Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Januar 2001
Aktenzeichen: 29 W (pat) 87/00
(BPatG: Beschluss v. 24.01.2001, Az.: 29 W (pat) 87/00)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Juli 1999 und vom 17. Dezember 1999 aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Waren "Wasch- und Bleichmittel, Spülmittel für Wäsche und Geschirr in flüssiger, gel- oder pastenförmiger Form, Putz- und Poliermittel" zurückgewiesen worden ist.
Gründe
I.
Die nachstehend wiedergegebene, ursprünglich für Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 20 und 42 angemeldete dreidimensionale Markesiehe Abb. 1 am Endesoll nach einer im Beschwerdeverfahren erfolgten Einschränkung des Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen noch für die Waren
"Wasch- und Bleichmittel, Spülmittel für Wäsche und Geschirr in flüssiger, gel- oder pastenförmiger Form, Putz- und Poliermittel"
in das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen, weil der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft fehle. Die Marke stelle lediglich die naturgetreue Darstellung der Waren oder ihrer Verpackung dar. Die Formgebung und die verwendeten gestalterischen Elemente wirkten nicht als Hinweis auf einen bestimmten Herkunftsbetrieb, denn auf dem einschlägigen Warengebiet würden viele ähnliche praktikable und handliche Grundformen verwendet und ständig neue Formen der Verpackung entwickelt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Die Markenstelle habe nicht belegt, daß die angemeldete Form auf dem angesprochenen Warengebiet gebräuchlich sei. Die Flasche unterscheide sich durch die ungewohnt kantige, breite Form und den ungewöhnlichen Verschluß von anderen üblichen Flaschenformen. Die auf dem Warengebiet ungewöhnliche Form, die allein von der Anmelderin verwendet werde, falle auf und präge sich ein. Die Flaschen anderer Hersteller seien deutlich anders geformt. Es seien zahlreiche unterschiedliche Formen von Flaschen als schutzfähige dreidimensionale Marken beurteilt worden.
Die Anmelderin beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und hat nach der im Beschwerdeverfahren erfolgten Einschränkung des Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen auch in der Sache Erfolg. Soweit durch die Einschränkung Waren und Dienstleistungen weggefallen sind, auf die sich die Zurückweisung der Anmeldung durch die Markenstelle bezogen hat, sind die Beschlüsse der Markenstelle gegenstandslos geworden.
1 Die eingereichte Darstellung eines dreidimensionalen Körpers durch eine graphische Strichzeichnung läßt hinreichend konkret und deutlich die beanspruchte Form und damit den Schutzgegenstand und Schutzumfang der beanspruchten Marke erkennen (§ 8 Abs 2, § 32 Abs 2 Nr 2, Abs 3 MarkenG, § 3 Abs 1 Nr 2, § 9 MarkenV).
2 Nach § 3 Abs 1 MarkenG sind dreidimensionale Gestaltungen markenfähig. Dies gilt grundsätzlich auch für Behälter- und Flaschenformen auf dem Sektor der Wasch- und Bleichmittel, Geschirr- und Wäschespülmittel sowie der Putz- und Poliermittel (vgl dazu etwa für andere Warengebiete BPatG GRUR 1998, 1018, 1019 "Honigglas"; BlPMZ 1998, 531, 532 "Flasche mit Fußwölbung"; GRUR 1998, 580 "Dimple-Flasche"; GRUR 1998, 581 "weiße Kokosflasche"; GRUR 1998, 582, 583 "blaue Vierkantflasche"; GRUR 1998, 584, 585 "kleine Kullerflasche"; BGH WRP 200, 1290, 1291 "Likörflasche"), weil ihnen aufgrund ihrer äußeren Gestaltung zumindest eine abstrakte Unterscheidungseignung zukommt, die gegebenenfalls zu einer Eintragung aufgrund Verkehrsdurchsetzung führen könnte. Allerdings ist bei dreidimensionalen Marken nach den gleichen Kriterien wie bei anderen Markenformen zu prüfen, ob der Eintragung die Schutzversagungsgründe des § 8 Abs 2 MarkenG entgegenstehen (BGH WRP 200, 1290, 1291, 1292 "Likörflasche"; BGH I ZB 40/98 "Uhrengehäuse"; vgl auch HABM MarkenR 1999, 366, 368 "GRANINI-FLASCHE").
3 An der angemeldeten Marke läßt sich für die jetzt noch angemeldeten Waren weder ein Freihaltungsbedürfnis (§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG) feststellen noch fehlt ihr jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG).
3.1 Ein Freihaltungsbedürfnis (§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG) an der angemeldeten Marke ist nicht ersichtlich. Eine als dreidimensionale Marke angemeldete Form der Ware, die sich in der Gestaltung zum Wesen der Ware gehörender Elemente erschöpft, kann zwar - insbesondere bei technisch bedingten Formen - unmittelbar zur Beschreibung eben solcher Waren dienen; an solchen Formen ist daher ein Freihaltungsbedürfnis zu bejahen (vgl BPatGE 40, 98, 103 "Trafogehäuse"; BPatG BlfPMZ 1998, 541 "CD-Hülle"; 29 W (pat) 182/98 "Schraubenmutter mit rotationssymmetrischem blauen Ring"). Formen von Flaschen und Behältern für Flüssigkeiten, Pasten und Gele unterliegen aufgrund der Beschaffenheit des Inhalts jedoch verhältnismäßig geringen technischen Beschränkungen und sind innerhalb relativ weiter Grenzen beliebig wählbar. Auch gibt es - soweit ersichtlich - keine genormten Flaschenformen für Wasch- und Bleichmittel, Spülmittel für Wäsche und Geschirr in flüssiger, gel- oder pastenförmiger Form, Putz- und Poliermittel. Auf diesem Warengebiet besteht daher ebenso wie auf dem Getränkesektor für Formen von Flaschen in aller Regel kein Freihaltungsbedürfnis (vgl dazu für Getränkeflaschen BPatG GRUR 1998, 580 "Dimple-Flasche"; GRUR 1998, 581 "weiße Kokosflasche"; GRUR 1998, 582, 583 "blaue Vierkantflasche"; GRUR 1998, 584, 585 "kleine Kullerflasche", wo ein Freihaltungsbedürfnis im allgemeinen nur für Normflaschen angenommen wird; vgl. zur Problematik auch Fuchs-Wissemann, Tendenzen in der neueren markenrechtlichen Rechtsprechung des Bundespatentgerichts, MarkenR 1999, 183, 185). Auch bei der hier angemeldeten dreidimensionalen Marke ist nicht ersichtlich, daß die Konkurrenten der Anmelderin darauf angewiesen sein könnten, eine Flasche oder einen Behälter mit relativ gedrungener, abgekanteter, voluminöser Form zu verwenden. Insbesondere die nach außen gewölbte, dreifach symmetrische Form, die die angemeldete Flasche von üblichen Formen von Flaschenkörpern auf dem Gebiet der Wasch- und Bleichmittel, Spülmittel für Wäsche und Geschirr sowie der Putz- und Poliermittel, die oft nach innen gewölbte Bereiche aufweisen und bei denen der obere Teil mit dem unteren Teil im allgemeinen nicht symmetrisch ist, unterscheidet, zeigt, daß es sich hierbei nicht um eine rein technisch bedingte und wesensbestimmende Eigenschaft handelt.
3.2 Der angemeldeten Marke fehlt für die nach der Einschränkung des Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen noch beanspruchten Waren auch nicht jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG). Bei der Beurteilung einer Verpackungsform kommt es darauf an, ob die Form einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt verkörpert oder ob sie aus sonstigen Gründen nur als solche und nicht als Herkunftshinweis verstanden wird (BGH WRP 200, 1290, 1292 "Likörflasche"; vgl auch BGH I ZB 40/98 "Uhrengehäuse"). Weiterhin ist maßgeblich, ob der Verkehr auf dem Sektor der angemeldeten Waren daran gewöhnt ist, daß sie von bestimmten Herstellern in Flaschen bestimmter Form vertrieben werden (vgl dazu BPatG GRUR 1998, 584, 585 "kleine Kullerflasche"; HABM MarkenR 1999, 366, 368 "GRANINI-FLASCHE"). Enthält nämlich die äußere Form einer Flasche keinen durch Norm oder Üblichkeit bestimmten mittelbar beschreibenden Hinweis auf ihren Inhalt, kann sie, sofern es sich nicht nur um eine ganz einfache, bloß werbemäßig schmückende Form handelt, auch als Herkunftshinweis verstanden werden. Angesichts der erfahrungsgemäß und auch im vorliegenden Verfahren durch die Anmelderin und Recherchen des Senats belegten weiten Verbreitung besonderer, von genormten oder üblichen Formen abweichender Formen für Behälter auf dem Gebiet der Waren des Warenverzeichnisses muß davon ausgegangen werden, daß der Verkehr sich grundsätzlich hinsichtlich der Herkunft des Flascheninhalts auch an der Flaschenform herkunftshinweisend orientiert (vgl dazu BGH WRP 200, 1290, 1292 "Likörflasche"; vgl auch BGH I ZB 40/98 "Uhrengehäuse). Jegliche Unterscheidungskraft der angemeldeten Formmarke könnte deshalb nur dann verneint werden, wenn die Form der Flasche lediglich einen Hinweis auf ihren Inhalt gäbe oder durch ganz einfache geometrische Formen oder sonst bloß schmückende Elemente bestimmt wäre, wobei Eigentümlichkeit und Originalität (vgl insoweit zur bisherigen Rechtsprechung BPatGE 39, 219, 222 "Stabtaschenlampe"; GRUR 1998, 1019 "Honigglas"; zusammenfassend Fuchs-Wissemann, aaO, MarkenR 1999, 183 ff.; vgl auch HABM MarkenR 1999, 366, 368 "GRANINI-FLASCHE" sowie zur Entscheidungspraxis der Beschwerdekammern des HABM Bender, Die absoluten Schutzversagungsgründe für die Gemeinschaftsmarke, MarkenR 2000, 118, 121 f.) zwar nicht Voraussetzung sind, aber ein wichtiges Indiz für die Unterscheidungskraft darstellen und wobei das entscheidungserhebliche Warengebiet relativ eng zu fassen ist (BGH WRP 200, 1290, 1292 "Likörflasche"). Auf dem umfangreichen Gebiet der Wasch-, Reinigungs- und Putzmittel ist zwar eine große Vielzahl der unterschiedlichsten Farbgebungen, Formen und Gestaltungen von Flaschen gebräuchlich. Dies ist nicht zuletzt durch die Eigenart der Waren bedingt, die erstens als Flüssigkeiten oder Pulver keine feste Form haben und denen zweitens ihre Eigenschaften und Herkunft nicht anzusehen sind. Um die Produkte auch bei nur flüchtiger Betrachtung unterscheidbar zu machen, die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Produkt zu lenken und um einen Kaufanreiz zu geben, muß deshalb der äußere Eindruck der Verpackung werbewirksam und auffällig sein, was zu sehr vielen unterschiedlichen Verpackungsformen auf diesem breiten Warensektor führt. Im nach Einschränkung des Warenverzeichnisses allein noch beanspruchten engen Bereich der Wasch- und Bleichmittel, Spülmittel für Wäsche und Geschirr in flüssiger, gel- oder pastenförmiger Form, Putz- und Poliermittel" sind relativ hohe, schlanke, langgezogene oder aber gedrungene, voluminöse Flaschen üblich. Bei diesen Flaschen sind die eher schmalen Verschlüsse mit Ausgießöffnungen verhältnismäßig deutlich vom Flaschenkörper abgesetzt, dessen Standfläche meist nicht kleiner ist als die breiteste Stelle des Flaschenkörpers. Der Flaschenkörper weist im allgemeinen entweder einen Griff auf oder hat - insbesondere bei Spülmitteln - eine wellenförmig geschwungene Kontur und dünnere Bereiche, um die Flasche griffiger zu machen. Auch gibt es Formen mit mehr oder weniger voluminösen, gedrungen wirkenden Flaschenkörpern ohne geschwungene Kontur, aber mit deutlich abgesetztem Flaschenhals und/oder Verschluß. Von diesen für den noch angemeldeten Warenbereich üblichen Behältern unterscheidet sich die hier angemeldete Form nach dem aus ihren charakteristischen Merkmalen resultierenden Gesamteindruck deutlich. Es handelt sich vorliegend um einen dreifach symmetrischen, bauchigen, gedrungenen Behälter mit abgekanteten Seitenflächen, die nach außen gewölbt sind. Solche Flaschen gibt es bei Wasch- und Bleichmitteln, Spülmitteln für Wäsche und Geschirr in flüssiger, gel- oder pastenförmiger Form, Putz- und Poliermitteln (anders etwa als bei Haar- und Körperpflegemitteln) üblicherweise nicht. Dies ist wohl schon dadurch begründet, daß eine solche Form leichter aus einer nassen oder mit Spül- oder Waschmittel benetzten Hand gleiten kann als die gängigen Behälter. Außerdem kommt ein vergleichbar breites Verschlußstück bei den üblichen Flaschen und Behältern auf dem noch angemeldeten Warensektor nicht vor. Weiterhin ist die Standfläche bei der angemeldeten Marke kleiner als der Flaschenkörper und gleich groß wie die Oberseite. Die Gesamtheit dieser Merkmale hebt die angemeldete Form daher so deutlich von den üblichen Formen von Behältern und Flaschen für Wasch- und Bleichmittel, Spülmittel für Wäsche und Geschirr in flüssiger, gel- oder pastenförmiger Form, Putz- und Poliermittel ab, daß die angesprochen Verkehrskreise diese abweichenden Merkmale der Gestaltung leicht erkennen können und die angemeldete Form für die noch angemeldeten Waren als Hinweis auf einen bestimmten Herstellerbetrieb auffassen werden.
Meinhardt Baumgärtner Guth Cl/Hu Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/29W(pat)87-00.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 24.01.2001
Az: 29 W (pat) 87/00
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