Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 19. Januar 1996
Aktenzeichen: 6 U 76/95
(OLG Köln: Urteil v. 19.01.1996, Az.: 6 U 76/95)
Oberlandesgericht Köln, 6. Zivilsenat, Urteil vom 19.01.1996 - 6 U 76/95 -. Das Urteil ist rechtskräftig. redaktionelle Werbung; Werbehilfe UWG § 1, GG Art. 5 I Berichtet ein lokales Anzeigenblatt in einer für ein solches Presse-Erzeugnis typischen Weise über das Abschneiden eines örtlichen Unternehmens bei einer überregionalen Erhebung (hier: Medienanalyse betr. private Radiosender), ist eine gem. § 1 UWG unlautere redaktionelle Werbung auch dann nicht ohne weiteres zu bejahen, wenn in derselben Ausgabe des Blattes, aber räumlich deutlich getrennt von dem als solchem wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstandenden redaktionellen Beitrag, eine großformatige Werbeanzeige des betreffenden Unternehmens (hier: Radiosender) erscheint.
Gründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat auch in der
SA.he Erfolg.
Die Klage ist unbegründet. § 1 UWG i.V.m. § 13 Abs. 2 Ziff. 1
UWG vermag das Unterlassungsbegehren der Klägerin nicht zu
rechtfertigen. Der von der Klägerin beanstandete Artikel der
Beklagten mit der Óberschrift "Antenne A. jetzt Nr. 1 der
Privatradios im Kreis und Stadt A." in dem von der Beklagten
herausgegebenen Anzeigenblatt "A. Stadt-Kurier" vom 22. Juni 1994
stellt weder für sich genommen eine gemäß § 1 UWG unlautere
redaktionelle Werbung dar noch ist er unter Einbeziehung der in der
selben Ausgabe des "A. Stadt-Kuriers" von dem Privatsender Antenne
A. geschaltete Werbeanzeige wegen werblicher Unterstützung dieses
Unternehmens durch die Beklagte gemäß § 1 UWG wettbewerbswidrig.
Andere Anspruchsgrundlagen, die der Klage zum Erfolg verhelfen
könnten, sind jedoch nicht ersichtlich und werden von der Klägerin
auch nicht geltend gemacht.
Der streitgegenständliche Artikel der Beklagten vom 22. Juni
1994 mit der Óberschrift "Antenne A. jetzt Nr. 1 der Privatradios
im Kreis und Stadt A." ist zwar objektiv geeignet, den Wettbewerb
der "Antenne A." und damit gegebenenfalls zugleich den eigenen
Wettbewerb der Beklagten zu fördern. Es liegt nahe, daß ein
Zeitungsbericht über den Erfolg eines Unternehmens wie hier des
Privatsenders Antenne A. die Aufmerksamkeit des Publikums erweckt
und es veranlassen kann, sich diesem Sender zuzuwenden. Die
positive Berichterstattung der Beklagten mit dem damit verbundenen
Werbeeffekt für die "Antenne A." kann zudem auch dem
Anzeigengeschäft der Beklagten zugute kommen, weil es den
Privatsender veranlassen kann, (auch) zukünftig Anzeigen in dem
Anzeigenblatt der Beklagten zu schalten. Dies begründet jedoch noch
nicht den Schluß, daß die Beklagte bei ihrer Berichterstattung auch
mit der gemäß § 1 UWG erforderlichen Absicht zur Förderung des
fremden und gegebenenfalls des eigenen Wettbewerbs gehandelt hat.
Da es die besondere Aufgabe der Presse ist, die Àffentlichkeit über
Vorgänge von allgemeiner Bedeutung zu unterrichten und zur
öffentlichen Meinung beizutragen, ist bei Presseäußerungen, die im
Rahmen dieses Aufgabenbereichs liegen, im Gegensatz zu
Meinungsäußerungen außerhalb des gemäß Art. 5 Abs. 1 GG geschützten
Bereichs der Meinungs- und Pressefreiheit keine Wettbewerbsabsicht
zu vermuten. Es müssen deshalb konkrete Umstände vorliegen, die
erkennen lassen, daß neben der Absicht, das Publikum zu
unterrichten, der Zweck der Förderung eigenen oder fremden
Wettbewerbs mehr als eine nur untergeordnete, weil notwendigerweise
begleitende Rolle gespielt hat (vgl. Baumbach-Hefermehl,
Wettbewerbsrecht, 18. Aufl., Einl UWG Rdnr. 239 m.w.N.). Im
Streitfall fehlt es aber an ausreichenden Indizien für eine
derartige Intention der Beklagten.
Dies gilt einmal bei isolierter Betrachtung des Artikels
"Antenne A. jetzt Nr. 1 der Privatradios in Kreis und Stadt A." im
A. Stadt-Kurier vom 22. Juni 1994.
Bei dem "A. Stadt-Kurier" handelt es sich um ein lokales
Anzeigenblatt. Daß ein derartiges Presseerzeugnis bevorzugt über
lokale Ereignisse berichtet entspricht daher seinem Aufgabenbereich
und der Erwartung des Lesers. Zu einer Berichterstattung über
lokale Ereignisse gehört jedoch ebenfalls eine Information der
Leser über das Abschneiden der örtlichen Privatsender in der Gunst
der Hörer, somit - wie im Streitfall - ein Artikel über die
Ergebnisse einer aktuellen, nämlich unstreitig eine Woche vor dem
fraglichen Bericht der Beklagten veröffentlichten Medien-Analyse zu
diesem Thema. Daß dabei die "Antenne A." als "Sieger" unter den
lokalen Sendern von der Beklagten in besonderer Weise
herausgestellt und gewürdigt wird, entspricht ebenso dem üblichen
Niveau der Berichterstattung in derartigen Presseerzeugnissen wie
der Umstand, daß den übrigen in der Medien-Analyse angeführten
Radiosendern nur ein geringerer Stellenwert im Artikel der
Beklagten beigemessen wird und sie nur teilweise und zudem nur in
verkürzter Form Erwähnung finden. In gleicher Weise üblich ist die
Ausschmückung des Artikels mit einem Foto des "Siegers". Derartige
Fotos lockern die Berichterstattung auf; sie sollen den Leser
einerseits auf den Artikel hinweisen, ihn aber zugleich auch
unterhaltsam informieren wie hier über die Mitarbeiter des Senders
"Antenne A.", die er sonst nur vom Hören her kennt.
Der beanstandete Artikel ist jedoch auch im übrigen nicht in
einer Weise gestaltet, daß er den (sicheren) Schluß zuläßt, die
Beklagte sei sich bei diesem Bericht nicht nur über dessen
positiver Wirkung für den Sender "Antenne A." bewußt gewesen,
sondern habe die für dieses Unternehmen mit dem Artikel verbundene
Werbewirkung tatsächlich auch bezweckt. Daß ein Unternehmen, über
das berichtet wird, in einem Artikel Gelegenheit für Àußerungen
erhält, ist ein häufig gebrauchtes journalistisches Stilmittel. Der
breite Raum, den die Beklagte im vorliegenden Fall der
Verlautbarung der "Antenne A." mit der darin enthaltenen lobenden
Hervorhebung der Tätigkeit dieses Senders gegeben hat, mag zwar
gewisse Bedenken begründen. Da aber diese Àußerungen des Senders
deutlich als Zitat des Unternehmens gekennzeichnet sind, reicht
allein dieses Indiz bei der gebotenen Gesamtwürdigung des Artikels
nicht aus, um von einem Handeln der Beklagten in
Wettbewerbsförderungsabsicht auszugehen.
Eine andere Beurteilung des beanstandeten Artikels der Beklagten
ergibt sich aber ebenfalls nicht bei Einbeziehung der in der selben
Ausgabe des "A. Stadtkuriers" vom 22. Juni 1994 geschalteten
großformatigen Werbeanzeige des Senders "Antenne A.".
Daß Werbeanzeigen von Unternehmen in örtlichen und regionalen
Presseorganen zeitlich überschneidend mit Presseartikeln
erscheinen, in denen über bestimmte Ereignisse in Bezug auf dieses
Unternehmen berichtet wird, hat sich mittlerweile eingebürgert und
besagt für sich genommen nichts dazu, ob der Pressebericht von
einer Absicht des Presseorgans getragen ist, mit dem Artikel den
Wettbewerb dieses Unternehmens zu fördern (vgl. dazu auch Ahrens
GRUR 1995/307, 312 m.w.N.). Das Erscheinen eines Presseberichts
über ein bestimmtes Unternehmen und einer Werbeanzeige dieses
Unternehmens in der selben Ausgabe eines Presseerzeugnisses ist um
so weniger geeignet, auf ein Handeln der Presse in
Wettbewerbsabsicht hinzuweisen, wenn Anlaß für die
Berichterstattung ein Ereignis ist, das sowohl eine redaktionelle
Berichterstattung wie auch eine Werbeaktion des Unternehmens zu
diesem Zeitpunkt als naheliegend erscheinen läßt. Bei der eine
Woche vor dem streitgegenständlichen Artikel der Beklagten
veröffentlichten Medien-Analyse handelt es sich aber um ein
derartiges Ereignis: Es liegt nahe, daß die Beklagte als aktuelle
Reaktion auf die Präsentation der Analyse über die "Antenne A." als
"Sieger" unter den lokalen Privatsendern berichtet und der Sender
"Antenne A." wiederum die Medien-Analyse zum Anlaß nimmt, sich
unter Ausnutzung des mit dem Ergebnis dieser Medien-Analyse für ihn
verbundenen Werbeeffekts in einer großformatigen Werbeanzeige an
seine Hörer zu wenden, wobei sich das Erscheinen von Presseartikel
und Werbeanzeige in der selben Ausgabe des Anzeigenblatts zwanglos
aus dem Datum der Bekanntgabe der Medien-Analyse erklärt.
Hinzu kommt schließlich, daß der Presseartikel der Beklagten und
die Werbeanzeige des Privatsenders "Antenne A." dem Leser nicht nur
nicht auf der selben Seite oder zumindest nahe nebeneinander
präsentiert werden (der Artikel der Beklagten findet sich auf Seite
1 und die Werbeanzeige des Privatsenders auf Seite 16 des "A.
Stadt-Kuriers" vom 22.06.1994), sondern der Artikel der Beklagten
auch inhaltlich nicht eine bloße Hinführung auf die Werbeanzeige
der "Antenne A." zur Verstärkung deren Werbeeffekts darstellt. Die
Óbereinstimmung des Themas von Artikel und Werbeanzeige - das gute
Abschneiden der "Antenne A." in der Medien-Analyse 1994 - wird
durch die Medien-Analyse vorgegeben. Was den Inhalt des
Presseberichts und der Werbeanzeige im übrigen angeht, besteht
keine Entsprechung; der Presseartikel berichtet über die Ergebnisse
der Analyse in journalistischer Weise unter zumindest teilweiser
Berücksichtigung auch der anderen Sender, während in der
Werbeanzeige die Reichweiten in Prozentsätzen schlagwortartig
dargestellt sind unter Herausstellung der Ergebnisse der beiden
Lokalsender mit lediglich in Klammer gesetzten Hinweis auf den WDR
4 und dessen Ergebnis in Prozentzahlen. Was das Thema der
"Danksagung" an den Hörer angeht, die in dem Artikel der Beklagten
durch das dort wiedergegebene und als solches dargestellte Zitat
des Senders verlautbart wird und in der Werbeanzeige durch den
blickfangmäßig herausgestellten Hinweis "118.863 x Danke" vom
Radiosender erklärt wird, gibt es zwar wieder Gemeinsamkeiten
zwischen dem Artikel und der Werbeanzeige. Diese Gemeinsamkeiten
erklären sich aber wieder ohne weiteres aus dem bereits erwähnten
gemeinsamen Anlaß für die Berichterstattung und die Anzeige.
Es liegen nach alledem keine ausreichenden Indizien vor, die bei
Beachtung des gemäß Art. 5 Abs. 1 GG der Beklagten eingeräumten
weiten Ermessensspielraums bei der Gestaltung ihrer
Berichterstattung den Schluß rechtfertigen, die Beklagte habe bei
dem beanstandeten Artikel mit der Absicht gehandelt, mit diesem
Bericht den Leser auf die Werbeanzeige der Antenne hinzuführen und
einzustimmen bzw. diese Werbeanzeige abzurunden und dergestalt den
Wettbewerb des Senders "Antenne A." zu fördern. Eine Unlauterkeit
des beanstandeten Handelns der Beklagten aus § 1 UWG ergibt sich
daher auch nicht unter Berücksichtigung der Werbeanzeige des
Senders "Antenne A.".
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht
gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Beschwer der Klägerin war gemäß § 546 Abs. 2 ZPO
festzusetzen und entspricht dem Wert ihres Unterliegens im
Rechtsstreit.
2 - - À
OLG Köln:
Urteil v. 19.01.1996
Az: 6 U 76/95
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