Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 11. Mai 2010
Aktenzeichen: 31 Wx 014/10, 31 Wx 14/10
(OLG München: Beschluss v. 11.05.2010, Az.: 31 Wx 014/10, 31 Wx 14/10)
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 22. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller haben die der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller, damals Aktionäre der Antragsgegnerin, beantragten mit Schriftsatz vom 16.6.2009 die gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern zu fünf im einzelnen ausgeführten €Umständen und Vorfällen€. In der Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 5.10.2009 wurde der Ausschluss der Minderheitsaktionäre beschlossen; die Eintragung im Handelsregister erfolgte am 13.10.2009. Mit Beschluss vom 22.12.2009 wies das Landgericht den Antrag zurück; die Antragsbefugnis sei mit dem Übergang der Aktien der Antragsteller auf die Hauptaktionärin entfallen. Dagegen legten die Antragsteller sofortige Beschwerde ein, soweit ihr Antrag hinsichtlich des unter Ziffer I 5 dargestellten Sachverhalts (Ausgabebetrag neuer Anteile in Höhe von 3,00 € und Ausschluss des Bezugsrechts) zurückgewiesen worden war.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (Artikel 111 FGG-RG, 142 Abs. 5 Satz 2 AktG a. F., § 22 Abs. 1 FGG). Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Antrag mit dem Übergang der Aktien der Antragstellerinnen auf den Hauptaktionär nach § 327e Abs. 3 AktG unzulässig geworden ist.
1. Nach § 142 Abs. 2 Satz 2 AktG haben die Antragsteller für eine gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern nachzuweisen, dass sie seit mindestens drei Monaten vor dem Tag der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sind und dass sie die Aktien bis zur Entscheidung über den Antrag halten. Das Halten einer Anzahl von Aktien, die das notwendige Quorum erreichen, ist Voraussetzung der Antragsberechtigung. Kann der Nachweis nach § 142 Abs. 2 Satz 2 AktG nicht erbracht werden, ist der Antrag unzulässig (vgl. Hüffer AktG 9. Aufl. § 142 Rn. 24, 31). Durch den an Stelle der früher vorgeschriebenen Hinterlegung zu erbringenden Nachweis nach § 142 Abs. 2 Satz 2 AktG soll gewährleistet werden, dass Gericht oder Antragsgegner von einer etwaigen Veränderung des Aktienbestandes erfahren und die aus einem Verlust der Antragsberechtigung folgende verfahrensrechtliche Konsequenz ziehen können (vgl. BayObLGZ 2004, 260/265; OLG München AG 2008, 33/34; AG 2006, 801f. zu § 258 AktG). Die Antragsberechtigung entfällt folglich, sobald die Antragsteller nicht mehr Aktien im erforderlichen Umfang halten. Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen sie nicht mehr Inhaber der Aktien sind (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 2009, 1411 zur Verschmelzung).
42. Zwar wird grundsätzlich auch in echten Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Vorschrift des § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO entsprechend angewandt, aus der sich bei Veräußerung der streitbefangenen Sache während des Verfahrens eine gesetzliche Verfahrensstandschaft des Rechtsvorgängers ergibt, der das Verfahren grundsätzlich im eigenen Namen für den Rechtsnachfolger weiterführen muss (vgl. Keidel/Sternal FamFG 16. Aufl. § 23 Rn. 51). Im Verfahren betreffend die gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern scheidet eine entsprechende Anwendung des § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO bereits im Fall einer freiwilligen Veräußerung der antragsbegründenden Aktien aus, weil nach § 142 Abs. 2 Satz 2 AktG der Antragsteller selbst die Aktien bis zur gerichtlichen Entscheidung über seinen Antrag halten muss. Das zieht auch die Beschwerde nicht in Zweifel. Wenn aber schon in dem in § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO ausdrücklich geregelten Fall des freiwilligen Verkaufs der Aktien eine Fortführung des Verfahrens durch den früheren Rechtsinhaber durch eine spezialgesetzliche Regelung ausgeschlossen ist, kommt eine entsprechende Anwendung des § 265 Abs. 2 Satz 1 AktG auf den Fall des unfreiwilligen Rechtsverlusts nicht in Betracht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9.10.2006 (NJW 2007, 300/301), denn diese bejaht eine entsprechende Anwendung des § 265 Abs. 2 ZPO auf den Fall des Verlustes der Aktionärsstellung durch Squeeze-Out allein deshalb, weil €die Situation des von einem Zwangsausschluss betroffenen Aktionärs € im Hinblick auf die Rechtsfolgen derjenigen des Veräußerers bei einem freiwilligen Verkauf€ entspricht.
3. Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist auch keine einschränkende Auslegung des § 142 Abs. 2 AktG dahin geboten, dass im Falle des unfreiwilligen Verlustes der Aktionärsstellung die Antragsbefugnis bestehen bleibt. Die in §§ 142 ff. AktG normierte allgemeine Sonderprüfung gibt den Aktionären die Möglichkeit, unabhängig von Vorstand und Aufsichtsrat Aufklärung über Vorgänge im Zusammenhang mit der Gründung und Geschäftsführung zu erlangen. Aktionäre sollen auf diese Weise ihre Rechte als Anteilsinhaber zielgerichtet und sinnvoll ausüben können. Zweck der Sonderprüfung ist es vor allem, die tatsächlichen Grundlagen für Ersatzansprüche der Aktiengesellschaft gegen ihre Gründer und Verwaltungsmitglieder aufzuhellen. Indem auch einer qualifizierten Minderheit ein Antragsrecht zuerkannt wird, soll die Regelung auch den Minderheitenschutz gewährleisten (vgl. Bürgers/Holzborn § 142 Rn. 1; Hüffer § 142 Rn. 1). Diese Gesichtspunkte entfallen mit dem Verlust der Rechtsstellung als Aktionär unabhängig davon, ob er durch freiwillige Veräußerung der Anteile eintritt oder durch Zwangsausschluss, denn der ausgeschiedene Aktionär wirkt am Willensbildungsprozess der Gesellschaft nicht mehr mit. Soweit etwaige Ersatzansprüche der Gesellschaft sich auf den Abfindungsanspruch der ausgeschlossenen Aktionäre auswirken, sind diese nicht im Rahmen einer Sonderprüfung nach § 142 AktG, sondern im dafür vorgesehenen Spruchverfahren zu behandeln, dem der Gesetzgeber die gerichtliche Überprüfung der Abfindung zugewiesen hat (BGH NZG 2006, 905/908; vgl. auch OLG München ZIP 2010, 725/729 zum besonderen Vertreter).
4. Der Umstand, dass für den antragstellenden Aktionär bei einem Zwangsausschluss die Unsicherheit besteht, ob und wann dieser beschlossen bzw. im Handelsregister eingetragen wird, führt nicht zu einer anderen Beurteilung; es bleibt dem Antragsteller überlassen, dem Wegfall der Antragsbefugnis während des Verfahrens durch Antragsänderung bzw. €rücknahme Rechnung zu tragen. Der Hinweis der Beschwerde auf die €verzögerte Bearbeitung€ des Antrags durch das Landgericht geht fehl, denn ein Verfahren über die gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern ist regelmäßig nicht innerhalb eines Zeitraums von vier Monaten abgeschlossen, der hier zwischen Antragstellung und Eintragung des Squeeze-out liegt.
III.
Die Entscheidung über die Kostenerstattung beruht auf § 142 Abs. 8 AktG a.F. i. V. m. § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG, die Festsetzung des Geschäftswerts auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO a. F.
OLG München:
Beschluss v. 11.05.2010
Az: 31 Wx 014/10, 31 Wx 14/10
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