Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. März 2010
Aktenzeichen: 30 W (pat) 56/09
(BPatG: Beschluss v. 25.03.2010, Az.: 30 W (pat) 56/09)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die für die Waren und Dienstleistungen
"Lehrund Unterrichtsmaterial (ausgenommen Apparate); Druckereierzeugnisse; Bilder; Bücher; Gemälde; Plakate; Veröffentlichungen (Schriften); Zeichnungen; Zeitschriften; Zeitungen Coaching; Demonstrationsunterricht in praktischen Übungen; Dienste von Unterhaltungskünstlern; Dienstleistungen eines Fitnessstudios; Dienstleistungen eines Verlages (ausgenommen Druckarbeiten); Erziehung und Unterricht; Fernkurse; Fernunterricht; Herausgabe von Verlagsund Druckereierzeugnissen (ausgenommen für Werbezwecke), auch im Internet; Organisation und Veranstaltungen von Konferenzen, Kongressen und Symposien; Unterhaltung; Betrieb von Gesundheits-Klubs; Veranstaltung und Durchführung von Kursen, Seminaren und Workshops Dienstleistungen eines Arztes; Dienstleistungen eines Psychologen; Dienstleistungen eines Zahnarztes; Dienstleistungen eines Erholungsheimes; Dienstleistungen eines Heilpraktikers; Durchführung medizinischer und klinischer Untersuchungen; Ernährungsberatung; ambulante Pflegedienstleistungen; Beratungen in der Pharmazie; Dienstleistungen eines Apothekers; Dienstleistungen eines Chiropraktikers; Dienstleistungen eines Physiotherapeuten, insbesondere in den Bereichen Osteopathie, Body Mind Centery, Vojta, Bobath und Brügger; Durchführung von Akupunkturund Akupressurbehandlungen; Dienstleistungen eines Optikers; Durchführung von Massagen; Gesundheitsund Schönheitspflege; Dienstleistungen eines psychotherapeutischen Heilpraktikers; Gesundheitsberatung; Aromatherapie-Dienste; Dienstleistungen eines Sprachheiltherapeuten (Logopäden); Erbringung nichtärztlicher Gesundheitsdienstleistungen, insbesondere in den Bereichen Ergotherapie, Energiearbeit, Körperarbeit, Reiki, Yoga und Meditation; Dienstleistungen eines Arztes oder Heilpraktikers in den Bereichen der traditionellen chinesischen Medizin oder der ayurvedischen Heilmethode Dienstleistungen eines Hellsehers; Dienstleistungen eines Geistheilers; Dienstleistungen eines Schamanen, soweit in Klasse 45 enthalten; Dienstleistungen eines Tarotkartenlegers; Dienstleistungen eines Astrologen, nämlich Erstellen von Horoskopen; esoterische Lebensberatung"
am 2. August 2007 unter 307 13 610 registrierte Wort/Bildmarkeist Widerspruch eingelegt worden aus der Wortmarke 305 03 891, PUR-R, die seit dem 19. Juli 2005 eingetragen ist für die Dienstleistungen
"Medizinische Dienstleistungen; Gesundheitsund Schönheitspflege für Menschen".
Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patentund Markenamtes hat den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen, da selbst bei identischen Dienstleistungen und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke der Abstand der Vergleichsmarken ausreichend sei. Der Gesamteindruck sei klanglich, im Bild und im Bedeutungsgehalt unterschiedlich. Der zusätzliche Wortbestandteil "natur" der angegriffenen Marke werde weder weggelassen noch unterdrückt. Auch begrifflich bestehe keine Verwechslungsgefahr, die angegriffene Marke treffe eine in sich geschlossene mit einem erfassbaren Sinngehalt versehene Gesamtaussage, während der Widerspruchsmarke ein solcher Sinngehalt nicht zu entnehmen sei. Die Vergleichsmarken würden auch nicht durch den gemeinsamen Bestandteil "pur" geprägt. "pur natur" stelle erkennbar einen Gesamtbegriff dar im Sinne von "rein, vollständig aus der Natur, naturbelassen", eine Verkürzung nur auf den Bestandteil "pur" sei nicht nahe liegend. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte, dass durch den gemeinsamen Wortanfang die Marken gedanklich in Verbindung gebracht würden.
Die Widersprechende hat hiergegen Beschwerde eingelegt. Sie hat im Wesentlichen ausgeführt, dass beide Vergleichsmarken vom Wortbestandteil "pur" geprägt würden. Dies gelte für die angegriffene Marke schon deshalb, weil der Wortbestandteil "natur!" für die beanspruchten Waren rein beschreibend sei und daher völlig zurücktrete. Zur Argumentation der Markenstelle, es handle sich bei "pur natur" um eine mit einem erfassbaren Sinngehalt versehen Gesamtaussage "rein/vollständig aus der Natur" führt die Widersprechende aus, das Waren/Dienstleistungsverzeichnis der angegriffenen Marke differenziere nicht zwischen solchen Waren und Dienstleistungen, die auf künstlichem Wege oder solchen, die aus der Natur entstanden seien. Hinsichtlich der Widerspruchsmarke fehle dem zweiten Bestandteil "R" ein eigener Sinngehalt, deshalb und wegen der deutlichen Abgrenzung durch den Bindestrich werde der Verkehr sich nur an dem Bestandteil "Pur" orientieren. Es könne beim Verkehr der Eindruck entstehen, es handle sich bei mit der angegriffenen Marke gekennzeichneten Produkten um natürliche oder naturbelassene Produkte einer Marke "PUR".
Die Widersprechende beantragt, den Beschluss des Deutschen Patentund Markenamtes vom 19. Februar 2009 aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.
Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Markeninhaber bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen der Markenstelle.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, da auch nach Auffassung des Senats zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.
Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH in st. Rspr. vgl. GRUR 2004, 865, 866 -Mustang; GRUR 2004, 598, 599 -Kleiner Feigling; GRUR 2004, 783, 784 -NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX; GRUR 2008, 906 -Pantohexal).
1.
Bei seiner Entscheidung hat der Senat mangels anderer Anhaltspunkte eine normale Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zugrunde gelegt. Ausgehend von der Registerlage können die Vergleichsmarken zur Kennzeichnung teils identischer teils ähnlicher Dienstleistungen verwendet werden.
2.
Der unter diesen Umständen gebotene sehr deutliche Markenabstand wird von der angegriffenen Marke eingehalten. Die vorhandenen Unterschiede reichen nach Auffassung des Senats aus, um Verwechslungen der Marken mit hinreichender Sicherheit ausschließen zu können.
a) Die Ähnlichkeit von Marken ist anhand ihres klanglichen und schriftbildlichen Eindrucks sowie ihres Sinngehalts zu ermitteln. Dabei kommt es auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen an. Dies entspricht dem Erfahrungssatz, dass der Verkehr Marken regelmäßig in der Form aufnimmt, in der sie ihm entgegentreten und sie nicht einer analysierenden, zergliedernden, möglichen Bestandteilen und deren Bedeutung nachgehenden Betrachtung unterzieht. Demzufolge kann auch ein Bestandteil, der einer beschreibenden Angabe entnommen ist, zum Gesamteindruck beitragen. Zudem ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Zeichen als auf die Unterschiede abzustellen (vgl. BGH a. a. O. NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).
b) In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich beide Marken aufgrund der grafischen Ausgestaltung und des zusätzlichen Bildelements in Form eines mittig auf einer durchbrochenen Linie angeordneten stilisierten Blütenkelches sowie des Ausrufezeichens auf Seiten der angegriffenen Marke deutlich, da die Widerspruchsmarke entsprechende Elemente nicht enthält.
Bei Beurteilung der klanglichen Verwechslungsgefahr ist davon auszugehen, dass der Verkehr beim Zusammentreffen von Wortund Bildbestandteilen in einer Marke in der Regel dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform eine prägende Bedeutung beimisst (vgl. BGH GRUR 2008, 903, 905 (Nr. 25) -SIERRA ANTIGUO; Ströbele/Hacker MarkenG 9. Aufl., § 9 Rdn. 296 m. w. N.). In ihren Wortbestandteilen "pur natur" und "PUR-R" unterscheiden sich die beiden Vergleichsmarken hinsichtlich ihres zweiten Elements -durch das Wort "natur" in der angegriffenen Marke gegenüber dem durch Bindestrich angefügten Einzelbuchstaben "R" in der Widerspruchsmarke -in Buchstaben-, Silbenund Vokalanzahl deutlich, so dass insoweit sowohl klangliche als auch schriftbildliche Verwechslungsgefahr ausscheiden.
3. Somit kommt Verwechslungsgefahr nur dann in Betracht, wenn der in der Widerspruchsmarke sowie in der angegriffenen Marke identische Wortbestandteil "pur" sowohl die angegriffene Marke wie auch die Widerspruchsmarke allein kollisionsbegründend prägt, indem er jeweils eine selbständig kennzeichnende Funktion aufweist, und die übrigen Markenteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl. BGH GRUR 2000, 233, 234 -RAUCH/ELFI RAUCH; GRUR 2004, 778, 779 -URLAUB DIREKT; GRUR 2004, 865, 866 -Mustang; Ströbele/Hacker, a. a. O. § 9 Rdn. 279 ff. m. w. N.). Bei der Frage der Prägung des Gesamteindrucks durch Bestandteile ist kein Unterschied zwischen der älteren und der jüngeren Marke zu machen (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 289).
a) Bei der Beurteilung der prägenden Bedeutung eines Markenteils in der angegriffenen Marke stellt sich zunächst die Frage, ob für den Verkehr überhaupt Veranlassung besteht, sich nur an einem einzelnen Markenbestandteil zu orientieren. Das muss aber insbesondere bei Marken verneint werden, die sich als einheitliche Gesamtbegriffe darstellen (vgl. BGH GRUR 2004, 598 -Kleiner Feigling; EuG GRUR Int. 2005, 940, 942 (Nr. 47) -Biker Miles). Dabei wird die Vorstellung eines Gesamtbegriffes gefördert durch die sprachliche Ausgestaltung der Kombinationsmarke, die eine begriffliche Verbindung zwischen den aufeinanderfolgenden Zeichenteilen herstellt (vgl. BGH a. a. O. Kleiner Feigling; Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 270, 271 m. w. N.).
Die angegriffene Marke stellt in ihrem Wortbestandteil eine derartige gesamtbegriffliche Einheit dar. Sie setzt sich aus den Elementen "pur" und "natur" zusammen und ist durch das nachgestellte Ausrufezeichen als plakativer Ausruf im Sinne eines geschlossenen, schlagwortartigen Werbeslogans -reine Natur! -gebildet, der Qualität und ein Wertversprechen suggerieren soll. Die Einzelelemente sind in ihrem Sinn erkennbar aufeinanderbezogen; das in der Funktion eines Adjektivs vorangestellte Wort "pur" konkretisiert das nachfolgende Wort "natur" näher. Der Verkehr wird diese werbliche Anpreisung als eine gesamtbegriffliche Einheit sehen und ist nicht geneigt, auf den Bestandteil "pur" zu verkürzen, da er damit der Bezeichnung die besondere Eigenart nehmen würde. Der über dem Wortbestandteil angeordnete Bildbestandteil unterstreicht diese gesamtbegriffliche Einheit noch dadurch, dass die übergreifende -nur durch das mittig angeordnete emblemartige Blumensymbol unterbrochene -Linie wie eine Verbindung der beiden Wortbestandteile wirkt. Der Verkehr wird daher die Einzelelemente der angegriffenen Marke als zusammengehörig erkennen und ist schon daher nicht veranlasst, "pur" als allein prägenden Bestandteil wahrzunehmen oder dem Wort eine selbständig kennzeichnende Stellung beizumessen (vgl. BGH WRP 2006, 277 -Malteserkreuz).
4. Es besteht ebenfalls nicht die Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden können. Die Annahme einer solchen mittelbaren Verwechslungsgefahr setzt voraus, dass die beteiligten Verkehrskreise zwar die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken erkennen und insoweit keinen unmittelbaren Verwechslungen unterliegen. Sie werten gleichwohl einen in beiden Marken identisch oder zumindest wesensgleich enthaltenen Bestandteil als Stammzeichen des Inhabers der älteren Marke, messen diesem Stammbestandteil also für sich schon die maßgebliche Herkunftsfunktion bei und sehen deshalb die übrigen abweichenden Markenteile nur noch als Kennzeichen für bestimmte Waren aus dem Geschäftsbetrieb des Inhabers der älteren Marke an (vgl. BGH GRUR 2000, 886, 887 -Bayer/BeiChem; GRUR 2002, 542, 544 -BIG; GRUR 2002, 544, 547 -BANK 24).
In solchen Ausnahmefällen sprechen die zu vergleichenden (abweichenden) Markenteile gegen eine mittelbare Verwechslungsgefahr, wenn sie sich mit dem gemeinsamen Bestandteil zu eigenen, in sich geschlossenen Gesamtbegriffen verbinden, die von der Vorstellung wegführen, es handele sich um Serienmarken eines Unternehmens (vgl. BGH GRUR 1998, 932, 934 -MEISTERBRAND; a. a. O. -POLYFLAM/MONOFLAM).
Anhaltspunkte dafür, dass aus sonstigen Gründen die Gefahr von Verwechslungen bestehen könnte, sind nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich.
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BPatG:
Beschluss v. 25.03.2010
Az: 30 W (pat) 56/09
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