Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen:
Urteil vom 3. September 2014
Aktenzeichen: L 8 R 296/13
(LSG Nordrhein-Westfalen: Urteil v. 03.09.2014, Az.: L 8 R 296/13)
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 5.2.2013 geändert. Der Bescheid vom 2.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.6.2012 wird aufgehoben, soweit die Beklagte festgestellt hat, dass die Tätigkeit der Klägerin als Gesellschafter-Geschäftsführerin bei der I GmbH im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin als Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 1) seit dem 8.8.2011 in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig ist.
Die am 00.00.1973 geborene Klägerin ist Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 1). Sie ist alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit. Gegenstand der gewerblichen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) ist die Beratung von Kunden aus der Konsumgüterindustrie im Bereich der klassischen Verkaufsförderung. Hierzu zählen die Betreuung, Entwicklung von Konzepten und Abwicklung von Promotion-Aktionen mit und ohne Personal, von Verkaufsveranstaltungen sowie alle die Verkaufsprozesse und die Produktplatzierung fördernden Maßnahmen.
Neben der Klägerin ist noch Herr I G einzelvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1).
Die Beigeladene zu 1) wurde am 23.12.2010 mit einem Stammkapital in Höhe von 50.000,00 Euro gegründet. Alleingesellschafterin ist die I Holding GmbH. An dieser sind die Klägerin zu 10 % (3.000 Euro), Herr T C zu 10 % (3.000 Euro) und Herr I G zu 80 % (24.000 Euro) beteiligt. Geschäftsführer der I Holding GmbH sind Herr I G, der einzelvertretungsberechtigt ist, die Klägerin und Herr T C, die jeweils zusammen mit einem weiteren Geschäftsführer gesamtvertretungsberechtigt sind.
Gesellschafterbeschlüsse der I Holding GmbH werden gem. Ziffer 8. ihrer Satzung wie folgt gefasst:
"8.1
Gesellschafterbeschlüsse werden in allen Angelegenheiten gefasst, über die durch die Gesellschafterversammlung zu entscheiden ist. Je EUR 1,00 (Euro eins) eines Geschäftsanteils gewährt eine Stimme. Die Stimmrechte eines Gesellschafters aus sämtlichen von ihm gehaltenen Geschäftsanteilen können nur einheitlich ausgeübt werden. Die Stimmrechte von Geschäftsanteilen, die von der Gesellschaft gehalten werden, ruhen.
8.2.
Soweit nicht durch Gesetz oder diese Satzung oder anderweitige Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, bedürfen Gesellschafterbeschlüsse der einfachen Mehrheit."
Gesellschafterbeschlüsse der Beigeladenen zu 1) werden gem. Ziffer 8. ihrer Satzung wie folgt gefasst:
"8.1
Gesellschafterbeschlüsse werden in allen Angelegenheiten gefasst, über die durch die Gesellschafterversammlung zu entscheiden ist. Je EUR 1,00 (Euro eins) eines Geschäftsanteils gewährt eine Stimme. Die Stimmrechte eines Gesellschafters aus sämtlichen von ihm gehaltenen Geschäftsanteilen können nur einheitlich ausgeübt werden. Die Stimmrechte von Geschäftsanteilen, die von der Gesellschaft gehalten werden, ruhen.
8.2. Soweit nicht durch Gesetz oder diese Satzung oder anderweitige Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, bedürfen Gesellschafterbeschlüsse der einfachen Mehrheit."
Mit Gesellschafterbeschluss vom 23.12.2010 wurde die Klägerin zur Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 1) bestellt.
Mit Wirkung zum 1.1.2011 schlossen die Klägerin und die Beigeladene zu 1) am 23.12.2010 auf unbestimmte Zeit einen "Geschäftsführer-Dienstvertrag", der auszugsweise wie folgt lautet:
"Geschäftsführer-Dienstvertrag
...
1. Position/Aufgaben und Pflichten
1.1 Die Geschäftsführerin ist zusammen mit weiteren Geschäftsführern, Geschäftsführerin der Gesellschaft. Sie ist alleinvertretungsberechtigt.
1.2 Die Geschäftsführerin vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis sowie der Zeichnungsberechtigung der Geschäftsführerin richten sich nach Maßgabe der Vorschriften des Gesellschaftsvertrages, entsprechenden Weisungen der Gesellschafter, der jeweils gültigen Geschäftsordnung für die Geschäftsführung und/oder nach entsprechenden Gesellschafterbeschlüssen. Die Geschäftsführerin nimmt die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Sinne der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften wahr.
1.3 Die Geschäftsführerin führt die Geschäfte der Gesellschaft mit der Sorgfalt einer ordentlichen Kauffrau nach Maßgabe der durch die Gesellschafter ergehenden Richtlinien und Weisungen sowie den gesetzlichen Bestimmungen und der von der Gesellschafterversammlung ggf. erlassenen Geschäftsordnung. Die Geschäftsführerin wird bei ihrer Tätigkeit die Interessen der Gesellschaft unter Beachtung der Grundsätze guter Unternehmensführung mit allen Kräften wahren und fördern. Bei allen Entscheidungen hat sich die Geschäftsführerin allein vom Wohl der Gesellschaft leiten lassen.
1.4 Alle Geschäfte, die außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes liegen, bedürfen der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Die Gesellschaft behält sich vor, eine Geschäftsordnung zu erlassen. Diese wird ab ihrer schriftlichen Bekanntgabe für die Geschäftsführerin verbindlich.
1.5 ...
1.6 Dienstsitz der Geschäftsführerin ist Köln.
2. Umfang der Tätigkeit/Nebentätigkeit
2.1 Die Geschäftsführerin wird der Gesellschaft ihre volle Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Sie ist in der Bestimmung ihrer Arbeitszeit frei, hat jedoch jederzeit - soweit dies das Wohl der Gesellschaft erfordert - zu ihrer Verfügung zu stehen und ihre Interessen zu wahren. Sie ist überdies verpflichtet, entsprechend den geschäftlichen Erfordernissen Dienstreisen innerhalb und außerhalb Deutschlands vorzunehmen.
2.2 Die Geschäftsführerin bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Gesellschafterversammlung vor Übernahme einer entgeltlichen oder unentgeltlichen Nebentätigkeit, sofern sie die Interessen der Gesellschaft berühren können, sowie vor Übernahme von Mitgliedschaften in Aufsichtsräten, Beiräten und ähnlichen Organen nicht verbundener Unternehmen oder berufsständischen Organisationen ...
3. Vergütung/Nebenleistungen
3.1 Als Vergütung für ihre Dienste erhält die Geschäftsführerin ein Bruttomonatsgehalt ("Grundgehalt") i.H.v. EUR 7.000,- (in Worten: Euro siebentausend). Das Grundgehalt ist zahlbar jeweils am Ende eines Kalendermonats nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben.
3.2 ...
3.3 Die Gesellschaft gewährt der Geschäftsführerin für die Dauer des Anstellungsvertrages einen monatlichen Zuschuss zu ihrer privaten Kranken- und Pflegeversicherung ...
3.4 Die Gesellschaft wird der Geschäftsführerin für die Dauer des Anstellungsvertrages gegen Unfall (dienstliches und privates Unfallrisiko) versichern ...
3.5 Die Geschäftsführerin ist befugt, ein ihr überlassenes Diensthandy und Dienstlaptop auf Kosten der Gesellschaft in angemessenen Umfang auch privat zu nutzen. Der Internetanschluss darf von der Geschäftsführerin auch privat genutzt werden ...
3.6 Die Parteien werden hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung eine separate Ergänzungsvereinbarung treffen.
4. Bezüge bei Krankheit oder Tod
4.1 Bei einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit der Geschäftsführerin, die durch Krankheit oder aus einem anderen, von der Geschäftsführerin nicht zu vertretendem Grunde eintritt, wird das Grundgehalt gemäß Ziffer 3.1 für sechs Monate weitergezahlt, und zwar ab der siebten Woche unter Abzug des Betrages, der dem von der Krankenkasse gezahlten Krankengeld bzw. ähnlicher Ersatzleistungen entspricht ...
4.2 ...
5. Auslagen/Dienstwagen
5.1 Bei Bewirtung von Geschäftspartnern und Geschäftsreisen hat die Geschäftsführerin Anspruch auf Ersatz ihrer angemessenen Auslagen, soweit sie der Geschäftsführerin im Interesse der Gesellschaft entstehen ...
5.2 ...
5.3 Die Gesellschaft stellt der Geschäftsführerin für die Laufzeit dieses Geschäftsführer-Dienstvertrages einen Dienstwagen zur Verfügung und übernimmt sämtliche Kosten des Betriebs und der Unterhaltung des Dienstwagens ( ...). Die Geschäftsführerin ist berechtigt, den Dienstwagen auch privat zu nutzen ...
6. Urlaub
Die Geschäftsführerin hat Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub von 30 Tagen. Darin enthalten sind etwaige zusätzliche Urlaubstage nach § 125 SGB IX. Kann die Geschäftsführerin ihren Jahresurlaub im laufenden Kalenderjahr aus geschäftlichen oder persönlichen Gründen nicht nehmen, kann sie den Urlaub unter Wahrung der berechtigten Belange der Gesellschaft bis zum 30.06. des Folgejahres nehmen.
7. - 12 ... "
Am 8.8.2011 vereinbarten die Klägerin und die übrigen Gesellschafter der I Holding GmbH nachfolgende Stimmbindungsvereinbarung:
"Präambel
...
Die Gesellschafter sind sich einig, dass zum Erreichen und Erhalten einer effizienten, gemeinschaftlichen und gleichberechtigten Führung der Gesellschaft (hier: I Holding GmbH) die Stimmrechte aus den von ihnen gegenwärtig und künftig gehaltenen Geschäftsanteilen nur einheitlich abgegeben werden sollen.
Dies vorausgeschickt vereinbaren die Gesellschafter, zur Bekräftigung der Ernsthaftigkeit und zum Zwecke des Nachweises in notariell beurkundeter Form, was folgt:
1. Stimmbindung
Die Gesellschafter verpflichten sich hiermit wechselseitig, ihre Stimmrechte aus allen von ihnen gegenwärtig und künftig gehaltenen Geschäftsanteilen bei allen Beschlüssen der I Holding GmbH und Wahlen der Gesellschafterversammlung der I Holding GmbH sowie stets bei Ausübung des Bestellungsrechts für die Mitglieder des Beirats der I Holding GmbH nur noch übereinstimmend und einheitlich wahrzunehmen oder sich übereinstimmend der Stimme zu enthalten.
2. Vertragsdauer
2.1. Die Stimmbindungsvereinbarung ist für unbestimmte Zeit geschlossen.
2.2. Die Stimmbindungsvereinbarung kann durch jeden der beteiligten Gesellschafter einzeln gekündigt werden. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen (Schriftform im Sinne des § 126 BGB). Sie hat mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende durch eingeschriebenen Brief zu erfolgen.
2.3. Das Recht zu einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt hiervon unberührt.
2.4. Bei Veränderungen der Stimmrechtsanteile insgesamt oder für einzelne der beteiligten Gesellschafter ist auf Verlangen eines Gesellschafters unverzüglich eine neue Stimmbindungsvereinbarung zu treffen. Das Verlangen kann durch jeden der beteiligten Gesellschafter einzeln ausgesprochen werden.
...
Mit Schreiben vom 2.9.2011, bei der Beklagten eingegangen am 5.9.2011, beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Feststellung, dass sie in ihrer Tätigkeit als "Gesellschafter-Geschäftsführerin" der Beigeladenen zu 1) seit dem 8.8.2011 nicht abhängig beschäftigt sei und somit nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege. Sie stützte sich im Wesentlichen auf die Stimmbindungsvereinbarung vom 8.8.2011. Die Klägerin gab im Fragebogen "Anlage zum Statusfeststellungsantrag für Gesellschafter / Geschäftsführer einer GmbH" an, dass sie der Beigeladenen zu 1) keine Darlehen gewährt und keine Bürgschaften für sie übernommen habe, neben ihr auch Herr I G über die für die Führung des Unternehmens erforderlichen einschlägigen Branchenkenntnisse verfüge und ihre Tätigkeit durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zu anderen Gesellschaftern geprägt sei, dies nicht aufgrund von familienhaften Rücksichtnahmen.
Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 10.10.2011 darauf hin, dass sie beabsichtige, das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung und daraus resultierend die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festzustellen. In der Krankenversicherung bestehe Versicherungsfreiheit. Sie vertrat die Ansicht, dass bei Gesellschafter-Geschäftsführern in einer GmbH ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur GmbH vorliege, wenn der Beschäftigte funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess der GmbH teilhabe, für seine Beschäftigung ein entsprechendes Arbeitsentgelt erhalte und keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft kraft seines Anteiles am Stammkapital habe. Maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft habe der Gesellschafter-Geschäftsführer, der - bei Ausgestaltung der Stimmrechte nach der Höhe der Geschäftsanteile - so viele Geschäftsanteile an der GmbH besitze, dass sie für die Beschlüsse der Gesellschafter eine Stimmenmehrheit sicherten, oder aufgrund besonderer Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag Beschlüsse der Gesellschafter verhindern könne (Sperrminorität). In beiden Fällen könne er insbesondere Beschlüsse verhindern, die sein Dienstverhältnis benachteiligten, weshalb in diesen Fällen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis von vornherein ausscheide. Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bildeten vorliegend der gesonderte Arbeitsvertrag, der die Mitarbeit in der Gesellschaft regle, die feste Vergütung in Höhe von 7.000,00 Euro monatlich sowie die fehlende Möglichkeit der Einflussnahme auf die Geschicke der Gesellschaft. Das Stammkapital der Beigeladenen zu 1) betrage 50.000,00 Euro, woran die Klägerin mit 10 % beteiligt sei. Das Stimmrecht des einzelnen Gesellschafters richte sich dabei nach der Höhe der Geschäftsanteile. Maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft habe derjenige Gesellschafter, der die Stimmenmehrheit auf sich vereinige. Auch der Stimmrechtbindungsvertrag räume der Klägerin keine Sperrminorität ein, mittels derer Gesellschafterbeschlüsse verhindert werden könnten. Demgegenüber sprächen für eine selbständige Tätigkeit vorliegend die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB, die Einzelvertretungsberechtigung sowie die Beteiligung am Geschäftserfolg durch Zahlung von Tantiemen. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen seien die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis schwerwiegender.
Mit Schreiben vom 21.10.2011 vertrat die Klägerin die Ansicht, dass sie maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausübe. Ausweislich der Stimmrechtsbindungsvereinbarung vom 8.8.2011 herrsche Einstimmigkeit in der Beschlussfassung. Entgegen der Stimmbindung getroffene Beschlüsse seien unwirksam und wegen Treuepflichtverletzung anfechtbar. Eine gegen den Willen der Klägerin gerichtete Stimmabgabe sei nicht denkbar.
Mit Bescheid vom 2.12.2011 stellte die Beklagte fest, dass die seit dem 1.1.2011 ausgeübte Tätigkeit der Klägerin als Gesellschafter-Geschäftsführerin bei der Beigeladenen zu 1) im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde, die Versicherungspflicht dem Grunde nach mit dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung beginne und in dem Beschäftigungsverhältnis Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. In der Krankenversicherung bestehe Versicherungsfreiheit. Unter Verweisung auf ihre Ausführungen im Anhörungsschreiben vom 10.10.2011 wies sie ergänzend darauf hin, dass die Stimmbindungsvereinbarung keine andere Wertung rechtfertige. Diese stehe zu dem Gesellschaftsvertrag in Widerspruch. Die Stimmbindungsvereinbarung sei ausdrücklich keine Änderung des Gesellschaftsvertrages. Damit existierten zwei sich widersprechende vertragliche Regelungen. Grundsätzlich gelte in diesen Fällen, dass eine satzungsmäßige Ausübung eines Stimmrechts wirksam sei, auch wenn gegen eine anders lautende Stimmrechtsverpflichtung verstoßen werde. Die Stimmbindungsvereinbarung habe generell nur schuldrechtliche Wirkung zwischen seinen Parteien und begründe keinen Mangel des Gesellschafterbeschlusses. Im Hinblick darauf, dass zum Handelsregister die Satzung anzumelden sei, nicht aber die Stimmbindungsvereinbarung, sei eine rein schuldrechtliche Wirkung der Stimmbindungsvereinbarung naheliegend.
Die Klägerin erhob hiergegen am 31.12.2011 Widerspruch. Sie nahm Bezug auf Urteile des Sozialgerichts (SG) München vom 29.9.2011 (Az.: S 56 R 3077/08) und des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 7.5.2012 (Az.: L 1 KR 338/10) und vertrat die Ansicht, dass bei zwei sich widersprechenden Verträgen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Vertrag jüngeren Datums, mithin die Stimmrechtsvereinbarung vom 8.8.2011, Geltung beanspruche.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.6.2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin unter Wiederholung ihrer Ausführungen im Anhörungsschreiben vom 10.10.2011 als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat am 12.7.2012 Klage zum SG Köln erhoben. Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt. Ergänzend hat sie geltend gemacht, Stimmbindungsvereinbarungen eines Gesellschafters mit anderen Gesellschaftern (einigen oder allen) oder Dritten über die Ausübung des Stimmrechts in einem bestimmten Sinne seien grundsätzlich zulässig. Diese könnten grundsätzlich auch formlos getroffen werden. Vereinbarungen aus dem Stimmbindungsvertrag seien einklagbar und im Wege der Zwangsvollstreckung nach § 894 Zivilprozessordnung (ZPO) durchsetzbar. Dass ein solcher Vertrag "nur" schuldrechtliche Wirkung habe, sei nicht relevant. Für die versicherungsrechtliche Beurteilung sei allein die einklag- und durchsetzbare Rechtsmacht relevant, die sich aus schuldrechtlichen Vereinbarungen ergebe. Sehe man ferner die Stimmrechtsvereinbarungen als Änderung des Gesellschaftsvertrages an, ergebe sich keine Unwirksamkeit der Vereinbarung wegen ggf. fehlender Eintragung. Anmeldepflichtig zum Handelsregister seien nur Änderungen bezüglich des zwingenden Inhalts des Gesellschaftsvertrages. Zwingender Inhalt des Gesellschaftsvertrages seien gem. § 3 GmbHG Firma, Sitz, Gegenstand des Unternehmens, der Betrag des Stammkapitals sowie die Zahl und Nennbeträge der Geschäftsanteile, nicht aber die Abstimmungsregeln. Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides sei auch formell rechtswidrig und bereits deshalb aufzuheben, weil die Klägerin von der Beklagten nicht ordnungsgemäß angehört worden sei und die Beklagte bei Erlass des Ausgangsbescheides auch keinerlei Abwägung vorgenommen habe. Die Verwaltung müsse die Äußerungen des Betroffenen zur Kenntnis nehmen und erwägen, was vorliegend nicht erfolgt sei. Eine Heilung der Verletzung der Anhörungspflicht sei nicht möglich. Aufgrund der besonderen Rechtsfolge eines Bescheides über die Versicherungspflicht (Beginn der Versicherungspflicht erst ab Bekanntgabe des Bescheides) scheide im Anwendungsbereich von § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) die Nachholung der Anhörung zur Gänze aus. Zudem sei die Anhörung nicht nachgeholt worden. Dazu wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, sich mit allen wesentlichen Aspekten des Klägervorbringens auseinanderzusetzen.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
den Bescheid vom 2.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.6.2012 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführerin in der Beigeladenen zu 1) seit dem 8.8.2011 nicht abhängig beschäftigt ist und somit nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt, hilfsweise festzustellen, dass jedenfalls keine Beitragszahlungspflicht gem. § 7a Abs. 6 SGB IV vom 8.8.2011 an bis heute, äußerst hilfsweise bis Zugang des Bescheides vom 2.12.2011 besteht.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 12.6.2012 Bezug genommen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Mit Verfügung vom 11.12.2012 ist Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 22.1.2013 bestimmt worden. Eine Sitzungsniederschrift befindet sich nicht bei den Akten.
Mit Urteil vom 5.2.2013 hat das SG Köln - dem Urteil zufolge im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung - unter Abänderung des Bescheides vom 2.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.6.2012 festgestellt, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführerin bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 8.8.2011 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 11.3.2013 zugestellte Urteil am 27.3.2013 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Klägerin habe keinen maßgebenden Einfluss auf die Willensbildung der Beigeladenen zu 1), da sie weder über die Mehrheit der Geschäftsanteile noch über eine umfassende Sperrminorität verfüge. Sie sei nicht in der Lage, sich gegenüber Weisungen der Mehrheit in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort ihrer Geschäftsführertätigkeit, die ihr nicht genehm seien, zur Wehr zu setzen. Auch die Stimmbindungsvereinbarung vom 8.8.2011 verschaffe der Klägerin nicht eine umfassende Sperrminorität. Diese könne jederzeit mit kurzer Frist gekündigt werden. Weiterhin habe der außerhalb des Gesellschaftsvertrages geschlossene Stimmbindungsvertrag generell nur schuldrechtliche Wirkung zwischen den Parteien und bewirke bei einer abredewidrig abgegebenen Stimme keinen Mangel des Gesellschafterbeschlusses.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 5.2.2013 zu ändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Die zivilrechtlich wirksam abgeschlossene Stimmbindungsvereinbarung verschaffe ihr die Rechtsmacht, maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft auszuüben. Eine von dieser Vereinbarung abweichende Stimmabgabe bewirke einen direkten Mangel des Gesellschafterbeschlusses und mache diesen unwirksam. Auf die Kündbarkeit der Vereinbarung komme es nicht an. In der Statusbeurteilung seien bestehende, rechtswirksame Verhältnisse zu beurteilen, nicht etwaige zukünftige Änderungen. Auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) werde verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Gründe
Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 1) bis 4) verhandeln und entscheiden können, da er sie mit den ordnungsgemäßen Terminnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beteiligten erstinstanzlich wirksam ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des SG ohne mündliche Verhandlung erklärt haben. Zwar befindet sich das Protokoll des Erörterungstermins, in welchem dem Urteil des SG zufolge die betreffenden Erklärungen abgegeben worden sind, nicht bei den Akten, und es war auch zweitinstanzlich nicht zu beschaffen. Die Beteiligten haben die Abgabe entsprechender Erklärungen indessen nicht bestritten. Jedenfalls aber ist dem Anspruch der Beteiligten auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung (Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Europäische Menschenrechtskonvention) in der Berufungsinstanz genügt worden.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist hinsichtlich der Anfechtungsklage teilweise unbegründet (I.), teilweise begründet und in Bezug auf die Feststellungsklage in vollem Umfang begründet ist (II.).
I. Hinsichtlich der Anfechtungsklage ist die Berufung der Beklagten teilweise unbegründet. Denn der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, soweit mit diesem festgestellt worden ist, dass die Klägerin die Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführerin bei der Beigeladenen zu 1) im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübt. Für die isolierte Feststellung des Vorliegens eines Beschäftigungsverhältnisses mangelt es an einer hierfür erforderlichen Ermächtigungsgrundlage.
Gemäß § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 11.3.2009, B 12 R 11/07 R, SozR 4-2400 § 7a Nr. 2; Urteil v. 4.6.2009, B 12 R 6/08 R, USK 2009-72) ist innerhalb des - dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegenden - Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV eine isolierte Feststellung des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV nicht zulässig, da das Tatbestandsmerkmal des (Nicht-) Vorliegens einer Beschäftigung einer isolierten Bestätigung durch einen - feststellenden - Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 SGB X) grundsätzlich nicht zugänglich ist. Der erkennende Senat ist dieser - auf den Wortlaut des § 7a Abs. 1 SGB IV, dessen Sinn und Zweck, seiner systematischen Stellung und seiner Entstehungsgeschichte gestützten Auslegung - bereits gefolgt (Urteil v. 18.12.2013, L 8 R 683/13, juris) und hält weiterhin an dieser fest.
II. Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten begründet und führt zur Abweisung der teils unzulässigen, teils unbegründeten Klage.
1. Mit ihrem Hauptantrag begehrt die Klägerin neben dem Anfechtungsbegehren die Feststellung, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführerin in der I GmbH seit dem 8.8.2011 nicht abhängig beschäftigt ist [a)] und nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt [b)].
a) Hinsichtlich des 1. Teils des Hauptantrags ist die Klage unzulässig, da mit ihm eine unzulässige Elementenfeststellung begehrt wird, zu der die Beklagte gem. § 7a SGB IV nicht ermächtigt ist (vgl. Ziffer II.).
b) Der 2. Teil des Hauptantrags ist teils unzulässig [aa)], teils unbegründet [bb)].
aa) Unzulässig ist der Antrag, soweit die Feststellung der Versicherungsfreiheit der Klägerin in der Krankenversicherung begehrt wird. Diese Feststellung hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid gerade vorgenommen, sodass es insoweit an einer Beschwer der Klägerin mangelt.
bb) Im Übrigen ist die Klage mit dem Hauptantrag unbegründet.
Bezogen auf die soziale Pflegeversicherung hat die Beklagte zutreffend keine Feststellung getroffen, da sie hierzu gem. § 7a SGB IV nicht ermächtigt ist. Denn bei vorliegender Krankenversicherungsfreiheit kann die Klägerin höchstens als freiwillig Krankenversicherte versicherungspflichtig in der sozialen Pflegversicherung sein (§ 20 Abs. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB XI]). Sie wäre dann allein zur Beitragstragung und -zahlung verpflichtet (§§ 59 Abs. 4 Satz 1, 60 Abs. 1 Satz 1 SGB XI), nicht jedoch der Arbeitgeber im Rahmen des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (§ 28d Sätze 1 und 2 SGB IV). Das Verfahren nach § 7a SGB IV dient jedoch, wie bereits § 7a Abs. 6 Satz 2 SGB IV verdeutlicht, allein dazu, das Vorliegen von Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit in denjenigen Fällen festzustellen, in denen davon für den Arbeitgeber die Verpflichtung zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages abhängt (vgl. Senat, Urteil vom 18.12.2013, L 8 R 683/13, juris).
Die Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung ab dem 8.8.2011 hat die Beklagte rechtmäßig festgestellt. Der angefochtene Bescheid beschwert die Klägerin damit insoweit nicht im Sinn des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine ordnungsgemäße Anhörung gem. § 7a Abs. 4 SGB IV erfolgt. Die Beklagte hat der Klägerin im Anhörungsschreiben die beabsichtigte Entscheidung und die nach ihrer Rechtsauffassung dafür maßgeblichen Umstände dargelegt und dabei die Ansicht vertreten, dass der "Stimmrechtsbindungsvertrag" der Klägerin keine Sperrminorität einräume, mittels derer sie Gesellschafterbeschlüsse verhindern könne. Damit hat sie die Klägerin in die Lage versetzt, zum Sachverhalt und den von ihr angenommenen rechtlichen Wirkungen der Stimmbindungsvereinbarung vom 8.8.2011 ergänzend vorzutragen. Dies entspricht dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck (vgl. Seewald in: Kasseler Kommentar, SGB IV, § 7a Rn. 17). Die Klägerin hat schließlich die Gelegenheit zu weiterem Vortrag, insbesondere zur Stimmbindungsvereinbarung genutzt.
Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht die Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung ab dem 8.8.2011 festgestellt. Ein Anspruch der Klägerin auf Feststellung, dass sie in ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin ab dem 8.8.2011 versicherungsfrei in den genannten Zweigen der Sozialversicherung ist, besteht daher nicht.
Rechtsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach können Beteiligte schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn - was hier nicht ersichtlich ist -, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hätte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 25 Abs. 1 SGB III). Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil v. 30.12.2013, B 12 KR 17/11 R, juris; Urteil v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21; Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 17; Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil v.11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
Bei der Feststellung des Gesamtbilds kommt dabei den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O., juris; ebenso Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, USK 2006-8; Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f.): Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil v. 28.9.2011, B 12 R 17/09 R, juris; Senat, Urteil v. 29.6.2011, L 8 (16) R 55/08, juris).
Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (BSG, Urteil v. 4.7.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 8 m.w.N.). Der Geschäftsführer einer GmbH ist weder wegen seiner Organstellung noch deshalb von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen, weil er gegenüber Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausübt. Denn auch wer Arbeitgeberfunktionen ausübt, kann seinerseits bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein. Maßgebend ist vor allem die Bindung des Geschäftsführers an das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter (BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 1 m.w.N.). Insoweit ist von besonderer Bedeutung, ob ein Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter ist und aufgrund seiner Gesellschafterstellung maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH hat und damit Beschlüsse und Einzelweisungen an sich jederzeit verhindern kann (BSG, Urteil v. 8.8.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4). Ist dies der Fall, ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen, weil der Geschäftsführer mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (BSG, Urteil v. 6.2.1992, 7 RAr 134/90, SozR 3-4100 § 104 Nr. 8). Darüber hinaus ist von Bedeutung, ob der Einfluss des Geschäftsführers auf die Willensbildung der GmbH aufgrund besonderer Einzelfallumstände unabhängig von seiner Gesellschafterstellung so erheblich ist, dass ihm gegenüber nicht genehme Beschlüsse und jede Weisung ausgeschlossen sind und er die Geschäfte nach eigenem Gutdünken führen, d.h. frei schalten und walten kann. Dann ist eine persönliche Abhängigkeit auch bei Diensten höherer Art zu verneinen, weil die Gesellschafter tatsächlich keinerlei Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen und sich der Geschäftsführer nur in der von ihm selbst gegebenen Ordnung des Betriebes einfügt (BSG, Urteil v. 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, USK 9975; BSG, Urteil v. 11.2.1993, 7 RAr 48/92, USK 9347; vgl. insgesamt: Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11 juris ). Ein Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft auf Grund der Gesellschafterstellung im Sinne einer umfassenden Sperrminorität besteht dann, wenn der Gesellschafter damit Einzelweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (vgl. BSG, Urt. v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, juris, Rn. 23).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls sowohl in vertraglicher als auch in tatsächlicher Hinsicht sprechen nach der Überzeugung des Senats die überwiegenden Gesichtspunkte dafür, dass die Klägerin ab dem 8.8.2011 fortlaufend im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses als Fremdgeschäftsführerin für die Beigeladene zu 1) tätig gewesen ist und noch ist.
Im Hinblick auf die vorliegenden vertraglichen Regelungen, die Ausgangspunkt der rechtlichen Prüfung sind, ist von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis der Klägerin zur Beigeladenen zu 1) auszugehen. Abweichende tatsächliche Umstände sind nicht bekannt und nicht vorgetragen worden.
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung, ob die Tätigkeit der Klägerin als Geschäftsführerin für die Beigeladene zu 1) im Rahmen einer Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit ausgeübt wird, ist der Geschäftsführer-Dienstvertrag (DV). Dieser Vertrag hat nach den darin verwendeten Begriffen "Anstellungsvertrag", "Anstellungsverhältnis", "Arbeitsunfähigkeit" und "Gehalt" sowie seinem Inhalt nach maßgebliche Elemente einer abhängigen Beschäftigung zum Gegenstand. So ist die Klägerin verpflichtet, ihre volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und jederzeit der Gesellschaft zur Verfügung zu stehen, soweit dies das Wohl der Gesellschaft erfordert (Ziff. 2.1 DV). Sie hat Anspruch auf die Zahlung eines monatlichen Festgehalts, das zahlbar ist jeweils am Ende eines Kalendermonats nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben (Ziff. 3.1 DV). Des Weiteren hat sie Anspruch auf Zahlung eines Zuschusses zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung (Ziff. 3.3 DV), Abschluss einer Unfallversicherung (Ziff. 3.4 DV), private Nutzung eines Diensthandys, eines Dienstlaptops und Internetanschlusses (Ziff. 3.5 DV) und Abschluss einer separaten Ergänzungsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung (Ziff. 3.6 DV). Bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit z.B. durch Krankheit wird ihr Grundgehalt für sechs Monate weitergezahlt (Ziff. 4.1 DV). Sie hat Anspruch auf Erstattung der bei Bewirtung von Geschäftspartnern und Geschäftsreisen entstehenden Auslagen, die im Interesse der Beigeladenen zu 1) entstehen (Ziff. 5.1 DV). Ferner hat sie Anspruch auf einen Dienstwagen mit Übernahme der Betriebs- und Unterhaltungskosten durch die Beigeladene zu 1) (Ziff. 5.3 DV). Schließlich kann sie einen bezahlten Jahresurlaub von 30 Tagen beanspruchen (Ziff. 6 DV).
Soweit der Geschäftsführer-Dienstvertrag keine Regelungen zur Arbeitszeit und -dauer enthält, ist dies Ausfluss des Umstandes, dass es sich um eine Tätigkeit höherer Art handelt, bei der das Weisungsrecht des Arbeitgebers von vornherein eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert ist (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R; Senat, Urteil vom 17.10.2012, L 8 R 545/11, jeweils zitiert nach juris). Zudem bestehen vorbezeichnete Freiheiten nur vordergründig, da die Klägerin gem. Ziff. 2.1 DV verpflichtet ist, der Beigeladenen zu 1) ihre volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und jederzeit - soweit dies das Wohl der Beigeladenen zu 1) erfordert - zu ihrer Verfügung zu stehen und ihre Interessen zu wahren, sogar entsprechend den geschäftlichen Erfordernissen Dienstreisen innerhalb und außerhalb Deutschlands vorzunehmen.
Auf der beschriebenen vertraglichen Grundlage ist die Klägerin auch in einem fremden Betrieb, nämlich dem der Beigeladenen zu 1), tatsächlich tätig geworden. Während dieser Tätigkeit war sie vollständig in den fremden Betrieb und folglich in eine ihr einseitig vorgegebene Organisation eingegliedert (vgl. BSG, Urteil v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 17 m.w.N.). Zudem unterlag und unterliegt sie dem Weisungsrecht der Beigeladenen zu 1) bzw. deren Gesellschafterversammlung bezüglich Ort, Zeit, Dauer sowie Art und Weise der Tätigkeit, denn sie war bzw. ist rechtlich nicht jederzeit in der Lage, ihr nicht genehme Weisungen zu verhindern.
Die Klägerin unterlag bzw. unterliegt nach §§ 37 Abs. 1, 46 GmbHG dem Weisungsrecht der Beigeladenen zu 1) bzw. deren Gesellschafterversammlung. Sie ist an der Beigeladenen zu 1) selbst nicht als Gesellschafterin beteiligt und verfügt auch nicht über die Rechtsmacht, ihr nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung der Beigeladenen zu 1) zu verhindern.
Ihre Stellung als Geschäftsführerin und Gesellschafterin der alleinigen Gesellschafterin der Beigeladenen zu 1), der I Holding GmbH, mit einer Beteiligung von 10 % verschafft ihr keine entsprechende Rechtsmacht. Sie kann die I Holding GmbH in der Gesellschafterversammlung der Beigeladenen zu 1) nicht allein vertreten, da sie im Gegensatz zu dem einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer, Herrn I G, nur mit diesem oder dem ebenfalls nur gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer T C gesamtvertretungsberechtigte Geschäftsführerin der I Holding GmbH ist. Herr I G als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer kann die I Holding GmbH hingegen allein vertreten und im Rahmen dessen der Klägerin als Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 1) Weisungen erteilen. Diese kann sie durch ihre Stellung als Gesellschafterin der I Holding GmbH nicht verhindern. Sie verfügt lediglich über eine Minderheitsbeteiligung von 10 % an dieser. Mit dieser Beteiligung kann sie keine Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der I Holding GmbH herbeiführen, mit denen sie deren Vertretung durch den einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer nach ihren Vorstellungen beeinflussen könnte. Hierzu bedürfte es einer Mehrheitsbeteiligung von mehr als 50 %, denn auch die Beschlüsse der I Holding GmbH werden nach deren Satzung grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst (Ziff. 8 der Satzung). Über eine solche Mehrheitsbeteiligung von mehr als 50 % verfügt die Klägerin jedoch nicht.
Die Stimmbindungsvereinbarung vom 8.8.2011 ist nicht geeignet, der Klägerin die Rechtsmacht zu verschaffen, den Inhalt der Gesellschafterbeschlüsse der I Holding GmbH zu bestimmen. Nach der Präambel dieser Vereinbarung sind sich die Gesellschafter einig, dass zum Erreichen und Erhalten einer effizienten, gemeinschaftlichen und gleichberechtigten Führung der Gesellschaft die Stimmrechte aus den von ihnen gegenwärtig und künftig gehaltenen Geschäftsanteilen nur einheitlich abgegeben werden sollen. Nach Ziff. 1. verpflichten sich die Gesellschafter wechselseitig, ihre Stimmrechte aus allen von ihnen gegenwärtig und künftig gehaltenen Geschäftsanteilen bei allen Beschlüssen der I Holding GmbH und Wahlen der Gesellschafterversammlung der I Holding GmbH sowie stets bei Ausübung des Bestellungsrechts für die Mitglieder des Beirats der I Holding GmbH nur noch übereinstimmend und einheitlich wahrzunehmen oder sich übereinstimmend der Stimme zu enthalten. Eine Regelung, dass die einheitliche Stimmabgabe inhaltlich allein dem Abstimmungsverhalten der Klägerin zu folgen hat, ist in der Stimmbindungsvereinbarung hingegen nicht enthalten. Für eine entsprechende Auslegung finden sich im Wortlaut der Vereinbarung keine Ansatzpunkte. Es wird vielmehr von einer gleichberechtigten Führung der Gesellschaft gesprochen, was vorliegend ausschließt, dass die Klägerin das Abstimmungsverhalten auch der übrigen Gesellschafter dominieren bzw. bestimmen kann.
Selbst wenn die Stimmbindungsvereinbarung vom 8.8.2011 der Klägerin eine entsprechende Rechtsmacht verschaffen würde, könnte sie damit nicht jederzeit ihr nicht genehme Weisungen der alleinigen Gesellschafterin der Beigeladenen zu 1), vertreten durch deren einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer, verhindern. Denn die Stimmrechtsvereinbarung ist für jeden der beteiligten Gesellschafter kurzfristig, und zwar mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende ordentlich und zudem aus wichtigem Grund außerordentlich, fristlos kündbar. Damit können sich die übrigen Gesellschafter unkompliziert und zeitnah von ihr lösen.
Aufgrund dessen ist die Rechtsauffassung der Klägerin, erst eine Kündigung der vorliegenden Stimmrechtsvereinbarung würde ihre Selbständigkeit im Sinne einer wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X) beseitigen, unzutreffend. Sie verkennt, dass ihre rechtliche Situation bereits gegenwärtig durch die bestehenden Kündigungsrechte gekennzeichnet ist und ihr gerade nicht die Rechtsmacht gibt, ihr nicht genehme Weisungen so zu verhindern, wie das bei einer gesellschaftsvertraglich vereinbarten Sperrminorität der Fall wäre.
Unerheblich ist, ob die Stimmbindungsvereinbarung der Klägerin die Rechtsmacht verleiht, Weisungen der Gesellschafterversammlung der I Holding GmbH an sie als deren Geschäftsführerin zu verhindern, da diese Rechtsbeziehung nicht Streitgegenstand vorliegenden Verfahrens ist. Auch im Hinblick auf das Vorliegen eines qualifiziert faktischen GmbH-Konzerns zwischen der Beigeladenen zu 1) und der I Holding GmbH ergibt sich keine andere Beurteilung. Selbst wenn die Klägerin in ihrer Tätigkeit für die I Holding GmbH versicherungsfrei sein sollte, ergibt sich daraus nichts für eine Versicherungsfreiheit bei der Beigeladenen zu 1). Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus den §§ 1 Satz 3 SGB VI, 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III, nach denen Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft für das Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören in einer Beschäftigung versicherungsfrei sind, wobei Konzernunternehmen im Sinne des § 18 Aktiengesetz (AktG) als ein Unternehmen gelten. Für Geschäftsführer verbundener Unternehmen im GmbH-Konzern gelten diese Regelungen mithin nicht. Für das Vorliegen eines Beherrschungsvertrages ist nichts ersichtlich, zumal die zur Wirksamkeit eines solchen Vertrages erforderliche Eintragung ins Handelsregister analog § 294 Abs. 2 AktG nicht gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss v. 30.1.1992, II ZB 15/91, juris).
Schließlich sind keine besonderen einzelfallbezogenen Umstände gegeben, die abweichend vom Regelfall die Bindung des Klägers an das willensbildende Organ der Beigeladenen zu 1), d.h. die Gesamtheit der Gesellschafter ausschließen und damit einer für ein Beschäftigungsverhältnis typischen Abhängigkeit entgegenstehen könnten. Bei Geschäftsführern, die - wie die Klägerin - weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine Sperrminorität verfügen, ist im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Eine hiervon abweichende Beurteilung kommt nur in Betracht, wenn besondere Umstände des Einzelfalles den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 8).
Solche besonderen Umstände sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung angenommen worden, wenn die übrigen Gesellschafter tatsächlich ihre Gesellschafterrechte nicht wahrgenommen und in keiner Weise in die Betriebsführung eingegriffen haben und der Geschäftsführer wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken geführt hat, d.h. schalten und walten konnte, wie er wollte. Ein derart beherrschender Einfluss ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Geschäftsführern in Familiengesellschaften erwogen worden, wenn der Geschäftsführer mit den Gesellschaftern familiär verbunden war, die Geschäftsführertätigkeit durch familienhafte Rücksichtnahme geprägt war und es an der Ausübung der Gesellschafterrechte durch die Gesellschafter mangelte (BSG, Urteil v. 14.12.1999, B 2 U 48/98 R; BSG, Urteil v. 29.10.1986, 7 RAr 43/85; zurückhaltend hingegen BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R). Unter diesem Gesichtspunkt liegt im vorliegenden Verfahren eine faktische Weisungsfreiheit der Klägerin schon deshalb fern, da eine familiäre Verbundenheit zwischen den Gesellschaftern der I Holding GmbH weder ersichtlich noch vorgetragen worden ist.
Eine faktische Weisungsfreiheit der Klägerin ergibt sich auch nicht aus ihrer besonderen individuellen fachlichen Qualifikation. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist die Annahme nicht gerechtfertigt, dass die Klägerin innerhalb des Betriebs der Beigeladenen zu 1) nach "eigenem Gutdünken" frei schalten und walten kann. Gegen diese Beurteilung spricht bereits im Ansatz, dass neben ihr mit Herrn I G ein weiterer Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) bestellt worden ist, der gleichfalls über für die Führung des Unternehmens erforderlichen einschlägigen Branchenkenntnisse verfügt. Dass die Klägerin kraft überragender Branchenkenntnisse oder überlegenen Fachwissens den weiteren Geschäftsführer oder die übrigen Gesellschafter der I Holding GmbH dominiert haben könnte, ist auszuschließen. Zudem werden Beschäftigte gerade aufgrund ihrer besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten eingestellt. In solchen Fällen ist ein stark abgeschwächtes Weisungsrecht für die ausgeübte Tätigkeit ebenso wie z. B. bei der Wahrnehmung von Tätigkeiten für leitende Angestellte, die in einem Betrieb höhere Dienste leisten, geradezu charakteristisch. Dennoch werden auch Tätigkeiten für leitende Angestellte im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes erfolgen. Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 1 Satz 4 SGB VI sowie § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (BSG, Urteil v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, a.a.O.; Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, a.a.O.; jeweils m.w.N.). Allein weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem gemilderten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbständigen (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R; Senat, Urteil vom 17.10.2012, L 8 R 545/11, jeweils a.a.O.).
Wesentliche Freiheiten der Klägerin hinsichtlich Arbeitszeit und Gestaltung der Tätigkeit liegen demnach nicht vor. Maßgeblich sind allein die Belange und das Wohl der Beigeladenen zu 1). Die Regelungen des Geschäftsführer-Dienstvertrages regeln - wie ausgeführt - typischerweise gewisse Freiheiten einer leitenden Angestellten, die aber nur vordergründig bestehen, da die Klägerin verpflichtet ist, ihre volle Arbeitskraft der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen und dieser jederzeit zur Verfügung zu stehen, soweit dies das Wohl der Gesellschaft erfordert, sowie sogar entsprechend den geschäftlichen Erfordernissen Dienstreisen innerhalb und außerhalb Deutschlands vorzunehmen.
Zudem verfügte die Klägerin nicht über eine eigene, unabhängig von dem Betrieb der Beigeladenen zu 1) bestehende Betriebsstätte, und sie hat auch kein für eine selbstständige Tätigkeit sprechendes wesentliches Unternehmerrisiko zu tragen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, a.a.O.) ist maßgebliches Kriterium dafür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist, wobei dem Risiko unternehmerische Chancen in Form von Verdienstmöglichkeiten oder Gestaltungsspielräumen gegenüber stehen müssen (vgl. BSG, Urteil v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, juris). Eine solche Ungewissheit ist nicht festzustellen, soweit es um den Einsatz der Arbeitskraft der Klägerin geht. Denn sie erhält erfolgsunabhängig ein monatliches Festgehalt in Höhe von 7.000,00 Euro. Gewinnabhängige Gehaltsbestandteile werden der Klägerin hingegen nicht gewährt. Ein Kapitaleinsatz der Klägerin liegt nicht vor. Sie hat der Beigeladenen zu 1) schon keine Darlehen gewährt und für diese keine Sicherheiten gestellt, sodass dahingestellt bleiben kann, ob hierin überhaupt die Übernahme eines relevanten unternehmerischen Risikos liegt.
Soweit die Klägerin einzelvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist, ist das für einen abhängig beschäftigten Geschäftsführer nicht untypisch und deutet deshalb nicht zwingend auf eine selbständige Tätigkeit hin (vgl. BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R; BSG, Urteil vom 4.7.2007, B 11a AL 5/06 R, a.a.O.; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, a.a.O.).
Für Selbständigkeit sprechende Gesichtspunkte sind somit nur in derartig geringem Maße vorhanden (Alleinvertretungsberechtigung, Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens), dass die maßgeblich für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale der Weisungsgebundenheit und Eingliederung in einen fremden Betrieb den Ausschlag geben für das Ergebnis der Gesamtabwägung.
Die Voraussetzungen für einen späteren Beginn der Versicherungspflicht gem. § 7a Abs. 6 Satz 1 SGB IV liegen nicht vor. Denn der Antrag nach § 7a SGB IV ist nicht rechtzeitig innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt worden. Ausgehend von der Aufnahme der Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 1) zum 1.1.2011 war die Antragstellung am 5.9.2011 verspätet. Die Stimmrechtsvereinbarung vom 8.8.2011 führt nicht dazu, dass eine andere neue Tätigkeit aufgenommen wird, und damit nicht zu einem neuen Beginn der Antragfrist. Dies gilt schon deshalb, weil die Veränderung der vertraglichen Grundlagen der Tätigkeit hinsichtlich des sozialversicherungsrechtlichen Status - wie oben dargelegt - rechtlich irrelevant ist. Der Wortlaut "Aufnahme" spricht dafür, dass nur zu Beginn einer Tätigkeit die Vergünstigungen des Abs. 6 gewährt werden sollen, nicht bei einer Änderung der vertraglichen Grundlagen oder tatsächlicher Umstände einer bereits ausgeübten Tätigkeit. Dies gilt auch nach Sinn und Zweck der Regelung, eine rasche Antragstellung zu honorieren und eine aus Sicht des Versicherten ggf. in Anbetracht der privaten Vorsorge entstehende unerwünschte "Doppelversicherung" zu verhindern. Unter systematischen Gesichtspunkten handelt es sich bei dem Abs. 6 um eine Ausnahmevorschrift, die grundsätzlich nicht erweiternd ausgelegt werden kann. Ein abweichendes Verständnis würde die Regelung manipulationsanfällig machen.
2. Mit den Hilfsanträgen, mit denen die Klägerin Feststellungen zur Beitragspflicht begehrt, ist ihre Klage ebenfalls unzulässig.
Abgesehen davon, dass die Beklagte zu Feststellungen zur Beitragspflicht im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens gem. § 7a SGB IV nicht befugt ist, liegt bisher weder eine anfechtbare Verwaltungsentscheidung vor, noch ist ein Vorverfahren gem. § 78 SGG durchgeführt worden. Eine Verurteilung eines Beigeladenen gem. § 75 Abs. 5 SGG kommt ebenso nicht in Betracht. Es ist beim Streit um Beitragspflichten unzulässig, das gesetzlich vorgeschriebene Vorverfahren zu umgehen und gegen den beigeladenen Versicherungsträger unmittelbar ein Feststellungsbegehren geltend zu machen (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 75 Rn. 18b; BSG, Urteil vom 25.3.2004, B 12 AL 5/03 R, SozR 4-2600 § 191 Nr. 1; BSG, Urteil vom 26.5.2004, B 12 AL 4/03 R, SozR 4-2500 § 5 Nr. 2).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
LSG Nordrhein-Westfalen:
Urteil v. 03.09.2014
Az: L 8 R 296/13
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/db8046601919/LSG-Nordrhein-Westfalen_Urteil_vom_3-September-2014_Az_L-8-R-296-13