Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Juli 2007
Aktenzeichen: 26 W (pat) 20/05
(BPatG: Beschluss v. 11.07.2007, Az.: 26 W (pat) 20/05)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Gegen die für die Waren Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)
eingetragene Wortmarke 303 56 950 VITASIA ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Waren Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere); Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiteneingetragenen prioritätsälteren Wortmarke 302 15 015 VINOTASIA.
Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Gesichtspunkt der Warenähnlichkeit könne dahingestellt bleiben, da die angegriffene Marke selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe einen hinreichend großen Abstand von der Widerspruchsmarke einhalte. Trotz Übereinstimmung der letzten beiden Silben bestünden aufgrund der vorhandenen Abweichungen am jeweiligen Wortanfang und den daraus resultierenden unterschiedlichen Betonungen verschiedene Klangbilder der Vergleichsmarken. Auch schriftbildlich seien durch die abweichenden Buchstabenfolgen und Zeichenlängen ausreichende Unterschiede vorhanden. Eine begriffliche Verwechslungsgefahr scheide mangels übereinstimmenden Sinngehalts aus, da der Bestandteil "VITA" in der jüngeren Marke auf das italienische Wort für "Leben" hinweise, während der - ebenfalls italienische - Wortbestandteil "VINO" in der Widerspruchsmarke die Bedeutung "Wein" habe.
Hiergegen richtet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, aufgrund bestehender Warenidentität und einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke wegen mehrjähriger Benutzung seien strenge Anforderungen an den Zeichenabstand zur Vermeidung von Verwechslungen zu stellen, den die Vergleichsmarken vorliegend weder in klanglicher noch in begrifflicher Hinsicht einhielten. Klanglich stimmten die Marken in ihrer Anfangssilbe "VI-" sowie in der jeweiligen Endsilbe "TA-SI-A" überein. Gerade die übereinstimmenden Wortanfänge riefen die Gefahr von Verwechslungen hervor. Die Widerspruchsmarke enthalte lediglich eine weitere (Zwischen-) Silbe "-NO-", die den Klang und Wortrhythmus nicht entscheidend beeinflusse. Unter Hinweis auf die Entscheidungen "Kellogg«s/Kelly«s" (GRUR 2003, 1047) sowie "Il Padrone/Il Portone" (GRUR 2005, 326) des BGH sei davon auszugehen, dass in der Gesamtschau die Ähnlichkeiten deutlich überwiegen würden. So hätten die Vergleichszeichen eine nahezu identische Vokalfolge und unterlägen auch der gleichen Betonung. Die abweichende Zwischensilbe in der angegriffenen Marke werde indes verschluckt. Auch im Schriftbild sei die Mittelsilbe.
"-NO-" bei übereinstimmendem Wortanfang und -ende leicht zu übersehen. Die optische Ähnlichkeit spiele sogar eine noch größere Rolle, da die betreffenden Waren überwiegend auf Sicht gekauft würden. Ein übereinstimmender Sinngehalt liege schließlich in dem übereinstimmenden Zeichenteil "-TASIA" vor, der eine Assoziation mit "Fantasia" hervorrufe. Bei beiden Wörtern handele es sich um Kunstworte, so dass sich die abweichenden Sinngehalte der Bestandteile "VINO" und "VITA" dem Verbraucher nicht erschlössen.
Die Widersprechende beantragt daher sinngemäß, den Beschluss der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, die angegriffene Marke hebe sich aufgrund der verschiedenen Vokalfolge hinreichend deutlich von der Widerspruchsmarke ab ("I-O-A" gegenüber "I-A"). Auch die jeweiligen Silbengliederungen sowie die Sprechrhythmen unterschieden sich. Hinzu kämen die Unterschiede in der Betonung, wobei der angesprochene Verkehr die jeweils am Markenanfang stehenden Begriffe "VINO" und "VITA" erkenne. Die von der Widersprechenden zitierten Entscheidungen seien nicht relevant, da sie Vergleichswörter mit identischer Silbenzahl und Vokalanzahl beträfen, die zudem keine abweichenden Begriffsgehalte aufwiesen. Im Schriftbild ergäben sich deutliche Unterschiede aufgrund der verschiedenen Wortlängen der Vergleichswörter sowie abweichender Ober- und Unterlängen. Eine begriffliche Übereinstimmung in "-TASIA" als Abkürzung für "Fantasia" würde der Verkehr nicht erkennen, sondern vielmehr die geläufigen Bedeutungsgehalte "VINO" und "VITA". Der übereinstimmende Zeichenteil "-TASIA" sei zudem verbraucht und originalitätsschwach, wie sich aus zahlreichen Markeneintragungen ergebe. Eine erhöhte Bekanntheit der Widerspruchsmarke werde bestritten.
Zum weiteren Vorbringen der Verfahrensbeteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zwischen den beiderseitigen Marken besteht nicht die Gefahr von Verwechslungen i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Nach den genannten Vorschriften ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der Warennähe und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. st. Rspr.; BGH GRUR 2005, 513, 514 - MEY/Ella May; GRUR 2006, 859, 861 - Malteserkreuz; GRUR 2007, 235 ff. - Goldhase).
Die Widerspruchsmarke weist eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft auf. Dass es sich bei der Widerspruchsmarke um ein Fantasiewort handelt, begründet für sich gesehen noch keine erhöhte Kennzeichnungskraft; auch eine besondere Eigenart und Einprägsamkeit rechtfertigt nicht die Zuerkennung eines erweiterten Schutzumfangs (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdnr. 189). Für die von der Widersprechenden behauptete und von der Markeninhaberin bestrittene Kennzeichnungskraft in Folge mehrjähriger und umfangreicher Benutzung fehlt es an ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten. Insbesondere fehlt es bereits an einem ausreichend substantiierten Sachvortrag zum Umfang der mit den einzelnen Waren und Dienstleistungen getätigten Umsätze oder des Marktanteils sowie zum Umfang der für die Widerspruchsmarke im Zusammenhang mit den einzelnen Waren und Dienstleistungen getätigten Werbung (vgl. BPatG GRUR 1997, 840, 841 - Lindora/Linola). Für die Prüfung der Verwechslungsgefahr ist daher von einer normalen Kennzeichnungskraft auszugehen.
Vor diesem Hintergrund bedarf es angesichts der teilweise identischen Waren und Dienstleistungen zwar noch immer eines großen Abstands der Marken, um eine Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG auszuschließen. Den insoweit erforderlichen Abstand hält die angegriffene Marke gegenüber der Widerspruchsmarke aber in jeder maßgeblichen Richtung ein.
Sämtliche Formen der unmittelbaren Verwechslungsgefahr scheiden aus.
Eine klangliche Verwechslungsgefahr ist nicht gegeben. Durch die zusätzliche Zwischensilbe "-NO-" in der Widerspruchsmarke differieren sowohl Wortlänge als auch Vokalfolge sowie Betonung der Vergleichswörter ("VINOTASIA" wird auf der ersten Silbe betont, die angegriffene Marke hingegen auf der zweiten Silbe). Diese drei Gesichtspunkte verleihen der angegriffenen Marke insgesamt ein von der Widerspruchsmarke deutlich abweichendes Klangbild. Die Übereinstimmung der weiteren Silben ("-TASIA") fällt hiergegen weniger ins Gewicht, zumal die Endung "-IA" (wie z. B. in Wörtern wie Fantasia, Galeria, Utopia verwendet) ohnehin als eine nicht ungebräuchliche Endsilbe erscheint. Zu den klanglichen Unterschieden gilt es zu berücksichtigen, dass die Widerspruchsmarke in ihren ersten beiden Silben den Begriff "VINO", den italienischen Begriff für "Wein" enthält, der entgegen der Auffassung der Widersprechenden nicht nur breiten Verkehrskreisen hierzulande geläufig ist, sondern sich in Zusammenhang mit den Waren "alkoholische Getränke", die auch Weine umfassen, für den Verkehr geradezu aufdrängt. Die angegriffene Marke erscheint demgegenüber als reines Fantasiewort ohne klaren Begriffsgehalt, da das Wort "VITA" nicht ganz so deutlich wird wie "Vino" in der Widerspruchsmarke, zumal - wie oben festgestellt - die Betonung mehr auf dem "A" und nicht wie bei "VITA" auf dem "I" liegen wird. Indes reicht auch ein deutlicher Sinngehalt in nur einem Vergleichswort zum Ausschluss einer Verwechslungsgefahr (vgl. BGH GRUR 1992, 130 Bally/Ball; PAVIS PROMA EuGH Rechtssache C 206/04 - SIR/ZIRH).
Die klanglichen Unterschiede finden ihre Entsprechung im Schriftbild, wobei es zu berücksichtigen gilt, dass durch die beiden zusätzlichen Mittelbuchstaben "-NO-" in der Widerspruchsmarke bereits ein deutlich differierender optischer Eindruck durch die jeweilige Wortlänge entsteht. Auch die unterschiedliche Vokalfolge und der zusätzliche Konsonant "N" in der Widerspruchsmarke wirken sich visuell prägnant aus. Zur weiteren Unterscheidbarkeit trägt überdies der für den Verkehr leicht erfassbare Begriffsgehalt des Zeichenanfangs "VINO-" in der Widerspruchsmarke bei.
Eine von der Widersprechenden für gegeben erachtete begriffliche Verwechslungsgefahr aufgrund des Zeichenteils "-TASIA" kommt mangels klaren Sinngehalts dieser Buchstabenfolge nicht in Betracht. Insgesamt gesehen lässt jedenfalls der Sinngehalt des Zeichenteils "VINO" in der Widerspruchsmarke, der in der angegriffenen Marke keine Entsprechung findet, eine begriffliche Verwechslungsgefahr gar nicht erst aufkommen.
Für eine mittelbare Verwechslungsgefahr sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder ersichtlich.
III Es besteht keine Veranlassung, von dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG abzuweichen, nach dem jeder Beteiligte seine Verfahrenskosten selbst trägt.
Dr. Fuchs-Wissemann Reker Kopacek Bb
BPatG:
Beschluss v. 11.07.2007
Az: 26 W (pat) 20/05
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