Bundespatentgericht:
Urteil vom 9. Oktober 2007
Aktenzeichen: 3 Ni 27/06

(BPatG: Urteil v. 09.10.2007, Az.: 3 Ni 27/06)

Tenor

1. Das europäische Patent 0 745 784 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass die Patentansprüche folgende Fassung erhalten:

1. Drehschwingungsdämpfer mita) Lagereinrichtungen zur Führung eines Schwungringes (2) in einem Gehäuse (1), b) wobei die Lagereinrichtungen den Schwungring (2) gegenüber dem Dämpfergehäuse (1) führen, und lose bzw. ohne Vorspannung zwischen Gehäuse (1) und Ring (2) eingesetzt sind sowie vorgegebene Scherspalte (3) zwischen Gehäuse (1) und Ring (2) aufrechterhalten, dadurch gekennzeichnet, dassc) die Lagereinrichtungen aus Kunststoff bestehen, d) als Lagereinrichtungen im Querschnitt L-förmige Lagerbuchsen (4, 14) - Bundbuchse genannt - vorgesehen sind, deren Radiallagerpartien (5, 15) den Schwungring (2) gegenüber dem Dämpfergehäuse (1) in radialer Richtung führen und deren Axiallagerpartien (6, 16) eine axiale Führung gewährleisten, e) zwei der L-förmigen Lagerbuchsen (4, 14) im inneren oder äußeren Umfangsspalt des Schwungringes angeordnet sind,

- die Lagerbuchsen (4, 14) als Winkelringe ausgelegt sind, die an einer Stelle ihres Umfangs gerade geschlitzt sind, oder wobei die Winkelringe (4, 14) an einer Stelle ihres Umfangs unter Schrägungswinkeln , geschlitzt sind - und seitliche Einstiche (21) im Schwungring (2), die zur Aufnahme der Axiallagerpartien (6, 16) dienen, durch unterschiedliche Durchmesser begrenzt sind.

2. Drehschwingungsdämpfer nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Axiallagerpartien (6, 16) der Bundbuchsen (4, 14) mehrfach radial geschlitzt sind.

3. Drehschwingungsdämpfer nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Lagerbuchsen (4, 14) unterschiedliche Innendurchmesser aufweisen und innerhalb des Dämpfergehäuses auf Radiallagerbahnen entsprechend unterschiedlichen Durchmessers gleiten.

4. Drehschwingungsdämpfer nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass einer oder beide der seitlichen Einstiche im Schwungring als zusätzlicher Vorratsraum (22) vertieft ausgebildet sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2) Die Klägerin trägt und die Beklagte der Kosten des Rechtsstreits.

3) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 29. Mai 1996 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung DE 195 19 261 vom 31. Mai 1995 angemeldeten und u. a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 745 784 (Streitpatent), das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 596 05 103 geführt wird. Das Streitpatent betrifft einen "Drehschwingungsdämpfer mit Lagereinrichtung" und umfasst nach der Streitpatentschrift für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland acht Patentansprüche, die - unter Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten in den Patentansprüchen 3 und 4 - wie folgt lauten:

1. Drehschwingungsdämpfer mita) Lagereinrichtungen zur Führung eines Schwungringes (2) in einem Gehäuse (1), b) wobei die Lagereinrichtungen den Schwungring (2) gegenüber dem Dämpfergehäuse (1) führen, und lose bzw. ohne Vorspannung zwischen Gehäuse (1) und Ring (2) eingesetzt sind sowie vorgegebene Scherspalte (3) zwischen Gehäuse (1) und Ring (2) aufrechterhalten, dadurch gekennzeichnet dass, c) die Lagereinrichtungen aus Kunststoff bestehen, d) als Lagereinrichtungen im Querschnitt L-förmige Lagerbuchsen (4, 14) - Bundbuchse genannt - vorgesehen sind, deren Radiallagerpartien (5, 15) den Schwungring (2) gegenüber dem Dämpfergehäuse (1) in radialer Richtung führen und deren Axiallagerpartien (6, 16) eine axiale Führung gewährleisten, e) zwei der L-förmigen Lagerbuchsen (4, 14) im inneren oder äußeren Umfangsspalt des Schwungringes angeordnet sind.

2. Drehschwingungsdämpfer nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Lagerbuchsen (4, 14) als geschlossene Winkelringe ausgelegt sind.

3. Drehschwingungsdämpfer nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Lagerbuchsen (4, 14) als Winkelringe ausgelegt sind, die an einer Stelle ihres Umfangs gerade geschlitzt sind.

4. Drehschwingungsdämpfer nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Winkelringe (4, 14) an einer Stelle ihres Umfangs unter Schrägungswinkeln , geschlitzt sind.

5. Drehschwingungsdämpfer nach Anspruch 3 oder 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Axiallagerpartien (6, 16) der Bundbuchsen (4, 14) mehrfach radial geschlitzt sind.

6. Drehschwingungsdämpfer nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Lagerbuchsen (4, 14) unterschiedliche Innendurchmesser aufweisen und innerhalb des Dämpfergehäuses auf Radiallagerbahnen entsprechend unterschiedlichen Durchmessers gleiten.

7. Drehschwingungsdämpfer nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass seitliche Einstiche (21) im Schwungring (2), die zur Aufnahme der Axiallagerpartien (6, 16) dienen, durch unterschiedliche Durchmesser begrenzt sind.

8. Drehschwingungsdämpfer nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass einer oder beide der seitlichen Einstiche im Schwungring als zusätzlicher Vorratsraum (22) vertieft ausgebildet sind.

Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand der Patentansprüche sei nicht neu bzw. beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Das Streitpatent sei somit nicht bestandsfähig. Zur Begründung bezieht sie sich insbesondere auf folgende Dokumente:

Anlage NK 3: DE-OS 21 64 409 Anlage NK 4: US 3 234 817 Anlage NK 5: US 3 285 097 Anlage NK 6: DE-AS 1 245 225 Anlage NK 7: Auszug aus Krause, "Konstruktionselementeder Feinmechanik", Carl Hanser Verlag 1989 Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 317 695 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen;

hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent gemäß Hilfsantrag 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 31. August 2007, mit nachfolgenden fünf Patentansprüchen 1. Drehschwingungsdämpfer mita) Lagereinrichtungen zur Führung eines Schwungringes (2) in einem Gehäuse (1), b) wobei die Lagereinrichtungen den Schwungring (2) gegenüber dem Dämpfergehäuse (1) führen, und lose bzw. ohne Vorspannung zwischen Gehäuse (1) und Ring (2) eingesetzt sind sowie vorgegebene Scherspalte (3) zwischen Gehäuse (1) und Ring (2) aufrechterhalten, dadurch gekennzeichnet, dassc) die Lagereinrichtungen aus Kunststoff bestehen, d) als Lagereinrichtungen im Querschnitt L-förmige Lagerbuchsen (4, 14) - Bundbuchse genannt - vorgesehen sind, deren Radiallagerpartien (5, 15) den Schwungring (2) gegenüber dem Dämpfergehäuse (1) in radialer Richtung führen und deren Axiallagerpartien (6, 16) eine axiale Führung gewährleisten, e) zwei der L-förmigen Lagerbuchsen (4, 14) im inneren oder äußeren Umfangsspalt des Schwungringes angeordnet sind, wobei die Lagerbuchsen (4, 14) als Winkelringe ausgelegt sind, die an einer Stelle ihres Umfangs gerade geschlitzt sind, oder wobei die Winkelringe (4, 14) an einer Stelle ihres Umfangs unter Schrägungswinkeln , geschlitzt sind.

2. Drehschwingungsdämpfer nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Axiallagerpartien (6, 16) der Bundbuchsen (4, 14) mehrfach radial geschlitzt sind.

3. Drehschwingungsdämpfer nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Lagerbuchsen (4, 14) unterschiedliche Innendurchmesser aufweisen und innerhalb des Dämpfergehäuses auf Radiallagerbahnen entsprechend unterschiedlichen Durchmessers gleiten.

4. Drehschwingungsdämpfer nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass seitliche Einstiche (21) im Schwungring (2), die zur Aufnahme der Axiallagerpartien (6, 16) dienen, durch unterschiedliche Durchmesser begrenzt sind.

5. Drehschwingungsdämpfer nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass einer oder beide der seitlichen Einstiche im Schwungring als zusätzlicher Vorratsraum (22) vertieft ausgebildet sind.

Weiterhin hilfsweise verteidigt die Patentinhaberin das Streitpatent gemäß Hilfsanträgen 2 und 3, eingereicht mit Schriftsatz vom 26. September 2007. Wegen des Wortlauts der vier Patentansprüche gemäß Hilfsantrag 2 wird auf die Urteilsformel und wegen des Wortlauts der vier Patentansprüche gemäß Hilfsantrag 3 auf das Sitzungsprotokoll vom 9. Oktober 2007 Bezug genommen.

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und stützt sich u. a. auf folgende Dokumente:

Anlage NB 2: US 3 552 230 Anlage NB 3: EP 0 423 243 B1 Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich teilweise als begründet. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit führt zur teilweisen Nichtigerklärung des Streitpatents mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in dem in der Urteilsformel genannten Umfang (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit a EPÜ). Im Übrigen war die Klage abzuweisen.

I.

1. Die Erfindung betrifft nach den Angaben in der Streitpatentschrift einen Drehschwingungsdämpfer mit Lagereinrichtung. In der Beschreibung wird einleitend geschildert, dass ein Drehschwingungsdämpfer mit einer Lagereinrichtung nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 aus der EP-A-423 243 bekannt sei. Es wird weiter ausgeführt, dass ein Viskositätsdrehschwingdämpfer üblicherweise aus einem ringförmigen Gehäuse besteht, das einen Schwungring umschließt. Das Gehäuse wird drehsteif mit einer Maschinenwelle - häufig einer Motorkurbelwelle - verbunden, deren Drehschwingungen gedämpft werden sollen. Dämpfergehäuse und Schwungring folgen der mittleren Drehgeschwindigkeit der Maschinenwelle ohne Schlupf. Ihre Drehschwingungen hingegen, die sich der gleichmäßigen Drehung überlagern, übertragen sich zunächst nur auf das Dämpfergehäuse. Der Schwungring würde dabei gleichförmig rotieren, wenn ihn nicht das Dämpfungsmedium, das den engen Scherspalt ausfüllt, an das Gehäuse ankoppeln würde. Die Koppelung ist elastisch und dämpfungsbehaftet, weshalb zwischen Gehäuse und Schwungring Relativ-Drehwinkel von z. B. bis zu ±1 Winkelgrad im Takt der erregenden Wellenschwingungen auftreten. Da sich der Schwungring in der Gehäusekammer also bewegen kann, benötigt er Führungselemente. Als bekannt werden in der Streitpatentschrift u. a. Drehschwingungsdämpfer beschieben, die eine oder zwei Lagerbuchsen aus Bronze oder einem verschleißarmen Duroplast als Führungselemente aufweisen (siehe DE-PS 951 965). Bekannt seien ferner geteilte, lose eingelegte Lagerelemente. So sei ein Radialband entweder mit zwei seitlichen Anlaufringen (vgl. die gattungsgemäße EP-A-423 243) oder mit einer Vielzahl axialer Führungsplättchen kombiniert worden. Aus weiteren Vorveröffentlichungen gehe ein Schwungring hervor, der von biegsamen Kunststoffteilen verschleißfrei geführt werde solle (DE-PS 26 44 808). Die US 3 552 230 zeige ein winkliges Lagerelement, welches aus einem vorgespannten Elastomer bestehe, das durch die Relativbewegung auf Scherung beansprucht werde.

Eine Gleitlagerung aus entsprechend gewählten Kunststoffelementen, wie sie aus dem Stand der Technik bekannt ist, wird in der Streitpatentschrift als eine nach der Erkenntnis der Erfindung durchaus geeignete Form der Führung des Schwungringes bezeichnet. Problematisch seien allerdings die notwendigen, komplizierten Montagevorgänge, die den Anforderungen an eine moderne vollautomatische Fertigung nicht gerecht werden könnten.

2. Ausgehend davon besteht nach den Angaben in der Streitpatentschrift die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe darin, einen Drehschwingungsdämpfer mit Lagereinrichtung derart weiterzubilden, dass eine unkomplizierte vollautomatische Montage möglich ist (Absatz [0011]).

3. Zur Lösung dieser Aufgabe beschreibt Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung einen Drehschwingungsdämpfer mita) Lagereinrichtungen zur Führung eines Schwungringes (2) in einem Gehäuse (1), b) wobei die Lagereinrichtungen den Schwungring (2) gegenüber dem Dämpfergehäuse (1) führen, und lose bzw. ohne Vorspannung zwischen Gehäuse (1) und Ring (2) eingesetzt sind sowie vorgegebene Scherspalte (3) zwischen Gehäuse (1) und Ring (2) aufrechterhalten, dadurch gekennzeichnet dass, c) die Lagereinrichtungen aus Kunststoff bestehen, d) als Lagereinrichtungen im Querschnitt L-förmige Lagerbuchsen (4, 14) - Bundbuchse genannt - vorgesehen sind, deren Radiallagerpartien (5, 15) den Schwungring (2) gegenüber dem Dämpfergehäuse (1) in radialer Richtung führen und deren Axiallagerpartien (6, 16) eine axiale Führung gewährleisten, e) zwei der L-förmigen Lagerbuchsen (4, 14) im inneren oder äußeren Umfangsspalt des Schwungringes angeordnet sind.

II. A. Zum Hauptantrag 1. Der mit dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag beanspruchte Drehschwingungsdämpfer ist hinsichtlich der Variante, wonach gemäß Merkmal e) die Lagerbuchsen im inneren Umfangsspalt angeordnet sind, nicht neu.

Aus der DE-OS 21 64 409 (NK3) ist bekannt (vgl. insbes. Fig. 2) ein Drehschwingungsdämpfer (vgl. die Bezeichnung) mita) Lagereinrichtungen 13, 14 zur Führung eines Schwungringes 15 in einem Gehäuse 18, 19 (vgl. S. 3, vorletzter Abs. bis S. 4, Abs. 1), b) wobei die Lagereinrichtungen 13, 14 den Schwungring 15 gegenüber dem Dämpfergehäuse 18, 19 führen (vgl. S. 3, vorletzter Abs. bis. S. 4, Abs. 1), und lose bzw. ohne Vorspannung zwischen Gehäuse 18, 19 und Ring 15 eingesetzt sind sowie vorgegebene Scherspalte zwischen Gehäuse 18, 19 und Ring 15 aufrechterhalten (vgl. S. 3, letzter Abs. bis S. 4, Abs. 1), der sich ebenfalls dadurch auszeichnet, dassc) die Lagereinrichtungen 13, 14 aus Kunststoff bestehen (vgl. S. 4, letzter Abs.), d) als Lagereinrichtungen 13, 14 im Querschnitt L-förmige Lagerbuchsen vorgesehen sind, deren Radiallagerpartien 13, 14 den Schwungring 15 gegenüber dem Dämpfergehäuse 18, 19 in radialer Richtung führen und deren Axiallagerpartien 16, 17 eine axiale Führung gewährleisten (vgl. die Fig. 2 und S. 3, vorletzter Abs. bis S. 4, Abs. 1), e) zwei L-förmige Lagerbuchsen 13, 14 im inneren Umfangsspalt des Schwungringes 15 angeordnet sind (vgl. die Fig. 2).

Es ist der Beklagten zwar dahingehend Recht zu geben, dass das zusätzliche Teilmerkmal b) des Patentanspruchs 1 des Streitpatents, wonach die Lagereinrichtungen lose bzw. ohne Vorspannung zwischen Gehäuse und Ring eingesetzt sind, nicht expressis verbis in der DE-OS 21 64 409 (NK3) erwähnt ist, jedoch gehört nach der Entscheidung "Elektrische Steckverbindung" (BGH GRUR 1995, 330) zum Gegenstand einer Entgegenhaltung auch alles das, was zwar nicht ausdrücklich erwähnt ist, aus der Sicht des Fachmanns jedoch nach seinem allgemeinen Fachwissen für die Ausführung der Lehre selbstverständlich oder nahezu unerlässlich ist, und ferner solche Abwandlungen, die nach dem Gesamtzusammenhang der Schrift für den Fachmann derart naheliegen, dass sie sich bei aufmerksamer, weniger auf die Worte als ihren erkennbaren Sinn achtenden Lektüre ohne weiteres erschließen, so dass er sie in Gedanken gleich mitliest.

Wenn also der Fachmann, ein Maschinenbauingenieur mit Fachhochschulausbildung und mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion und Entwicklung von Drehschwingungsdämpfern, weiß, dass grundsätzlich nur zwei Möglichkeiten bestehen, die Lagereinrichtung zwischen Gehäuse und Ring einzusetzen, nämlich mit oder ohne Vorspannung, so wird er aufgrund der Tatsache, dass keine der beiden Möglichkeiten in der DE-OS 2 164 409 (NK3) explizit erwähnt ist, beide Möglichkeiten in Gedanken gleich mitlesen.

Auch der Vorhalt der Beklagten, die Scheiben 18, 19 würden kein Gehäuse im Sinne der Erfindung bilden, kann die Neuheit des Patentanspruchs 1 gegenüber der DE-OS 21 64 409 (NK3) nicht in Frage stellen. Denn ein Gehäuse ist ein Element, welches andere Bauteile aufnimmt und eben dies ist auch bei den Scheiben 18, 19 der Fall.

Ein Drehschwingungsdämpfer mit den Merkmalen des Anspruch 1, wonach gemäß Merkmal e) die Lagerbuchsen im inneren Umfangsspalt angeordnet sind, ist somit durch die DE-OS 21 64 409 (NK3) vorweggenommen.

2. Der mit dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag beanspruchte Drehschwingungsdämpfer beruht hinsichtlich der Variante, wonach gemäß Merkmal e) die Lagerbuchsen im äußeren Umfangsspalt angeordnet sind, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wie vorstehend ausgeführt offenbart die DE-OS 21 64 409 (NK3) einen Drehschwingungsdämpfer mit sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1, wobei dort die Lagerbuchsen im inneren Umfangsspalt angeordnet sind.

Gemäß einer Variante beansprucht der Anspruch 1 auch eine Anordnung, bei welcher die Lagerbuchsen im äußeren Umfangsspalt angeordnet sind.

Wie sich aus dem Anspruch 1 ergibt, sind beide Lösungen - Anordnungen im inneren bzw. äußeren Umfangsspalt - als gleichwertig anzusehen, so dass es eine im Belieben des Fachmannes liegende und rein konstruktive Maßnahme darstellt, wo die Lagerbuchsen angeordnet sind. Denn es gehört zum allgemeinen Fachwissen und wird im Übrigen auch durch den Stand der Technik nahegelegt (vgl. z. B. US 3 285 097 (NK5), die einzige Figur und Sp. 2, Z. 43 bis 49), dass Lagerbuchsen sowohl im inneren als auch im äußeren Umfangsspalt des Schwungringes angeordnet werden können.

Im Übrigen hat die Beklagte auch weder vorgetragen, noch ist erkennbar, dass sich durch die Anordnung im äußeren Umfangsspalt irgendwelche besonders vorteilhaften Wirkungen erzielen ließen.

Ein Drehschwingungsdämpfer mit den Merkmalen des Anspruchs 1, wonach gemäß Merkmal e) die Lagerbuchsen im äußeren Umfangsspalt angeordnet sind, ist somit durch die DE-OS 21 64 409 (NK3) in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen, zumindest aber in Verbindung mit der Druckschrift US 3 285 097 (NK5) nahe gelegt.

B. Zum Hilfsantrag 1 Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die zusätzlichen Merkmale, wonachdie Lagerbuchsen als Winkelringe ausgelegt sind, die an einer Stelle ihres Umfangs gerade geschlitzt sind oder die Winkelringe an einer Stelle ihres Umfangs unter Schrägungswinkeln geschlitzt sind.

Wie bereits ausgeführt, sind die Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag durch den Stand der Technik vorweggenommen bzw. nahegelegt. Auch die zusätzliche Aufnahme der vorstehend genannten Merkmale vermag eine erfinderische Tätigkeit nicht zu begründen. Denn eine Ausgestaltung der Lagerbuchsen als Winkelringe mit gerader oder schräger Schlitzung gehört zum allgemeinen Fachwissen des Fachmannes, der derart gestaltete Lagerbuchsen kennt. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf den Buchauszug aus "Konstruktionselemente der Feinmechanik" (NK7), der eine als Winkelring ausgebildete schräg geschlitzte Lagerbuchse offenbart. Abgesehen davon erhält der Fachmann auch aus der DE-AS 1 245 225 (NK6) die Anregung zu einer gerade geschlitzten Ausführung der Lagerbuchsen.

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

C. Zum Hilfsantrag 2 Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist zulässig. Er unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 durch die zusätzlichen Merkmale, wonachseitliche Einstiche im Schwungring, die zur Aufnahme der Axiallagerpartien dienen, durch unterschiedliche Durchmesser begrenzt sind.

Diese Beschränkungen ergeben sich aus den erteilten Patentansprüchen 1, 3, 4 und 7; die Patentansprüche 2 bis 4 entsprechen den erteilten Ansprüchen 5, 6 und 8.

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. PatG §§ 1 bis 5 dar.

a. Der Drehschwingungsdämpfer nach Anspruch 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu, da keine der entgegengehaltenen Druckschriften einen Drehschwingungsdämpfer offenbart, bei dem seitliche Einstiche im Schwungring, die zur Aufnahme der Axiallagerpartien dienen, durch unterschiedliche Durchmesser begrenzt sind.

Die einzigen Entgegenhaltungen, welche Drehschwingungsdämpfer mit seitlichen Einstichen im Schwungring zeigen, sind die US 3 234 817 (NK4) (vgl. Fig. 1 und 2) und die EP 0 423 243 B1 (NB3) (vgl. Fig. 3). Bei beiden Drehschwingungsdämpfern sind die Einstiche jedoch nicht durch unterschiedliche Durchmesser begrenzt, sie werden vielmehr durch gleiche Durchmesser begrenzt.

b. Der Senat hat sich auch nicht davon überzeugen können, dass der Gegenstand Anspruchs 1 der erfinderischen Tätigkeit entbehrt.

Wie bereits unter Ziffer II A 1 ausgeführt, ist zwar durch die DE-OS 21 64 409 (NK3) ein Drehschwingungsdämpfer mit den Merkmalen a) bis e) vorweggenommen. Weiterhin ist es aus der DE-AS 1 245 225 (NK6) bzw. dem Buchauszug "Konstruktionselemente der Feinmechanik" (NK7) bekannt, die Lagerbuchsen an einer Stelle ihres Umfangs gerade oder schräg zu schlitzen und als Winkelringe auszubilden. Auch die Anordnung seitlicher Einstiche im Schwungring, die zur Aufnahme der Axiallagerpartien dienen, ist aus der US 3 234 817 (NK4) oder der EP 0 423 243 B1 (NB3) bekannt.

Es erscheint jedoch schon zweifelhaft, ob der Fachmann Veranlassung hatte, diese an sich bekannten Merkmale aus dem Stand der Technik zusammenzusuchen und zu einem neuen Gegenstand zu vereinen, da eine diese Einzelmerkmale zusammenfassende Klammer fehlt. Im Ergebnis kann diese Frage aber dahingestellt bleiben, weil es jedenfalls für das weitere Merkmal, dass die seitlichen Einstiche durch unterschiedliche Durchmesser begrenzt sind, im nachgewiesenen Stand der Technik für den Fachmann kein Vorbild und auch keine Anregung gibt und die beanspruchte technische Lehre deshalb nicht nahegelegt war.

Die auf Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 4 haben mit diesem Bestand.

III.

Bei dieser Sachlage brauchte auf den Hilfsantrag 3 nicht mehr eingegangen zu werden.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1, ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

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BPatG:
Urteil v. 09.10.2007
Az: 3 Ni 27/06


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