Oberlandesgericht Braunschweig:
Beschluss vom 27. August 2013
Aktenzeichen: 2 W 143/12
(OLG Braunschweig: Beschluss v. 27.08.2013, Az.: 2 W 143/12)
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2. wird der Beschluss des Amtsgerichts - Registergericht - Braunschweig vom 03. Juli 2012 aufgehoben und das Amtsgericht - Registergericht - Braunschweig angewiesen, den am 17. Nov. 2004 im Handelsregister eingetragenen Hauptversammlungsbeschluss vom 08. Sept. 2004, soweit er § 16 Nr. 1 S. 4 und Nr. 2 der Satzung betrifft, zu löschen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beteiligte zu 1. .
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 3.000,00 EUR.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 2. ist Aktionär der Beteiligten zu 1., welche mit gut 75 % Hauptaktionärin der N AG ist. Die nicht börsennotierte Beteiligte zu 1. hat in ihrer Hauptversammlung vom 08. Sept. 2004 durch Beschluss § 16 Nr. 1 S. 4, Nr. 2 ihrer Satzung folgendermaßen gefasst:
§ 16 Nr. 1 S. 4 der Satzung lautet: €Die Aktionäre können sich durch einen Bevollmächtigten nach Maßgabe der Ziff. 2. vertreten lassen.€
§ 16 Nr. 2 der Satzung lautet:
€Aktionäre können sich wie folgt vertreten lassen:
2.1 natürliche Personen durch ihren Ehegatten, Verwandte in gerader Linie oder deren Ehegatten,
2.2 juristische Personen oder sonstige Vereinigungen durch ihre gesetzlich zur Vertretung befugten Personen (mit vertretungsbefugter Zahl),
2.3 jeder Aktionär durch einen anderen Aktionär oder einen in seinem landwirtschaftlichen Betrieb tätigen Angestellten,
2.4 jeder Aktionär durch einen der von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter.
2.5 jeder Aktionär durch den gesetzlichen Vertreter eines regionalen Z€-verbandes, der Mitglied des Dachverbandes N Z e.V. ist.€
Der Beschluss wurde am 17. Nov. 2004 in das Handelsregister eingetragen.
Die Beteiligten zu 2. und 3. haben beantragt, den Beschluss gemäß § 398 FamFG wegen Nichtigkeit zu löschen. Sie sind der Auffassung, dass durch diese Regelung das Recht der Aktionäre, sich bei den Hauptversammlungen vertreten zu lassen, in unzulässiger Weise auf einzeln aufgeführte Stimmrechtsvertreter beschränkt werde. Die angegriffene Regelung des § 16 Nr. 2 der Satzung verstoße gegen zwingendes Recht, nämlich gegen § 134 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 23 Abs. 5 AktG und sei damit nichtig. Mit der sogenannten Aktionärsrichtlinie habe die Europäische Union für börsennotierte Unternehmen festgelegt, dass sich der Aktionär in der Hauptversammlung durch jede geschäftsfähige Person vertreten lassen dürfe. Im Übrigen sei in Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie RL 2007/36/EG festgelegt, dass die Mitgliedsstaaten alle Rechtsvorschriften aufheben, die Einschränkungen in Bezug auf die Personen vorsehen, die als Vertreter gestellt werden können, oder es Gesellschaften ermöglichen, solche Einschränkungen vorzunehmen. In § 134 Abs. 3 S. 1 AktG sei bereits vor der Aktionärsrichtlinie geregelt gewesen, dass das Stimmrecht durch einen Bevollmächtigten ausgeübt werden dürfe. Die Bundesrepublik Deutschland habe die Aktionärsrichtlinie mit Gesetz vom 30. Juli 2009 (ARUG) umgesetzt und dabei § 134 Abs. 3 AktG, der für börsen- und nicht börsennotierte Aktiengesellschaften gelte, nicht geändert. Da § 134 Abs. 3 AktG nur einheitlich für börsen- und nicht börsennotierte Aktiengesellschaften ausgelegt werden könne, folge schon daraus die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Satzungsregelung. Darüber hinaus sei in der Rechtsprechung und der ganz überwiegenden Literatur die Auffassung vertreten worden, dass einschränkende Regelungen ohnehin unzulässig seien.
Eine effektive Wahrnehmung der Rechte als Aktionär sei nur möglich, wenn die Stimmen im Vorfeld der Hauptversammlung gebündelt würden. Dies sei angesichts der Aktionärsstruktur und der Satzungsregelung vorliegend nicht möglich. Den Rübenanbauern sei es in der Beteiligten zu 1. möglich, ihre Stimmen zu bündeln. Deren Interessen liefen jedoch den Interessen der Nichtrübenanbauer entgegen. Während die Rübenanbauer möglichst niedrige Preise zahlen wollten, seien die sonstigen Aktionäre an einem möglichst hohen Gewinn interessiert. Im Übrigen würden die Rübenanbauer von der N AG finanziell unterstützt.
Die Regelung verletze nicht nur Art. 12 und 14 GG, sondern auch Art. 1 und 3 GG. Zwar sehe die Satzung eine Vertretungsmöglichkeit durch Ehepartner vor, jedoch nicht durch Lebenspartner im Sinne von § 1 Lebenspartnerschaftsgesetz. Dem Beteiligten zu 2., der in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebe, sei es daher verwehrt, seinen Lebenspartner zur Stimmabgabe in der Hauptversammlung zu bevollmächtigen. Es bestehe auch ein öffentliches Interesse an der Aufhebung der satzungsrechtlichen Regelung im Sinne von § 398 FamFG. Anerkannt sei, dass künftige Aktionäre gegen Hauptversammlungsbeschlüsse vorgehen könnten, da es ihnen nicht möglich gewesen sei, den Hauptversammlungsbeschluss unmittelbar nach seiner Fassung anzugreifen. Vergleichbares müsse für spätere Aktionäre gelten und insbesondere für den Beteiligten zu 2., der die Aktien nicht durch Kauf erworben habe, sondern im Wege des Erbfalls 2010 Aktionär geworden sei.
Die Beteiligte zu 1. ist der Auffassung, dass durch die Satzungsregelung weder zwingende gesetzliche Vorschriften verletzt seien noch das notwendige öffentliche Interesse für eine Löschung gemäß § 398 FamFG gegeben sei. Die Satzungsregelung verstoße nicht gegen § 134 Abs. 3 S. 1 AktG. Die europäische Aktionärsrichtlinie sei unerheblich, da diese nur für börsennotierte Aktiengesellschaften gelte. Im Übrigen werde in der Literatur auch vertreten, dass Einschränkungen bei der Vertreterauswahl zulässig seien, sofern die Entscheidungsfreiheit des Aktionärs nicht unzumutbar eingeschränkt werde, was hier nicht der Fall sei. Auch wenn der Beteiligte zu 2. nach dem Wortlaut der Satzung seinen Lebenspartner nicht zur Teilnahme an der Hauptversammlung bevollmächtigen könne, so sei die Regelung jedoch im Sinne des § 1 Abs. 1 Lebenspartnerschaftsgesetz dahin auszulegen, dass die Satzung eine solche Vertretung bei Vorlage einer Vollmacht ermögliche. Da der Hauptversammlungsbeschluss im Handelsregister eingetragen sei, komme dem Registergericht nur ein stark eingeschränktes Prüfungsrecht zu. Das nach § 398 FamFG notwendige öffentliche Interesse an einer Aufhebung des - behauptet - rechtswidrigen Beschlusses fehle.
Eine vom Amtsgericht - Registergericht - eingeholte Stellungnahme der IHK Braunschweig vom 11. Mai 2012 kommt zu dem Ergebnis, dass die satzungsrechtliche Regelung möglicherweise gegen zwingendes Recht verstoße, aber ein öffentliches Interesse an der Beseitigung des Beschlusses gemäß § 398 FamFG nicht bestehe (Bl. 206ff. Bd. VIII d.A).
Das Amtsgericht - Registergericht - hat mit Beschluss vom 03. Juli 2012 den Antrag auf Löschung des Beschlusses der Hauptversammlung vom 26. Juli 2001 zurückgewiesen und die Ablehnung der Löschung damit begründet, dass die Satzungsregelung nicht gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstoße und ferner ein öffentliches Interesse an der Löschung nicht bestehe (Bl. 236 ff. Bd. VIII d.A.).
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 2., mit der dieser rügt, dass das Amtsgericht teilweise von falschen Voraussetzungen bei seiner Entscheidung ausgegangen sei und gewichtige Punkte wie z. B. die Frage des Verstoßes gegen das Gleichstellungsgesetz im Hinblick auf eingetragene Lebenspartnerschaften gar nicht behandelt habe. Im Übrigen wird das erstinstanzliche Vorbringen wiederholt und vertieft.
Die Beteiligte zu 1. beantragt, die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 03. Juli 2012 zurückzuweisen. Auch sie nimmt auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug und vertieft dieses.
Das Amtsgericht - Registergericht - Braunschweig hat der Beschwerde mit Beschluss vom 13.08.2012 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Braunschweig als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist fristgerecht, d.h. innerhalb der Monatsfrist der §§ 58, 63 FamFG eingelegt worden und statthaft (§ 398 i. V. m. §§ 395 Abs. 3, 393 Abs. 3 S. 2 FamFG). Der Beteiligte zu 2. ist auch gemäß § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdeberechtigt. Die Beschwerdebefugnis folgt zwar nicht aus dem Umstand, dass der Beteiligte zu 2. gegenüber dem Amtsgericht angeregt hat, den streitgegenständlichen Hauptversammlungsbeschluss zu löschen, denn das Löschungsverfahren nach § 398 FamFG ist ein reines Amtsverfahren und die Anregung, den Beschluss zu löschen, gibt dem Beteiligten zu 2. nicht die Rechtsstellung eines Antragstellers nach § 23 Abs. 1 FamFG. Die Beschwerdebefugnis folgt jedoch aus § 59 Abs. 1 FamFG. Danach besteht eine Beschwerdebefugnis, wenn ein Recht des Beschwerdeführers durch die angefochtene Entscheidung beeinträchtigt ist, wenn er also in einem subjektiven Recht betroffen ist. Das ist hier der Fall. Die Aktionäre üben ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft in der Hauptversammlung aus, § 118 Abs. 1 S. 1 AktG. Eine unzulässige Beschränkung der Vertretungsbefugnis in der Hauptversammlung würde das Recht des Beschwerdeführers auf Teilnahme und Stimmabgabe in der Hauptversammlung unmittelbar beeinträchtigen.
2. Die Beschwerde hat Erfolg.
Gemäß § 398 FamFG kann ein im Handelsregister eingetragener Beschluss einer Aktiengesellschaft nach § 395 FamFG als nichtig gelöscht werden, wenn er durch seinen Inhalt zwingende gesetzliche Vorschriften verletzt und seine Beseitigung im öffentlichen Interesse erforderlich erscheint.
a) § 16 Nr. 1 S. 4 und Nr. 2 der Satzung der Beteiligten zu 1., durch die die Vertretungsbefugnis der Aktionäre in der Hauptversammlung beschränkt wird, verletzt zwingende gesetzliche Vorschriften.
aa) Nach § 134 Abs. 3 S. 1 AktG kann das Stimmrecht des Aktionärs durch €einen Bevollmächtigten€ und damit durch eine beliebige Person ausgeübt werden. Eine Satzungsbestimmung, die wie hier die Bevollmächtigung von weiteren Voraussetzungen abhängig macht, widerspricht § 23 Abs. 5 AktG und verletzt damit zwingendes Recht.
(1) Ob durch Satzungsbestimmungen der Personenkreis eingeschränkt werden darf, der von einem Aktionär zum Stimmrechtsvertreter in der Hauptversammlung bestellt werden kann, ist streitig. Eine Literaturmeinung lehnt dies ab (Münch.Komm.-Schröer, AktG, 3. Auflage, §134 Rn. 42, Schmidt/Lutter, AktG, 2. Auflage, § 134 Rn. 58; Hölters, AktG, § 134 Rn. 49, Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, 2. Auflage, § 134 Rn. 51, Hopt/Wiedemann-Grundmann, AktG, 4. Auflage (November 2008), § 134 Rn. 105). Sie begründet ihre Auffassung damit, dass eine Einschränkung dem Grundsatz der in § 23 Abs. 5 AktG normierten Satzungsstrenge entgegenstehe. § 134 Abs. 3 AktG lasse die Stimmrechtsausübung durch einen Bevollmächtigten uneingeschränkt zu und enthalte keine Öffnungsklausel für abweichende Satzungsbestimmungen. Da nach der Gesetzesbegründung zum Aktiengesetz 1965 § 134 AktG nur €im Wesentlichen dem geltenden Recht€ entsprechen sollte, lasse sich daraus nicht ableiten, dass der Gesetzgeber uneingeschränkt auch die Fortgeltung der zu § 114 AktG 1937 und den Vorgängernormen ergangenen Rechtsprechung habe aufrechterhalten wollen (Spindler/Stilz-Rieckers, a. a. O., Hölters, a. a. O., Schmidt/Lutter, a. a. O.).
Nach der Gegenauffassung kann die Satzung Bestimmungen zur Person des Bevollmächtigten enthalten, sofern die Entscheidungsfreiheit des Aktionärs dadurch nicht unzumutbar eingeschränkt wird (Hüffer, AktG, 10. Auflage, § 134 Rn. 25 m. w. N.). Sie ist der Ansicht, dass nach der Gesetzesbegründung mit der Neuregelung in § 134 Abs. 3 AktG keine Änderung gegenüber der Regelung in § 114 Abs. 7 AktG 1937 gewollt gewesen sei, wonach die Form der Stimmrechtsausübung von Bedingungen abhängig gemacht werden konnte, wozu nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 55, 41 f.) auch die Person des Bevollmächtigten gezählt habe. Dieser Auffassung hat sich das Landgericht Bonn in seiner Entscheidung vom 22. Juni 1990 - 16 U 5/90 (= AG 1991, 114 (115)) angeschlossen.
(2) Das OLG Stuttgart hat mit Beschluss vom 28. Mai 1990 - 8 W 203/90 € (= WM 1990, 1159 (1160)) die Ansicht vertreten, dass sich aus § 134 Abs. 3 S. 1 AktG i. V. m. § 23 Abs. 5 AktG ergebe, dass es einem Aktionär freistehen müsse, sich durch eine beliebige Person in der Hauptversammlung vertreten zu lassen (so auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.07.1991, 6 U 59/91, Rn. 34f.). Eine Abweichung davon sei im Gesetz nicht zugelassen und auch eine ergänzende Satzungsbestimmung nicht möglich, weil die Regelung als abschließend angesehen werden müsse. Dies folge zunächst aus dem Wortlaut. § 134 Abs. 3 AktG regele die Möglichkeit der Vertretung, die Form der Vollmacht und den Verbleib des Vertretungsnachweises. In Abs. 4 sei die Form der Ausübung des Stimmrechts der Regelung durch die Satzung überlassen. Hätte die Absicht bestanden, zusätzliche einschränkende Bestimmungen über die Person des Bevollmächtigten zuzulassen, so hätte eine ausdrückliche Erwähnung an dieser Stelle nahegelegen. Das Unterbleiben spreche daher gegen eine Ergänzungsmöglichkeit. Bestätigt werde diese Schlussfolgerung auch durch den Vergleich mit der früheren Regelung. In § 252 Abs. 2 des HGB (1897) und auch § 114 Abs. 3 AktG (1937) sei die Stimmrechtsausübung durch einen Bevollmächtigten geregelt gewesen. Im Unterschied zur jetzigen Fassung in § 134 Abs. 3 AktG sei jedoch damals in § 252 Abs. 4 HGB (1897) und § 114 Abs. 7 AktG (1937) festgelegt gewesen, dass sich im Übrigen die Bedingungen und die Form der Ausübung des Stimmrechts nach dem Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung richtete. Das Reichsgericht (RGZ 55, 41) und das Kammergericht (JW 1938, 2412) hätten daher folgerichtig eine Beschränkung des Kreises der Bevollmächtigten als zulässig erachtet. Wenn jedoch nunmehr nur noch die Form der Stimmrechtsausübung zur Disposition gestellt werde, so könne daraus nur der Schluss gezogen werden, dass es sich im Übrigen um eine abschließende Regelung handele, die eine Bestimmung über die Person des Bevollmächtigten im Gegensatz zum früheren Rechtszustand nicht mehr zulasse.
(3) Der Senat schließt sich der überzeugend begründeten Auffassung des OLG Stuttgart an. Für sie spricht auch die Art und Weise der Umsetzung der Aktionärsrichtlinie mit Gesetz vom 30. Juli 2009 (ARUG). In der EU-Richtlinie ist für börsennotierte Unternehmen festgelegt, dass sich der Aktionär in der Hauptversammlung vertreten lassen darf und Voraussetzung lediglich ist, dass der Vertreter geschäftsfähig ist. Alle entgegenstehenden Vorschriften waren von den Mitgliedsstaaten aufzuheben. Hätte der Gesetzgeber für nicht börsennotierte Aktiengesellschaften eine abweichende Regelung fortgelten lassen wollen, so wäre zu erwarten gewesen, dass er ausdrücklich eine andere Regelung getroffen hätte. Da der Gesetzgeber in § 134 Abs. 3 S. 3, 4 AktG und auch im Übrigen im Aktiengesetz durchaus unterschiedliche Regelungen für börsen- und nicht börsennotierte Unternehmen getroffen (z.B. §§ 122 Abs. 2 S. 3, 123 Abs. 3 S. 2 AktG (Fristen im Zusammenhang mit der Hauptversammlung) oder § 124 a S.1 AktG (nach Einberufung der Hauptversammlung über das Internet zugängliche Daten; eingeführt mit dem ARUG in Rahmen der Umsetzung der Aktionärsrichtlinie)), hier jedoch darauf verzichtet hat, spricht dies dafür, dass die Regelung in § 134 Abs. 3 S. 1 AktG keine Einschränkung bei der Person des Vertreters zulässt und dies gleichermaßen für börsen- und nicht börsennotierte Unternehmen gilt.
bb) Die Satzungsregelung verstößt ferner gegen zwingende gesetzliche Vorschriften, soweit sie die Übertragung des Stimmrechts auf Ehegatten des Aktionärs bzw. Verwandte des Aktionärs und deren Ehegatten vorsieht, eingetragene Lebenspartner eines Aktionärs jedoch nicht erwähnt.
(1) Die Satzung ist gem. §§ 133, 157 BGB dahin auszulegen, dass sie eine Vertretung des Aktieninhabers durch seine/n eingetragene/n Lebenspartner/in ausschließt. Zwar ist im Zweifel davon auszugehen, dass sich die Beteiligten gesetzeskonform verhalten und das am 16. Feb. 2001 verkündete und zum 01. Aug. 2001 in Kraft getretene Gesetz über eingetragene Lebenspartnerschaften nicht ignorieren wollten (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 72. A., § 133 Rn. 26). Hier lässt jedoch der eindeutige Wortlaut der Satzungsbestimmung eine Auslegung dahin, dass neben Ehegatten auch eingetragene Lebenspartner von Aktionären vertretungsbefugt sind, nicht zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.07.2009, 1 BvR 1164/07, Rn. 92 = BVerfGE 124, 199ff.).
(2) Die Satzungsregelung verstößt zwar nicht gegen § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG, da der Anwendungsbereich des AGG (§ 2) nicht eröffnet ist. Sie ist aber mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG, der über § 138 BGB in das Privatrecht hineinwirkt, unvereinbar. Die Beurteilung der Sittenwidrigkeit richtet sich nach der in der Gemeinschaft anerkannten Sozialmoral unter Beachtung der Grundrechte (Palandt-Ellenberger, BGB, 72.A., § 138 Rn. 2ff.). Die unterschiedliche Behandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern ist eine Ungleichbehandlung aufgrund der sexuellen Orientierung, ohne dass es für diese hier einen sachlichen Grund gibt (Art. 3 Abs. 1 GG). Sie ist daher auch bei der hier streitgegenständlichen Satzungsregelung nicht hinnehmbar.
b) Eine Löschung nach § 398 FamFG setzt ferner voraus, dass der gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstoßende Beschluss wegen dieses Verstoßes nichtig ist; die Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses allein reicht insoweit nicht aus (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10. April 2001 - 11 Wx 12/01 Rn. 7, 10, OLG Hamm, Beschl. v. 08. Dezember 1993 - 15 W 291/93, Rn. 20 = OLGZ 1994, 415 ff., Prütting/Helms-Maass, FamFG, § 398 Rn. 4, Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 17. Auflage, § 398 Rn. 10). Das ist hier der Fall; der streitgegenständliche Beschluss ist wegen der Gesetzesverstöße gem. § 241 Nr. 3 und 4 AktG nichtig.
aa) Streitig ist, ob eine in der Hauptversammlung beschlossene Satzungsbestimmung, die ohne ausdrückliche gesetzliche Zulassung vom Gesetz abweicht oder trotz abschließender Regelung des Gesetzes eine Ergänzung vorsieht und somit gegen § 23 Abs. 5 AktG verstößt, schon deshalb oder jedenfalls i.V.m. § 241 Nr. 3 AktG immer nichtig ist, weil sie mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht vereinbar ist (Münch.Komm.-Pentz, AktG, 3. Auflage, § 23 Rn. 162 m. w. N.; Hopt/Wiedemann-Röhricht, AktG, 4. A., § 23 Rn. 202), oder sich die Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen § 23 Abs. 5 AktG nur entsprechend § 241 Nr. 3 AktG ergeben, wonach Nichtigkeit vorliegt, wenn die Satzungsregelung nach ihrem konkreten Inhalt gegen Einzelnormen verstößt, die nach ihrem Inhalt ausschließlich oder überwiegend zum Schutz der Gläubiger oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind (Hüffer, AktG, 10. Auf., § 23 Rn. 43 m. w. N., Münch.Komm.-Hüffer, AktG, 3. Aufl., § 241 Rn. 60, offengelassen BGH, Urteil vom 29.06.1987, II ZR 242/86, Rn. 8, = NJW 1988, 260ff; Urteil vom 15.12.1986, II ZR 18/86, Rn. 14 (= WM 1987, 206ff.).
(1) Beide Meinungen stützen sich u.a. auf die Entstehungsgeschichte. Pentz (Münch.Komm., a.a.O., Rn. 162) begründet seine Auffassung damit, dass sich dies aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Vorschrift, den Schutz künftiger Aktionäre sowie die Fungibilität zu gewährleisten, ergebe. § 23 Abs. 5 AktG diene der Verkehrsfähigkeit der Aktie. Jeder Aktionär solle sich darauf verlassen können, dass die Satzung der Gesellschaft keine ungewöhnlichen Bestimmungen enthalte. Die Handelbarkeit an der Börse sei praktisch aufgehoben, wenn sich jeder Aktionär vorher anhand der Satzung über die Verfassung der Gesellschaft informieren müsse (Pentz, a.a.O., Rn. 150).
(2) Hüffer stützt seine Ansicht u.a. darauf, dass die Nichtigkeit von Beschlüssen die Ausnahme und die Anfechtbarkeit die Regel sei (§§ 241, 242 AktG). Bei Annahme einer Nichtigkeit des Beschlusses bei Verstoß gegen § 23 Abs. 5 AktG würde dies breitflächig zur Nichtigkeit führen, was dem Prinzip der Ausnahme entgegenstehe. Es müsse daher geprüft werden, ob die Vorschrift, gegen die der Beschluss verstoße, zu dem vom öffentlichen Interesse getragenen aktienrechtlichen Regelungskern gehöre (Münch.Komm-Hüffer, a.a.O., § 241 Rn. 51, 61).
(3) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Nicht jede Satzungsbestimmung, die gegen die Satzungsstrenge verstößt, ist mit dem Wesen der Aktiengesellschaft per se nicht vereinbar. Das zeigt bereits das Aktiengesetz von 1937, das eine Einschränkung der Wahl des Vertreters in der Hauptversammlung durch Satzungsbestimmungen grundsätzlich zuließ. Auch der Umstand, dass die EU-Richtlinie eine Regelung nur für börsennotierte Unternehmen trifft, unterstreicht dies.
Die streitgegenständliche Satzungsbestimmung ist daher nur nichtig, wenn sie gegen Vorschriften verstößt (§ 241 Nr. 3 2. Alt. AktG), die ausschließlich oder überwiegend dem öffentlichen Interesse dienen. Das allerdings ist hier der Fall. Gem. § 118 Abs. 1 S. 1 AktG üben die Aktionäre ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft in der Hauptversammlung aus, soweit das Gesetz nicht etwas anderes bestimmt. Die Hauptversammlung ist ein Organ der Aktiengesellschaft mit der Aufgabe interner Willensbildung in dem vom Gesetz angeordneten Zuständigkeitsbereich. Daneben hat die Aktiengesellschaft zwei Handlungsorgane, den Vorstand, der die Aktiengesellschaft leitet, und den Aufsichtsrat, der die Geschäftsführung überwacht (vgl. Hüffer, AktG, 10.A., § 118 Rn. 2f.). Wesentliche Rechte des Aktionärs in der Hauptversammlung sind das Teilnahme- und Stimmrecht (§§ 12, 133ff. AktG), das Recht, Widerspruch zur Niederschrift zu erklären (§ 245 Nr. 1 AktG), das Auskunftsrecht nach § 131 AktG und qualifizierte Minderheitenrechte. Diese Rechte dienen nicht ausschließlich dem Inhaberinteresse. Denn in der Hauptversammlung üben die Aktionäre auch Kontrollrechte aus, die Grundvoraussetzung für eine solide Unternehmensführung sind (EU-Richtlinie 2007/36/EG vom 11. Juli 2007, Präambel (3)). Damit bestehen diese Rechte gerade auch im öffentlichen Interesse (so BGH, Urteil vom 29.06.1987, II ZR 242/86 Rn. 8 für Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats). Wird wie hier die Möglichkeit, sich in der Hauptversammlung vertreten zu lassen, eingeschränkt, so berührt die Einschränkung deshalb zwangsläufig ebenfalls das öffentliche Interesse.
bb) Der Beschluss ist ferner wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot gem. § 241 Nr. 4 AktG nichtig. Danach ist ein Hauptversammlungsbeschluss nichtig, wenn er durch seinen Inhalt gegen die guten Sitten verstößt. § 241 Nr. 4 AktG wird einschränkend dahin ausgelegt, dass der Beschluss für sich allein betrachtet sittenwidrig sein muss, während eine Sittenwidrigkeit, die sich aus dem Zustandekommen, den Beweggründen oder dem Zweck ergibt, lediglich Anfechtbarkeit begründen soll (Hüffer, AktG, 10.A., § 241 Rn. 24). Auch wenn der Tatbestand des § 241 Nr. 4 AktG damit enger gefasst ist als der des § 138 BGB (Hüffer, a.a.O.), ist er hier durch die Satzungsregelung erfüllt, da diese nach dem oben Gesagten für sich genommen sittenwidrig ist.
c) Für eine Löschung nach § 398 FamFG reicht es jedoch nicht aus, wenn der beanstandete Beschluss gegen gesetzliche Vorschriften verstößt und deshalb nichtig ist, sondern die Beseitigung der Eintragung muss im öffentlichen Interesse erforderlich erscheinen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.10.2001, 20 W 58/01, Rn. 8, Münch.Komm.-Hüffer, AktG, 3. Aufl., § 241 Rn. 78).
Das Gesetz geht davon aus, dass selbst bei gem. § 241 Nr. 1, 3 oder 4 AktG nichtigen Beschlüssen eine Heilung gem. § 242 Abs. 2 S. 1 AktG eintritt, wenn diese - wie hier - im Handelsregister eingetragen worden und seitdem drei Jahre verstrichen sind. Nur im öffentlichen Interesse lässt es gem. § 242 Abs. 1 S. 3 AktG i.V.m. § 398 FamFG eine Durchbrechung dieser Heilungswirkung zu. Eine Amtslöschung ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn das öffentliche Interesse an der Beseitigung des Beschlusses trotz des Zeitablaufs und der damit verbundenen Heilungswirkung höher zu bewerten ist als das mit der Heilung verfolgte Rechtssicherheitsinteresse (Münch.Komm-Hüffer, 3. Aufl., AktG, § 242 Rn. 24). Dabei trägt der Umstand, dass § 241 Nr. 3 und 4 AktG die Nichtigkeitsgründe eng umgrenzt, die tatsächliche Vermutung des öffentlichen Interesses an der Löschung, das nur wegen eines durch Zeitablauf entstandenen höherrangigen Interesses entfallen kann (Münch.Komm.-Hüffer, a.a.O., § 241 Rn. 79).
Hier steht dem durch das Vorliegen der Nichtigkeitsgründe (§ 241 Nr. 3 und 4 AktG) vermuteten öffentlichen Interesse an einer Löschung der gesetzeswidrigen Vertretungsregelung das Rechtssicherheitsinteresse nicht entgegen. Die Vertretungsregelung hat zwar grundsätzlich Bedeutung für die Rechtmäßigkeit der in der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse, die Löschung der gesetzeswidrigen Satzungsbestimmung wirkt sich jedoch überwiegend für die Zukunft aus. Durch die fehlerhafte Vertretungsregelung wird in unzulässiger Weise in das Teilnahmerecht der Aktionäre an der Hauptversammlung eingegriffen, was zu einer Anfechtbarkeit der in der Hauptversammlung auf dieser Basis getroffenen Beschlüsse führt (Hüffer, AktG, 10.A., § 243 Rn. 16). Die Anfechtungsfristen für die Beschlüsse, die aufgrund der fehlerhaften Vertretungsregelung gefasst worden sind, sind jedoch zwischenzeitlich verstrichen. Gem. § 246 Abs. 1 AktG können Hauptversammlungsbeschlüsse nur innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung angegriffen werden. Diese Frist ist für alle seit 2002 getroffenen Beschlüsse abgelaufen. Dies gilt auch für die in der letzten Hauptversammlung gefassten Beschlüsse, die am 11. Juli 2013 stattgefunden hat.
Es ist im Übrigen auch kein sachlicher Grund (z.B. Sicherstellung besonderer Kompetenz) für die eingeschränkte Vertretungsregelung ersichtlich oder von der Beteiligten zu 1. vorgetragen worden. Allein der Umstand, dass der Vertreter eine familiäre Beziehung zu dem Aktionär hat oder in seinem landwirtschaftlichen Betrieb beschäftigt ist, sagt nichts über seine Fähigkeiten aus, den Aktionär adäquat zu vertreten. Es sind vielmehr andere Personen, wie z.B. ein sachkundiger Bekannter oder der Rechtsanwalt des Aktionärs denkbar, die die Interessen des Aktionärs kompetent vertreten könnten, die aber durch die Satzung von der Vertretung ausgeschlossen sind.
Es bestehen daher keine Gründe, die es gebieten, die gesetzeswidrige Vertretungsregelung aufrechtzuerhalten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2, 3 KostO. Der Senat schätzt das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers an dem Erfolg des Rechtsmittels auf 3.000,00 EUR.
Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen (§ 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 FamFG).
OLG Braunschweig:
Beschluss v. 27.08.2013
Az: 2 W 143/12
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