dem vorbezeichneten Sinne
getäuscht worden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes ist es nicht ausgeschlossen, daß der
Tatrichter die Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise
aufgrund seiner eigenen Sachkunde und Lebenserfahrung hinreichend
beurteilen kann, sofern - namentlich bei Gegenständen des
allgemeinen Bedarfs - die Anschauungen des unbefangenen
Durchschnittskäufers zu ermitteln sind und die Richter des zur
Entscheidung berufenen Kollegiums selbst diesem Personenkreis
angehören. Dieser Grundsatz gilt uneingeschränkt vor allem in den
Fällen, in denen das Gericht eine Irreführung bejahen zu können
glaubt, da es insoweit entscheidend nur auf die Anschauungen eines
nicht ganz unerheblichen Teils des Verkehrs ankommt (BGH GRUR 1987,
45, 47 "Sommerpreiswerbung" m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind hier
erfüllt, da - wie ausgeführt - die Mitglieder des Senats dem mit
der Werbung angesprochenen Personenkreis zuzuordnen sind und weil
der Senat die Irreführung bejaht.
Einer Entscheidung ohne Beweisaufnahme
stehen auch nicht die in der "Meister-Kaffee"-Entscheidung des
Bundesgerichtshofs (GRUR 1990, 907) aufgezeigten Grundsätze
entgegen. In jenem Fall waren die Tatsachen, aus denen das
Berufungsgericht seinerzeit die Irreführung der von der Werbung der
damaligen Beklagten angesprochenen Verkehrskreise hergeleitet
hatte, nicht unstreitig. Das Berufungsgericht hatte sie gleichwohl
zugrunde gelegt, obwohl seine Mitglieder - anders als in dem hier
zu entscheidenden Rechtsstreit - nicht zu den angesprochenen
Verkehrskreisen gehörten, und sich zur Begründung allein auf eigene
Erfahrungen mit einschlägigen Fragen und die hierauf beruhende
Kenntnis von den Vorstellungen der beteiligten Verkehrskreise
berufen. Lediglich für derartige Fälle, in denen das Tatgericht in
Zusammenhang mit § 3 UWG nicht auf die Zugehörigkeit seiner
Mitglieder zum angesprochenen Adressatenkreis der beanstandeten
Werbung, sondern anderweitig über § 291 ZPO auf eigene Sachkunde
abgestellt hat, ist das Óbergehen eines gegenbeweislich angebotenen
Beweises als Vestoß gegen § 286 ZPO angesehen worden. Die oben
angeführten Grundsätze zur Entscheidung aufgrund eigener
Sachkunde des Tatrichters, der selbst den angesprochenen
Verkehrskreisen angehört, sind damit nicht in Frage gestellt.
Nichts anderes gilt auch für die nachfolgend noch zu erörternde
Frage der ebenfalls im Zusammenhang mit der Irreführung zu
untersuchenden wettbewerblichen Relevanz der hervorgerufenen
Fehlvorstellung, die der Senat ebenfalls aus eigener Kenntnis zu
beantworten vermag.
Mit der von den Parteien zitierten
Entscheidung des Kammergerichts vom 15. Mai 1984 (5 U 1075/83) ist
davon auszugehen, daß die über Jahrzehnte vorzufindende
unterschiedslose Verwendung der Begriffe "Bildschirm" oder "Bild"
im Zusammenhang mit der cm-Angabe dazu geführt hat, daß ein
erheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise diese cm-Angabe
auf die Größe des sichtbaren Teils des Bildes bezieht, in welchem
Zusammenhang diese Angabe auch immer erscheinen mag. Die von der
Beklagten überreichten Werbeprospekte verschiedensten Alters
veranschaulichen dies erneut sehr plastisch. So finden sich u. a.
folgende Formulierungen:
"XY-cm-Bildröhrendiagonale",
"XY-cm-Bildröhre",
"XY-cm-Bildschirm",
"XY-cm-Bildschirmdiagonale",
"XY-cm-Monitor",
"XY-cm-Bildformat",
"XY-cm-Bild",
"XY-cm-Diagonale".
Dies macht deutlich, daß die Annahme
des Verkehrs, die in der Werbung für Fernsehgeräte genannten
Größenangaben bezögen sich auf die Diagonale bzw. Größe des
tatsächlich sichtbaren Bildes, durch die Werbung der
verschiedensten Produzenten geprägt ist, in der viele Jahre
hindurch "Bildschirm", "Bild", "Bildformat", etc. mit "Bildröhre"
in gleicher Weise gebraucht sowie die Angaben der jeweiligen
Diagonallängen unterschiedslos und undifferenziert verwandt worden
sind. In eindrucksvoller Weise spiegelt sich diese Praxis in der
im Verfahren 6 U 7/91 (dort Blatt 75) vorgelegten Werbung eines
Einzelhändlers, die im vorliegenden Rechtsstreit zum Gegenstand
der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist, wider. Dort sind
Fernsehgeräte der Firmen "L. " und "G. " mit den Hinweisen
"84-cm-PLANAR-Bildröhre" bzw. "82-cm-Bildröhre" beworben.
Hinsichtlich eines Gerätes der Firma "B. " wird ein
"70-cm-FST-Farbbild" herausgestellt. Ein Fernsehgerät der
Beklagten ist hinsichtlich der Bildgrö-ße durch ihr
"63-cm-MATRIX-Bild" charakterisiert, während bezüglich eines "S."
-Gerätes der Hinweis "86-cm-BLACK-TRINITRON-Großbildröhre" mit dem
Zusatz "sichtbare Bildröhrendiagonale 80 cm" verbunden ist.
Die Begriffe "Farbbild", "Bild" und
"Bildröhre" sind hier innerhalb eines einzigen Werbehandzettels
unterschiedslos verwendet. Wenn ein Fachhändler in dieser Weise
verfährt, liegt es auf der Hand, daß auch zumindest ein nicht
unerheblicher Teil der Verbraucher die Begriffe "Bildröhre" und
"Bild" gleichsetzt und die cm-Angabe ohne weiteres auf das
tatsächlich sichtbare Bild bezieht.
Auf die Voraussetzungen einer
Irreführung durch Verschweigen war entgegen der Auffassung der
Beklagten im Streitfall nicht abzuheben. Die Irreführung ergibt
sich hier aus den angeführten Gründen vielmehr unmittelbar aus der
Kundgabe des Bildröhrendiagonalmaßes, also aus einem positiven Tun.
Daß sie sich möglicherweise u.a. dadurch vermeiden läßt, daß
Angaben zur Größe des tatsächlich sichtbaren Bildes hinzugefügt
werden, ändert hieran nichts und gibt keine Veranlassung zur
Annahme einer Irreführung durch Verschweigen. Allgemein anerkannt
ist vielmehr, daß eine objektiv richtige Angabe auch dann
irreführend ist, wenn ein nicht völlig unerheblicher Teil der
umworbenen Verkehrskreise mit ihr, wie es hier der Fall ist, eine
unrichtige Vorstellung verbindet (vgl. Baumbach-Hefermehl,
Wettbewerbsrecht, 16. Aufl., Rn. 25 zu § 3 UWG m.w.N.).
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist
die durch die Werbung bei einem Teil der Verbraucher
hervorgerufene Fehlvorstellung, die cm-Angabe beschreibe die
sichtbare Bildröhrendiagonale, auch geeignet, die angesprochenen
Verkehrskreise in ihren wirtschaftlichen Entschlüssen positiv zu
beeinflussen. Die damit angesprochene Voraussetzung der
wettbewerblichen Relevanz einer durch die Werbung hervorgerufenen
Fehlvorstellung beruht darauf, daß die bloße Unrichtigkeit der
durch eine Werbung herbeigeführten Vorstellung nicht in jedem Falle
ausreicht, um die Werbeangabe auch als irreführend im Sinne des § 3
UWG anzusehen.
Die Vorschrift bezweckt die Vermeidung
der Gefahr eines durch Täuschung erreichten, noch vor dem
Kaufentschluß liegenden Anlockens. Irreführend ist eine Werbeangabe
deswegen erst dann, wenn sie in dem Punkt und in dem Umfang, in dem
die durch sie hervorgerufene Vorstellung des Verbrauchers von der
Wahrheit abweicht, bei ungezwungener Auffassung geeignet ist, die
Kauflust des Publikums - im Sinne einer allgemeinen Wertschätzung -
zu beeinflussen. Da es in rechtlicher Hinsicht ausreicht, wenn die
in Rede stehende Angabe "irgendwie" von Bedeutung für die
Interessenten ist, genügt es, wenn festgestellt wird, daß die
betreffende Aussage in die Óberlegung, ob man sich der beworbenen
Ware zuwenden wolle, einbezogen wird und daß sie dabei positiv
wirkt.
Nicht erforderlich ist hingegen, daß
der Angabe auch ein oder gar das entscheidende Gewicht beigemessen
wird (vgl. Bundesgerichtshof GRUR 1981, 71 "Lübecker Marzipan";
Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 16. Aufl., Rdn. 89 zu § 3
UWG; Von-Gamm, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., Kapitel 36, Rdn. 39
jeweils m.w.N.).
Die Mitglieder des erkennenden Senats,
die - wie bereits ausgeführt - den angesprochenen Verkehrskreisen
angehören, stellen auch hinsichtlich der wettbewerblichen Relevanz
aus eigener Sachkunde fest, daß die Angabe der Bildröhrendiagonale
und die durch sie hervorgerufene Fehlvorstellung von der Größe der
Diagonale des tatsächlich sichtbaren Bildes die vorgenannten
Voraussetzungen erfüllen. Aus eigener Erfahrung - als Käufer
derartiger Produkte - ist ihnen bekannt, daß es für Verbraucher,
die ein Fernsehgerät zu kaufen beabsichtigen, schon bei der
(Vor-)Frage, welche Produkte sie in ihre Óberlegungen einbeziehen,
neben dem Design, technischen Fragen wie der Bedienbarkeit u.s.w.
auch auf Umfang und Größe des tatsächlich sichtbaren Bildes
ankommt und daß dabei unter Umständen bereits einem
Bildgrößenunterschied von wenigen Zentimetern maßgebliche Bedeutung
beigemessen wird.
Dafür, daß ein nicht unerheblicher Teil
der Verbraucher die tatsächliche Bildgröße zum Gegenstand ihrer
Kaufüberlegungen macht, spricht nicht zuletzt die oben bereits
angesprochene Hersteller- und Händlerwerbung, die überwiegend die
Größe des "Farbbildes", des "Bildes", des "Bildschirms" u.s.w.
herausstellt. Slogans wie die vom Kläger vorgetragenen und durch
Vorlage von Werbematerial belegten - z. B. "Randvoll mit Bild", "63
cm fürs Auge" - sprechen insoweit eine deutliche Sprache. Auch der
vom Kläger überreichte Testbericht der Stiftung Warentest (Heft
6/90, Seite 582) gibt einen Hinweis auf die Bedeutung der Größe
des sichtbaren Bildes für den mit der Herstellerwerbung
angesprochenen Verbraucher, wenn dort nachdrücklich kritisiert
wird, daß die tatsächliche Bilddiagonale kürzer sei, als es in den
Geräteprospekten zum Ausdruck komme.
Daß die jeweilige Größe des sichtbaren
Bildes für den Kauf eines Fernsehgerätes von Bedeutung ist und
dabei schon wenige Zentimeter eine Rolle spielen können, zeigt
zudem die Tatsache, daß neben den Produktkategorien in Form von
44-cm-, 55-cm-, 63-cm- oder 70-cm-Geräten eine Vielzahl weiterer
Gerätetypen auf dem Markt istz, und zwar zwischen 25 cm und 117
Zentimeter. Dabei liegen die jeweiligen Größen teilweise nur ein
oder zwei Zentimeter auseinander. Der Kläger hat hierzu eine
Zusammenstellung vorgelegt, deren inhaltliche Richtigkeit die
Beklagte insoweit nicht in Abrede gestellt hat. Die hieraus
ersichtliche Vielfalt von Geräten innerhalb des Bereichs von 25 und
117 Zentimetern verdeutlicht, daß es offenbar ein entsprechendes
Bedürfnis bei den Verbrauchern gibt und minimale Größenunterschiede
bei der Auswahl durch die Interessenten von Bedeutung sein können.
Diese Vielfalt der Bildschirmgrößen mit ganz geringen
Maßabweichungen läßt sich mit der Behauptung der Beklagten nicht
vereinbaren, der Verbraucher lege keinen Wert darauf, daß das
sichtbare Bild auch tatsächlich eine der cm-Angabe entsprechende
Diagonale aufweise.
Die Beklagte macht geltend, die
mangelnde Relevanz einer etwaigen Fehlvorstellung der Verbraucher
ergebe sich unter anderem aus dem Umstand, daß zwischen den
einzelnen Herstellern hinsichtlich der gleichen Röhrengröße
allenfalls Abweichungen von ca. einem Zentimeter bei der
Diagonallänge des sichtbaren Bildes möglich seien. Diese
Argumentation vermag nicht zu überzeugen.
Soweit die Beklagte bei ihrem Vergleich
von einer maximalen Abweichung von einem Zentimeter ausgeht, kann
dem schon aufgrund der vorgetragenen und belegten Tatsachen nicht
gefolgt werden. Die in dem oben bereits zitierten Artikel in der
Zeitschrift "Test" (Heft 6/1990) enthaltene Aufstellung von
"40-cm-Geräten" zeigt vielmehr Unterschiede in der sichtbaren
Bildröhrendiagonale von teilweise mehr als drei Zentimetern auf.
Allerdings weist die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hin,
die Óbersicht selbst sei irreführend, weil auch Geräte einbezogen
seien, die ein anderes Röhrendiagonalmaß aufwiesen, wie sich aus
dem Hinweis auf ein "Panasonic-Gerät" ergebe, dessen
Bildröhrendiagonale 44 Zentimeter messe. Auch wenn dies zutrifft,
so zeigen doch zwei andere vom Kläger vorgetragene und belegte
Beispiele auf, daß der tatsächliche Unterschied der sichtbaren
Diagonale bei Geräten mit 40 Zentimeter-Bildröhre nicht bei maximal
einem Zentimeter liegen muß. So besitzen die in dem Testbericht
angeführten Geräte "L. P 115" und "S. KV-M 16 D" ausweislich der
Prospekte Bildröhren, deren Diagonale 40 Zentimeter beträgt. Die
Diagonalen des sichtbaren Bildes betragen hingegen bei dem
erstgenannten Gerät 34,4 Zentimeter, bei dem zweiten 37,2
Zentimeter. Die Differenz hinsichtlich des dem Verbraucher sichtbar
dargestellten Bildes beläuft sich mithin auf 2,8 Zentimeter, was
angesichts der geringen Bildschirmgröße nicht als unerheblich
angesehen werden kann. Dargetan und nachgewiesen ist auch ein
Unterschied von 2 Zentimetern in der Diagonale des sichtbaren
Bildes bei dem "T. -Gerät T 8500 MV" und dem Gerät der Firma "S. "
"T 9800 VT Multi". Unter diesen Umständen kann weder von einer
einheitlich großen Differenz zwischen Bildschirmdiagonale und
Diagonale des tatsächlich sichtbaren Bildes noch davon ausgegangen
werden, daß diese maximal einen Zentimeter ausmacht.
Unabhängig von den zuvor aufgezeigten
Bedenken hinsichtlich der die Argumentation der Beklagten tragenden
Tatsachen läßt der von ihr angestellte Vergleich aber einen
weiteren Gesichtspunkt außer Betracht, der für die Frage der
wettbewerblichen Relevanz von maßgeblicher Bedeutung ist. Die
jüngere Entwicklung in der Fernsehgerätewerbung, die in der
Entscheidung des Kammergerichts aus dem Jahre 1984 noch keine
Berücksichtigung finden konnte, zeigt, daß einige Hersteller dazu
übergegangen sind, neben der Bildröhrendiagonale auch die
Diagonale des tatsächlich sichtbaren Bildes anzugeben. Das ist
zumindest hinsichtlich des Produzenten "S. ", der einen nicht
unerheblichen Marktanteil besitzt, unstreitig und zudem durch
Prospektmaterial belegt. Er beschränkt sich nicht darauf, in den
Datensammlungen am Schluß seiner Kataloge das Diagonalmaß des
sichtbaren Bildes mitzuteilen, sondern weist auch in seiner Werbung
darauf hin. Unter diesen Umständen läßt sich aber die
wettbewerbliche Relevanz der beanstandeten Werbeaussage nicht mehr
mit einem Hinweis auf praktisch gleiche Diagonallängen des
sichtbaren Bildes bei der jeweiligen Röhrenkategorie verneinen.
Hinzu kommt, daß es bei kleineren LCD-Geräten in Ermangelung einer
Röhre kein Maß geben kann, das einer technischen Einbaugröße
entspricht. Hier wird deswegen ohnehin stets das Maß des sichtbaren
Bildes mitgeteilt. Unter diesen Umständen kann aber nicht schon
deswegen an der wettbewerblichen Relevanz gezweifelt werden, weil
zwischen der Röhrendiagonale und der Diagonale des tatsächlich
sichtbaren Bildes ohnehin nur ein Unterschied von maximal einem
Zentimeter bestehe. Sie ergibt sich vielmehr ohne weiteres daraus,
daß die Verbraucher nicht vergleichbare Größenangaben einander
gegen-überstellen, von denen die eine - das Maß der
Bildröhrendiagonale - die andere - die Diagonale des tatsächlich
sichtbaren Bildes - schon aus technischen Gründen stets übertrifft.
Auch insoweit stellt die bereits erwähnte Händlerwerbung, in der
die verschiedenen Variationen in den Angaben zur Bildschirmgröße
unterschiedslos und ohne Erläuterung nebeneinander gebraucht
werden, ein anschauliches Beispiel dar (Bl. 75 in 6 U 7/91).
Die Beklagte meint weiter, eine
"nachtatbestandliche Güter- und Interessenabwägung" unter
Berücksichtigung des Informationsinteresses der großen Mehrheit
der Verbraucherschaft und des Erhaltungsinteresses der Hersteller
und des Handels sowie EG-rechtlicher Grundsätze ergebe angesichts
der minimalen Irreführungsgefahr ein übergewichtiges Interesse an
der Beibehaltung der Größenangabe nach der Röhrendiagonale. Auch
dies rechtfertigt jedoch im Ergebnis keine abweichende Beurteilung.
Zwar trifft die zugrundeliegende Ausgangserwägung zu, daß sich eine
sachgerechte Entscheidung über das Verbot oder das Dulden einer
Werbeangabe nur aufgrund einer Abwägung der im Spiel befindlichen
Interessen treffen läßt, weil § 3 UWG das Interesse aller von
einer Werbung Betroffenen schützt. Nach der Rechtsprechung kann die
Abwägung der Interessen aber nur in Ausnahmefällen zu einer
Schutzwürdigkeit irriger Verbrauchervorstellungen führen. In der
Regel ist das Allgemeininteresse, vor irreführenden Angaben
geschützt zu werden, so gewichtig, daß es gegenüber den
Individualinteressen der Gewerbetreibenden an der Beibehaltung
einer irreführenden Angabe vorrangig ist. Hinzunehmen sein kann
eine Irreführungsgefahr dann, wenn die Belange der Allgemeinheit
hierdurch nicht in erheblichem Maße und ernstlich in
Mitleidenschaft gezogen werden, weil nur eine geringe
Irreführungsgefahr vorliegt, und wenn berechtigte Interessen der
Mehrheit der angesprochenen Verkehrskreise, des betroffenen
Wirtschaftszweiges oder der Allgemeinheit die Beibehaltung der
beanstandeten Werbeangabe erfordern (vgl. Bundesgerichtshof GRUR
1982, 118, 120 "Kippdeckeldose"; GRUR 1983, 32, 33 "Stangenglas",
jeweils m.w.N.; siehe auch Baumbach-Hefermehl, Rdn. 89 zu § 3 UWG;
Helm in Handbuch des Wettbewerbsrecht, § 48, Rdn. 85).
Bei Anwendung dieser Grundsätze wird
die im Streitfall festgestellte Irreführung nicht durch eine
Interessenabwägung gerechtfertigt.
Wie im Zusammenhang mit der
wettbewerblichen Relevanz bereits ausgeführt, ist die Irreführung
hier inhaltlich durchaus gewichtig und läßt sich nicht auf eine
Differenz von jeweils einem Zentimeter hinsichtlich der Diagonale
des tatsächlich sichtbaren Bildes im Rahmen einer bestimmten
Größenkategorie von Bildröhren reduzieren. Daß die Verbraucher so
zu einem nicht unerheblichen Teil einer Täuschung um mehrere
Zentimeter hinsichtlich der sichtbaren Bilddiagonalen unterliegen
können und daß dies für sie von nicht völlig außer Acht zu
lassender Bedeutung ist, ist oben bereits dargelegt worden. Soweit
die Beklagte im Rahmen der Abwägung demgegenüber auf einen
"gefestigten Handelsbrauch" verweist, der die Gerätegröße nach dem
Bildröhrendiagonalmaß bestimme, verkennt sie, daß auch nach Erlaß
des hier beantragten Verbots das nach ihrer Darstellung bewährte
Klassifizierungssystem nicht aufgegeben werden muß.
Untersagt wird lediglich Werbung, die -
ausschließlich - auf die Länge der Bildröhrendiagonale abstellt.
Dies zwingt Hersteller und Handel nicht, zugleich auch die an der
Bildröhrendiagonale ausgerichtete Kategorisierung aufzugeben, denn
es wird nicht generell verboten, die jeweilige Zentimetergröße der
Bildröhrendiagonale mitzuteilen.
Auch soweit die Beklagte sich in diesem
Zusammenhang darauf beruft, daß die Bezeichnungspraxis für den
grenzüberschreitenden Handel Bedeutung habe und deswegen auch das
EG-Recht zu berücksichtigen sei, ist darauf hinzuweisen, daß die
Angabe der Bildröhrendiagonale nicht generell verboten ist. Da es
der Beklagten unbenommen ist, - auch - die Größe der
Bildröhrendiagonale anzugeben, sind weder gesonderte Verpackungen
für den deutschen Markt noch ein Aufgeben der bisherigen
Klassifizierung geboten. Dasselbe gilt für europaweite Fernseh-,
Rundfunk- und Zeitschriftenwerbung.
Soweit die Beklagte sich in diesem
Zusammenhang auf Artikel 30 EWG-Vertrag beruft, steht dem bereits
entgegen, daß das Irreführungsverbot des § 3 UWG in Fällen wie dem
vorliegenden notwendig ist, um zwingenden Erfordernissen des
Verbraucherschutzes gerecht zu werden (vgl. EuGH GRUR Int. 1979,
468, 471 "Cassis de Dijon"). Die Entscheidung des EuGH vom 7. März
1990 (GRUR int. 1990, 955 "GB-Inno-BM") steht dem nicht
entgegen.
Ihr lag ein dem Streitfall nicht
vergleichbarer Sachverhalt zugrunde, in dem den Verbrauchern
aufgrund der nationalen Gesetzgebung der Zugang zu bestimmten
Informationen (Dauer eines Angebotes und früherer Preis beworbener
Waren) vorenthalten werden sollte. Im übrigen verhindert das
ausgesprochene Verbot weder die weitere Verwendung des bisherigen
Werbematerials im EG-Ausland noch den einheitlichen Gebrauch
geänderter Werbeunterlagen sowohl in der Bundesrepublik Deutschland
als auch im deutschsprachigen EG-Ausland.
Der geltendgemachte Zahlungsanspruch
ist ebenfalls gerechtfertigt. Er ist aus §§ 683, 670 BGB
begründet. Zur Frage der Aufwendungen folgt der Senat in ständiger
Rechtsprechung (vgl. die Urteile vom 6. November 1987 - 6 U 45/87 -
und vom 13. Januar 1988 - 6 U 201/87 -) der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (GRUR 1984, 129 ff.). Die Höhe der Aufwendungen
des Klägers zur Abmahnung wettbewerbswidrigen Verhaltens ist
gerichtsbekannt. Der Senat verweist insoweit im einzelnen auf seine
Entscheidung vom 6. November 1987 - 6 U 45/87.
Der Senat sieht keine Bedenken, der
Beklagten eine Aufbrauchsfrist in dem aus dem Tenor ersichtlichen
Umfang zu bewilligen. Eine solche Frist kann nach allgemein
vertretener Auffassung auch von Amts wegen gewährt werden, sofern
ein entsprechendes Interesse des Schuldners besteht (vgl.
Teplitzky, wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 5. Aufl., Kapitel 57,
Rn. 19). Die Beklagte hat im einzelnen vorgetragen, daß sie noch
über erhebliche Vorräte entsprechender Werbematerialien verfügt
und kurzfristig außerstande wäre, diese durch neue zu ersetzen,
da deren Herstellung mehrmonatige Druckvorlauffristen mit sich
bringt. Prospektwerbung wäre der Beklagten damit über Monate hinweg
praktisch verwehrt. Dem steht gegenüber, daß der Verbraucher
nachhaltigen Schutzes vor irreführender Werbung im Sinne des § 3
UWG bedarf. Bei Abwägung dieses Anliegens des Gesetzes gegenüber
den Interessen der Beklagten war - auch in Hinblick auf die
Bemessung der Fristdauer - zu berücksichtigen, daß die Klage im
ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, die Beklagte also zunächst
in ihrer Ansicht, sich wettbewerbskonform zu verhalten, bestätigt
worden ist, so daß sie sich nicht auf eine kurzfristige Umstellung
einzustellen hatte. Angesichts dieses Umstandes und der bei einer
sofortigen und einschränkungslosen Durchsetzung des
Unterlassungsgebots drohenden Schäden geboten Treu und Glauben,
die mit einer umgehenden Durchsetzung des Verbots verbundenen
Nachteile von der Beklagten abzuwenden.
Der Zinsanspruch folgt aus § 291
BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91
Abs. 1 ZPO.
Eine teilweise Belastung des Klägers
mit den Kosten des Rechtsstreits gemäß § 269 Abs. 3 ZPO kam nicht
in Betracht. Die Umformulierung des Antrags im Berufungstermin
stellt lediglich eine bessere Anpassung des Antrags an die
beanstandete Wettbewerbshandlung dar.
Insoweit geht aber aus sämtlichen erst-
und zweitinstanzlichen Schriftsätzen des Klägers mit
hinreichender Deutlichkeit hervor, daß von Anfang an die -
alleinige - Angabe der Bildröhrendiagonallänge in der Werbung
Gegenstand des Unterlassungsbegehrens war.
Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die nach § 546 Abs. 2 festzusetzende
Beschwer der Beklagten entspricht dem Wert ihres Unterliegens im
Rechtsstreit.
OLG Köln:
Urteil v. 05.04.1991
Az: 6 U 150/90
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d95c83270989/OLG-Koeln_Urteil_vom_5-April-1991_Az_6-U-150-90