Landgericht Dortmund:
Urteil vom 30. März 2010
Aktenzeichen: 19 O 23/10
(LG Dortmund: Urteil v. 30.03.2010, Az.: 19 O 23/10)
Tenor
Der Verfügungsbeklagten wird es bei Vermeidung eines vom Gericht
für jeden Fall einer zukünftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 € untersagt, im geschäftlichen
Verkehr zu Wettbewerbszwecken anzukündigen:
,,110
Jahre
A
Familientradition",
wenn dies wie aus dem in Kopie wiedergegebenen Internetauftritt
ersichtlich geschieht oder aber wie der in Kopie beigefügten Anzeige,
auch wenn die Anzeige den kleingedruckten Hinweis beinhaltet:
"Die 110jährige Familientradition finden sie unter:
www. A.de/chronik.“
Der weitergehende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
wird zurückgewiesen.
Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens trägt zu 1/3 der
Verfügungskläger, zu 2/3 die Verfügungsbeklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden
Betrages.
Streitwert: 100.000,00 €.
Tatbestand
Der Verfügungskläger ist ein eingetragener Verein mit dem Ziel der Bekämpfung
von Verstößen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.
Die Verfügungsbeklagte betreibt ein großes Möbelhaus in V.
Der Verfügungskläger rügt einen Verstoß der Verfügungsbeklagten im
Rahmen ihrer Werbung im Funk, in Prospekten und im Internet mit dem
Slogan:
,,110 Jahre A Möbeltradition
Wir feiern - sie sparen.",
wobei sich im Rahmen der Prospektwerbung über der Zahl 110 der erheblich
kleiner geschriebene Zusatz "die 110jährige Möbeltradition finden sie
unter: www.A.de/chronik" findet.
Nach der so aufgebauten Werbung aus Februar 2010 warb die Verfügungsbeklagte
im März 2010 u. a. in einer Zeitungsanzeige mit der Aussage
"110 Jahre A Familientradition". Im räumlichen Zusammenhang
mit dieser Aussage fand sich die erheblich kleiner gedruckte
Erklärung: "Die 110jährige Familientradition finden sie unter:
www.A.de/chronik".
Mit der gleichen Werbung trat die Verfügungsbeklagte zur selben Zeit im
Rahmen ihrer Internetseite mit der Aussage "110 Jahre A Familientradition" und den gesprochenen Worten "110 Jahre Möbeltradition bei A" an den Verbraucher heran.
Der Verfügungskläger ist der Ansicht, er sei klageberechtigt im Sinne von
§ 8 Abs. 3 Ziffer 2 UWG unter Hinweis auf die ihm angehörenden Mitglie-
der, u. a. einer Vielzahl von Einzelhandelsverbänden. Dazu behauptet er,
ihm gehöre nicht nur das Einrichtungshaus P X an, sondern auch das Einrichtungshaus "Q" sowie diverse Warenhauskonzerne, u. a. L, L2, die N
und die S-Märkte.
Diese Angaben macht der Verfügungskläger durch anwaltliche Versicherung
seines Prozessbevollmächtigten glaubhaft. Wegen der überreichten
Mitgliederliste wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 24.03.2010, Anlage
AST 11, verwiesen.
Der Verfügungskläger ist der Ansicht, die Verfügungsbeklagte verstoße
mit ihren hier gerügten Werbeaussagen gegen das Irreführungsverbot des
§ 5 UWG. Er ist der Ansicht, der Hinweis im Zusammenhang mit der gerügten
Werbung auf die auf der Internetseite der Verfügungsbeklagten
dargestellten Unternehmensgeschichte ändere nichts an der Unzulässigkeit
der Werbung, insbesondere auch deshalb, da es dem Verbraucher
nicht zugemutet werden könne, zunächst auf der Internetseite der Verfügungsbeklagten nachzulesen, um deren blickfangmäßige Werbung mit
einer 110jährigen Tradition richtig einordnen zu können.
Hinsichtlich des Antrages zu 1. meint der Verfügungskläger, dieser unterscheide
sich von der bereits erlassenen einstweiligen Verfügung inhaltlich
deshalb, weil der Verfügungsbeklagten im Rahmen der Beschlussverfügung
der Kammer vom 01.03.2010, 19 0 18/10, untersagt worden war,
"im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken ohne jegliche Erläuterung
anzukündigen: ,,110 Jahre A Möbeltradition". Da die Verfügungsbeklagte
im vorliegenden Fall nun insofern eine Erläuterung vorgenommen
habe, als sie auf ihre Internetseite verweise, unterscheide sich
der Streitgegenstand vorliegend von dem der bereits erlassenen Beschlussverfügung.
Im Übrigen ist der Verfügungskläger der Ansicht, dass auch die Werbung
mit einer 110jährigen Familientradition zum einen gegen das Irreführungsverbot
des § 5 UWG verstoße, da der Verbraucher auch mit dieser Aussage
über die Dauer des Bestehens der Verfügungsbeklagten getäuscht
werde. Das Wort "Familientradition" führe hier nicht zu einem maßgeblichen
Unterschied. Zum anderen ist der Verfügungskläger der Ansicht,
dass bezüglich des Ersetzens des bisher in der Werbung der Verfügungsbeklagten
benutzten Wortes "Möbeltradition" durch das Wort "Familientradition"
ein verschiedener Streitgegenstand im Vergleich zur bereits ergangenen
Beschlussverfügung der Kammer vom 01.03.2010 gegeben sei.
Der Verfügungskläger beantragt,
die Verfügungsbeklagte zu verurteilen,
es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall einer zukünftigen
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu
250.000,00 € zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken
1. anzukündigen: ,,110 Jahre A Möbeltradition", wenn
dies wie aus der nachstehend in Kopie wiedergegebenen Anzeige
ersichtlich erfolgt
und/oder
2. wie aus dem nachstehend in Kopie wiedergegebenen Internetauftritt ersichtlich anzukündigen:
" 110 Jahre A Familientradition",
Insbesondere, wenn im Zusammenhang damit die gesprochene Aussage " 110 Jahre Möbeltradition bei A" erfolgt.
oder
3. wie aus der nachstehend in verkleinerter Kopie wiedergebenen Anzeige ersichtlich, anzukündigen:
" 110 Jahre A Familientradition"
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
den Verfügungsantrag zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, der Verfügungskläger sei nicht
aktivlegitimiert im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG und deshalb nicht befugt,
gegen die Verfügungsbeklagte wettbewerbsrechtliche Ansprüche auf
Unterlassung geltend zu machen.
Sie bestreitet mit Nichtwissen die Richtigkeit der überreichten Mitgliederliste
des Verfügungsklägers und meint, jedenfalls reichten diese Mitgliedschaften
nicht zu einer Klageberechtigung des Verfügungsklägers in der
vorliegenden Sache aus.
Im Übrigen ist die Verfügungsbeklagte der Ansicht, dass es betreffend des
Antrages zu 1. an einem Rechtsschutzbedürfnis des Verfügungsklägers
fehle, da das Unterlassungsbegehren insoweit schon Gegenstand der Beschlussverfügung der Kammer vom 01.03.2010 sei.
Darüber hinaus meint die Verfügungsbeklagte, die Werbung mit einer
,,110jährigen A Familientradition" sei wettbewerbskonform. Diese
Werbung sei richtig, da der Vorfahre des jetzigen Geschäftsführers der
Verfügungsbeklagten, Herr A2, im Jahr 1900 in P eine
Schreinerei gegründet habe. Der Umstand, dass diese Einzelfirma
A2 in eine von der Verfügungsbeklagten völlig unterschiedliche
Firma "U" übergangen sei, spiele keine Rolle, da sich der durchschnittliche
Verbraucher nicht vorstelle, dass die im Jahre 1900 gegründete
Firma gesellschaftsrechtlich identisch mit der erst 1989 gegründeten
Verfügungsbeklagten sei.
Gründe
Der Verfügungsantrag zu 1. war zurückzuweisen, da es insoweit an einem
erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis zum Erlass einer einstweiligen Ver-
fügung fehlt.
Dem Verfügungskläger steht hier der weitaus einfachere Weg der Erlangung
eines Ordnungsmittelbeschlusses gemäß § 890 ZPO zur Verfügung.
Die mit dem Antrag zu 1. verfolgte einstweilige Verfügung ist nämlich identisch
mit der durch Beschluss vom 01.03.2010 erlassenen und mit Urteil
der Kammer vom 30.03.2010 bestätigten einstweiligen Verfügung, Landgericht
Dortmund 19 018/10.
Der jetzt gestellte Antrag des Verfügungsklägers betrifft denselben Streitgegenstand
wie derjenige der Beschlussverfügung der Kammer. Soweit in
der Beschlussverfügung der Zusatz entsprechend dem damaligen Antrag
des Verfügungsklägers aufgenommen ist: "Ohne jegliche Erläuterung" so
kommt diesem Zusatz keine streitgegenstandsbestimmende Bedeutung
zu. Dabei handelt es sich lediglich um eine unwesentliche Ergänzung.
Soweit nunmehr mit dem Antrag zu 1. auf den im Zusammenhang mit der
gerügten Werbung erteilten Hinweis auf die Internetseite der Verfügungsbeklagten
abgestellt wird, stellt dieser offensichtlich nicht eine Erläuterung
dar, die an dem mit der Beschlussverfügung der Kammer vom 01.03.2010
ausgesprochenen Verbot sachlich etwas ändern könnte.
Im Übrigen ist die einstweilige Verfügung des Verfügungsklägers zulässig
und begründet. Ein Verfügungsgrund besteht gemäß § 12 UWG.
Der Verfügungskläger ist auch gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG Anspruchsberechtigter
hinsichtlich der Geltendmachung entsprechender Unterlassungsansprüche
gegenüber der Verfügungsbeklagten. Bei der Frage der
Anspruchsberechtigung kommt es entscheidend darauf an, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbandes bzw. Vereins ausgeschlossen
werden kann und in dem Zusammenhang nicht etwa darauf, ob den Vereinsmitgliedern nach Anzahl, Bedeutung oder Umsatz im Verhältnis zu
allen auf diesem Markt tätigen Unternehmen eine repräsentative Stellung
zukommt, sondern ist darauf abzustellen, ob es dem Verein bei der betreffenden
Rechtsverfolgung nach der Struktur seiner Mitglieder um die ernsthafte
kollektive Wahrnehmung der Mitgliederinteressen geht (vgl. BGH,
Urteil vom 23.10.2008, GRUR 2009, 692 f.).
Nach der seitens des Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers
anwaltlich versicherten Struktur der Mitglieder des Verfügungsklägers
kann vorliegend nicht von einer missbräuchlichen Geltendmachung von
Rechten gesprochen werden. Dem Verfügungskläger gehören mit der
Firma P zum einen ein großer Mitkonkurrent der Verfügungsbeklagten
an, zum anderen mit den Firmen L, L2, S etc. Unternehmen,
die zumindest einen Teil der seitens der Verfügungsbeklagten
beworbenen Ware vertreiben. So veräußert und bewirbt die Verfügungsbeklagte
u.a. in ihrer Prospektwerbung neben Möbeln auch Wohn-Accessoires
wie Lampen, Geschirr, Gartenmöbel, Teppiche, Bad-Einrichtungen
und Einbau-Küchen nebst den entsprechenden dazu gehörigen
Elektrogroßgeräten. Diese Waren werden zumindest u. a. auch von
den Firmen L, L2 und, insbesondere Elektroartikel und Wohn-Accessoires, auch von den Firmen S und N vertrieben.
Hinsichtlich der Richtigkeit der überreichten Mitgliederliste hat der Verfügungskläger
dies hinreichend durch anwaltliche Versicherung seines Prozessbevollmächtigten
glaubhaft gemacht.
Auch bezüglich des räumlich relevanten Marktes im Sinne von § 8 Abs. 3
UWG ist davon auszugehen, dass hier der klagende Verein die kollektiven
Interessen seiner Mitglieder vertritt, zumal ein großer Mitbewerber der Verfügungsbeklagten, die Firma P, ihren Sitz in X hat und auch
bezüglich der Firmen L, L2, N und S eine hinreichende
räumliche Nähe zum Sitz der Verfügungsbeklagten, die als großes Möbelhaus
einen entsprechend großen Einzugsbereich hat, besteht.
Ein Verfügungsanspruch auf Unterlassen der gerügten Werbung entsprechend
den Anträgen zu 2. und 3. des Verfügungsklägers bezogen auf die
Anzeigen und Internetwerbung der Verfügungsbeklagten ergibt sich aus
den §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG. Die Verfügungsbeklagte verstößt
mit der gerügten blickfangmäßigen Werbung in Anzeigen und auf ihrer
Internetseite gegen das Verbot der Irreführung der Verbraucher über Eigenschaften
des Unternehmens. Konkret wird mit einer Traditions- bzw.
Alterswerbung der Verfügungsbeklagten über die Dauer des tatsächlichen
Bestehens des Unternehmens getäuscht.
Der Umstand, dass die Verfügungsbeklagte jetzt anstatt wie früher geschehen
mit einer "110jährigen Möbeltradition" mit einer "110jährigen Familientradition"
wirbt, führt nicht dazu, dass sich der aufgeklärte Verbraucher
nun ein richtiges Bild über die Dauer ihres Bestehens macht. Auch
mit dem Wort "Familientradition" wird suggeriert, dass das Unternehmen
der Verfügungsbeklagten wesensgleich, wenn auch möglicherweise in
anderen gesellschaftsrechtlichen Formen, bereits seit 110 Jahren besteht.
Diese Vorstellung ist aber falsch. Tatsächlich hat das Unternehmen der
Verfügungsbeklagten, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, mit dem
im Jahre 1900 gegründeten Einzelunternehmen "A2" nichts zu
tun. Daran ändert auch der Umstand, dass der Gründer der Einzelfirma
A2, einer Schreinerei, ein Vorfahre des Geschäftsführers der Verfügungsbeklagten ist, nichts. Das in der Rechtsprechung geforderte
Merkmal der Wesensgleichheit der Unternehmen bei einer Werbung mit
einer eine bestimmte Zeit dauernden Tradition bzw. eines bestimmten Alters
ist vorliegend nicht erfüllt. Außerdem beschäftigt sich die Verfügungsbeklagte
nicht mehr, wie der Gründer der Einzelfirma A2, mit der
Herstellung von Möbeln, sondern sie vertreibt sie lediglich, so dass es
auch an der geforderten Identität des Fabrikationsprogrammes fehlt (vgl.
zum Ganzen Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen unlauteren
Wettbewerb, 27. Auflage 2009, § 5 Rn. 5.55 ff.).
Dieser Verstoß gegen das Irreführungsgebot des § 5 UWG entfällt vorliegend
auch nicht etwa deshalb, weil sich im Zusammenhang mit der blickfangmäßigen
Werbung der kleingedruckte bzw. kleingeschriebene Hinweis
findet, "die 110jährige Familientradition finden sie unter:
www.A.de/chronik. Ein solch kleingedruckter bzw. kleingeschriebener
Hinweis ist nicht geeignet, die durch die blickfangmäßige
Werbung hervorgerufene Irreführung zu beseitigen bzw. zu verhindern,
auch wenn sich auf der entsprechenden Internetseite, auf die verwiesen
wird, im Rahmen der Darstellung der Geschichte der Familie A
der Hinweis auf die Gründung einer Schreinerei durch einen Vorfahren
des jetzigen Geschäftsführers der Verfügungsbeklagten findet. Insbeson-
dere bei einer Werbung in einer Zeitungsanzeige oder einem Prospekt
kann auch vom aufgeklärten Verbraucher nicht erwartet werden, dass dieser
zunächst auf der Internetseite der Verfügungsbeklagten nachschaut,
um sich bezüglich des Inhalts und der Bedeutung der Werbung zu vergewissern.
Vielmehr setzt sich vorliegend beim Verbraucher durch die blickfangmäßige
Werbung, insbesondere die in Schriftbild und -größe besonders
hervorgehobene Aussage "110 Jahre", so wie auch offensichtlich von
der Verfügungsbeklagten beabsichtigt, der Eindruck eines 110jährigen
Bestehens der Verfügungsbeklagten bzw. eines wesensgleichen Unternehmens
beim Verbraucher fest, ohne dass sich der durchschnittliche
Verbraucher veranlasst sieht, soweit ihm dies technisch überhaupt möglich
ist, dazu nähere Informationen auf der Internetseite der Verfügungsbeklagten
einzuholen.
Üblicherweise verbindet der Verbraucher mit einer so langen Tradition eine
besonders große Geschäftserfahrung des Werbenden und wegen des
langen Bestehens am Markt eine hohe Qualität der beworbenen Produkte,
sodass die Irreführung auch relevant im Sinne des Wettbewerbsrechts ist.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 709 ZPO.
LG Dortmund:
Urteil v. 30.03.2010
Az: 19 O 23/10
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/db60e7fd14f4/LG-Dortmund_Urteil_vom_30-Maerz-2010_Az_19-O-23-10