Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Urteil vom 24. November 2011
Aktenzeichen: 2 S 2241/11
(VGH Baden-Württemberg: Urteil v. 24.11.2011, Az.: 2 S 2241/11)
"Zustehende" Erstattungsansprüche im Sinne des § 30 Abs. 6 S. 4 der Satzung der Postbeamtenkasse sind nicht nur solche, die durch Bescheid oder gerichtliche Entscheidung zuerkannt sind.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. Januar 2011 - 8 K 2530/10 -aufgehoben, soweit es den Klageantrag 1 betrifft, und das Verfahren insoweit an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der neuen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Bewilligung von Leistungen der Beklagten.
Der Kläger ist ein in Köln niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin. Der Vorstand der Beklagten beschloss am 5.6.2001,die vom Kläger gestellten Rechnungen gemäß § 49 Abs. 5 der Satzung der Beklagten von der Erstattung auszuschließen. Mit Beschluss vom 24.5.2004 bestätigte der Vorstand der Beklagten diese Entscheidung.Auf die Klage einer von dem Ausschluss betroffenen Patientin des Klägers (Frau XXX) hob der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Urteil vom 10.5.2010 (13 S 2825/09) den Ausschluss mit der Begründung auf, die Ermächtigung des § 26c Abs. 1 BAPostG, wonach die Postbeamtenkrankenkasse durch Satzung ihre Organisation und Verwaltung sowie ihre Leistungen regele, stelle keine hinreichende Rechtsgrundlage für die in § 49 Abs. 5 der Satzung getroffene Regelung dar.
Mit Schreiben vom 21.1.2009 beantragte der Kläger Einsicht in die Frau XXX betreffenden Akten. In ihrer Antwort vom 9.2.2009 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass sich das Recht auf Akteneinsicht gemäß § 29 VwVfG auf die ein anhängiges Verfahren betreffenden Akten beschränke, und bat den Kläger deshalb, seinen Antrag durch genauere Bezeichnung der anhängigen Verfahren zu konkretisieren.
Frau XXX hat am 9.7.2010 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben mit den Anträgen, die Beklagte zu verpflichten, (1.) die Beklagte zu verpflichten, die von ihr näher bezeichneten Erstattungsanträge aus den Jahren 2006 bis 2009 zu bescheiden, den Grundversicherungsanteil von 30 % in Höhe von insgesamt 25.169,58EUR nebst Zinsen an sie zu bezahlen und (2.) ihr Akteneinsicht in alle Leistungsunterlagen seit Anfang des Jahres 1999 und in sämtliche Unterlagen zur Beschlussfassung über die zweite Ausschlussentscheidung des Klägers vom 24.5.2004 zu gewähren. Frau XXX hat am 12.8.2010 ihre Erstattungsansprüche "aus den Behandlungsliquidationen" des Klägers an diesen abgetreten.Der Kläger ist daraufhin mit Einverständnis von Frau XXX an deren Stelle in das Verfahren eingetreten. Die Beklagte hat dem Parteiwechsel zugestimmt.
Zur Begründung der Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte habe nach dem Ergehen des Urteils des VGHBaden-Württemberg genügend Zeit gehabt, um die gestellten Erstattungsanträge zu bescheiden. § 30 Abs. 6 der Satzung lasse eine Abtretung der dem Versicherten zustehenden Ansprüche an den Erbringer der Leistungen ausdrücklich zu. Mit der Abtretung habe Frau XXX das mit dem Erstattungsantrag verbundene Recht auf Akteneinsicht mit übertragen. Dies ergebe sich aus den §§ 1, 7 IFG.§ 5 IFG stehe einer Akteneinsichtnahme nicht entgegen, da Frau XXXin die Einsichtnahme eingewilligt habe.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Die Klage sei unzulässig, da der Kläger nicht die Verletzung von eigenen subjektiven Rechten geltend machen könne. Bei den Ansprüchen auf Kassenleistungen handele es sich um höchstpersönliche Rechte, die der Kläger nicht im eigenen Namen geltend machen könne. Nach § 30Abs. 6 S. 2 der Satzung sei zwar ausnahmsweise die Abtretung des zustehenden und noch nicht ausgezahlten Erstattungsanspruchs an den Gläubiger zulässig, bei dem die erstattungsfähigen Kosten erwachsen seien. Zustehende Erstattungsansprüche im Sinne dieser Regelung seien aber nur durch Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung zuerkannte Ansprüche. Für das ausschließlich ihren Mitgliedern zustehende höchstpersönliche Akteneinsichtsrecht gelte das Gleiche.Für einen von einem Erstattungsanspruch losgelösten Auskunftsanspruch sei ein Rechtsschutzinteresse des Klägers nicht erkennbar.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 19.1.2011abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Soweit der Kläger Ansprüche aus von Frau XXX abgetretenen Leistungsansprüchen begehre, sei die Klage bereits unzulässig, da dem Kläger insoweit die Klagebefugnis fehle. Bei den Ansprüchen auf Kassenleistungen handele es sich um höchstpersönliche Rechte, die der Kläger nicht im eigenen Namen geltend machen könne. Nach § 30 Abs. 6 S. 2 der Satzung der Beklagten könne der auf Erstattung der in der Satzung festgelegten Leistungen nicht abgetreten werden. Zulässig sei nur die Abtretung des zustehenden und noch nicht ausgezahlten Erstattungsanspruchs an den Gläubiger, bei dem die erstattungsfähigen Kosten erwachsen seien. Bei den an den Kläger abgetretenen Ansprüchen handele es sich aber nicht um zustehende Erstattungsansprüche im Sinne des § 30 Abs. 6 S. 4 der Satzung.Zustehend im Sinne dieser Regelung seien nur durch Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung zuerkannte Ansprüche. Die Regelung finde ihre Rechtsgrundlage in den §§ 26a Abs. 2, 25 c Abs. 1BAPostG und sei nicht zu beanstanden. Aufgrund der Unwirksamkeit der Abtretung könne insoweit auch kein Auskunftsanspruch des Klägers bestehen. Ein Auskunftsanspruch des Klägers ergebe sich auch nicht aus den §§ 1, 7 IFG. Bei den von ihm begehrten Auskünften handele es sich um Informationen über besondere personenbezogene Daten im Sinne des § 3 Abs. 9 BDSG. Solche Daten dürften nur übermittelt werden, wenn der betroffene Dritte ausdrücklich eingewilligt habe. An dieser Einwilligung fehle es.Sie könne insbesondere nicht in der nach § 30 Abs. 6 S. 4 der Satzung unwirksamen Abtretung der Leistungsansprüche durch Frau XXXgesehen werden.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 9.8.2011 zugelassene Berufung des Klägers.Soweit sich der Kläger gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über den von ihm erhobenen Auskunftsanspruch wendet, hat der Senat das Verfahren mit Beschluss vom 24.11.2011abgetrennt.
Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger geltend, die allgemeine Ermächtigung in § 26c Abs. 1 BAPostG stelle keine Rechtsgrundlage für den Erlass einer Satzungsbestimmung dar, mit welcher die Abtretung der Ansprüche auf Erstattung der in der Satzung der Beklagten festgelegten Leistungen grundsätzlich ausgeschlossen werde. § 30Abs. 6 der Satzung der Beklagten verstoße zudem gegen den Grundsatz der Normenklarheit, da der Bestimmung nicht zu entnehmen sei, was unter einem "zustehenden" Anspruch zu verstehen sei. Die Bestimmung verstoße ferner gegen sämtliche zivilrechtliche Grundsätze der Forderungsabtretung. Der Beklagten sei es unabhängig davon versagt, sich auf ein etwaiges Abtretungsverbot zu berufen,da sie damit ihren rechtswidrigen Boykott seiner Praxis fortsetze und ihn in der freien Ausübung seines Gewerbes beeinträchtige.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. Januar 2011- 8 K 2530/10 - zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, auf die folgenden Erstattungsanträge Leistungen in Höhe von insgesamt 24.630,79 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu bewilligen und an ihn auszubezahlen.
LeistungsantragRE-DatumBetrag (EUR)BescheidErstattet2.4.20053.4.200645,0127.3.200682,7129.3.2006287,4529.3.200644,6610.5.20069.5.20061336,265.4.20061739,9029.6.20061108,48119,54194,4259,8165,13123,45222,3814.11.200611.10.20061872,0711.10.2006740,0727.9.2006165,4425.9.200666,4631.8.200619,7921.8.200679,8415.8.20069,548.9.200685,4412.9.200627,9928.11.200624.10.20061481,7325.1.2007/9.2.2009010.11.200673,93019.10.200649,49028.9.200626,7306.10.200676,0006.10.2006176,2006.10.200673,0421,9131.10.2006149,4703.11.200687,80012.12.200622.11.20061469,964.5.2007/9.2.2009022.11.2006735,34020.11.2006148,40029.11.2006108,19017.11.20069,76013.2.20072.1.20071141,094.5.2007022.1.20071496,35022.1.2007691,1321.12.200902.1.2007135,64015.12.20066,2209,80017.1.200771,19025.3.200727.2.20071376,899.2.2009027.2.2007634,19012.3.200770,63012.3.20079,80020.2.2007105,7605.5.200722.3.20071350,156.7.2007019.4.20071669,77018.4.2007756,10028.5.200721.5.20071284,6125.6.2007019.4.200780,57011.5.200743,59018.5.200712,26080,1120,0627.7.200724.7.20071137,651.10.2007024.4.2007902,29014.5.200759,1114,586.6.20078,832,654.6.200716414,5925.6.200740,633,9619.7.2007137,6314,5914.9.20079.8.20071261,2018.10.2007023.8.20071242,89023.7.200710,50021.8.200763,6608.11.200723.9.20071034,9826.12.2007025.10.20071335,00025.10.2007843,25026.7.20073,5809.8.200759,11017.9.200786,3501.10.200719,1808.10.2007129,87029.10.200762,6909.1.200820.11.20071651,4622.1./25.2.2008020.11.2007792,40018.12.20071625,14018.12.2007615,01017.12.200769,19022.11.200789,7005.3.200828.1. 20081302,448.5.2008797,8519.2.2008887,14936,1519.2.20081863,36010.1.200870,63026.3.200817.3.20081470,3926.5.2008059,8617,9621.12.200769,1907.2.200831,0006.3.200883,4504.5.200810.4.2008623,709.7.2008010.4.20081524,34018.5.200814.5.20081449,3923.7.2008014.5.2008856,3203.4.2008124,6214,5822.4.200881,7314,5822.6.200810.6.20081199,8822.6.2008027.7.200822.7.2008687,7826.2.2009022.2.20081271,09023.5.200880.95019.6.2008105,74015.7.20086,75020.8.200814.8.20081111,8216.3.20090137,9541,387.10.20084.9.2008989,1321.2.200904.9.20081385,11010.7.2008154,11011.7.200810,50028.7.200869,74028.8.200869,19015.9.200837,4205.11.200814.10.20081497,36014.10.2008150,8809.1.200925.11.20082095,1708.1.20091657,8808.1.2009932,39024.10.2008107,19010.11.200846,3305.12.2008100,29010.3.200911.2.20091530,6705.4.200921.1.20091851,8826.6.2009021.1.2009215,89025.3.20091479,61017.5.200921.4.20091493,54021.4.20091179,4806.5.20091550,4206.5.2009219,2003.4.2009136,74012.5.200933,77028.6.200910.6.20091282,0725.8.2009010.6.2009742,0804.5.200981,43022.5.20093,5804.8.200930.7.20091377,8521.12.200903.7.2009691,1308.6.200990,04025.6.2009115,36030.7.20095,28031.8.200920.6.20091712,0715.10.2009/23.4.2010020.6.2009809,7506.7.200913,77017.7.2009136,73025.9.200916.9.20091258,082.4.201007.9.2009134,60031.8.200966,09026.10.200913.10.20091268,304.11.20098014.9.200913,70024.9.200999,67022.11.20099.11.20091.656,6930.3.201009.11.2009884,9403.1.201010.12.20091.435,2816.4./23.4.2010010.12.2009153,1732,9919.10.200913,704,1123.10.2009129,876,162.11.200963,956,1617.2.20104.2.2010857,622.4.2010014.1.20101.605,55030.11.200942,72015.12.200966,0964.1.2010149,556
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,hilfsweise das Verfahren an das Verwaltungsgericht zurück zu verweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht ergänzend geltend: Das in ihrer Satzung geregelte Abtretungsverbot werde von der Ermächtigung in § 26a Abs. 1 BAPostG gedeckt und sei auch im Übrigen wirksam. Die in § 30 Abs. 6 S. 4 der Satzung geregelten Ausnahmeregelung erlaube nur die Abtretung der durch einen entsprechenden Bescheid zuerkannten Leistungen. Die Regelung diene sowohl den Interessen ihrer Mitglieder als auch dem Interesse der behandelnden Ärzte. Soweit sich ein Mitglied in finanziellen Schwierigkeiten befände, sei es ihm in vielen Fällen nur durch eine Abtretung des Erstattungsanspruchs an den behandelnden Arzt möglich, eine ärztliche Behandlung zu erlangen. Im Gegenzug zu den nicht rückgewährfähigen ärztlichen Leistungen erhalte der behandelnde Arzt durch die Abtretung einen Sicherungsanspruch, der zumindest einen Teil seiner Honorarforderung decke.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
Gründe
I. Soweit sich die Berufung des Klägers auf den Auskunftsanspruch des Klägers bezieht, hat der Senat das Verfahren abgetrennt. Über die Berufung des Klägers ist daher im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nur insoweit zu entscheiden, als der Kläger sich gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über den ursprünglichen Klageantrag 1 wendet.
II. Die Berufung des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den ursprünglichen Klageantrag 1 zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Der Senat macht deshalb von der Befugnis des § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO Gebrauch und verweist das Verfahren insoweit auf den Hilfsantrag der Beklagten an das Verwaltungsgericht zurück.
1. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dem Kläger fehle für den ursprünglichen Klageantrag 1 die erforderliche Klagebefugnis, da die von Frau XXX erklärte Abtretung der ihr gegen die Beklagte zustehenden Erstattungsansprüche an den Kläger gegen die Satzung der Beklagten verstoße und deshalb unwirksam sei. Das trifft nicht zu. Die von Frau XXX erklärte Abtretung ihrer Erstattungsansprüche an den Kläger ist wirksam.
a) Im Zeitpunkt der von Frau XXX erklärten Abtretung (12.8.2010) galt die Satzung der Beklagten in ihrer Fassung vom 1.7.2010 (76. Änderung). Nach § 30 Abs. 6 S. 2 der Satzung in der Fassung vom 1.7.2010 kann der Anspruch auf Erstattung der in den §§ 31 bis 48 festgelegten Leistungen grundsätzlich nicht abgetreten werden. Etwas anderes gilt allerdings gemäß § 30 Abs. 6 S. 4 der Satzung für die Abtretung des "zustehenden und noch nicht ausgezahlten Erstattungsanspruchs an die Gläubigerin bzw. den Gläubiger, bei der bzw. dem die erstattungsfähigen Kosten erwachsen sind".
b) Die von Frau XXX an den Kläger abgetretenen Erstattungsansprüche beziehen sich auf vom Kläger erbrachte ärztliche Leistungen. Der Kläger ist daher Gläubiger im Sinne des § 30 Abs. 6 S. 4 der Satzung. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts ist die von Frau XXX erklärte Abtretung gleichwohl deshalb unwirksam, da es sich bei den an ihn abgetretenen Ansprüchen nicht um "zustehende Erstattungsansprüche" handele. Denn unter zustehenden Erstattungsansprüchen im Sinne des § 30 Abs. 6 S. 4 der Satzung seien nur durch Bescheid oder gerichtliche Entscheidung zuerkannte Ansprüche zu verstehen.
Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Der Umstand, dass die an den Kläger abgetretenen Ansprüche im Zeitpunkt der Abtretung nicht durch Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung zuerkannt waren, ist unschädlich, da § 30 Abs. 6 S. 4 der Satzung von "zustehenden" und nicht von "zuerkannten" Ansprüchen spricht. Nach ihrem Wortlaut genügt daher das bloße Bestehen eines Anspruchs. Der Anspruch auf Gewährung der in den §§ 31 bis 48 der Satzung festgelegten Leistungen wird mit dem Entstehen einer erstattungsfähigen Aufwendung begründet. Für das Entstehen einer solchen Aufwendung ist seinerseits maßgebend, dass der Leistungserbringer (behandelnder Arzt, Krankenhausträger oder Apotheker) seine Hauptleistung erbracht hat und damit der Zahlungsanspruch aus dem zivilrechtlichen Vertrag begründet worden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.4.2010 - 2 C 77.08 - NVwZ 2010, 1568 für das Entstehen des beamtenrechtlichen Beihilfeanspruchs). Die Begründung des Anspruchs setzt somit keinen Erstattungsantrag voraus, geschweige denn das Ergehen eines Bescheids, mit dem die betreffenden Aufwendungen als erstattungsfähig anerkannt und die dafür nach der Satzung der Beklagten festgelegten Leistungen bewilligt werden.
Zu einer einschränkenden Auslegung des § 30 Abs. 6 S. 4 der Satzung besteht auch im Hinblick auf den mit dieser Regelung verfolgten Zweck keine Veranlassung. Die Beklagte gewährt die in ihrer Satzung festgelegten finanziellen Leistungen, um ihre Mitglieder von den Aufwendungen in Krankheitsfällen zu entlasten. In § 30 Abs. 6 S. 2 der Satzung wird dementsprechend eine Abtretung des Anspruchs auf diese Leistungen grundsätzlich ausgeschlossen. Von diesem Verbot macht § 30 Abs. 6 S. 4 der Satzung jedoch eine Ausnahme für den Fall, dass der Anspruch an den Gläubiger abgetreten wird, bei dem die erstattungsfähigen Kosten erwachsen sind. Dem liegt offenbar die Überlegung zugrunde, dass die Abtretung des Erstattungsanspruchs in dieser Fallgestaltung dem der Erstattung zugedachten Zweck nicht widerspricht, da sie zur Befriedigung des Erbringers der Leistungen dient, die zu den betreffenden Aufwendungen geführt haben. Diese Überlegung greift auch dann, wenn der Anspruch nicht durch Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung zuerkannt worden ist.
Das Gleiche gilt, soweit die Beklagte die Regelung in § 30 Abs. 6 S. 4 der Satzung damit erklärt, dass sie sowohl den Interessen ihrer Mitglieder als auch dem Interesse der behandelnden Ärzte diene. Die Beklagte hat dazu näher ausgeführt, einem Mitglied, dessen Zahlungsfähigkeit in Zweifel stehe, sei es in vielen Fällen nur durch eine Abtretung des Erstattungsanspruchs an den behandelnden Arzt möglich, eine ärztliche Behandlung zu erlangen. Im Gegenzug zu den nicht rückgewährfähigen ärztlichen Leistungen erhalte der behandelnde Arzt durch die Abtretung einen Sicherungsanspruch, der zumindest einen Teil seiner Honorarforderung decke. Auch unter diesem Aspekt ist eine Rechtfertigung, die Abtretbarkeit auf bereits durch Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung zuerkannte Ansprüche zu beschränken, nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Verfolgt § 30 Abs. 6 S. 4 der Satzung der Beklagten den Zweck, Mitgliedern, an deren Zahlungsfähigkeit Zweifel bestehen, die Möglichkeit einer ärztlichen Behandlung zu verschaffen, indem ihnen das Recht eingeräumt wird, die ihnen gegen die Beklagte zustehenden Erstattungsansprüche schon vor der Behandlung an den die Behandlung vornehmenden Arzt abzutreten, verbietet sich von vornherein die Annahme, mit zustehenden Ansprüchen im Sinne der Vorschrift seien nur durch Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung zuerkannte Ansprüche gemeint.
2. Gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils an das Verwaltungsgericht zurückverweisen, wenn dieses noch nicht in der Sache selbst entschieden hat und ein Beteiligter die Zurückverweisung beantragt.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im vorliegenden Fall gegeben. Das Verwaltungsgericht hat den ursprünglichen Klageantrag 1 zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Ob und in welcher Höhe dem Kläger auf die in seinem Antrag bezeichneten Anträge Leistungen nach der Satzung der Beklagten zu bewilligen sind, hat das Verwaltungsgerichtdementsprechend nicht geprüft. Der Senat sieht es nicht als seine Aufgabe an, diese umfangreiche Prüfung nachzuholen, und verweist deshalb auf den Hilfsantrag der Beklagten das Verfahren hinsichtlich des Klageantrags 1 gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO an das Verwaltungsgericht zurück.
Die Kostenentscheidung bleibt der neuen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht vorbehalten.
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Beschluss
Der Streitwert wird unter Änderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts sowohl für das Berufungsverfahren als auch für das erstinstanzliche Verfahren auf jeweils 24.629,88 EUR festgesetzt.
Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert für den Klageantrag 1 zu Unrecht auf 27.145,84 EUR festgesetzt. Die Beträge der vom Kläger aufgeführten Rechnungen addieren sich auf 90.483,12 EUR. Der Kläger hat dabei aber insgesamt fünf Rechnungen mit einem Gesamtbetrag von 1.795,97 EUR doppelt aufgeführt. Nach der Aufstellung des Klägers hat die Beklagte außerdem auf die bezeichneten Rechnungen einen Betrag von 1.976,26 EUR erstattet. Der Kläger begehrt dementsprechend mit seinem Klageantrag 1 Leistungen von insgesamt (nur) 24.629,88 EUR.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
VGH Baden-Württemberg:
Urteil v. 24.11.2011
Az: 2 S 2241/11
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