Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Mai 2005
Aktenzeichen: 25 W (pat) 281/02
(BPatG: Beschluss v. 19.05.2005, Az.: 25 W (pat) 281/02)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Bezeichnung Ranitidocist am 2. November 1999 unter der Nummer 399 38 723 für "Arzneimittel / Heilmittel" in das Markenregister eingetragen worden.
Hiergegen hat die Inhaberin der älteren Marke 2 100 949 Raniblocdie seit dem 8. August 1996 für "Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, die den Wirkstoff Ranitidin enthalten" geschützt ist, Widerspruch erhoben.
Im Beschwerdeverfahren hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die Benutzung der Widerspruchsmarke umfassend bestritten. Auf die von der Widersprechenden daraufhin vorgelegten Unterlagen, die die Benutzung der älteren Marke für ein Mittel zur Behandlung von Magen-Darm-Geschwüren und damit für Magen-Darm-Mittel generell nach den Grundsätzen der erweiterten Minimallösung im Rahmen der Integrationsfrage belegen, hat sie in der mündlichen Verhandlung die Nichtbenutzungseinrede nicht länger aufrecht erhalten.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluß eines Prüfers des gehobenen Dienstes vom 15. August 2002 die Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Nach der Registerlage sei von identischen Waren auszugehen. Eine Verwechslungsgefahr vermindere sich aber dadurch, daß die Aufmerksamkeit der Verbraucher bei gesundheitsbezogenen Produkten größer und der Wirkstoff Ranitidin rezeptpflichtig sei, so daß insoweit Fachpersonal zu berücksichtigen sei. Die Widerspruchsmarke, die in der für den betroffenen Warenbereich typischen Weise gebildet sei, besitze eine im unteren Bereich des Durchschnittlichen liegende Kennzeichnungskraft. Dem gemeinsamen Wortanfang "Rani-" komme eine gewisse Kennzeichnungsschwäche zu, da es sich um einen warenbeschreibenden Kennzeichenteil handele. Wegen unterschiedlicher Silbenzahl und Vokalfolge wiche der Sprechrhythmus der Markenwörter voneinander ab. Auch die Endungen "-bloc" und "doc" unterschieden sich, wobei der Sinngehalt von "-bloc" die Unterscheidbarkeit fördere. Die Differenzen führten trotz des gemeinsamen Wortanfangs insgesamt zu einer erheblichen Umprägung des maßgebenden Gesamteindrucks. Eine schriftbildliche Verwechslunsgegefahr bestehe ebenso wenig wie die Gefahr des Gedanklichen-In-Verbindungsbringens, zumal hier Zurückhaltung geboten sei. Außerdem könne "Rani" wegen der häufigen Verwendung dieses Bestandteils nicht als Hinweis allein auf die Widersprechende erkannt werden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Die Überlegung der Markenstelle, daß Ranitidinhaltige Arzneimittel grundsätzlich rezeptpflichtig seien, treffe nicht zu. Solche Präparate seien auch ohne Rezept zu erhalten wie zB Ranitidin ratiopharm oder Zantic von Boehringer Ingelheim. Die Rezeptpflicht hänge lediglich von der Menge des Wirkstoffs ab. Eine Verringerung der Verwechslungsgefahr bestehe dadurch nicht. Die Widerspruchsmarke sei normal kennzeichnungskräftig, wie ja auch die Markenstelle dem Wortanfang "Rani-" keine die Kennzeichnungskraft schwächende Wirkung beigemessen habe. Selbst wenn eine Anlehnung an den Wirktstoffnamen vorliege, seien die Marken nach ihrem Gesamteindruck zu beurteilen, wobei nach ständiger Rechtsprechung Gemeinsamkeiten mehr hervorträten als Unterschiede. Danach bestehe Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht, die durch die unterschiedliche Silbenzahl, Vokalfolge und Sprechrhythmus nicht aufgehoben werde. Wenn die Mittelsilbe "ti-", auf der nicht die Betonung der Markenwörter liege, weggelassen würde, ergebe sich dieselbe übereinstimmende Vokalfolge. Auch die Anfangslaute der Endsilben "d" gegenüber "bl", die vom Verkehr besonders beachtet würden, unterschieden sich klanglich kaum voneinander, so daß bei den Verbrauchern die Gefahr von Verwechslungen bestehe. Auch schriftbildlich stimmten die Marken überein, weil sich 6 Buchstaben "RANI -- OC" an gleicher Wortstelle befänden. Nachdem Warenidentität bestehen könne, seien an den Abstand der Marken erhöhte Anforderungen zu stellen, die von der angegriffenen Marke nicht eingehalten würden.
Die Widersprechende beantragt, den angegriffenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Beim Erwerb von Arzneimitteln sei von erhöhter Aufmerksamkeit der Verbraucher auszugehen, wobei die Rezeptpflicht keine Rolle spiele. In klanglicher Hinsicht bestehe keine Verwechslungsgefahr. Die Übereinstimmung im Wortanfang "Rani-" könne dies nicht begründen, denn hierbei handele es sich um eine beschreibende Anlehnung an die Wirkstoffbezeichnung "Ranitidin", die die Gesamtwirkung der Marken nicht tragen könne. Die abweichenden Bestandteile "-tidoc" bzw "-bloc" wiesen keine verwechselbaren Gemeinsamkeiten auf, zumal sich die Wörter in ihrer Silbenzahl und Wortlänge unterschieden. Zudem trage die Mittelsilbe wegen des harten Sprenglauts "t" maßgeblich zur Unterscheidbarkeit des Gesamteindrucks bei. Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr scheide bereits wegen der unterschiedlichen Wortlänge aus. Begriffliche wie assoziative Ähnlichkeiten beschränkten sich auf den Wortanfang, was jedoch für die markenrechtliche Beurteilung ausscheide. In den Endungen bestünden ebenfalls keine begrifflichen Ähnlichkeiten.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Auch nach Auffassung des Senats stimmen die Marken nicht im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG überein.
Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke die Einrede der mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarke nicht länger aufrecht erhalten hat, ist auf Seiten der älteren Marke von den eingetragenen Waren auszugehen. Da im Warenverzeichnis eine Rezeptpflicht nicht enthalten ist, sind die allgemeinen Verkehrskreise in die Beurteilung der Verwechslungsgefahr mit einzubeziehen, auch wenn die in der Roten Liste 2005 aufgeführten, Ranitidin enthaltende Arzneimittel überwiegend der Rezeptpflicht unterliegen.
Der Senat legt dabei das von der Rechtsprechung entwickelte Verbraucher-Leitbild zugrunde, wonach von einem durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher auszugehen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Produkt oder Dienstleistungen höher oder niedriger ausfällt, der jedoch allem, was mit der Gesundheit zu tun hat, aufmerksamer begegnet als Produkten des täglichen Lebens (vgl zum veränderten Verbraucherleitbild BGH MarkenR 2004, 124 - Warsteiner III; EuGH MarkenR 2002, 231 - Philips/Remington; zur Aufmerksamkeit im Gesundheitsbereich BGH GRUR 1995, 50 - INDOREKTAL / INDOHEXAL).
Zwar sind hier im Hinblick auf eine mögliche Warenidentität und die insgesamt zu unterstellende normale Kennzeichnungskraft, die der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit zuzubilligen ist, und unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrskreise bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr strenge Anforderungen an den markenrechtlichen Abstand zu legen. Aber auch unter diesem Gesichtspunkt reicht der Abstand der jüngeren Marke aus, um die Gefahr von Verwechslungen zu verneinen.
Dabei kann insbesondere nicht vernachlässigt werden, daß dem Wortanfang "Rani", der in den zu vergleichenden Marken identisch enthalten ist, jedenfalls dann eingeschränkte Kennzeichnungskraft zukommt, wenn - wie hier nach dem Warenverzeichnis der älteren Marke vorgegeben - die Marken für Mittel benutzt werden, die den Wirkstoff Ranitidin enthalten. Dadurch tritt der Bedeutungshinweis durch die konkrete Ware deutlicher hervor, so daß der Wortteil "Rani" umso eher als Hinweis auf den entsprechenden Wirkstoff in abgekürzter Form verstanden werden wird.
Abkürzungen werden insbesondere im Pharmabereich häufig in der Weise gebildet, daß nur die Anfangssilben von Wirkstoffbezeichnungen für die einzelnen Kennzeichnungen verwendet werden. So enthält die Rote Liste 2005 eine Reihe von Arzneimittel-Kennzeichnungen mit entsprechend gebildeten Abkürzungen und weiteren hinzugefügten Bestandteilen wie zB die Abklürzung "Ome-" für den Wirkstoff Omeprazol, "Amoxi-" für den Wirkstoff Amoxicyclin oder "Biso-" für den Wirkstoff Bisoprolol. Dieser Übung entsprechend sind außer den Vergleichsmarken 11 weitere Bezeichnungen mit dem Wortanfang "Rani- " in der Roten Liste 2005 aufgeführt, die Arzneimittel mit dem Wirkstoff Ranitidin betreffen und jedenfalls für das Fachpublikum, aber auch für die Verbraucher, die diese Art von Arzneimitteln verwenden, die Wirkstoffbezeichnung schlagwortartig verkürzt aufzeigen. Der Verkehr wird sich daher an weiteren Bestandteilen der Markenwörter orientieren, um die Marken auseinander halten zu können.
Soweit den allgemeinen Verkehrskreisen die beschreibende Bedeutung von "Rani-" nicht bekannt ist, kann einem objektiv beschreibenden oder zumindest erkennbar und in üblicher Weise an einen Fachbegriff angelehnten Markenbestandteil aus Rechtsgründen jedenfalls nicht ohne weiteres ein entscheidendes kennzeichnendes Gewicht zugemessen werden, wenngleich der Gesamteindruck durch kennzeichnungsschwache oder sogar schutzunfähige Elemente mitbestimmt werden kann und unter besonderen Umständen eine andere Betrachtungsweise geboten sein mag (vgl BGH GRUR 1996, 200 - Innovadiclophlont / Diclophlogont; MarkenR 2004, 356 - NEURO-VIBOLEX / NEURO-FIBROFLEX; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9, Rdnr 345). Stimmen die Marken lediglich in solchen beschreibenden Bestandteilen überein, kann allein wegen dieses Umstands nicht die Gefahr von Verwechslungen im Verkehr begründet werden, denn maßgeblich kommt es beim Vergleich der Marken auf den Gesamteindruck an. Da sie sich danach bereits in der Wortlänge sowie in den jeweiligen weiteren Silben hinreichend unterscheiden, kann eine unmittelbare Verwechslungsgefahr nicht festgestellt werden. Die zusätzlichen Silben "-tidoc" der aus 4 Silben gebildeten angegriffenen Marke verändern den Gesamtklang gegenüber der aus 3 Silben bestehenden älteren Marke nachhaltig. Die unterschiedliche Silbenzahl führt zu einem abweichenden Sprech- und Betonungsrhythmus. Es ist auch nicht zu erwarten, daß die Mittelsilbe "-ti-" mit den klangstarken Lauten "t" und "i" der jüngeren Marke etwa überhört würde. Zusätzlich wird die Unterscheidung der Markenwörter durch die jeweiligen Endungen "-doc" bzw "-bloc" erleichtert, die in ihren begrifflichen Anspielungen an "Doktor" bzw "Block" im Sinne von "abblocken" erinnern und als Merkhilfe wirken können.
Die unterschiedlichen Merkmale sprechen ebenso gegen eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr. Zum einen ergibt sich aus der unterschiedlichen Silbenzahl eine andere Wortlänge. Zum anderen weisen die Buchstaben "-tid-" bzw "-bl- " sowohl in der Schreibweise mit großem Anfangs- und kleinen Folgebuchstaben als auch in Großbuchstaben unterschiedliche Konturen auf, die zu einem ausreichend großen Abstand der Markenwörter auch in schriftbildlicher Hinsicht führen. Dies gilt auch für eine handschriftliche Wiedergabe der Markenwörter, soweit diese im Zusammenhang mit der Verschreibung der Arzneimittel noch in Frage kommt.
Es besteht auch keine Gefahr, daß die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht und etwa unter dem Gesichtspunkt einer Markenserie verwechselt werden, wobei die gedankliche Verbindung durch einen kennzeichnungskräftigen Stammbestandteil ausgelöst werden muß, der in der Widerspruchsmarke eigenständig auf die betriebliche Herkunft hinweist. Auf beschreibende Sachhinweise kann dabei in aller Regel nicht abgestellt werden, weil das Publikum wenig Anlaß hat, wegen der bloßen Übereinstimmung in einem beschreibenden Bestandteil anzunehmen, es handele sich um Kennzeichen für verschiedene Warenarten oder Warensorten ein und desselben Geschäftsbetriebes. Vielmehr liegt in diesen Fällen die Vorstellung nahe, daß ein Dritter durch das hier übereinstimmende Wortelement, das an die Wirkstoffangabe angelehnt ist, lediglich den gleichen Indikationshinweis geben will, wie es die Wortbildungen der weiteren Kennzeichnungen von Arzneimitteln, die ebenfalls den Wirkstoff Ranitidin enthalten, in der Roten Liste 2005 zeigen.
Die Beschwerde der Widersprechenden hat deshalb keinen Erfolg.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.
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BPatG:
Beschluss v. 19.05.2005
Az: 25 W (pat) 281/02
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