Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Juni 2000
Aktenzeichen: 32 W (pat) 451/99
(BPatG: Beschluss v. 28.06.2000, Az.: 32 W (pat) 451/99)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist die nachfolgende Wort/Bildmarkesiehe Abb. am Endeunter der Nr 397 23 074 in das Register für
"Ausbildung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Aus- und Weiterbildung und Schulungen im Hardware- und Softwarebereich mit entsprechender Anwenderberatung"
in den "Farben blau, rot, schwarz" in das Register eingetragen worden.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin mit der prioritätsälteren Marke 2 097 411 siehe Abb. 2 am Endedie Schutz genießt für Auf Datenträger aller Art aufgezeichnete Computer-Software, Datenverarbeitungsgeräte; Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung, insbesondere für das Gebiet der Fertigungstechnik, Fertigungsgestaltung und Steuerungstechnik, Erstellung von NC-Programmen für komplexe Werkstücke und für unterschiedliche Fertigungsverfahren, Erstellen von Datenverarbeitungsprogrammen und Computerhardwaresystemen, für den Werkzeug-, Formen- und Modellbau, Ingenieurdienstleistungen, insbesondere auf dem Gebiet der Fertigungstechnik, Fertigungsgestaltung und Steuerungstechnik; Organisation und Durchführung von Softwareschulungen; Peripheriegeräte, nämlich Daten-, Eingabe-, Ausgabe-, Übertragungs- und Speichergeräte, Teile aller vorgenannten Waren; Personalcomputer.
Die Markenstelle für Klasse 41 - besetzt mit einem Beamten des höheren Dienstes - hat durch Beschluß vom 30. Juli 1999 die Löschung der jüngeren Marke angeordnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen seien zum Teil identisch und im übrigen ähnlich. Demgemäß müßten die Vergleichsmarken beachtliche Abweichungen aufweisen, um Verwechslungen ausschließen zu können. Den erforderlichen Markenabstand halte indes die jüngere Marke nicht ein. Die Vergleichsmarken seien klanglich ähnlich. Der Gesamteindruck der Vergleichsmarken werde von der Buchstabenkombination "gib" geprägt oder doch wesentlich mitbestimmt. Denn die graphische Ausgestaltung in Form eines Dreieckes in der angegriffenen Marke trete zurück und stelle eine werbeübliche Betonung des Wortbestandteils dar. Da auch die Widerspruchsmarke als Buchstabenfolge "Gib" aufgefaßt werde, bestehe klangliche Identität. Infolge dessen könnten klangliche Verwechslungen nicht ausgeschlossen werden, selbst wenn sich hochwertige Waren und Dienstleistungen gegenüberstünden, die erst nach längeren Überlegungen erworben würden. Der Hinweis der Markeninhaberin auf mindestens 65 Firmen mit der Buchstabenfolge "gib" sei markenrechtlich ohne Bedeutung. Das Vorhandensein anderer Marken könne allenfalls Auswirkungen auf die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke haben, zumal diese die Imperativform des Verbs "geben" enthalte. Allerdings sei mangels Apostrophes die Imperativform nicht ohne weiteres naheliegend, so daß der Verkehr in der Widerspruchsmarke eine bloße Buchstabenkombination ohne Sinngehalt sehen werde. Deshalb könne die Widerspruchsmarke allenfalls als kennzeichnungsschwach, nicht jedoch als schutzunfähig beurteilt werden.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin.
Sie macht geltend, für die Frage der Verwechslungsgefahr sei nicht auf die Allgemeinheit der Verbraucher abzustellen, sondern auf die von ihr ausschließlich bedienten mittelständischen Unternehmen, bei denen Software der Firmen IBM installiert oder angepaßt würden. Demgegenüber sei die Widersprechende ausweislich der Eintragung auf den Gebieten der Fertigungstechnik, Fertigungsgestaltung und Steuerungstechnik im Bereich des Werkzeug-, Formen- und Modellbaus tätig; sie erbringe insoweit Ingenieurdienstleistungen. Die angesprochenen Fachkreise seien gewohnt, sorgfältiger auf Unterschiede bei den Marken zu achten. Diese Verkehrskreise wüßten indes, daß sie Tätigkeiten der Widersprechenden nicht ausüben könne. Die Widerspruchsmarke sei nur in ihrer Gesamtheit schutzfähig, nicht indes hinsichtlich der Imperativform "Gib" des Verbs "geben". Dies sei ein Wort des allgemeinen Sprachgebrauchs und daher schutzunfähig. Die Kennzeichnungsschwäche ergebe sich auch aus der Existenz von 65 Firmen mit der entsprechenden Buchstabenfolge. Darüber hinaus gebe es drei weitere Marken mit den Buchstaben "Gib". Schließlich sorge die jeweilige Gestaltung der Vergleichsmarken für eine zusätzliche Unterscheidungshilfe.
Sie beantragt (sinngemäß), unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Widerspruch zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie macht geltend, für die Frage der Ähnlichkeit sei ausschließlich von den registrierten Waren und Dienstleistungen auszugehen. Deshalb sei der Hinweis der Markeninhaberin auf die tatsächlichen Marktverhältnisse irrelevant, so lange diese Umstände keinen Niederschlag im Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen fänden. Im übrigen werde der Vortrag der Markeninhaberin hierzu mit Nichtwissen bestritten.
Wegen der Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt einschließlich der Amtsakte der Marke 397 23 074 Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Markeninhaberin ist zulässig (§ 66 Abs 2 und 5 MarkenG), in der Sache erweist sie sich jedoch als unbegründet, da eine Verwechslungsgefahr der Vergleichsmarken im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht.
Nach §§ 9 Abs 1 Nr 2, 42 Abs 2 MarkenG ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer älteren Marke und der Ähnlichkeit der durch die Vergleichsmarken erfaßten Waren und Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht. Die Frage der Verwechslungsgefahr ist dabei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH WRP 1989, 39, 41 "Sabèl/Puma").
Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist davon auszugehen, daß hinsichtlich "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" sogar Identität besteht, im übrigen aber eine zumindest mittlere Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen gegeben ist, weshalb strengere Anforderungen an den Abstand zu fordern sind, den die jüngere gegenüber der älteren Marke einzuhalten hat. Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin kommt es hierbei ausschließlich auf die Registerlage an, nicht aber, ob und wie sich die Waren und Dienstleistungen tatsächlich auf dem Markt begegnen.
Bei der Beurteilung des Gesamteindrucks der Vergleichsmarken ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, daß sich der Verkehr bei kombinierten Wort/Bildmarken in der Regel eher an dem Wort als an den Bildbestandteilen orientiert, weil das Kennwort in der Regel die einfachste Form ist, die Ware oder Dienstleistungen zu bezeichnen (BGH GRUR 1989, 425 "Herzsymbol"; 1996, 198 "Springende Raubkatze"). Deshalb wird der Verkehr bei der Benennung der geschützten Waren und Dienstleistungen das Wort "gib" bzw "Gib" jeweils aus den Vergleichsmarken herausgreifen und die Bildbestandteile vernachlässigen. Etwas anderes würde nur gelten, wenn diese Bezeichnung kennzeichnungsschwach wäre (BGH GRUR 2000, 506, 509 "ATTACHÉ/TISSERAND"), was sich indes nicht ohne weiteres feststellen läßt. Vielmehr handelt es sich bei der Buchstabenfolge "gib" um ein aussprechbares Wort, das entgegen der Auffassung der Markeninhaberin auch nicht beschreibend ist. Nur bei einem beschreibenden Gehalt der Vergleichswörter wäre von einer Kennzeichnungsschwäche auszugehen. Deshalb hat der Umstand, daß "gib" die Imperativform des Verbs "geben" ist und damit dem allgemeinen Sprachgebrauch zugehört, keine Bedeutung für die Frage des Schutzumfangs.
Eine Kennzeichnungsschwäche ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Markeninhaberin, es gebe 65 Firmen, die die entsprechende Buchstabenfolge aufwiesen. Für die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr kommt es indes nur darauf an, wieviele gleichlautende Marken das Register aufweist. Insoweit kann die Heranziehung des Rollenstandes wertvolle Aufschlüsse vermitteln. Sind in die Zeichenrolle für gleiche oder benachbarte Warengebiete eine Reiche ähnlicher Zeichen gelangt, ohne daß deren Inhaber hiergegen vorgegangen ist, kann dies ein wichtiger Fingerzeig dafür sein, daß es sich um eine naheliegende, verbrauchte Wortbildung von geringer Originalität handelt (BGH GRUR 1967, 246 "Vitapur"; 1999, 241, 243 "Lions"). Indes hat die Markeninhaberin selbst nur auf drei weitere Marken mit der Buchstabenfolge "gib" verweisen können, wobeizwei davon nicht einmal benachbarte Waren- oder Dienstleistungsbereiche betreffen. Soweit die Marke 1 063 458 "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" umfaßt, ist eine einzige weitere Marke kein Anhaltspunkt für eine in Vergleichswörtern von Anfang an anhaftende Kennzeichnungsschwäche. Werden mithin die Vergleichsmarken von der Buchstabenfolge "gib" geprägt und bilden die entsprechenden Kennwörter, sind klangliche Verwechslungen beachtlichen Ausmaßes nicht auszuschließen. Angesichts der Identität dieser Bezeichnungen ist auch der angesprochene Fachverkehr nicht in der Lage, trotz erhöhter Aufmerksamkeit die Vergleichsmarken auseinander zu halten, so daß klangliche Verwechslungen beachtlichen Ausmaßes unvermeidlich sind.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Für eine Kostenauferlegung bot der Sach- und Streitstand keinen Anlaß (§ 71 Abs 1 MarkenG).
Dr. Fuchs-Wissemann Klante Sekretaruk Ju Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/32W(pat)451-99.1.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/32W(pat)451-99.2.3.gif
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Beschluss v. 28.06.2000
Az: 32 W (pat) 451/99
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