Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 10. März 1995
Aktenzeichen: 6 U 154/94
(OLG Köln: Urteil v. 10.03.1995, Az.: 6 U 154/94)
1. Sind vor Einreichung eines Antrages auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung werblich verwendeter wissenschaftlicher Aussagen Recherchen im Hinblick auf deren fachwissenschaftliche Absicherung erforderlich, ist ein hierfür in Anspruch genommener Zeitraum von ca. vier Wochen nicht dringlichkeitsschädlich. 2. Dringlichkeitsschädliche Kenntnis einer (wettbewerbswidrigen Produktgestaltung setzt voraus, daß dem Antragsteller die tatsächlich für den Markt bestimmte Ausstattung konkret bekannt ist; unschädlich ist grundsätzlich die (fern)mündliche Beschreibung bestimmter Gestaltungselemente durch den Antragsgegner. 3. Eine vor Karies schützende Wirkung von Kalzium (hier: in einer Zahnpasta) ist bisher nicht in einem Maße wissenschaftlich gesichert, daß auf eine solche Wirkung ohne Verstoß gegen § 27 LMBG hingewiesen werden könnte.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen
Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht die durch seinen Beschluß vom 8.
April 1994 - 31 O 197/94 - erlassene einstweilige Verfügung durch
das angefochtene Urteil bestätigt. Der Antrag auf Erlaß einer
einstweiligen Verfügung ist zulässig und in der von dem Landgericht
tenorierten Fassung auch begründet.
Der Antrag, gegen den weitere Zulässigkeitsbedenken weder
vorgetragen noch sonst ersichtlich sind, ist nicht deswegen
unzulässig, weil es - wie die Antragsgegnerin meint - am
Verfügungsgrund der Dringlichkeit fehlt.
Die Dringlichkeit wird gemäß § 25 UWG in tatsächlicher Hinsicht
vermutet. Diese Vermutung wird durch die von der Antragsgegnerin
vorgetragenen Umstände nicht widerlegt. Das gilt sowohl für die
telefonische Information der Antragstellerin durch Herrn v.W., als
auch für die Fernsehwerbung, als auch für die behauptete
Auslieferung des Produktes in der neuen streitbefangenen
Ausstattung seit Mitte Januar 1994. Daß die Antragstellerin
aufgrund dieser Umstände bereits vor dem 14.3.1994, dem Tag, an dem
ihr das neu ausgestattete Produkt nach ihrem Vortrag erstmals
vorgelegen hat, Kenntnis von der neuen Ausstattung gehabt oder ihre
Unkenntnis auf einer schuldhaft unzureichenden Marktbeobachtung
beruht hätte, ergibt sich - wie sogleich zu zeigen ist - weder aus
dem Vortrag der Antragsgegnerin noch aus dem Verhalten oder dem
Vorbringen der Antragstellerin.
Der Zeitraum, der anschließend vom 14.3.1994 bis zum Eingang des
Antrags bei Gericht am 8.4.1994 vergangen ist, war angesichts der
Notwendigkeit, vor Antragstellung die vorliegenden Gutachten und
Stellungnahmen im Hinblick auf die gem"ß § 27 LMBG geforderte
gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis zu überprüfen, nicht
dringlichkeitsschädlich. Die durch den Antrag aufgeworfenen Fragen
sind entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin zwar nicht so
komplex, daß der Streit für ein Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes nicht geeignet wäre, indes durfte die
Antragstellerin im Hinblick auf die erforderliche Prüfung der
Erfolgsaussichten des Antrags den Zeitraum von knapp 4 Wochen
verstreichen lassen, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, die Sache
sei ihr nicht dringlich, zumal ihr der Zeitraum durch die
Osterfeiertage nicht uneingeschränkt zur Verfügung stand.
Die Antragstellerin hatte aufgrund der Telefonate, die Anfang
Februar 1994 zwischen den Herren v.W. und J. geführt worden sind,
keine Kenntnis von der neuen Ausstattung der Produkte, auf Grund
derer sie in der Lage gewesen wäre, mit Aussicht auf Erfolg einen
Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zu stellen. Das gilt
auch dann, wenn man den von der Antragsgegnerin vorgetragenen
Inhalt der Gespräche als glaubhaft gemacht ansieht.
Hierzu ist von ausschlaggebender Bedeutung die Tatsache, daß der
neue Text der Werbeaussage nicht in jeder denkbaren Gestaltungsform
allein auf Grund seines Inhaltes als wettbewerbswidrig anzusehen
ist. Für die Wettbewerbswidrigkeit entscheidend ist vielmehr, daß
die Werbeaussage gerade durch die konkrete Form, in der das Produkt
mit ihr ausgestattet ist, zu der Vorstellung des Verbrauchers
führt, auch das Kalzium biete Kariesschutz. Diese Vorstellung, die
die Antragsgegnerin nicht hervorrufen durfte, weil die Aussage
nicht hinreichend wissenschaftlich gesichert ist, entsteht nämlich
nicht schon allein durch ihren Wortlaut, sondern erst durch das
Zusammenwirken von Text und Produktaufmachung im übrigen. Die bloße
Aussage ,Schutz mit Bi-Fluorid; Enthält Kalzium" besagt nicht, daß
das Kalzium in der Zahncreme gegen Karies schütze, weil von Karies
oder gar Schutz vor Karies in ihr nicht die Rede ist. Diesen Inhalt
erhält die Aussage vielmehr, worauf noch einzugehen ist, erst durch
den Zusammenhang, der durch die konkrete Aufmachung (Angebotsform)
zwischen ihr und dem auf beiden Seiten der Tube aufgeführten
Begriff ,Kariesschutz" hergestellt wird. Aus diesem Grunde hatte
die Antragstellerin keinen Anlaß, schon nach der telefonischen
Information durch Herrn v.W., in der dieser eben lediglich den
ge"nderten, vorstehend zitierten Text mitgeteilt haben will, den
Erlaß einer einstweiligen Verfügung zu beantragen. Darüber hinaus
hätte dies sogar mit Aussicht auf Erfolg noch gar nicht geschehen
können, weil Voraussetzung hierfür die Beschreibung der konkreten
Form, in der die beanstandete Aussage auf der Tube verwendet wurde,
gewesen wäre und die Antragstellerin hierzu mangels konkreter
Angaben durch die Antragsgegnerin - etwa durch die nach ihrem
Vortrag von der Antragstellerin erbetene Óbersendung eines Musters
- nicht in der Lage war.
Hieran ändert auch die Tatsache nichts, daß es sich bei der
Gestaltung der Ausstattung nicht um eine vollständige
Neuentwicklung, sondern lediglich um eine teilweise Ànderung der
Aufmachung handelte, die auf Grund der Entscheidungen des
Landgerichts Hamburg in den Verfahren 312 O 236/93 und 312 O 521/93
veranlaßt war. Denn aus der telefonischen Information durch Herrn
v.W. ging, ausgehend von dessen eigener eidesstattlichen
Versicherung vom 28.4.1994 (vorgelegt als Anlage AG 7), nicht etwa
hervor, daß die Aufmachung ansonsten unverändert geblieben und
lediglich der Text geändert worden sei. Nur dann hätte aber die
Bekanntgabe des bloßen - neuen - Textes der Werbezeile genügen
können, um der Antragstellerin ein vollständiges, für die
erfolgreiche Beantragung einer einstweiligen Verfügung
ausreichendes Bild von der neuen Aufmachung zu vermitteln. Die
beiden von der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 17.1.1995 auf den
Seiten 4 und 5 wörtlich zitierten Àußerungen von Herrn v.W.
enthalten im ersten Fall (Schreiben vom 1.2.1994) nur die
Erklärung, daß Herrn J. die Auslieferung ,neuer Tuben" mit dem oben
zitierten Text mitgeteilt worden sei, und im zweiten Fall
(Schreiben vom 8.2.1994) die Mitteilung, daß der Eindruck erweckt
worden sei, der Werbespruch sei in Richtung auf die
Inhaltsstoff-Angabe ,Enthält Kalzium" zurückgeführt worden (was im
übrigen inhaltlich nicht zutrifft, weil die Aussage auf der Tube
gerade nicht eine bloße Inhaltsstoff-Deklaration darstellt). Beide
Erklärungen bringen damit nicht zum Ausdruck, daß die Ausstattung
abgesehen von der Textänderung etwa dieselbe geblieben sei. Soweit
ersichtlich ist dies im übrigen auch nicht der Fall. Damit ist
davon auszugehen, daß die Antragstellerin auch bei Berücksichtigung
der Tatsache, daß die Ànderung auf Grund der erwähnten
Entscheidungen des Landgerichts Hamburg erforderlich geworden war,
durch die Mitteilungen von Herrn v.W. nicht in die Lage versetzt
worden ist, mit Aussicht auf Erfolg den Erlaß einer einstweiligen
Verfügung zu beantragen.
II
Im wesentlichen aus denselben Gründen bestand auch auf Grund der
Fernsehwerbung der Antragsgegnerin weder Anlaß, noch auch nur die
Möglichkeit, mit Aussicht auf Erfolg den Erlaß einer einstweiligen
Verfügung zu beantragen.
Dies kommt zunächst ernsthaft nur im Hinblick auf die seit Mitte
Februar 1994 (nach Darstellung der Antragsgegnerin seit dem
14.2.1994, nach Darstellung der Antragstellerin erst seit dem
19.2.1994) ausgestrahlte Fassung des Werbespots in Frage. Denn die
Antragsgegnerin hatte zwar auch früher, nämlich in der Zeit vom 10.
bis zum 31. Januar 1994, einen Werbespot ausstrahlen lassen, in dem
die Aussage ,C. Kariesschutz...enth"lt Bi-Fluorid und Calcium"
enthalten war, diesen jedoch ab dem 1.2.1994 durch eine Fassung
(,mit dem wirksamen Bi-Fluorid System, für rundum kariessichere
Zähne") ablösen lassen, die die beanstandete Aussage nicht
enthielt, und hatte damit offenbar auf das zwischenzeitlich,
nämlich am 18.1.1994, von dem Landgericht Hamburg im Verfahren 312
O 521/93 verkündete Urteil reagiert. Damit konnte die
Antragstellerin bis zur Ausstrahlung der letzten Version ab Mitte
Februar 1994 sogar davon ausgehen, daß die Antragsgegnerin im
Fernsehen nicht mehr mit einem Kariesschutz durch Kalzium werben
würde. Erst Recht konnte sie der Fernsehwerbung damals nicht
entnehmen, in welcher Ausstattung das Produkt zukünftig auf den
Markt gebracht werden würde.
Das gilt auch für die Zeit ab Mitte Februar 1994, in der mit der
Aussage ,Mit dem wirksamen Bi-Fluorid System. Enthält Kalzium." im
Fernsehen geworben wurde. Denn auch wenn auf diese Weise die
Werbung mit dem Bestandteil Kalzium doch wieder Eingang in die
Fernsehwerbung gefunden hatte, ergab sich daraus auch bei
Berücksichtigung aller sonstigen Umstände nicht, daß das Produkt
mit der Werbeaussage gerade so ausgestattet werden würde, wie dies
dann tatsächlich in wettbewerbsrechtlich zu beanstandender Weise
geschehen ist.
In dem TV-Spot ist nämlich nicht etwa die neue Ausstattung der
Tube gezeigt worden. Vielmehr ist der soeben zitierte Text in dem
Spot zu verschiedenen, andere Motive enthaltenden Bildern lediglich
gesprochen worden. Die Antragstellerin konnte damit der Neufassung
des Spots - soweit in diesem Zusammenhang von Interesse - nur
entnehmen, daß im Fernsehen überhaupt wieder mit dem Bestandteil
Kalzium geworben wurde, nicht aber, daß und insbesondere auf welche
Weise das Produkt selber mit einem Werbespruch ausgestattet sein
würde, in dem mit Kalzium als Schutz vor Karies geworben würde. Im
Gegenteil konnte die Fernsehwerbung die Antragstellerin sogar
umgekehrt zu der unzutreffenden Annahme verleiten, im Gegensatz zu
der neuen Fernsehwerbung enthalte die Ausstattung des Produktes
selber, auf die es hier allein ankommt, gerade die Werbung mit
Kalzium als Wirkstoff gegen Karies nicht. Denn in dem Spot ist am
Ende das Produkt gezeigt worden und in dieser Abbildung enthält die
Tube abweichend von der tatsächlich vertriebenen Ausstattung sogar
eine Aufmachung, in der der im vorliegenden Verfahren angegriffene
Werbspruch gerade nicht enthalten ist. Dies ergibt sich schon aus
der Anlage AST 13, aber insbesondere auch aus der von der
Antragstellerin in der Berufungserwiderung auf Seite 27
eingeblendeten Großaufnahme der Schlußeinstellung, deren
Óbereinstimmung mit dem Spot die Antragsgegnerin nicht in Zweifel
zieht. Die Zahnpastatube ist dort in einer Aufmachung gezeigt
worden, die die im vorliegenden Verfahren beanstandete Unterzeile
,Schutz mit Bi-Fluorid; enthält Kalzium" unter dem in
Großbuchstaben schräg von unten nach oben verlaufenden Schriftzug
C. gerade nicht zeigt.
Davon, daß die Antragstellerin auf Grund der Fernsehwerbung für
ein Verfügungsverfahren hinreichende Kenntnis von der konkret
verwendeten Ausstattung des Produktes erlangt haben könnte, kann
danach bei weitem nicht die Rede sein. Das gilt auch vor dem
Hintergrund, daß die Antragstellerin aus den oben angesprochenen
Telefonaten mit Herrn v.W. zusätzlich gewußt haben mag, daß die
Tube in irgendeiner Weise mit dem beanstandeten Spruch ausgestattet
war.
III
Schließlich kann nicht im Hinblick auf die Auslieferung des
Produktes in neuer Ausstattung an den Handel als glaubhaft gemacht
angesehen werden, daß die Antragstellerin entweder tatsächlich die
Zahncreme in ihrer neuen Ausstattung schon vor dem 14.3.1994 in
Händen hatte oder dies nur deswegen nicht der Fall war, weil die
Antragstellerin schuldhaft den Markt nicht hinreichend beobachtet
hätte.
Dafür, daß die Antragstellerin das Produkt früher als von ihr
behauptet in Händen gehabt hat, liegt ein Mittel der
Glaubhaftmachung durch die Antragsgegnerin nicht vor.
Der Antragstellerin kann insoweit auch nicht der Vorwurf
mangelnder Marktbeobachtung gemacht werden. Selbst wenn man im
Hinblick auf die bereits damals bestehende Auseinandersetzung
zwischen den Parteien über die Werbung nit Kalzium insoweit eine
Verpflichtung der Antragstellerin annehmen wollte, den Markt darauf
zu beobachten, ob die neue Ausstattung des Produktes durch die
Antragsgegnerin den wettbewerbsrechtlichen Anforderungen genüge,
belegt der von der Antragsgegnerin glaubhaft gemachte damalige
Lieferumfang des Produktes in seiner neuen Ausstattung eine
Verletzung dieser Pflicht nicht.
Die Antragstellerin war angesichts des bundesweit erfolgten
Vertriebs des Produktes jedenfalls nicht verpflichtet, bei
sämtlichen in Betracht kommenden Einzelhändlern zu überprüfen, ob
das Produkt inzwischen in neuer Ausstattung auf den Markt gebracht
worden sei. Dies bedarf angesichts der großen Zahl von in Betracht
kommenden Einzelhändlern in Deutschland keiner weiteren Begründung.
Es steht aber nicht fest, daß die Antragstellerin bei der
allenfalls gebotenen stichprobenartigen Óberprüfung gerade die
Einzelhändler erfasst haben würde, bei denen die Auslieferung nach
dem Vorbringen der Antragsgegnerin bereits im Januar 1994 begonnen
hatte. Dies gilt umso eher, als z.B. die Belieferungen in der
Rhein/Main Gegend, also einem Ballungsgebiet mit entsprechend hohen
Gesamtumsätzen, nach der unwidersprochen gebliebenen Darstellung
der Antragsstellerin ausweislich des mit der als Anlage AG 8 von
der Antragsgegnerin vorgelegten Zahlenmaterials lediglich etwa
4.092 Tuben, und damit gemessen am dortigen Gesamtumsatz nur eine
geringe Menge ausmachten. Diese hätten bei stichprobenartigen
Kontrollen keineswegs entdeckt werden müssen, zumal zu
berücksichtigen ist, daß das Produkt in der hier interessierenden
neuen Ausstattung von den Einzelhändlern in der Regel nicht sofort
nach der Belieferung, sondern erst dann in die Verkaufsregale
geräumt worden sein dürfte, wenn das Produkt in seiner alten
Ausstattung zumindest weitgehend verkauft war.
Der mithin zulässige Antrag ist auch begründet.
Die angegriffene Ausstattung verstößt in ihrer konkreten Form
gegen § 27 Abs.1 Ziff.1 LMBG und ist daher gemäß § 1 UWG zu
untersagen.
Zumindest nicht unerhebliche Teile des betroffenen Verkehrs,
nämlich der Allgemeinheit der Verbraucher, verstehen die auf der
Zahnpasta-Zube wiedergegebene werbliche Aussage dahin, daß auch dem
Kalzium der angepriesene Schutz gegen Karies zukommt. Dies vermag
der Senat, dessen Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen
geh"ren, aus eigener Sachkunde festzustellen.
Auf der Tube wird gerade der Kariesschutz als ein besonderes
Qualitätsmerkmal der Zahncreme herausgestellt. Dies ergibt sich
ebenso zwanglos wie zwangsläufig aus der Tatsache, daß der Begriff
,Kariesschutz" auf beiden Seiten der Tube durch Verwendung großer
weißer Schrifttypen, deren Unterlegung mit grüner Farbe und ihrer
Anordnung an prominenter Stelle, nämlich oben am Beginn des Textes,
hervorgehoben wird. Die Aufmachung bewirkt, daß die Auslobung ,Ka-
riesschutz" dem Verbraucher zumindest nahezu ebenso sehr ins Auge
fällt wie der noch größer und schräg geschriebene Namenszug
,C.".
Die kariesschützende Wirkung der Zahncreme wird sodann auf der
Vorderseite durch die angegriffene Zeile ,Schutz mit BiFluorid;
enthält Kalzium" erläutert. Dies ist für das BiFluorid angesichts
der einleitenden Worte ,Schutz mit" offenkundig und bedarf daher
keiner weiteren Begründung. Es gilt aber auch für die nachfolgenden
Worte ,enthält Kalzium". Das ergibt sich zunächst aus dem Umstand,
daß diese beiden Worte in gleicher Schreibweise und sonstiger
Aufmachung an die vorherige Aussage anschließen und daher mit
dieser für den flüchtigen Verbraucher eine Einheit bilden. Óberdies
werden die Worte ,enthält Kalzium" von dem flüchtigen Verbraucher
(Leser) aber auch deswegen so verstanden werden, daß (auch) der
Produktbestandteil Kalzium Ursache für den in Anspruch genommenen
Kariesschutz sei, weil nicht ersichtlich ist, aus welchem Grund
sonst der Text diese Aussage enthalten sollte. Kalzium ist keine
Substanz, deren Zufuhr in den menschlichen Organismus für diesen
nach der Vorstellung der Verbraucher regelmäßig von Vorteil wäre.
Da die bloße Aussage ,enthält Kalzium" für sich genommen daher für
den flüchtigen Verbraucher kein wertsteigerndes Merkmal der
Zahnpasta beschreibt und andere Zuordnungen nicht in Frage kommen,
wird dieser die Aussage ohne weiteres der Schutzwirkung der
Zahnpasta gegen Karies zuordnen. Dem kann die Antragsgegnerin nicht
mit Erfolg entgegenhalten, durch das zwischen beiden Aussageteilen
verwendete Semikolon sei eine hinreichende Abgrenzung vorgenommen
worden, die die vorstehend beschriebene Zuordnung verhindere. Zum
einen kann schon nicht unterstellt werden, daß der Verkehr bis auf
einen unbeachtlichen kleinen Teil dieses Satzzeichen überhaupt
wahrnimmt. Zum anderen ergibt sich auch für diejenigen Verbraucher,
die das Semikolon entdecken und ihm eine trennende Funktion
beimessen, die schon beschriebene Situation, daß die Ausstattung
bis auf eben den Kariesschutz keinen Grund erkennen läßt, warum
Kalzium dort als Bestandteil der Zahncreme aufgeführt ist.
Die vorstehenden Gesichtspunkte gelten auch im Hinblick auf die
Aufschrift auf der Rückseite der Tube. In der dortigen Aussage ,C.
Kariesschutz enthält Kalzium und Bi-Fluorid" wird die Wirkung von
Kalzium mit derjenigen des Bi-Fluorid sogar auf eine Stufe
gestellt. Der anschließende Text, wonach das Kalzium das Bi-Fluorid
unterstützt, stellt zusätzlich ausdrücklich eine Verbindung in der
Wirkung zwischen Kalzium und Bi-Fluorid her, aus der der flüchtige
Verbraucher den Schluß ziehen wird, daß
Fortsetzung: 6 U 154/94A Datensatznummer: 1234
OLG Köln:
Urteil v. 10.03.1995
Az: 6 U 154/94
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/daf843399ce9/OLG-Koeln_Urteil_vom_10-Maerz-1995_Az_6-U-154-94