Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. März 2006
Aktenzeichen: 17 W (pat) 89/03
(BPatG: Beschluss v. 02.03.2006, Az.: 17 W (pat) 89/03)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die vorliegende Patentanmeldung ist am 28. September 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Bezeichnung
"Kontinuierliche Erfassung und Analyse von Gewebeveränderungen"
eingereicht worden.
Die Prüfungsstelle für Klasse G 06 K hat mit Beschluss vom 28. August 2003 die Anmeldung mangels Neuheit zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde des Anmelders gerichtet.
Er beantragt, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Gemäß Hauptantrag mit Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Patentansprüchen 2 bis 14 vom Anmeldetag und der noch anzupassenden Beschreibung Seiten 1 bis 7 vom 15. Januar 2003;
gemäß Hilfsantrag mit Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Patentansprüchen 2 bis 14 gemäß Hauptantrag und noch anzupassender Beschreibung.
Die geltenden Ansprüche 1 nach Haupt- und Hilfsantrag lauten:
Hauptantrag:
"Verfahren zur Erfassung von Gewebeveränderungen mit den folgenden Schritten:
a) eine Gewebestrukturerfassung wird für mindestens ein Teilvolumen eines Patientenkörpers erstellt und alle Daten aus der Gewebestrukturerfassung werden gespeichert;
b) nach einer vorbestimmten Zeitspanne wird mindestens einmal für das Teilvolumen bzw. den gesamten Patientenkörper nochmals eine Gewebestrukturerfassung erstellt, deren Daten wiederum gespeichert werden;
c) die Daten zweier oder mehrerer, nacheinander erfolgter Gewebestrukturerfassungen werden für das Teilvolumen bzw. den gesamten Patientenkörper computergestützt positionell zugeordnet und verglichen;
d) Veränderungen des Patientengewebes, die sich aus unterschiedlichen Daten für jeweilige zugeordnete Körperabschnitte ergeben, werden computergestützt erfasst und ausgegeben."
Hilfsantrag :
"Verfahren zur Erfassung von Gewebeveränderungen mit folgenden Schritten:
a) eine Gewebestrukturerfassung wird für mindestens ein Teilvolumen des Patientenkörpers erstellt und alle Daten aus der Gewebestrukturerfassung werden gespeichert;
b) nach einer vorbestimmten Zeitspanne wird mindestens einmal für das Teilvolumen bzw. den gesamten Patientenkörper nochmals eine Gewebestrukturerfassung erstellt, deren Daten wiederum gespeichert werden;
c) die Daten zweier oder mehrerer, nacheinander erfolgter Gewebestrukturerfassungen werden für das Teilvolumen oder den gesamten Patientenkörper computergestützt positionell zugeordnet und verglichen;
d) Veränderungen des Patientengewebes, die sich aus unterschiedlichen Daten für jeweilige zugeordnete Körperabschnitte ergeben, werden computergestützt erfasst und ausgegeben, wobeie) Filter verwendet werden, durch die mit Sicherheit nicht krankhafte Veränderungen vernachlässigt werden."
Zu den jeweiligen untergeordneten Ansprüchen und zu den sonstigen Unterlagen wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg, da weder nach Haupt- noch nach Hilfsantrag eine patentierbare Erfindung vorliegt, §§ 1 Abs. 1, 4 PatG.
1. Hauptantrag 1.1. Die Anmeldung bezieht sich auf ein Verfahren zur Erfassung von Gewebeveränderungen. In der Beschreibungseinleitung wird auf die Wichtigkeit der Früherkennung von Gewebeveränderungen insbesondere für eine erfolgversprechende Bekämpfung von Krebserkrankungen hingewiesen. Die bekannten Früherkennungsmethoden, z. B. die Entnahme und Analyse von Körperflüssigkeiten, die Abtastung oder in der Apparatemedizin auch die Betrachtung von Tomographieaufnahmen sowie Ultraschallaufnahmen einzelner Körperteile, werden insoweit als nachteilig geschildert, als sie nur "Momentaufnahmen" lieferten und es deshalb nicht zuließen, das Wachstum einer Gewebeveränderung festzustellen. Des Weiteren sei es auch für geübte Ärzte schwierig, aus einem solchen einzelnen Bild krankhafte Gewebeveränderungen auszulokalisieren.
Demgegenüber wird die anmeldungsgemäße Aufgabe darin gesehen, ein Verfahren zur Erfassung von Gewebeveränderungen bereitzustellen, welches die angesprochenen Nachteile überwindet.
Die Lösung dieser Aufgabe ist dem vorstehend wiedergebenenen Anspruch 1 gemäß Hauptantrag zu entnehmen.
Die in diesem Anspruch enthaltene technische Lehre ist für den Fachmann, einen Diplom-Informatiker mit mehrjähriger einschlägiger Berufserfahrung, der sich in medizinischen Fragen ärztlich beraten lässt, nachvollziehbar.
1.2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ist nicht neu.
Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt wurde folgender Stand der Technik herangezogen:
D1) US 5 779 634 D2) DE 197 26 226 A1 D3) DE 198 29 230 A1 (ält. Anm.)
D4) DE 199 20 300 A1 (ält. Anm.).
In der Terminsladung wurde ergänzend auf die Druckschrift D5) "IEEE Transactions on Image Processing", März 1994, S. 128-138, hingewiesen.
Dem Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag steht die ältere Anmeldung gemäß Druckschrift D4 neuheitsschädlich entgegen. Das in dieser Anmeldung offenbarte Verfahren dient zum Erfassen pathologischer Veränderungen im menschlichen Körper, worunter auch Gewebeveränderungen fallen (Sp. 2, Z. 10-15). Beim Verfahren gemäß D4 wird - in Übereinstimmung mit den Merkmalen a) und b) - in regelmäßigen Zeitabständen, z. B. einmal jährlich, der Körper der zu untersuchenden Person (mittels MRI-Scannung) abschnittsweise, d. h. in Teilvolumina, erfasst, hieraus jeweils ein 3D-Bilddatensatz gewonnen und dieser in einem 3D-Bilddatenspeicher abgelegt (Sp. 1, Z. 32-43; Ansprüche 1 bis 3). Beim bekannten Verfahren wird ein (Hochleistungs-)Computer eingesetzt (Sp. 4, Z. 62), der folglich auch den eigentlichen Vergleich der zeitlich nacheinander aufgenommenen und gespeicherten 3D-Bilddatensätze vornimmt (Sp. 2, Z. 32, 33). Hierbei werden selbstverständlich mit Hilfe des Computers auch die in diesen Bilddatensätzen erfassten Gewebestrukturen einander positionell zugeordnet, denn andernfalls wäre das Ziel des Vergleichs dieser Bilddatensätze, nämlich krankhafte Veränderungen ermitteln zu können (Sp. 1, Z. 30; Sp. 4, Z. 46, 47), nicht möglich. Beim bekannten Verfahren werden Gewebeveränderungen, z. B. der Leber oder Prostata, computergestützt erfasst und beispielsweise in Gestalt einer Grauwertanalyse ausgegeben (Sp. 2, Z. 33-39; Anspruch 9). Demnach lassen sich der älteren Anmeldung gemäß D4 auch die Merkmale c) und d) und somit alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag entnehmen. Folglich ist dieser Anspruch mangels Neuheit seines Gegenstandes nicht gewährbar.
2. Hilfsantrag 2.1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag ist ebenfalls nicht neu.
Anspruch 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich von der entsprechenden Anspruchsfassung nach Hauptantrag dadurch, dass im Merkmal a) der Ausdruck "Teilvolumen eines Patientenkörpers" ersetzt ist durch "Teilvolumen des Patientenkörpers", was inhaltlich keinen Unterschied macht, dass im Merkmal c) die Abkürzung "bzw." durch das eine vergleichbare Bedeutung habende Wort "oder" ersetzt ist unddass zusätzlich das Merkmal e) aufgenommen wurde, welches lautet
"...wobeie) Filter verwendet werden, durch die mit Sicherheit nicht krankhafte Veränderungen vernachlässigt werden."
Zu diesem Merkmal e) ist auf die in D4, Sp. 3, Z. 60 bis Sp. 4, Z. 4 beschriebene Rauschfilterung zu verweisen, mit welcher verhindert wird, dass in einem Bild Rauschanteile auftreten, die krankhafte Gewebeveränderungen anzeigende Strukturen vortäuschen könnten. Diese Rauschfilterung wird bei den einer Wavelet-Zerlegung unterzogenen, Detailinformationen DB1...DBn auf verschiedenen Skalen aufweisenden Bildern durch eine einfache Kopplung einer Schwellwertdetektion mit einer Multiskalenanalyse erreicht. Hierbei wird von dem aus der Literatur bekannten Effekt Gebrauch gemacht wird, dass das Rauschen nur auf der ersten oder zweiten Skala vorkommt, während eine Struktur meist Komponenten auch noch in höheren Skalen enthält. In Kenntnis dieser Vorgehensweise zur Filterung störenden Rauschens liest der Fachmann hier selbstverständlich mit, auch sonstige Strukturen in den Bildern, die zu nicht krankhaften Veränderungen gehören, in analoger Weise durch Filterung mit hierzu passender Schwellwertsetzung bei der Ausgabe der Veränderungen des Patientengewebes zu unterdrücken.
Folglich lässt sich seitens des Fachmanns auch ein Verfahren zur Erfassung von Gewebeveränderungen mit allen Merkmalen des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag der älteren Anmeldung gemäß D4 entnehmen; dieser Anspruch ist somit mangels Neuheit seines Gegenstandes ebenfalls nicht gewährbar.
3. Da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann (BGH GRUR 1997, 120 "Elektrisches Speicherheizgerät"), sind nach Wegfall der Ansprüche 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag auch die hierzu jeweils untergeordneten Ansprüche 2 bis 14 nicht gewährbar.
Die Beschwerde des Patentanmelders war daher zurückzuweisen.
BPatG:
Beschluss v. 02.03.2006
Az: 17 W (pat) 89/03
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