Hessischer Verwaltungsgerichtshof:
Beschluss vom 14. Februar 1996
Aktenzeichen: 11 TG 1144/95

(Hessischer VGH: Beschluss v. 14.02.1996, Az.: 11 TG 1144/95)

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 2. August 1993 gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 26. Juli 1993 wiederhergestellt. Denn entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist diese Verfügung nicht nur im Hinblick auf die Untersagung des Inverkehrbringens der "Ester C-vitamin Kapseln", sondern auch im Hinblick auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung dieser Untersagung rechtmäßig.

Das Gericht kann auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung einer Verfügung im öffentlichen Interesse von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, besonders angeordnet worden ist, ganz oder teilweise wiederherstellen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dies kommt grundsätzlich in Betracht, wenn im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO kein besonderes, über das normale, an dem Vollzug eines Verwaltungsakts vorhandene öffentliche Interesse hinausgehendes Interesse am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts gegeben ist, insbesondere weil der Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Denn an der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts besteht kein besonderes öffentliches Interesse. Zum anderen kommt eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO in Betracht, wenn die Ermessensentscheidung der Behörde zur Anordnung des sofortigen Vollzuges deshalb rechtswidrig ist, weil ein besonderes öffentliches Interesse an dem Vollzug eines - auch rechtmäßigen - Verwaltungsakts nicht vorliegt. Beide Fallkonstellationen sind in dem vorliegenden Fall nicht gegeben. Die in der Verfügung des Antragsgegners vom 26. Juli 1993 enthaltene Untersagung des Inverkehrbringens der "Ester C-vitamin Kapseln" ist offensichtlich ebenso rechtmäßig wie die Anordnung des sofortigen Vollzuges dieser Untersagungsverfügung. Die Untersagungsverfügung ist rechtmäßig, da die Voraussetzungen dafür nach § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Arzneimittelgesetz (in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Oktober 1994, BGBl. I, S. 3018 - AMG -) vorliegen. Der Senat zieht zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verfügung des Antragsgegners die im Zeitpunkt seiner Entscheidung geltende Fassung des Arzneimittelgesetzes heran, da zum einen auch der Antragsgegner bei Erlaß des - ersichtlich noch nicht ergangenen - Widerspruchsbescheides die dann geltende Rechtslage zugrundezulegen hat. Zum anderen handelt es sich bei der Untersagungsverfügung, worauf auch die Antragstellerin zu Recht hingewiesen hat, um einen Dauerverwaltungsakt, dessen Rechtmäßigkeit, wie bei Verpflichtungsklagen, regelmäßig nach dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in einem Gerichtsverfahren zu beurteilen ist (Kopp, VwGO, 10. Aufl. 1994, § 113 Rdnr. 25 a).

Nach § 69 Abs. 1 Satz 2 AMG können die zuständigen Behörden zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße insbesondere das Inverkehrbringen von Arzneimitteln untersagen, wenn die erforderliche Zulassung oder Registrierung für das Arzneimittel nicht vorliegt. Dieser Tatbestand ist im vorliegenden Falle gegeben. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht zugrundegelegt, daß es sich bei den von der Antragstellerin in Verkehr gebrachten "Ester C-vitamin Kapseln" um "Arzneimittel" im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG handelt. Danach sind Arzneimittel Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen, bzw. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktion des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 5 AMG). Die Verfügung des Antragsgegners und das Verwaltungsgericht gehen zu Recht davon aus, daß der Arzneimittelbegriff des § 2 Abs. 1 AMG "objektiv" zu bestimmen ist. Dies ergibt sich schon aus der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 7. Januar 1975 (BT-Drs. 7/3060, S. 44). Danach wurde zwar im wesentlichen am bisherigen Arzneimittelbegriff festgehalten; gleichzeitig wird aber "durch seine Objektivierung der Anwendungsbereich des Arzneimittelrechts gegenüber dem Lebensmittel- und Futtermittelrecht im Interesse der Rechtsklarheit besser abgegrenzt". Dementsprechend wird heute davon ausgegangen, daß die Zweckbestimmung nach objektiven Maßstäben vorzunehmen ist, das heißt danach, welchen Zwecken ein bestimmtes Mittel nach der allgemeinen Verkehrsauffassung, insbesondere der Ansicht eines beachtlichen Teils der Verbraucher, bzw. bei neuartigen Mitteln nach Auffassung der Wissenschaft zu dienen bestimmt ist (Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, 3. Aufl., Stand: 55. Ergänzungslieferung, Januar 1995, § 2 AMG Anm. 4). Ohne daß es darauf ankommt, ob der Stoff tatsächlich zu dem in § 2 Abs. 1 AMG aufgeführten arzneilichen Zweck geeignet ist, ist mit der Objektivierung der Zweckbestimmung gewährleistet, daß entsprechend der in § 1 AMG normierten Zwecksetzung des Gesetzes "für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln" gesorgt wird (vgl. OLG Koblenz, B. v. 26.08.1981 - 1 Ws 371/81 -, Kloesel/Cyran, a. a. O., E 12). Im Rahmen der danach zu berücksichtigenden Verbrauchererwartung kommt deshalb dem Zweck und der Art der Anwendung durch Konsumenten eine entscheidende Bedeutung zu (OVG Berlin, U. v. 16.01.1986 - 5 B 2.85 -, Kloesel/Cyran, a. a. O., E 35). Dies bedeutet, daß die regelmäßigen Anwendungen durch die Verbraucher zu bestimmten Zwecken für die objektive Zweckbestimmung ausschlaggebender sind als die vom Hersteller dem Mittel gegebene Zweckbestimmung (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Januar 1995, § 2 AMG Rdnr. 28). Dafür sind insbesondere maßgeblich die Vorstellungen, die Verbraucher von den Wirkungen eines Erzeugnisses haben (Zipfel/Rathke, a. a. O., § 2 AMG Rdnr. 29). Ein Mittel, das nach der objektiven Zweckbestimmung ein Arzneimittel ist, verliert diese Eigenschaft nicht wegen einer Kennzeichnung des Produktes durch den Hersteller, aus der die Arzneimitteleigenschaft nicht erkennbar ist (Kloesel/Cyran, a. a. O., § 2 AMG Anm. 4). Eine aufgrund herrschender Verkehrsauffassung bestehende objektive Zweckbestimmung kann durch Werbung oder Gebrauchsanweisungen für das Mittel nicht geändert werden (Zipfel/Rathke, a. a. O., § 1 LMBG Rdnr. 34). Entscheidend ist, auch soweit bei neu auf den Markt gebrachten Mitteln Werbung oder Gebrauchsanweisungen von Bedeutung sein mögen, der objektive Aussagewert von Anpreisungen (vgl. zur Qualifizierung eines Erzeugnisses "Vitamin E plus Knoblauch" als Arzneimittel, obwohl der Hersteller das Erzeugnis als diätetisches Mittel "zur Nahrungsergänzung" anbot: OLG München, B. v. 04.01.1990 - 29 W 3133/89 -, LRE 25, 368). Die Verkehrsauffassung über die Arzneimitteleigenschaft eines Produktes kann sich im Laufe der Zeit durch Änderung der Verbrauchergewohnheiten ändern (BGH, U. v. 06.02.1976 - I ZR 125/74 -, NJW 1976, 1154). Insbesondere in der Grauzone zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln kommt es, da ein Mittel nicht gleichzeitig Arznei- und Lebensmittel sein kann, in Abgrenzung zu § 1 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes - LMBG - darauf an, ob Stoffe, die dazu bestimmt sind, vom Menschen verzehrt zu werden, überwiegend zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuß verzehrt werden. Die besondere Bedeutung dieser Abgrenzung ist insbesondere bei Stoffen zur Nahrungsergänzung, die grundsätzlich Lebensmittel sind (Zipfel/ Rathke, a. a. O., § 1, Rdnr. 37 b), zu denen insbesondere auch Vitamine gehören, zu beachten. Soweit es sich um die Deckung des normalen oder gesteigerten Bedarfs handelt, dienen Vitamine der Ergänzung der Ernährung und sind deshalb Lebensmittel. Vitaminpräparate können aber in starker, den Tagesbedarf um das Zweifache bis Dreifache übersteigender Dosierung gezielt und unmittelbar gegen bestimmte Mangel- und Krankheitserscheinungen eingesetzt werden. Dann dienen sie nicht mehr nur Zwecken der Ernährung, sondern unmittelbar Heilungs- und Vorbeugungszwecken (Zipfel/ Rathke, a. a. O., § 1 AMG Rdnr. 40, 41). Insoweit kommt es dann wiederum auf die nach der überwiegenden Verbrauchererwartung zu bestimmende objektive Zweckbestimmung eines Produktes an (VGH Baden-Württemberg, U. v. 19.07.1971 - I 377/70 -), die der subjektiven Zweckbestimmung durch den Hersteller vorgeht (BVerwG, U. v. 30.05.1985 - 3 C 53.84 -, BVerwGE 71, 318; OVG Hamburg, B. v. 20.12.1988 - Bs VI 76/88 -, ArztR 1989, 326). Ergibt sich aus den Kriterien für eine objektive Zweckbestimmung eines Erzeugnisses, daß es sich um ein Arzneimittel handelt, ändert an dieser Qualifizierung der subjektive Wille des Herstellers, sein Produkt als Lebensmittel zu vertreiben, nichts (VG Augsburg, U. v. 03.02.1986 - 5 K 85 A.1273 -, Kloesel/Cyran, a. a. O., E 38).

Auf der Grundlage der dargestellten Kriterien sind die von der Antragstellerin in Verkehr gebrachten "Ester C-vitamin Kapseln" als "Arzneimittel" zu qualifizieren. Zwar hat die Antragstellerin das Erzeugnis auf der Packung, in der Gebrauchsanweisung und in der Werbung als Mittel "zur Nahrungsergänzung" bezeichnet. Da aber aus den anderen heranzuziehenden, oben dargestellten Kriterien zu entnehmen ist, daß das Mittel nach der Verbrauchererwartung als Arzneimittel angesehen wurde, kommt es auf diese subjektive Zweckbestimmung des Herstellers ausweislich der Verpackung, Gebrauchsanweisung und Werbung für dieses Erzeugnis nicht entscheidend an. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß der Hersteller selbst maßgeblich die Erwartung der Verbraucher, daß es sich um ein Mittel mit arzneilichen Wirkungen handele, beeinflußt hat, ohne daß es insoweit auf eine strenge Kausalität der Presseberichte zu den arzneilichen Wirkungen des Erzeugnisses im Verhältnis zu den von dem Hersteller in die Öffentlichkeit gegebenen Informationen ankommt. Im vorliegenden Falle sind der Antragsgegner und das Verwaltungsgericht zu Recht zu der Feststellung gelangt, daß - soweit im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nachprüfbar - die objektive Verkehrsauffassung über die Zweckbestimmung der "Ester C-Vitamin Kapseln" überwiegend und maßgeblich durch die umfangreiche Presseberichterstattung zeitgleich mit der Einführung des Mittels auf dem deutschen Markt durch die Antragstellerin geprägt worden ist. Dazu wird auf die zutreffende Begründung des Bescheides des Antragsgegners vom 26. Juli 1993, Seite 3, 2. Absatz, bis Seite 7, 2. Absatz, Bezug genommen und insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO). Zudem folgt der Senat dazu ebenso den Ausführungen des Beschlusses des Verwaltungsgerichts, Seite 6, letzter Absatz, bis Seite 8, erster Absatz, und sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Zu den wesentlichen Argumenten der Antragstellerin gegen die Qualifizierung der "Ester C-vitamin Kapseln" als "Arzneimittel" weist der Senat ergänzend auf folgendes hin: Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob die Verbrauchererwartung durch ein Verhalten des Herstellers entstanden ist oder auf Presseberichten beruht, die dem Hersteller zurechenbar wären. Anders als im Wettbewerbsrecht, in dem es für einen Verstoß gegen § 1 UWG auf die Frage ankommt, ob für eine "getarnte Werbung" ein Hersteller (mit-)verantwortlich ist (vgl. dazu das von der Antragstellerin in bezug genommene Urteil des BGH, 18.02.1993, - I ZR 14/91 -), kommt es für die Frage, ob sich eine bestimmte Verbrauchererwartung im Hinblick auf ein Mittel herausgebildet hat, nicht auf die Frage an, ob dafür der Hersteller verantwortlich ist. Maßgeblich ist allein die Tatsache, daß von den Verbrauchern ein Mittel als "Arzneimittel" angesehen wird, auch wenn der Hersteller selbst - ausweislich seiner Verlautbarungen dazu - das von ihm erzeugte Mittel nicht so qualifiziert (vgl. dazu die oben genannte Rechtsprechung). Im übrigen ist allerdings unabhängig davon für den vorliegenden Fall darauf hinzuweisen, daß die in den Presseberichten enthaltenen Informationen, die durch die Verbreitung in auflagenstarken Zeitungen (vgl. "Bild" vom 01.03.1993 in der Kopfüberschrift auf der Titelseite) und Zeitschriften ganz maßgeblich auf die Verbrauchervorstellungen eingewirkt haben, in wesentlichen Teilen mit den Informationen übereinstimmen, die die Antragstellerin selbst nach ihren eigenen Angaben zur Weiterverbreitung an zwei Fachinformations-Agenturen gegeben hat. In dem demnach auf den Presseinformationen der Antragstellerin selbst beruhenden Bericht des Medizinischen Fach- und Informationsdienstes "Medical Mirror" werden im wesentlichen Wirkungen der "Ester C-vitamin Kapseln" dargestellt, die dann auch Gegenstand der Presseberichte in Zeitungen und Zeitschriften waren. So wird in diesem Bericht herausgestellt, diese "neue Form von Vitamin C" solle das Leben um 10 bis 15 Jahre verlängern, gegen Herzinfarkt, Arthritis, Krebs, frühe Falten, Grauen Star, Arteriosklerose und Rheuma wirken. "Bei höherer Dosierung" könne es die Erneuerung der Knochensubstanz ankurbeln, unmittelbar in den sogenannten Collagen-Stoffwechsel eingreifen, also in die Erneuerung des körperlichen Bindegewebes. Bei gleicher Dosierung entfalte "Ester C" im Vergleich zur Ascorbinsäure eine "vielfache Heilwirkung". Damit wird ganz eindeutig in diesem auf den Angaben der Antragstellerin beruhenden Bericht die arzneiliche Wirkung des "Ester C" herausgestellt. Die "vielfache Heilwirkung" steht im Zusammenhang mit den anderen dargestellten umfassenden Wirkungen des "Ester C" und hebt damit auf die Wirkung des Mittels als Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG ab, nach dem Arzneimittel Stoffe sind, die dazu bestimmt sind, krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern oder zu verhüten. Es unterliegt keinem vernünftigen Zweifel, daß durch diesen, auf Informationen der Antragstellerin beruhenden Bericht die Erwartung hervorgerufen wird, daß "Ester C" im dargestellten Sinne gegen krankhafte Beschwerden wie ein Arzneimittel wirke. Die inhaltlich mit diesem Bericht übereinstimmenden und zum Teil bezogen auf einzelne Körperteile ausschmückenden Berichte von Zeitschriften wie "Bild der Frau", "Goldene Gesundheit", "Frau aktuell" und der Bildzeitung stellen nur eine konsequente Popularisierung für eine breitere Verbraucher-Öffentlichkeit dar, unterscheiden sich aber in dem maßgeblichen Gesichtspunkt, "Ester C" arzneiliche Wirkungen beizulegen, von dem auf den Informationen der Antragstellerin beruhenden Bericht des "Medical Mirror" nicht.

Demgegenüber ist es nicht ausschlaggebend, daß - wie die Antragstellerin zur Begründung ihres Antrags im Schriftsatz vom 6. Oktober 1993 ausdrücklich feststellt - mit der in einer "Ester C-vitamin Kapsel" enthaltenen täglichen Dosis von 225 mg Vitamin C "eine therapeutische Wirkung nicht erzielt werden" könne und deshalb die Kapseln kein Arzneimittel darstellten. Dieser krasse Widerspruch zu dem Inhalt des auf den Informationen der Antragstellerin beruhenden "Medical Mirror"-Berichts ist für die hier maßgebliche Bestimmung der objektiven Verkehrsauffassung zur Qualifizierung von "Ester C-vitamin Kapseln" als Arzneimittel unerheblich, da die Antragstellerin diese deutliche Aussage ganz offensichtlich bis heute nicht in der Öffentlichkeit verbreitet hat. Vielmehr wird das Produkt von der Antragstellerin weiterhin zu einem - bezogen auf den Gehalt des Wirkstoffes Vitamin C - außergewöhnlich hohen Preis vertrieben.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist der Preis für das Produkt bezogen auf den Wirkstoff Vitamin C nicht um das Zehnfache, sondern um das mehr als Fünfzig- bis Sechzigfache höher als der Preis für reines Vitamin C in der Form von Ascorbinsäure- Pulver. Denn 60 "Ester C-vitamin Kapseln" enthalten insgesamt 15 g Vitamin C zu einem Preis von 49,50 DM, d. h. 100 g Vitamin C in dieser Form würden 330,-- DM kosten; der Preis für 100 g Vitamin C in der Form als Ascorbinsäure-Pulver beträgt ca. 6,-- bis 7,-- DM. Auch wenn mit der Antragstellerin zugrundegelegt wird, daß aufgrund der Herstellung der "Ester C-vitamin Kapseln" aus L-Ascorbinsäure, Calziumcarbonat, Gelatine und Laktose höhere Kosten entstehen, die durch den "Produktvorteil" der besseren Aufnahme im menschlichen Organismus gerechtfertigt seien, bedeutet doch, wie der Antragsgegner in seinem angegriffenen Bescheid nachvollziehbar dargelegt hat, ein um das Mehrfache erhöhter Preis für eine bestimmte Dosis Vitamin C für den Verbraucher, daß er solche extrem höheren Ausgaben in der Regel und bei vernünftiger Betrachtung nur dann vornehmen wird, wenn er davon ausgeht, daß - entgegen der Darstellung der Antragstellerin - therapeutische Wirkungen im Sinne des Arzneimittelbegriffs durch die Einnahme von "Ester C-vitamin Kapseln" zu erwarten sind. Insoweit spricht ebenso die mit diesem außergewöhnlich hohen Preis für ein Vitamin-Präparat beim Verbraucher erzeugte Erwartung für das Vorliegen eines Arzneimittels wie die den physiologischen Tagesbedarf mehrfach, und zwar hier dreifach übersteigende Dosierung sowie die spezielle Hervorhebung der besonders raschen Resorption im menschlichen Körper und besseren Verarbeitung, die zu den oben dargestellten "Heilwirkungen" führen sollen, dafür, daß es sich nach der objektiven Verkehrsauffassung um ein Arzneimittel handelt. Nach dem von der Antragstellerin initiierten Bericht des "Medical Mirror" soll die Einnahme von "Ester C" gerade gezielt zur Beseitigung, Linderung oder Verhütung bestimmter Krankheiten dienen, und zwar gerade durch seine bestimmte höhere Dosierung und besonderen Wirksamkeit aufgrund des speziellen Herstellungsverfahrens. Damit sind gerade die Voraussetzungen erfüllt, die nach den auch von der Antragstellerin herangezogenen Kriterien des Bundesgesundheitsamtes im Schreiben vom 29. Dezember 1987 und Ausführungen von Aßmann in "Begriffsbestimmungen und Zuständigkeiten im Arzneimittelwesen" für eine Qualifizierung eines Vitamin-Präparates als Arzneimittel dienen.

Ist somit festzustellen, daß ganz überwiegende Gesichtspunkte dafür sprechen, daß "Ester C-vitamin Kapseln" jedenfalls zur Zeit ihrer Markteinführung in Deutschland im Jahre 1993 als "Arzneimittel" zu qualifizieren waren, ist der Bescheid des Antragsgegners insoweit zutreffend und rechtmäßig. Soweit die Antragstellerin zutreffend darauf hinweist, daß es sich bei der Untersagung des Inverkehrbringens eines nicht zugelassenen Arzneimittels um einen Dauerverwaltungsakt handele, bei dem es auf die jeweilige Sach- und Rechtslage zum Ende der letzten mündlichen Verhandlung in einem gerichtlichen Verfahren ankomme, und insofern für den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht bewiesen sei, daß auch weiterhin eine objektive Verkehrsauffassung wie im Jahre 1993 zur Arzneimittel-Eigenschaft von "Ester C-vitamin Kapseln" bestehe, kann sie auch damit keinen Erfolg haben. Denn insoweit sprechen, jedenfalls bei summarischer Beurteilung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren, zunächst ausreichende Gründe dafür, daß diese Verkehrsauffassung fortbesteht, wenn es nicht nachvollziehbare Gründe für eine Änderung dieser Verkehrsauffassung gibt. Solche Gesichtspunkte, die zu einer Änderung der Verkehrsauffassung geführt haben könnten, hat weder die Antragstellerin dargelegt, noch sind sie im übrigen ersichtlich, zumal die Antragstellerin auch die auf ihrer Information beruhenden Berichte von Fach- und Informationsdiensten ersichtlich bisher weder korrigiert noch in anderer Weise in der Öffentlichkeit entgegengetreten ist.

Der Antragsgegner hat auch rechtmäßig die sofortige Vollziehung seiner rechtmäßigen Verfügung angeordnet. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO ausreichend begründet (vgl. S. 11, 2. Abs, bis S. 12, 1. Abs., des Bescheides). Der gesetzlichen Anforderung, daß in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen ist (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO), wird genügt, wenn mit einer auf den konkreten Fall abgestellten Begründung dem Adressaten die Möglichkeit gegeben wird, zu erkennen, aus welchen Gründen die Behörde die Anordnung der sofortigen Vollziehung vorgenommen hat (Kopp, a. a. O., § 80 Rdnr. 63). Der Antragsgegner hat in dem Bescheid dargelegt, weshalb er die sofortige Vollziehung seiner Untersagungsverfügung allein deshalb angeordnet hat, weil die Antragstellerin ein zulassungspflichtiges Arzneimittel in den Verkehr gebracht hat, ohne im Besitz der erforderlichen Zulassung zu sein. Er hat dies im Hinblick auf den mit der Zulassungspflicht bezweckten Verbraucherschutz und generalpräventiven Erwägungen begründet. Zudem hat er auch eine Abwägung mit den wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin vorgenommen. Damit genügt diese Begründung in vollem Umfang den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, der die Behörde vor allem dazu veranlassen soll, mit besonderer Sorgfalt die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu prüfen, und auf den Ausnahmecharakter der Anordnung hinweisen soll. Die von der Antragstellerin gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung unter dem Gesichtspunkt des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO vorgebrachten Argumente sind dagegen nicht durchgreifend. Die Antragstellerin verkennt insoweit, daß die Frage, ob materiell und im Ergebnis ein besonderes Vollziehungsinteresse im Einzelfall begründbar ist, keine Frage der formellen Begründungspflicht des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern der materiellen Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung ist. Auch mit dem Einwand, die Begründung gehe nicht über "allgemeine Überlegungen zur Zulassungspflicht von Arzneimitteln hinaus", kann die Antragstellerin keinen Erfolg haben. Denn nach der Struktur der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Antragsgegnerin, die - im Ergebnis, wie unten dargelegt, rechtmäßig - zugrundelegt, daß allein das Inverkehrbringen eines Arzneimittels ohne die erforderliche Zulassung die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung nach § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG rechtfertigt, erfordert gerade keine auf das spezielle Arzneimittel abgestellte individuelle Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in der Untersagungsverfügung ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin und des Verwaltungsgerichts auch materiell rechtmäßig. Es ist zwar zutreffend, daß das "Interesse" an der sofortigen Vollziehung im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ein besonderes Interesse sein muß, das über das Interesse am Vollzug des Verwaltungsaktes hinausgeht (Kopp, a. a. O., § 80 Rdnr. 52), es sei denn, daß ausnahmsweise das allgemeine Vollzugsinteresse und das besondere öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug wegen besonderer Gefahren zusammenfallen. Dabei ist auszugehen vom Zweck der gesetzlichen Eingriffsnorm und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit das Interesse des Adressaten des belastenden Verwaltungsaktes mit den öffentlichen Interessen abzuwägen (Kopp, a. a. O., § 80 Rdnr. 51, 53). Ein besonderes öffentliches Interesse kann danach insbesondere vorliegen, wenn der sofortige Vollzug des belastenden Verwaltungsaktes deshalb dringlich ist, weil die realistische Möglichkeit besteht, daß sich die Gefahr, deren Abwehr der Verwaltungsakt dienen soll, während des Rechtsschutzverfahrens realisieren kann. Zudem kann ein solches besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug auch vorliegen, wenn eine Maßnahme aus generalpräventiven Gründen erforderlich scheint (Bay. VGH, B. v. 02.10.1978 - 397 X 77 -, BayVBl. 1980, 87). Außerdem ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung grundsätzlich dann zulässig, wenn ohne Rücksicht auf bzw. Verstoß gegen das Erfordernis der Einholung einer vorherigen Erlaubnis, Genehmigung oder Zulassung für ein bestimmtes Handeln versucht wird, rechtswidrig Vorteile aus einer illegal angemaßten Rechtsposition zu ziehen. Dies gilt insbesondere für die sofortige Vollziehung bauordnungsrechtlicher Verfügungen, die auf das Unterbinden illegaler Baumaßnahmen oder illegaler Nutzungen gerichtet sind (vgl. dazu Kopp, a. a. O., § 80 Rdnr. 58 m. w. N.). Ähnliches gilt auch in anderen Rechtsbereichen, wie etwa dem Ausländerrecht, wo der im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AuslG unerlaubt eingereiste Ausländer allein deshalb die Bundesrepublik Deutschland wieder zu verlassen hat, weil er ohne das notwendige Visum eingereist ist, unabhängig davon, ob er (sogar) einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hätte (§ 71 Abs. 2 Satz 1, § 72 Abs. 1 Satz 1 AuslG, nach dem Widerspruch und Klage gegen die Ablehnung eines Antrag auf Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung keine aufschiebende Wirkung haben). Damit ist dort allein zur Durchsetzung der Visumspflicht unabhängig von der materiellen Rechtslage der Ausländer zur sofortigen Wiederausreise verpflichtet (vgl. dazu Hess. VGH, B. v. 27.10.1992 - 12 TH 1409/92 -, EZAR 622 Nr. 18). Insofern kommt es grundsätzlich darauf an, welche gesetzgeberische Konzeption als Zweck der Norm zugrundeliegt, auf der der belastende Verwaltungsakt beruht. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin und des Verwaltungsgerichts gibt es keinen Rechtssatz dahingehend, daß dann, wenn nicht von Gesetzes wegen die sofortige Vollziehung einer gesetzlich vorgesehenen Maßnahme angeordnet sei, nicht aus der Vorschrift selbst und dem Zweck der auf ihr beruhenden Maßnahme entnommen werden könnte, daß ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung dieser Maßnahme vorliegen könnte. Insoweit wird der Sinn und Zweck des § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG nicht ausreichend berücksichtigt.

Nach der gesetzlichen Begründung zu den §§ 59 bis 64 des ursprünglichen Entwurfs eines Arzneimittelgesetzes im Rahmen des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts - die dort als § 64 bezeichnete Norm wurde später § 69 - dienen die Vorschriften des 11. Abschnitts unter der Überschrift "Überwachung" dem Ziel, die Überwachung des Verkehrs mit Arzneimitteln zu verbessern und Verstößen "schnell und wirksam" zu begegnen. Zu § 64 (jetzt § 69 AMG) heißt es ausdrücklich, daß es damit den Behörden ermöglicht wird, "ein inkriminiertes Arzneimittel ohne aufwendige materielle Begründung dann aus dem Verkehr zu ziehen, wenn für das Arzneimittel eine Zulassung durch die zuständige Bundesoberbehörde nicht erteilt worden ist oder eine erteilte Zulassung zurückgenommen, widerrufen, erloschen ist oder wenn sie ruht" (BT-Drs. 7/3060, S. 59). Damit wird deutlich, daß es dem Gesetzgeber darauf ankommt, die Zulassungspflicht als solche unmittelbar durchzusetzen, ohne daß es auf weitere inhaltliche und materielle Prüfungen im Hinblick auf das ohne Zulassung vertriebene Arzneimittel ankommt. Zweck der Zulassungspflicht nach § 21 AMG ist es gerade, unabhängig von weiteren Kriterien, wie etwa der von einem Arzneimittel ausgehenden Risiken oder Gefahren im Einzelfall, generell das Inverkehrbringen eines Arzneimittels nur dann zu erlauben, wenn es vorher durch die zuständige Bundesoberbehörde geprüft und zugelassen worden ist. Der mit der Maßnahme nach § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG von dem Gesetzgeber intendierte Zweck, ohne Rücksicht auf spezifische Risiken oder Gefahren eines bestimmten Arzneimittels unterschiedslos für jedes Arzneimittel die Zulassungspflicht durchzusetzen, würde unterlaufen, wenn illegal, d. h. ohne Zulassung in den Verkehr gebrachte Arzneimittel bis zum rechtskräftigen Abschluß eines Rechtsschutzverfahrens - in der Praxis oft mehrere Jahre - unüberprüft vertrieben werden könnten. Dadurch könnten sich gerade die Risiken realisieren, deren Vermeidung die Untersagung des Inverkehrbringens dieses nicht zugelassenen Arzneimittels dient. Faktisch würde damit das Risiko gesundheitlicher Gefahren durch ein nicht zugelassenes Arzneimittel dem Verbraucher und damit der Öffentlichkeit aufgebürdet, was den Zweck der Zulassungspflicht nach § 21 AMG gerade zuwiderliefe. Nach der gesetzgeberischen Konzeption der Zulassungspflicht gemäß § 21 AMG und ihrer Durchsetzung durch die Maßnahme nach § 69 AMG, insbesondere § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG, stellt das Inverkehrbringen eines Arzneimittels als solches grundsätzlich ein Risiko für die Verbraucher dar, weshalb es generell, unabhängig vom jeweiligen Gefährdungspotential im Einzelfall, der vorherigen Überprüfung und Zulassung bedarf. Deshalb hat die Behörde entsprechend der gesetzlichen Begründung auch bei Erlaß einer Untersagungsverfügung keine weitere materielle Prüfung - außer der im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzung "Arzneimittel" im Sinne des § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG - vorzunehmen.

Dies gilt auch im Hinblick auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Denn anderenfalls wäre die Behörde gehalten, zur Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung gerade besondere Risiken und Gesundheitsgefahren, die von einem bestimmten Arzneimittel, das ohne Zulassung vertrieben wird, ausgehen, darzulegen, was nur aufgrund vorheriger pharmakologischer und medizinischer Prüfung möglich wäre. Damit würde aber der Gegenstand des Zulassungsverfahrens in das Untersagungsverfahren nach § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG verlagert, was erkennbar nicht der gesetzgeberischen Konzeption entspricht. Es reicht deshalb zur Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Maßnahme nach § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG generell aus, daß das mit dem Inverkehrbringen jedes Arzneimittels verbundene mögliche gesundheitliche Risiko vorliegt, vor dem die Verbraucher durch das Zulassungsverfahren geschützt werden sollen. Könnten nicht zugelassene Arzneimittel bis zum rechtskräftigen Abschluß eines Rechtsschutzverfahrens weitervertrieben werden, entstünde dadurch auf die Dauer in der Praxis ein zweigeteilter Arzneimittelmarkt mit zugelassenen und nicht zugelassenen Arzneimitteln, was ebenso erkennbar dem gesetzgeberischen Willen widerspricht.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist es deshalb nicht erforderlich, daß im Einzelfall für ein nicht zugelassenes Produkt der begründete Verdacht steht, es könne schädliche Wirkungen für den Verbraucher haben (wie für den Fall des Widerrufs der Zulassung für ein Arzneimittel in § 30 Abs. 3 Satz 2 AMG normiert). Vielmehr ist zugrundezulegen, daß eine inhaltliche Prüfung von Gesundheitsgefährdungen, die von einem nicht zugelassenen Arzneimittel ausgehen können, nicht im Rahmen des Untersagungsverfahrens nach § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG vorzunehmen ist, sondern diese Untersagung gerade zur unbedingten Durchsetzung der Zulassungspflicht nach § 21 AMG sofort vollzogen werden kann, weil sich das mit dem Inverkehrbringen eines nicht zugelassenen Arzneimittels verbundene Gesundheitsrisiko generell sofort realisieren kann. Der Antragsgegner hat deshalb rechtmäßig begründet, daß ein besonderes öffentliches Interesse daran besteht, daß die Untersagung des Inverkehrbringens des nicht zugelassenen Arzneimittels "Ester C-vitamin Kapseln" der Antragstellerin sofort vollzogen wird (so grundsätzlich im Ergebnis auch: Kloesel/Cyran, a. a. O., § 69 Anm. 4 a; OVG Lüneburg, B. v. 02.04.1985 - 80 VG B 5/83 -, Kloesel/Cyran, a. a. O., E 32). Dem steht entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht entgegen, daß bei Vitamin C-Präparaten schädliche Wirkungen für den Verbraucher, "die über ein bestimmtes Maß hinausgehen", nicht bekannt seien. Das Verwaltungsgericht verkennt insoweit, daß Gesundheitsrisiken im Hinblick auf den Vertrieb nicht zugelassener Arzneimittel nicht in Wirkungen oder Nebenwirkungen des Arzneimittels selbst liegen müssen, sondern auch darin, daß das Arzneimittel für den aufgrund objektiver Verkehrsauffassung mit seiner Anwendung verfolgten Zweck der Heilung oder Vorbeugung von Krankheiten untauglich ist. Da die "Ester C-vitamin Kapseln" gerade auch deshalb als "Arzneimittel" zu qualifizieren sind, weil nach der durch Presseberichte gebildeten Verkehrsauffassung damit "eine vielfache Heilwirkung" im Hinblick auf Herzinfarkt, Arthritis, Krebs, Rheuma u. a. erreicht werden soll, liegen gesundheitliche Risiken der Anwendung dieses Arzneimittels gerade darin, daß statt dieses Mittels, das nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin im vorliegenden gerichtlichen Verfahren (vgl. Schriftsatz zur Antragsbegründung vom 6. Oktober 1993) eine therapeutische Wirkung nicht hat, wirksame Arzneimittel gegen diese Krankheiten nicht genommen werden oder ganz generell eine wirksame therapeutische Behandlung von Anwendern der "Ester C-vitamin Kapseln" unterlassen wird. Auch im Hinblick auf dieses gesundheitliche Risiko, das durch die Zulassungspflicht für Arzneimittel ausgeschaltet werden soll, besteht deshalb ein besonderes öffentliches Interesse am Vollzug der Untersagungsverfügung gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG. Im Ergebnis ist deshalb festzustellen, daß im Interesse des überragend wichtigen Gemeinschaftsguts der Gesundheit der Verbraucher in Deutschland die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Untersagung des Inverkehrbringens von nicht zugelassenen Arzneimitteln zur Abwehr von damit generell möglicherweise verbundenen gesundheitlichen Risiken gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG rechtmäßig ist.

Die Antragstellerin hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen, weil sie unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 14 analog, 20 Abs. 3 GKG. Der Senat legt im vorliegenden Falle den Streitwert für die Hauptsache zugrunde, da die Untersagung des Inverkehrbringens des Arzneimittels mit Sofortvollzug für die Zeit bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verwaltungsverfahrens und eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens den Vertrieb dieses Arzneimittels unmöglich macht und auch danach dadurch entgangene Umsätze nicht mehr auszugleichen sind. Der Senat zieht für die Festsetzung des Streitwerts in ständiger Rechtsprechung den (auch allgemein in der Verwaltungsgerichtsbarkeit weitgehend zugrundegelegten) Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 1991, 156) heran. Zwar ist dort für Vertriebsverbote im Arzneimittelrecht kein spezifischer Streitwert vorgesehen. Es erscheint aber sachgerecht, einen entsprechenden Ansatz für Verkaufsverbote im Lebensmittelrecht anzuwenden. Danach ist der Verkaufswert der betroffenen Waren zugrundezulegen. Der Senat geht bei vorsichtiger Schätzung davon aus, daß für die Zeit von der Zustellung der Untersagungsverfügung des Antragsgegners vom 26. Juli 1993 bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verwaltungs- bzw. eines gerichtlichen Verfahrens die Antragstellerin mit "Ester C-vitamin Kapseln" (mindestens) Umsätze in Höhe eines Verkaufswerts diese Produkts von 100.000,-- DM erzielt.






Hessischer VGH:
Beschluss v. 14.02.1996
Az: 11 TG 1144/95


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/db19b916717c/Hessischer-VGH_Beschluss_vom_14-Februar-1996_Az_11-TG-1144-95




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