Landgericht München I:
Urteil vom 24. Juni 2009
Aktenzeichen: 21 O 16993/08

(LG München I: Urteil v. 24.06.2009, Az.: 21 O 16993/08)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

sowie folgenden

B E S C H L U S S :

Der Streitwert wird auf Euro 20.000,00 festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung ihrer urheberrechtlichen Nutzungsrechte an einem ...-Dekor für Porzellangeschirr auf Unterlassung in Anspruch.

Die Klägerin betreibt eine Porzellanmalerei in ... und vertreibt handveredeltes Porzellan. Hierzu beschäftigt die Klägerin in ihrem Atelier ausgebildete Künstler. In der Regel sollen diese Dekore ausführen, also langlebige bildliche Darstellungen, die in der Regel ganze Produktserien, z. B. ein gesamtes Service, zieren und nachbestellt werden können. Die Beklagte erledigte während des Jahres 2007 als freie Mitarbeiterin Malaufträge für die Klägerin.

Eines dieser Dekore ist das auf Tellern, Kaffeetassen, Untertassen, Schalen und Bechern aufgemalte und seit 2004 von der Klägerin vertriebene Dekor ..., wie beispielhaft nachfolgend abgebildet:

Die von der Klägerin seit 2004 vertriebenen Werkstücke tragen bodenseitig den Hinweis ...

Der Entwurf für dieses Dekor geht im wesentlichen zurück auf eine frühere Mitarbeiterin der Klägerin, Frau ... welche diverse Entwürfe für eine Produktserie ... angefertigt hat, darunter auch eine nachfolgend abgebildete weiße Rose mit weglaufendem Stil und einem Blattwerk unterschiedlicher Grüntöne (Anlagenkonvolut K 4, Blatt 1 links unten):

Frau ... war vor dem 01.12.2004 bei der Firma ... ... als geringfügig Beschäftigte auf Basis eines Arbeitsvertrags vom 03.03.2003 (Anlage B 3) beschäftigt, der eine Vereinbarung hinsichtlich des Übergangs von Eigentumsrechten bezüglich Musterarbeiten, Entwürfen, Dekoren nicht enthielt.

In der Staatlichen Porzellanmanufaktur ... existiert ein Dekor ... ... das unter der Nummer ... geführt wird (vgl. Katalog in Anlage B 1). Ein weiteres Dekor mit einer weißen Rose wird unter der Nummer ... geführt (vgl. Anlage B 10).

Im Internet-Auftritt der Beklagten aus dem Jahr 2008 unter ... (Anlage K 6), in dem sie Leistungen im Rahmen der Kunstmalerei anbietet ("Sie finden hier breit gefächerte Anregungen und Ideen, die ich auch für Sie gern verwirklichen möchte"), sind in der Rubrik "Porzellan" und dort "Tassen" u. a. die zwei im Klageantrag aufgeführten Fotos mit einem Rosendekor enthalten. Auf der Startseite des Webauftritts ist der Hinweis "Alle hier gezeigten Artikel dienen jediglich (sic!) nur zur Darstellung von gestalterischen Möglichkeiten." zu lesen. Die abgebildeten Tassen lassen sich online nicht erwerben, da sich der "Warenkorb" nicht aktivieren lässt. Der Auftritt enthält jedoch im übrigen alle Elemente eines Online-Shops (Impressum, AGB, Verbraucherschutzhinweise). Der Besucher der Homepage wird dazu aufgefordert, mit der Beklagten per E-Mail, per Post oder per Telefon in Kontakt zu treten, sollte er Interesse am Angebot der Beklagten haben.

Die Klägerin behauptet, dass die genauen Vorgaben zu den Farbtönen, der Schrift und der Ausarbeitung des streitgegenständlichen Dekors in einem Repertoire-Blatt (Anlage K 3) zusammengefasst und den ausführenden Malern bei der Klägerin zusammen mit Detailfotos auf CD übergeben worden seien.

Frau ... habe der Klägerin sämtliche Verwertungsrechte an ihren Entwurfsarbeiten übertragen, wie sich aus § 4 Ziffer 2 des als Anlage K 5 vorgelegten Arbeitsvertrags ergebe.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass das Dekor ... gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich zu ihren Gunsten als Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte geschützt sei. Bei der Porzellanmalerei handele es sich dabei nicht um angewandte Kunst, sondern um eine traditionelle Form der zweckfreien Kunst. Es sei nicht gerechtfertigt, Werke der Porzellanmalerei höheren urheberrechtlichen Schutzuntergrenzen zu unterwerfen als sonstige Werke der Malerei. Außerdem seien die Schutzvoraussetzungen für ein Geschmacksmuster nach dem 2004 in Kraft getretenen neuen Geschmacksmustergesetz gesenkt worden, so dass die bisherige BGH-Rechtsprechung hinsichtlich der erhöhten Anforderungen an einen Urheberrechtsschutz bei Werken der angewandten Kunst nicht mehr gerechtfertigt sei.

Die Schutzfähigkeit des klägerischen Dekors beruhe u. a. auf der Farbgebung (silbergraue, zarte Rosenblätter; lachsfarbener Rosenkern; auffällig unterschiedlicher Farbton bei den Stielblättern; Vereinfachung und Verfremdung naturalistischer Gegebenheiten). Die ... sei ein eigener Entwurf von hohem Wiedererkennungswert und in keiner vorbekannten Dekorsammlung anzutreffen.

Gegenüber dem Dekor ... der Porzellanmanufaktur ... bestünden erhebliche Unterschiede: Während der äußere Blütenblätterkranz des ... Motivs weit geöffnet sei, sei er bei ... eher geschlossen; die inneren Blütenblätter würden beim ... Motiv zu einer Knolle verschmelzen, wohingegen sie bei der klägerischen Ausführung einzeln erkennbar blieben; der Rosenkern des ... gleiche in der Darstellung einer Spirale, wohingegen er bei ... blattartig strukturiert sei; die Darstellung des Blattwerks sei beim ... Motiv fülliger, feiner und wesentlich naturalistischer, während bei ... hierauf verzichtet worden sei. Ferner werde in der ... Manufaktur die weiße Rose mit Sepiabraun unterlegt und wirke dadurch viel schwerer; bei weißen Rosen arbeite ... üblicherweise mit dem sogenannten "Eisengrün", einem sehr kalten Grünton. Schließlich sei die Oberflächenstruktur des Porzellans der Klägerin weicher, wodurch die Farben in den Scherben versinken würden, wodurch eine höhere Farbbrillanz erreicht würde. Auch die Ausführungsform gem. Anlage B 7 unterscheide sich vom Dekor der Klägerin in der Anordnung der Blütenblätter, der Blätter des Kerns und des Blattwerks, ebenso das sehr üppige Dekor gem. Anlage B 8; die Abbildungen hätten eher den Charakter alter, englischer und traditioneller Rosenmalerei. Das als Anlage B 10 vorgelegte ... Dekor Nr. ... lasse schon keine Einzelheiten der dort dargestellten Rose erkennen und sei € wie auch die Anlage K 1 € nur eine Schwarz-weiß-Abbildung.

Die Rechtsinhaberschaft der Klägerin sei aufgrund des bodenseitigen Hinweises auf sie auf den einzelnen Geschirrserviceteilen gem. § 10 Abs. 3 UrhG zu vermuten. Auch ohne ausdrückliche Bestimmung, dass die "Eigentumsrechte" an den von Frau ... geschaffenen Musterarbeiten an die Klägerin als Arbeitgeberin übergehen, folge die Rechtsübertragung aus §§ 43, 31 Abs. 5 UrhG.

Etwaige Größen- und Farbunterschiede im Blattwerk seien allenfalls mit der Lupe wahrzunehmen, während der Gesamteindruck völlig identisch sei, so dass eine unfreie und damit verletzende Bearbeitung vorliege.

Schon die Darstellung im Internet verletze die Rechte der Klägerin und begründe hinsichtlich des Online-Shops jedenfalls eine Begehungsgefahr, die nicht durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt und durch den Vortrag in der Klageerwiderung bestätigt worden sei.

Hilfsweise beruft sich die Klägerin auf einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch, da das streitgegenständliche Dekor von erheblicher, wettbewerblicher Eigenart sei und die Beklagte 1:1-Kopien anbiete; hierdurch werde über die betriebliche Herkunft des Dekors getäuscht (§ 4 Nr. 9 lit. a) UWG), und auch die Wertschätzung der ... nehme damit erheblichen Schaden (§ 4 Nr. 9 lit. b) UWG).

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, das nachstehend abgebildete Dekor ...

zu gewerblichen Zwecken zu vervielfältigen, öffentlich zugänglich zu machen und/oder mit diesem Dekor versehene Gegenstände ohne Zustimmung der Klägerin der Öffentlichkeit anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Die Beklagte behauptet, dass jeder Maler bei der Klägerin die weiße Rose so gemalt habe, wie er/sie es einst in der Malschule der Porzellanmanufaktur ... gelernt hat. Jeder einzelne Maler habe die erteilten Malaufträge nach seinen individuellen Vorstellungen ausgeführt. Dies erkläre auch die Abweichungen der Dekore auf den beiden angegriffenen Fotos untereinander sowie auf dem Repertoireblatt bzw. dem von der Klägerin vorgelegten Foto, da die Dekore die individuellen Züge des/der jeweiligen Malers/Malerin trage und daher nicht nach den Vorgaben anhand von Detailfotos gemalt worden hätten sein können. Die Farbwahl auf den auf der Homepage der Beklagten abgebildeten Tassen sei nicht laut Anlage K 3 vorgenommen worden, insbesondere seien die Grüntöne nicht mit braun abgemischt worden.

Der handschriftliche Zusatz "(Entwürfen/Dekoren)" in § 4 Ziffer 2 des Arbeitsvertrags von Frau ... sei von dieser nicht gegengezeichnet worden und befinde sich auch nicht auf dem ihr ausgehändigten Vertragsexemplar (Anlage B 2), so dass er nicht Vertragsbestandteil geworden sei. Die streitgegenständlichen Entwürfe von Frau ... seien vor Beginn des Arbeitsverhältnisses zum 01.12.2004 von dieser gefertigt worden, wie sich aus den Abrechnungen vom Oktober bzw. November 2004 (Anlagen B 4/5) mit den Angaben "weiße Rose" ergebe.

Das Dekor "weiße Rose" sei ein traditionelles Dekor der Staatlichen Porzellanmanufaktur ... GmbH und nicht ein eigens von der Klägerin entwickeltes Dekor. Die Klägerin habe bei einem Besuch in der Ausstellungshalle der staatlichen Porzellanmanufaktur ... zusammen mit Frau ... gegenüber dieser geäußert, dass das Motiv der weißen Rose kopiert werden solle.

Die Beklagte legt außerdem in den Anlagen B 6 bis B 8, auf die ergänzend Bezug genommen wird, weitere Rosendekore als vorbekannten Formenschatz vor.

Die Beklagte vertreibe keinerlei Porzellan über ihre Homepage und damit auch nicht Porzellan mit dem Dekor ...

Die Beklagte ist der Auffassung, dass eine besondere urheberrechtlich schützenswerte Eigenart des Dekors ... nicht bestehe. Bei der dortigen Farbgebung handele es sich nicht um einen lachsfarbenen, sondern € wie auch dem Schriftzug in den Entwürfen von Frau ... in Anlage K 4 ... zu entnehmen sei € ausschließlich um einen purpurnen Kern.

Die von der Beklagten aufgeführten Unterschiede zwischen deren Dekor und dem des ... Motivs seien unzutreffend, jedenfalls, wenn man das ... Dekor Nr. ... betrachte: Bei beiden Dekoren seien die äußeren Blütenblätter eher geschlossen; auch beim ... Dekor sei bei genauer Betrachtung zu sehen, dass die inneren Blütenblätter einzeln erkennbar blieben. Deutliche Ähnlichkeiten würden sich außerdem bei der Darstellung des Blattwerks ergeben.

Darüber hinaus bestünden Größen- und Farbunterschiede im Blattwerk zwischen dem Dekor der Klägerin gem. den Anlagen K 3 und K 4 und den angegriffenen Ausführungsformen der Beklagten, so dass auch eine Verletzung ausscheide.

Die Rechte an den streitgegenständlichen Entwürfen € sofern solche überhaupt entstanden seien, da das Motiv der weißen Rose der Porzellanmanufaktur ... auf Anweisung der Klägerin hätte kopiert werden sollen € stünden nicht der Klägerin, sondern Frau ... zu.

Da die auf der Homepage gezeigten Artikel nur der Darstellung der gestalterischen Möglichkeiten dienen würden, werde damit keineswegs zum Ausdruck gebracht, dass von den gezeigten Artikeln 1:1-Kopien gefertigt wurden oder werden, so dass keine Gefahr der Beeinträchtigung etwaiger Urheberrechte der Klägerin bestünde.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.05.2009 (Bl. 35/37 d. A.).

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich weder aus Urheberrecht (I.), noch aus Wettbewerbsrecht (II.).

I.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gem. § 97 Abs. 1 UrhG nicht zu, da die streitgegenständlichen Rosendarstellungen ... als Erzeugnisse der angewandten Kunst die notwendige urheberrechtliche Schöpfungshöhe i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG nicht erreichen. Es kann daher dahin stehen, ob die Klägerin tatsächlich die ausschließlichen Nutzungsrechte an den streitgegenständlichen Rosendarstellungen inne hat und damit aktivlegitimiert ist und ob die angegriffenen Ausführungsformen Verletzungen des klägerischen Dekors darstellen.

1.Der Bundesgerichtshof hat in seiner "Silberdistel"-Entscheidung (GRUR 1995, 581 ff.) zur Frage der notwendigen Anforderungen an die Gestaltungshöhe eines Werkes i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG Stellung genommen und dabei betont, dass für die Kunstwerkarten der zweckfreien bildenden Kunst und der angewandten Kunst unterschiedliche Maßstäbe anzustellen sind: Während bei der "reinen", zweckfreien Kunst die sog. "kleine Münze" € die einfache, aber gerade noch schutzfähige Schöpfungen umfasst € anerkannt ist, sind bei Werken der angewandten Kunst, soweit sie einem Geschmacksmusterschutz zugänglich sind, höhere Anforderungen zu stellen. Da sich bereits die geschmacksmusterschutzfähige Gestaltung von der nicht geschützten Durchschnittsgestaltung, dem rein Handwerksmäßigen und Alltäglichen abheben muss, ist für die Urheberrechtsschutzfähigkeit ein noch weiterer Abstand, das heißt ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung zu fordern; für den Urheberrechtsschutz ist danach ein höherer schöpferischer Eigentümlichkeitsgrad als bei nur geschmacksmusterfähigen Gegenständen zu verlangen, wobei die Grenze zwischen beiden nicht zu niedrig angesetzt werden darf.

Der "Silberdistel"-Entscheidung lag die Konstellation zugrunde, dass die dortigen Parteien jeweils Ohrclips mit einer Silberdistel als Motiv vertrieben. Der Bundesgerichtshof lehnte in Anwendung seiner zuvor ausgeführten Grundsätze einen urheberrechtlichen Schutz für den Ohrclip der dortigen Klägerin als Gegenstand der angewandten Kunst ab, da zwar auch Naturnachbildungen einem urheberrechtlichen Kunstwerkschutz grundsätzlich zugänglich seien, die Nachbildung nach dem Vorbild der Natur sich aber nicht als eine reine kunsthandwerkliche Leistung darstellen dürfe, sondern eine gewisse eigenschöpferische Qualität aufweisen müsse; im Streitfall habe es sich € wenn überhaupt € lediglich um marginale Verfremdungen (in concreto kleinere Blütenblätter, die Farbgebung mit silbern und gold, das kugelige Auslaufen der Blütenblätter des oberen Kranzes sowie die Poren im Blütenstempel) gehandelt, die der Vorlage aus der Natur entsprochen und den Gesamteindruck des Klagemusters nicht so stark geprägt bzw. nicht zu einer den Gesamteindruck prägenden Verfremdung geführt hätten, dass die erforderliche Gestaltungshöhe erreicht worden wäre. Es sei daher auch nicht mehr auf den Vortrag der dortigen Beklagten angekommen, dass das Klagemuster im Vergleich zum vorbekannten Schaffen keine eigenschöpferischen Züge habe erkennen lassen.

2.Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen an, die der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 15.07.2004 (GRUR 2004, 941 ff. € Metallbett), also nach Inkrafttreten und damit in Kenntnis des neuen Geschmacksmustergesetzes vom 12.03.2004 (wenn auch in Anwendung der alten Rechtslage gem. § 1 Abs. 2 GeschmG a. F.), bestätigt und die das Bundesverfassungsgericht (GRUR 2005, 410 f.) als verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden bewertet hat.

3. Unter Berücksichtigung der gerade gemachten Ausführungen kann die Kammer die notwendige Schöpfungshöhe i. S. v. § 2 Abs. 2 UrhG für die streitgegenständlichen Rosendarstellungen als angewandte Kunst nicht erkennen.

a. Die Klagemuster sind der angewandten Kunst zuzuordnen, da sich ihr Zweck nicht darin erschöpft, ihrem Gedankeninhalt künstlerischen Ausdruck zu verleihen (vgl. OLG Düsseldorf GRUR-RR 2008, 117, 119 € Engelsfigur); vielmehr dienen sie der Gestaltung von Porzellangeschirr als Dekor und damit einem konkreten Gebrauchszweck. Als solches Dekor (auch ohne dazugehöriges Porzellangeschirr) sind die klägerischen Muster auch ohne weiteres einem Geschmacksmusterschutz zugänglich.

b. Ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung ist bei den Klagemustern als Naturnachbildungen nicht gegeben; vielmehr orientieren sie sich € ähnlich dem vom BGH entschiedenen "Silberdistel"-Fall € sehr nah am Vorbild in der Natur: Dies ist bereits an den in verschiedenen Grüntönen gehaltenen Laubblättern zu sehen, welche mehrere elliptische bis eiförmige Fiederblättchen enthalten, wobei eines stets langgestielt endständig ist, während die übrigen kurzgestielt seitlich angeordnet sind. Deutlich zu erkennen sind auch der mehrfach gesägte Blättchenrand sowie die Mittel- und Seitenrippen. Ebenfalls der Natur entnommen ist die gefüllte Blüte mit zahlreichen weißen Kronblättern. Demgegenüber treten die nur leicht verfremdenden Elemente wie der zum Weiß der (äußeren) Kronblätter stark kontrastierende purpurne "Rosenkern" (also die Farbe der inneren Kronblätter bzw. deren Ränder), der graue Schimmer in Richtung des unteren Endes der Kronblätter sowie der untereinander unterschiedliche Grünton der Fiederblättchen nicht so stark in den Vordergrund, als dass sie den Gesamteindruck des Dekors prägen würden. Die klägerischen Rosendarstellungen sind daher als reine kunsthandwerkliche Leistung ohne genügende eigenschöpferische Qualität einzuordnen, denen kein urheberrechtlicher Schutz zukommt.

c. Dieses Ergebnis gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass sich die Klagemuster vom von der Beklagten vorgelegten vorbekannten Formenschatz aus der ... Porzellanmanufaktur ... (Anlage B 1 und B 10 sowie als allgemein zugängliche Quelle im Internet unter ... in der Rubrik Sortiment/Tisch & Tafel) nur geringfügig unterscheiden, so dass bei den klägerischen Dekoren auch aus diesem Grund keine eigenschöpferischen Züge erkennbar sind: Das in Anlage B 10 ersichtliche ... Dekor enthält ebenso wie das Klagemuster einen eher geschlossenen Kronblätterkranz, wobei die inneren Kronblätter bei beiden Dekoren einzeln erkennbar bleiben, und auch die Anzahl und Anordnung der Fiederblättchen unterscheiden sich nur geringfügig. Schließlich bleiben auch die farblichen Unterschiede bei Fiederblättchen und Kronblättern im Bereich des Marginalen.

4. Die Klägerin ist hierdurch auch nicht schutzlos gestellt, denn ihr steht ja gerade die grundsätzliche Möglichkeit offen, entsprechende Dekore als Gebrauchsmuster zu schützen (s. o. Ziffer I. 3. a.) bzw. € sofern der Gefahr von Nachahmungen von Dekoren durch ehemalige Mitarbeiter begegnet werden soll € sich durch entsprechende vertragliche Regelungen abzusichern.

II.

Der hilfsweise geltend gemachte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch gem. §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 9 lit. a) und b) UWG scheitert bereits an der fehlenden vermeidbaren Herkunftstäuschung, da angesichts des vorbekannten Formenschatzes mit ähnlichen Dekoren € insbesondere die Produkte mit dem Dekor ... aus der ... Porzellanmanufaktur € nicht anzunehmen ist, dass der Verkehr mit dem Erzeugnis der Klägerin Herkunftsvorstellungen verbindet.

Darüber hinaus hat die Klägerin nicht (auch im Fall der € hierfür zu unterstellenden € unmittelbaren Übernahme notwendige) besondere wettbewerbliche Umstände in genügender Weise dargetan, die außerhalb des sondergesetzlichen Tatbestands liegen und das Vorgehen des Nachahmers unlauter erscheinen lassen; solche Umstände sind auch nicht ersichtlich (vgl. im übrigen die diesbezüglichen Ausführungen in der bereits zitierten Entscheidung BGH GRUR 1995, 581, 583 € Silberdistel).

III.

1. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 91 Abs. 1 ZPO.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 45 Abs. 1 Satz 2, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, §§ 3, 5 ZPO. Bei den im Haupt- und Hilfsverhältnis geltend gemachten Unterlassungsansprüchen aus Urheberrecht und Wettbewerbsrecht handelt es sich um zwei verschiedene Streitgegenstände (vgl. BGH GRUR 2001, 755 ff. € Telefonkarte), die mit jeweils Euro 10.000,00 angesetzt wurden.






LG München I:
Urteil v. 24.06.2009
Az: 21 O 16993/08


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