Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Juli 2003
Aktenzeichen: 27 W (pat) 171/02

(BPatG: Beschluss v. 08.07.2003, Az.: 27 W (pat) 171/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Marke 397 16 171 für "Bekleidungsstücke, Unterwäsche, Badeanzüge, Miederwaren" ist Widerspruch eingelegt aus der prioritätsälteren Wortmarke Ginetteeingetragen unter der Nr 1 174 092 für "Bekleidungsstücke (einschließlich gewirkter und gestrickter) für Herren, Damen und Kinder (einschließlich Ober- und Unterbekleidungsstücke); Leib- und Nachtwäsche; Badeanzüge, Badehosen, Bademäntel, Badejacken; Freizeit-, Strand- und Sportbekleidungsstücke; Mützen, Krawatten, Hosenträger, Handschuhe; Miederwaren, nämlich Mieder, Korsetts, Korseletts, Hüfthalter und Hüftformer für Bekleidungszwecke, Strumpfhaltergürtel, Miederhöschen, Miederschlüpfer, Tanzgürtel und Büstenhalter; Slips".

Nachdem die Markeninhaberin im Verfahren vor der Markenstelle die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten hat, hat die Widersprechende Benutzungsunterlagen vorgelegt, insbesondere zwei eidesstattliche Versicherungen ihrer Prokuri- stin, Frau M..., vom 8. Januar 2001 und vom 30. Mai 2001, Kopien von Produktkatalogen und Kollektionslisten sowie Einnäh- und Anhängeetiketten und Produktverpackungen.

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch durch zwei Beschlüsse, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen. Aufgrund des deutlich unterschiedlichen Anfangsbuchstabens der jeweiligen Markenwörter seien diese klanglich nicht verwechselbar; auch in (schrift)bildlicher Hinsicht bestehe keine Verwechslungsgefahr.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie meint, in Anbetracht der völligen Übereinstimmung der einander gegenüberstehenden Markenwörter mit der alleinigen Ausnahme des jeweiligen Anfangsbuchstabens könne die Gefahr von Verwechslungen in klanglicher und in (schrift)bildlicher Hinsicht nicht verneint werden, zumal die angesprochenen Verkehrskreise in begrifflicher Hinsicht in beiden Markenwörtern weibliche Vornamen erkennen würden. Sie legt zur Glaubhaftmachung der Benutzung eine weitere eidesstattliche Versicherung ihrer Prokuristin, Frau M..., vor.

Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Denn die jüngere Marke hält auch in Anbetracht einander gegenüberstehender teilweise identischer Waren zu der Widerspruchsmarke einen die Gefahr von Verwechslungen mit ausreichender Sicherheit ausschließenden Abstand ein, so dass die Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG nicht vorliegen.

Die Gefahr von Verwechslungen ist von mehreren Komponenten abhängig, die miteinander in Wechselbeziehung stehen, und zwar insbesondere von der Ähnlichkeit oder Identität der Marken, der Ähnlichkeit oder Identität der von ihnen erfassten Waren und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der betreffenden Waren unterschiedlich hoch sein kann (EuGH MarkenR 1999 aaO, RdNr 26).

Die jüngere Marke ist für Waren bestimmt, die auch identisch im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthalten sind. Allerdings hat die Widersprechende die Benutzung ihrer Marke lediglich für BH's, Slips, Hemdchen und Bodies hinreichend glaubhaft gemacht, so dass nur diese zu berücksichtigen sind (§ 43 Abs 1 S 3 MarkenG). Sie sind identisch jedenfalls mit den von der jüngeren Marke beanspruchten Waren "Unterwäsche, Miederwaren" und identisch im Oberbegriff "Bekleidungsstücke" enthalten; zu "Badeanzügen" sind sie (eng) ähnlich.

Die Widerspruchsmarke weist eine eher unter dem Durchschnitt liegende Kennzeichnungskraft auf, weil sie vom Verkehr als weiblicher Vorname erkannt wird und Vornamen auf dem relevanten Warensektor häufig sowohl als Marke wie auch als Artikelbezeichnung Verwendung finden, so daß der Verkehr auf Unterschiede von Haus aus genauer achtet (BGH GRUR 1988, 307 - GABY; BPatG vom 11. Mai 1999, 27 W (pat) 3/97 - Nora. S/Dora, PAVIS PROMA CD-ROM Markenentscheidungen; BPatG vom 7. Mai 1996, 27 W (pat) 293/94 - JENNIFER PEOPLE/jennifer, PAVIS PROMA aaO).

Unter diesen Umständen weist die jüngere Marke auch bei Berücksichtigung der teilweise bestehenden Warenidentität noch einen die Gefahr von Verwechslungen mit ausreichender Sicherheit ausschließenden Abstand zu der Widerspruchsmarke auf.

In bildlicher Hinsicht ist dies schon aufgrund der graphischen Gestaltung der jüngeren Marke offensichtlich, die in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung findet. Abgesehen von den unterschiedlich breiten waagerechten Linien in der jüngeren Marke sind auch die Buchstaben des Markenwortes "Linette" in einer Schriftgestaltung gehalten, die vom Schutz einer Wortmarke nicht erfasst ist.

In klanglicher Hinsicht ist von einer Aussprache der jüngeren Marke als "Linette" und in geringerem Umfang als "Linett" mit Betonung auf der zweiten Silbe auszugehen. Die Widerspruchsmarke wird in der Regel als französischer Vorname erkannt werden, so dass das "G" am Anfang von den meisten Verbrauchern wie im Wort "Etage" und das gesamte Markenwort wie "Shinett" - mit Betonung auf der zweiten Silbe - ausgesprochen werden wird. Bei einer derartigen Aussprache ist die Abweichung im maßgeblichen Gesamteindruck durch den deutlich unterschiedlichen Anfangslaut offensichtlich. Doch auch in den Fällen, in denen die Marken einander klanglich begegnen und die Widerspruchsmarke möglicherweise wie "Ginette" mit einem "G" wie im Wort "Garten" ausgesprochen wird, ist jedenfalls bei einer einigermaßen deutlichen Sprechweise noch ein ausreichender Unterschied zwischen den Anfangslauten der Markenwörter erkennbar, so dass es auch dann nicht zu einer noch relevanten Anzahl von Verwechslungsfällen kommen wird. Anhaltspunkte für eine begriffliche oder eine mittelbare Verwechslungsgefahr sind nicht ersichtlich.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Kosten verbleibt es bei der Regel des § 71 Abs 1 S 2 MarkenG. Gründe, die es geboten erscheinen ließen, hiervon abzuweichen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Dr. Schermer Richter Schwarz istwegen Urlaubs gehin-

dert zu unterzeichnen.

Dr. Schermer Friehe-Wich Pü






BPatG:
Beschluss v. 08.07.2003
Az: 27 W (pat) 171/02


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