Landgericht Dortmund:
vom 7. Oktober 2004
Aktenzeichen: 20 O 104/04 AktG

(LG Dortmund: v. 07.10.2004, Az.: 20 O 104/04 AktG)

Tenor

Die Anträge der Antragsteller werden als unzulässig zurückgewiesen.

Der Geschäftswert beträgt 200.000 €.

Gründe

I.

Die o.a. Antragsteller waren Aktionäre der T AG, einem führenden

Hersteller von Industrie-Bodenbelägen, der über die S AG zur

Britischen S -Gruppe gehört.

Die Antragsgegnerin als Hauptaktionärin i.S.d. § 327 a Abs. 1 Satz 1 AktG

ist eine im Alleinbesitz des Konzernherrn befindliche Tochtergesellschaft.

Durch Hauptversammlungsbeschluss der T AG vom 26.08.2003 sind

deren Minderheitsaktionäre auf Verlangen der Antragsgegnerin

ausgeschlossen worden. Die Eintragung ist im Handelsregister im November

2003 erfolgt; die Eintragung ist am 04.12.2003 im Bundesanzeiger bekannt

gemacht worden.

Eine Vielzahl von Minderheitsaktionären hält die angebotene Abfindung für

zu gering; sie beantragen im Spruchstellenverfahren eine höhere

Festsetzung (20 AktE 45/03). Durch Beschluss vom 24.09.2004 hat das

Gericht die Verfahren der o.a. Beteiligten abgetrennt, weil sie diese Anträge

für unzulässig hält.

Hierzu gilt im Einzelnen Folgendes:

II.

1.

Unzulässigkeit der Anträge der Antragsteller zu 1. und 2.

a) Die Anträge sind rechtzeitig, nämlich am 02.01.2004 bei Gericht

eingegangen.

b) Den Nachweis, dass die Antragsteller i.S.d.§3 SpruchG sind, hält das

Gericht für erbracht.

Nach § 3 S. 3 SpruchG hat der Aktionär seine Stellung "ausschließlich

durch Urkunde nachzuweisen". Dies wird in der Regel durch einen

entsprechenden Depotauszug oder dem effektiven Aktienpapier erfolgen.

Der Begriff der Urkunde kann aber keineswegs so eng ausgelegt werden,

wie es die Antragsgegner meint. Urkundlicher Nachweis kann auch durch

eine entsprechende schriftliche Bestätigung der verwahrenden Bank

erfolgen. Eine solche ausreichende Bestätigung sieht das Gericht in dem

Schreiben der I-bank vom 28.11.2003 (Bl. 26. d. A.). Die Bank

hätte die Antragsteller nicht angeschrieben, wenn der in dem Betreff

angegebene Depotbestand nicht den Tatsachen entsprochen hätte.

Dem Gericht genügt daher die Bestätigung der Bank im Zusammenhang

mit der Erklärung der Antragsteller in ihren Anträgen, dass sie bis zur

Eintragung oder Übertragung der Aktionäre der Gesellschaft gewesen

waren.

Abgesehen davon ist nach § 3 S.2 SpruchG nicht einmal Voraussetzung,

dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung Anteilsinhaber

sein muss. In dem Sqeeze Out-Verfahren macht der Gesetzgeber im § 3

SpruchG eine Ausnahme von dem Grundsatz der herrschenden Meinung

(vgl. Wasmann WM 2004 S. 822; Büchel, NZG 2003 S. 795; LG Dortmund

Der Betrieb 2004 1355 Fritzsche/Dreier/Verführt, Spruchverfahrensgesetz,

Kommenter, § 3 RZ 31, 23), dass der Einzelrechtsnachfolger des

ausgeschiedenen Aktionärs nicht Anteilsinhaber gewesen sein, sondern

diese später geworben haben. Der nachträgliche Erwerb der Aktien würde

somit ausreichend sein.

c) Gleichwohl waren die Anträge als unzulässig zurückzuweisen, weil nach

§ 4 Abs. 2 Nr. 4 SpruchG innerhalb der Antragsfrist keine konkreten

Einwendungen gegen den als Grundlage für die Kompensation ermittelten

Unternehmenswert vorgetragen worden sind.

Eine Ausnahme von der strengen Regel gilt nur, wenn der Antragsteller

glaubhaft macht, dass er im Zeitpunkt der Antragstellung aus Gründen,

die er nicht zu vertreten hat, über die in § 7 Abs. 3 aufgeführten

Unterlagen nicht verfügt und er gleichzeitig Abschriftenerteilung gem. §7

Abs. 2 SpruchG verlangt und einen Antrag auf Fristverlängerung stellt.

In seinem Antrag vom 02.01.2004 trägt der Verfahrensbevollmächtigte der

Antragsteller vor, dass eine nähere Begründung nicht erfolgen könne, da

sich die T AG weigere, ihm die entsprechenden Unterlagen zur

Verfügung zu stellen. Gleichzeitig bittet er das Gericht, die

Antragsgegnerin aufzufordern, die Unterlagen ihm zur Verfügung zu

stellen.

Tatsächlich hat der Verfahrensbevollmächtigte mit Schriftsatz vom

02.12.2003 die Antragsgegnerin aufgefordert, ihm die entsprechenden

Unterlagen auszuhändigen. Diese hat dies mit Schreiben vom 08.12.2003

abgelehnt mit der Begründung, dass die Unterlagen zur

Hauptversammlung am 26.08.2003 versandt worden seien und sie keine

Verpflichtung für eine erneute Übersendung sehe.

Die Kammer hält die Ansicht der Antragsgegnerin für zutreffend. Das

Aktienrecht ist in vielen Fällen zum Vorteil der Aktionäre an formelle

Voraussetzungen geknüpft, so dass sich auch die Aktiengesellschaft

durchaus berechtigterweise auf einen formalen Standpunkt beziehen

kann. Sie war verpflichtet, die Unterlagen zur Hauptversammlung zu

versenden bzw. auszulegen. Für eine nachträglich Zusendung war sie

nicht verpflichtet.

Abgesehen davon verlangt § 4 Abs. 2 Ziffer 4 SpruchG, dass die Stellung

eines Antrages zur Fristverlängerung notwendig ist. Diesen Antrag hat der

Verfahrensbevollmächtigte nicht gestellt, so dass die von ihm später

vorgebrachte Begründung als verspätet zurückzuweisen ist. Dies strenge

Auslegung der Vorschrift mag im Einzelfall unbillig sein; das Gericht kann

sich aber über den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht

hinwegsetzen.

Dementsprechend waren die Anträge der Beteiligten zu 1 .und 2. als

unzulässig abzuweisen.

2.

Der Antrag des Antragstellers zu 3. war ebenfalls als unzulässig abzuweisen.

a) Der Antrag ist rechtzeitig - zunächst per Fax, sodann im Original - einge-

legt worden.

b) Entgegen der im Schriftsatz erfolgten Ankündigung hat jedoch kein Nach-

weis der Antragsberechtigung beigelegen - wie dies § 3 SpruchG verlangt.

Der Nachweis der Inhaberschaft kann auch nicht nachgeholt werden; er

muss innerhalb der Antragsbegründungsfrist eingereicht werden (Glö-

cker/Frowein, Kommentar zum SpruchG § 4 RZ 21 ).

3.

a) Der Antrag des Beteiligten zu 4. war ebenfalls als unzulässig

zurückzuweisen. Auch hier fehlt der Nachweis der

Antragsberechtigung. Insoweit kann auf die rechtlichen Ausführungen

zu Ziffer 2. verwiesen werden.

b) Darüber hinaus enthält die Antragsschrift keine konkreten

Einwendungen gegen den ermittelten Unternehmenswert. Allein die

Behauptungen, dass in einem anderen Verfahren eine höhere

Abfindung angeboten worden sei, sie keine angemessene Verzinsung

seines vor über acht Jahren angebrachten Kapitals erhalte und die

Veräußerung der eingebrachten Beteiligung zu einem zu niedrigen

Kaufpreis erfolgte, können nicht als konkrete Einwendungen

angesehen werden.

4.

Die Anträge der Beteiligten zu 5. und 6. waren ebenfalls als unzulässig

abzuweisen.

Sie sind verspätet am zuständigen Gericht eingegangen.

Die Frist lief am 04.03.2004 ab. Beim zuständigen beschließenden Gericht

ist sie erst am 09.03.2004, also verspätet eingegangen.

Zwar datiert der Antrag vom 03.03.2004, war aber an das unzuständige

Gericht in Essen adressiert. Dort trägt der Antrag den Eingangsstempel vom

04.03.2004. Wahrscheinlich ist er aber bereits per Fax am 03.03.2004

eingegangen, da der Richter beim Landgericht Essen bereits unter dem

03.03.2004 einen Aktenvermerk gefertigt hat, am selben Tage die

Antragsteller auf die Zuständigkeit des Landgerichts Dortmund hingewiesen

zu haben.

Ebenfalls am 03.03.2004 - eingegangen beim Landgericht Essen am

06.03.2004 -haben die Antragsteller Verweisungsantrag an das Landgericht

Dortmund gestellt. Dieser ist am 05.03.2004 von dem zuständigen Richter

verfügt, am 09.03.2004 beim Landgericht Essen abgegangen und am

12.03.2004 beim Landgericht Dortmund eingegangen.

Damit war der Antrag beim Landgericht Dortmund verspätet eingegangen.

Es wäre zwar grundsätzlich an eine Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in

den vorigen Stand zu denken. Im Zivilverfahren ist anerkannt, dass - wenn

ein Schriftsatz so rechtzeitig beim unzuständigen Gericht eingegangen ist -

die fristgerechte Weiterleitung an das zuständige Gericht im ordentlichen

Gerichtsgang erwartet werden könne und damit die Frist gewahrt würde

(BVG NJW 2001,1343).

Ob dieser Grundsatz auch bei den formal strengen Vorschriften gilt, die es

allgemein im Aktienrecht gibt, kann dahingestellt bleiben (verneinend

Glöcker/Frowein § 4 RZ 13).

Jedenfalls wäre auch nach dem Grundsatz des Bundesverfassungsgerichts

der Antrag verspätet eingegangen. Wenn ein Antrag erst einen Tag vor

Fristablauf eingereicht wird, kann vernünftigerweise nicht mit einer Frist

wahrenden Weiterleitung gerechnet werden.

Zum anderen wussten die Antragsteller, dass die Frist am 04.03.2004 ablief.

Dies haben sie selbst in ihrer Antragsschrift unter 1. geschrieben.

Dementsprechend wussten sie um den äußerst knappen Zeitrahmen, so

dass es Ihnen ohne weiteres zuzumuten gewesen wäre, einen neuen Antrag

fristgerecht beim Landgericht Dortmund per Fax einzureichen.

Soweit die Antragsgegner allerdings rügen, dass der Nachweis der

Inhaberschaft nicht urkundlich nachgewiesen sei, ist ihrer Ansicht nicht zu

folgen. Das Schreiben der D vom 28.11.2003 weist sie als

früherer Aktionärer aus. Im Übrigen gilt das oben zu 1. Gesagte.

Einer ausdrücklichen Kostenentscheidung bedurfte es nicht. Nach § 15 Abs.

2 SpruchG ist Schuldner der Gerichtskosten der Antragsgegner. Die Kosten

können den Antragstellern allerdings auferlegt werden, wenn dies der

Billigkeit entspricht. Dies wäre z.B. beim mutwilligen, grob schuldhaften oder

mißbräulichen Verhalten der Antragsteller möglich. In der Grundregelung ist

der Wunsch des Gesetzgebers, die Möglichkeit einer abweichenden

Kostentragungspflicht in begründeten Fällen des Rechtsmißbrauchs zu

eröffnen. Davon kann nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht ausgegangen

werden.

Die Antragsteller haben ihre Kosten selbst zu tragen. Eine Anordnung nach

§ 15 Abs. 4 SpruchG aus Billigkeitsgründen sieht das Gericht für nicht

angebracht.

Der Geschäftswert war nach 15 Abs. 1 SpruchG auf 200.000,00 €

festzusetzen.






LG Dortmund:
v. 07.10.2004
Az: 20 O 104/04 AktG


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