Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 8. Februar 2010
Aktenzeichen: AnwZ (B) 2/09

(BGH: Beschluss v. 08.02.2010, Az.: AnwZ (B) 2/09)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11. April 2008 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist am 29. Juli 1998 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden. Die Antragsgegnerin widerrief mit Bescheid vom 8. November 2007 die Zulassung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls.

Der Anwaltsgerichtshof hat den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO a.F., § 215 Abs. 3 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft ist zu Recht widerrufen worden.

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlass der angegriffenen Verfügung erfüllt.

a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall sind die Erwirkung von Schuldtiteln und fruchtlose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschl. vom 25. März 1991 - AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschl. vom 26. November 2002 - AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577). Der Vermögensverfall wird nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 915 ZPO) eingetragen ist.

Gegen den Antragsteller wurden, wie der der Widerrufsverfügung beigefügten Forderungsaufstellung zu entnehmen ist, im Jahr 2007 vier Forderungen mit Beträgen zwischen 399,58 € und 1252 € vollstreckt. Der Antragsteller war nicht in der Lage, diese relativ geringen Beträge zu begleichen. Die Antragsgegnerin und der Anwaltsgerichtshof sind deshalb zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller bei Erlass der Widerrufsverfügung in Vermögensverfall geraten war. Dagegen bringt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nichts vor.

b) Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern. Anhaltspunkte dafür, dass dies hier ungeachtet des Vermögensverfalls nicht der Fall war, lagen bei Erlass der Widerrufsverfügung nicht vor. Im Gegenteil spricht der Umstand, dass der Mandant L. (Nr. 3 der Forderungsaufstellung) bereits Anfang 2006 Anträge auf Mahnbescheide mit der Begründung gestellt hatte, dass der Antragsteller Gelder nicht umgehend ausgekehrt habe, für ein Bestehen dieser Gefährdung.

2. Ein nachträglicher Wegfall des Widerrufsgrundes, der im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356; 84, 149), liegt nicht vor. Gegen den Antragsteller ist vielmehr am 28. Juli 2009 ein Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erlassen worden. Damit ist jetzt auch der Vermutungstatbestand des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO gegeben.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall nicht (mehr) gefährdet sind.

3. Der Senat konnte - in der Besetzung nach § 106 Abs. 2 Satz 1 BRAO (Beschl. vom 4. November 2009 - AnwZ (B) 16/09, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) - in Abwesenheit des Antragstellers verhandeln und entscheiden, weil dieser sein Fernbleiben zum Termin nicht hinreichend entschuldigt hat. Das mit Schriftsatz vom 6. Februar 2010 vorgelegte Attest des Zahnarztes Dr. H. ist nicht geeignet, eine Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit glaubhaft zu machen. Darin ist lediglich eine "Arbeitsunfähigkeit" aufgrund eines "Abszesses ausgehend von Zahn 16" bescheinigt. Nähere Angaben zur Schwere der hiermit einhergehenden Beeinträchtigungen, die dem Senat eine eigene Beurteilung erlauben würden, ob dem Antragsteller eine Teilnahme an der Verhandlung möglich und zumutbar war, enthält die Bescheinigung nicht. Auf dieses Erfordernis ist der Antragsteller mit Verfügung vom 5. Februar 2010 hingewiesen worden.

Zweifel an der behaupteten Reise- und Verhandlungsunfähigkeit ergeben sich auch aus dem sonstigen prozessualen Verhalten des Antragstellers. Dieser ist schon beim Anwaltsgerichtshof nicht zu den beiden anberaumten Verhandlungsterminen erschienen. Eine erste Terminsaufhebung hat er durch Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erwirkt. Einen zweiten Verlegungsantrag hat er - erfolglos - mit "seit längerem fest vereinbarten Terminen" begründet. Vor dem Senat hat er seine sofortige Beschwerde bis zuletzt nicht begründet. Am 3. Dezember 2009 hat er die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Angesichts dieser Umstände liegt der Verdacht nicht fern, dass der Antragsteller mit seinem Verlegungsantrag lediglich eine Verfahrensverzögerung beabsichtigt. Jedenfalls spricht keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass er tatsächlich reise- und verhandlungsunfähig war.

Tolksdorf Ernemann Roggenbuck Wüllrich Braeuer Vorinstanz:

AGH Hamm, Entscheidung vom 11.04.2008 - 1 AGH 107/07 -






BGH:
Beschluss v. 08.02.2010
Az: AnwZ (B) 2/09


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