Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 21. April 1995
Aktenzeichen: 11 U 154/94
(OLG Köln: Urteil v. 21.04.1995, Az.: 11 U 154/94)
Die Entlastungserklärung des Pfleglings nach Aufhebung der Pflegschaft stellt ein negatives Anerkenntnis im Sinne des § 397 Abs. 2 BGB dar. Es ist kondizierbar nach Maßgabe des §§ 812 Abs. 2, 814 BGB. Der das Anerkenntnis Zurückfordernde muß also beweisen, daß entgegen dem Anerkenntnis eine Forderung tatsächlich bestanden hat und er sich darüber bei Abgabe seiner Erklärung geirrt hat.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 1. Juli 1994 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 9 O 419/93 - abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Kosten beider Rechtszüge tragen die Kläger. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache
Erfolg.
Die mit der Klage geltend gemachte Forderung der Kläger gegen
den Beklagten als ihren gewesenen Abwesenheitspfleger ist nicht
begründet. Ihr steht die von den Klägern am 8. bzw. 27.02.1990
unterschriebene Entlastungserklärung entgegen.
Die Entlastungserklärung des Pfleglings nach Aufhebung der
Pflegschaft stellt ein negatives Anerkenntnis im Sinne des § 397
Abs. 2 BGB dar (z.B. Soergel/Damrau § 1892 Rn. 5; MüKomm v.
Feldmann § 397 Rn. 13; Staudinger/Engler § 1892 Rn. 20; RGZ 115,
368, 371). Es ist kondizierbar nach Maßgabe der §§ 812 Abs. 2, 814
BGB. Der das Anerkenntnis Zurückfordernde muß also beweisen, daß
entgegen dem Anerkenntnis eine Forderung tatsächlich bestanden und
er sich darüber bei Abgabe seiner Erklärung geirrt hat
(Palandt/Thomas § 812 Rn. 105; MüKomm a.a.O. Rn. 14;
Staudinger/Kaduk § 397 Rn. 100).
Die dargestellte rechtliche Bedeutung kommt der
Entlastungserklärung auf Grund des Erklärungsinhalts gemäß § 397
Abs. 2 BGB zu. Der Einhaltung der in § 1892 BGB vorgesehenen, für
die Beendigung einer erledigten Abwesenheitspflegschaft für
Volljährige ohnehin nur modifiziert anwendbaren Verfahrensweise ist
nicht erforderlich.
Weder für die Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes auf die beiden
Entlastungserklärungen der Kläger überhaupt noch erst recht für
deren Nichtigkeit nach § 11 Nr. 15 oder auch nach § 9 AGBG sind
Anhaltspunkte ersichtlich.
Die Voraussetzungen für die Kondizierbarkeit der Erklärungen
sind nicht erfüllt.
Nach Auffassung des Senats kann bereits die Entstehung der
Klageforderung nach derzeitiger Aktenlage nicht als bewiesen
angesehen werden. Es erscheint vielmehr durchaus als zweifelhaft,
ob die in der Wohnung des Vaters der Kläger nach dessen Tod
vorgefundenen 16.900,-- DM zu einem späteren Zeitpunkt dem
Beklagten ausgehändigt worden sind.
Die Einlassung des Beklagten hierzu ist kein gemäß § 138 Abs. 4
ZPO unzulässiges Bestreiten mit Nichtwissen, sondern ein Bestreiten
mit der Begründung, der Beklagte habe an die von den Zeugen W.
behauptete Geldübergabe keinerlei Erinnerung, woraus er schließe,
daß es den Vorgang nicht gegeben habe. Das ist zulässig. Ein
bestimmteres Bestreiten durch Widerlegung, d.h. durch die Anführung
von Tatsachen, die das bestrittene Vorkommnis ausschließen, ist bei
so vager zeitlicher Einordnung des angeblichen Besuchs der Zeugen
beim Beklagten gar nicht möglich.
Gegen die Aushändigung der 16.900,-- DM an den Beklagten spricht
vor allem das Fehlen einer Quittung. Es ist schon generell
ungewöhnlich, sich die ordnungsgemäße Ablieferung eines solchen
Betrages, für den man gegebenenfalls auch selbst haftbar gemacht
werden könnte, nicht bescheinigen zu lassen. Hier kommt aber hinzu,
daß die Zeugin W. zunächst auf die beweiskräftige Sicherung des ihr
von der Zeugin P. vorgelegten Betrages in einem verschlossenen,
unterschriebenen und "gekreuzten" Umschlag besonders bedacht
gewesen sein will, woran sich die Zeugin P. freilich nicht zu
erinnern vermochte. Die nachfolgende unquittierte Herausgabe steht
dazu in auffälligem Widerspruch und ist auch mit der Angabe der
Zeugin W., sie habe den Beklagten als vertrauenswürdig angesehen,
nicht hinreichend erklärt. Auf die späteren Nachfragen des Klägers
M. H. hat die Zeugin offensichtlich in einer Weise reagiert, die
sie selbst in den Verdacht brachte, das Geld unterschlagen zu
haben. Nach dem Schreiben des für den Kläger zu 1) tätigen
Rechtsanwalts West an den Beklagten vom 11.02.1993 hat sie sich
durch "widersprüchliche Angaben innerhalb der Familie" diesem
Verdacht ausgesetzt, der so gravierend war, daß sie in diesem
Rechtsstreit zunächst sogar mit verklagt wurde. Die spätere
Rücknahme der gegen sie gerichteten Klage ist kein Indiz für die
nachträgliche Entkräftung des Verdachtes, sondern dürfte allein auf
prozessualen Zweckmäßigkeitserwägungen beruhen.
Das Landgericht hat die Zeugin W. und ihren ebenfalls als Zeugen
vernommenen Ehemann trotzdem als glaubwürdig angesehen. Die Zeugen
wären deshalb erneut zu vernehmen, wenn es für die Entscheidung auf
die Beweiskraft ihrer Aussagen ankäme. Das ist jedoch nicht der
Fall.
Denn auch wenn die Óbernahme des umstrittenen Geldbetrages durch
den Beklagten unterstellt wird, fehlt es an dem weiter für die
Kondiktion der Entlastungserklärungen erforderlichen Irrtum der
Kläger über die Existenz dieses Nachlasswertes und seines Verbleibs
bei der Unterzeichnung der Erklärungen.
Nach der Aussage der Zeugin W. hat der Kläger zu 2), nach der
Aussage der Zeugin B. aber auch der Kläger zu 1) vor der Entlastung
des Beklagten von dem seinerzeit vorgefundenen Bargeld gewußt. Der
Kläger T. H. ist danach von den Zeugen W. bereits im Herbst 1989
informiert worden und hat auf ihre Frage, ob der Beklagte den
Kläger dieses Geld noch in der DDR habe zukommen lassen, gemeint,
"das könne es nicht gewesen sein". Wenn man den Aussagen der Zeugen
W. bezüglich der Geldübergabe folgt, müssen sie auch in diesem
Punkt als glaubwürdig gelten. Das bedeutet dann aber, daß der
Kläger zu 2) vor der Entlastung des Beklagten, die er am 08.02.1990
unterschrieben hat, Anlaß und Gelegenheit gehabt hatte, den
Verbleib des Geldes zu überprüfen. Seine Unterschriftsleistung
besagt in diesem Falle, daß etwaige Unklarheiten zuvor zu seiner
Zufriedenheit bereinigt worden waren, etwa bei der Durchsicht der
erhaltenen Abrechnungen, oder daß er aus irgendwelchen Gründen auf
die Klärung bewußt verzichtet hat. Nach der Lebenserfahrung ist
ferner davon auszugehen, daß er von Zweifeln an der Korrektheit der
Abrechnung des Beklagten auch seinen Bruder informiert hätte. Der
Kläger M. H. hat dann auch nach Darstellung der Zeugin B. vor
Karneval 1990 - Karnevalssonntag fiel auf den 25.02.1990 - im Büro
des Beklagten wegen des "Bargeldes" nachgefragt. Für diese
zeitliche Einordnung hat die Zeugin sich auf eindeutige
Anhaltspunkte berufen. M. H. hat die Entlastungserklärung dann aber
am 27.02.1990 auch seinerseits unterschrieben.
Daß der Beklagte den Klägern, wie sie behaupten, keine Zeit und
Gelegenheit gegeben hätte, die erhaltenen Abrechnungen eingehend zu
prüfen, ist ein durch keine Tatsachen untermauerter, sondern im
Gegenteil erkennbar unbegründeter Vorwurf. Das beweist schon der
zeitliche Abstand der beiden Entlastungserklärungen. Es ist auch
nicht ersichtlich, womit der Beklagte die Kläger hätte unter Druck
setzen können. Außerdem hatten die Kläger schon im Frühjahr 1989
eine Teilabrechnung samt Belegen von dem Beklagten erhalten und
waren über die wesentlichen Vorgänge seit langem informiert.
Letztlich ist nicht einmal gesichert, daß die 16.900,-- DM in
die Abrechnungen des Beklagten keinen Eingang gefunden haben. Daß
in seinem sehr spät aufgestellten Nachlaßverzeichnis Bargeld nicht
erwähnt ist, ist insofern nicht relevant, als das Verzeichnis
insgesamt weitgehend den gegenwärtigen Nachlaßbestand wiedergibt,
also beispielsweise den inzwischen veräußerten Grundbesitz mit dem
beim Verkauf realisierten Wert aufführt und persönliche Habe des
Erblassers ebensowenig benennt wie die Beerdigungskosten.
Der angebliche Verlust der in Laubusch/DDR bei ihrer Ausreise im
Herbst 1989 zurückgelassenen Teilabrechnung enthebt die Kläger
nicht der Notwendigkeit, die geltend gemachte Unrichtigkeit der
Abrechnung zu beweisen. Die Beschaffung von Duplikaten wäre Ende
1989/Anfang 1990 noch möglich gewesen; damals haben sie die
Rekonstruktion aber nicht verlangt. Der Beklagte war nach Erhalt
der verschiedenen Entlastungserklärungen und Aufhebung der
Pflegschaft zur weiteren Aufbewahrung etwa in seinem Besitz
befindlicher Kopien, deren er für eigene Zwecke nicht mehr
bedurfte, für den etwaigen künftigen Bedarf der Kläger nicht
verpflichtet (vgl. auch § 50 Abs. 4 BRAO).
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 10, 713
ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer der Kläger:
16.900,-- DM.
OLG Köln:
Urteil v. 21.04.1995
Az: 11 U 154/94
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