Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. März 2004
Aktenzeichen: 27 W (pat) 179/03

(BPatG: Beschluss v. 16.03.2004, Az.: 27 W (pat) 179/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Der Anmelder hat die Bezeichnung ANATOMIC als Wortmarke für "Pferdeausrüstungsgegenstände, nämlich Pferdegeschirre; Peitschen; Sattlerwaren; Reitsattel; Leder und Lederimitationen, sowie aus diesen Materialien hergestellte Waren, soweit in Klasse 18 enthalten; Dienstleistungen eines Sattlers; technische Beratung" zur Eintragung in das Markenregister angemeldet.

Die Markenstelle für Klasse 18 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss eines Beamten des höheren Dienstes die Anmeldung wegen mangelnder Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Unter Bezugnahme auf den vorausgegangenen Beanstandungsbescheid hat sie ausgeführt, die angemeldete Bezeichnung stelle einen Begriff des englischen bzw. französischen Grundwortschatzes dar und werde entsprechend dem deutschen "anatomisch" als Beschreibung wesentlicher Eigenschaften der beanspruchten Waren und Dienstleistungen verstanden, nämlich einer anatomischen Passgenauigkeit. Diese Angabe stelle für den angesprochenen Verkehr einen Sachhinweis mit erheblicher Werbewirkung dar. Eine interpretative Mehrdeutigkeit oder ein Mindestmaß an fantasievoller Eigenheit seien nicht gegeben, so dass insgesamt der angesprochene Verkehr aufgrund der Bezeichnung nicht in der Lage sei, mit dem möglicherweise gegebenen Wiedererkennungseffekt der Bezeichnung eine betriebliche Hinweiswirkung zu verbinden. Ob daneben noch ein Freihaltungsbedürfnis vorliege, könne dahinstehen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Anmelders, der zur Begründung vorträgt: Nur ein kleiner Teil der beteiligten Verkehrskreise werde die Bezeichnung "ANATOMIC" als "anatomisch" verstehen. Es handele sich nicht um ein Wort des englischen Grundwortschatzes. Die Wortbildung mit dem Endbestandteil "-ic" verleihe der angemeldeten Bezeichnung eine markentypische Prägnanz; es gebe keine allgemein verbindliche Wortbildungsregel, nach der englische Parallelbegriffe zu deutschen Adjektiven, die auf "-isch" enden, auf "-ic" endeten. Selbst wenn gleichwohl ein Teil des Verkehrs das angemeldete Zeichen als "anatomisch" erkenne, sei doch ein sachlicher Zusammenhang zwischen diesem zum Bereich der Medizin gehörenden Begriff und den angemeldeten Waren und Dienstleistungen nicht gegeben.

In der mündlichen Verhandlung wurden neben Fragen der Adjektivbildung in der englischen Sprache insbesondere die dem Sitzungsprotokoll beigefügten Internetauszüge betreffend Suchergebnisse zu "Sattel, anatomisch", "Sattel, anatomisch, Pferd" und "anatomisch, Reitsport" erörtert. Der Vertreter des Beschwerdeführers bestätigte und vertiefte demgegenüber seinen Standpunkt, jegliche begriffliche Beziehung zwischen "anatomisch" und den beanspruchten Produkten sei "aus der Luft gegriffen" und "weit hergeholt".

II Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, weil der Eintragung der angemeldeten Marke die absoluten Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegenstehen.

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u.a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2002, 64 - INDIVIDUELLE; BGH GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Die angemeldete Marke besteht ausschließlich aus einer derartigen Angabe.

Die angemeldete Bezeichnung "ANATOMIC" ist als englischsprachiger Begriff nicht zuletzt aufgrund der sprachlich weitgehenden Übereinstimmung mit dem deutschen "anatomisch" breitesten Verkehrskreisen ohne weiteres verständlich. Wenngleich es im englischen keine verbindliche Regel gibt, dass deutsche Begriffe, die auf "-isch" enden, im Englischen auf "-ic" enden müssen, trifft doch das Gegenteil in der Regel zu, indem englischen "-ic"-Begriffen im Deutschen solche mit "-isch" entsprechen (vgl. fantasticfantastisch; metricmetrisch; ergonomicergonomisch). Eine solche Konstellation ist auch im vorliegenden Fall bei den Begriffen "anatomic" und "anatomisch" gegeben. Der Verkehr erkennt die gleiche Bedeutung ohne weiteres Nachdenken.

Wie den in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörterten Unterlagen zu entnehmen ist, wird die Bezeichnung "anatomisch" im Bereich des Reitsports, zum Beispiel im Hinblick auf die Gestaltung von Sätteln, Gurten und Peitschen als allgemein üblicher Ausdruck verwendet, mit dem die möglichst gute Anpassung der betreffenden Gegenstände an den Körper von Mensch und Tier zum Ausdruck gebracht wird. Der Senat sieht keine Anhaltspunkte - und solche wurden auch in der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen -, dass ausgerechnet die vom Anmelder angesprochenen Teile des Verkehrs, die sich für Pferdeausrüstungsgegenstände und die weiteren beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Umfeld des Pferdesports interessieren, diesen vielfältig belegten und für das "richtige" Reiten mit einer entsprechend der Anatomie von Mensch und Pferd gefertigten Ausrüstung zentralen Gesichtspunkt nicht erkennen sollten. Dabei handelt es sich bei dem medizinischen Begriff "anatomisch" im Sinne von "den Bau der Lebewesen betreffend" um die hier sachlich allein zutreffende Bezeichnung, denn die genaue Kenntnis des Bewegungsapparats von Mensch und Tier ist grundlegende Voraussetzung sowohl für die anatomische Formgebung der beanspruchten Waren als auch für die technische Beratung von Reitern und Pferdebesitzern und die Dienstleistungen eines Sattlers. Der von dem Anmelder in diesem Zusammenhang genannte Begriff "ergonomisch" bringt demgegenüber das Verhältnis des Menschen zu Gegenständen in seinem Arbeits- und Lebensumfeld, insbesondere (Büro-)Möbel, Maschinen, Computer, zum Ausdruck, bei denen zwar auch anatomische Gesichtspunkte eine wesentliche Rolle spielen, aber bezogen auf einen anderen Anwendungsbereich.

Der Ansicht der Anmelderin, die Endung "-ic" in der angemeldeten Bezeichnung führe zu einer besonderen markentypischen Prägnanz, kann nicht gefolgt werden. Der Senat sieht, wie in der mündlichen Verhandlung bereits eingehend dargelegt, "anatomic" nicht anders als etwa "fantastic", "metric" oder "ergonomic" als völlig sprachübliche, allgemein verständliche englische Begriffe an, denen keinerlei Besonderheit zu eigen ist, die davon ablenken könnte, dass es sich um Adjektive handelt. Ein Adjektiv ist nach der Definition des Duden (Deutsches Universalwörterbuch, 4. Aufl., Mannheim 2001 - Stichwort "Adjektiv") ein "Wort, das "ein Wesen od. Ding, ein Geschehen, eine Eigenschaft od. einen Umstand als mit einem bestimmten Merkmal, mit einer bestimmten Eigenschaft versehen kennzeichnet".

Werden nun die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen mit einem Adjektiv wie "anatomic" gekennzeichnet, so hat der Verkehr keine wie auch immer geartete Veranlassung, darin etwas anderes zu erblicken als den Hinweis auf die Eigenschaft "anatomisch", die, wie dargelegt, im Reitsport eines der entscheidenden Kriterien für die Herstellung von Pferdeausrüstungs- und Reitsportgegenständen einerseits und den Erwerb dieser Waren andererseits darstellt. Alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen wird der Verkehr daraufhin aufwählen, ob sie diesem entscheidenden Kriterium, nämlich "anatomisch" richtiges Reiten zu ermöglichen, gerecht werden können. Das gilt nicht nur für die fertigen Produkte, sondern auch für die dazu verwendeten Materialien sowie die Beratungsleistungen, die im Zusammenhang mit dem Pferdesport erbracht werden. Wegen des Interesses der Allgemeinheit, auf solche Wareneigenschaften mittels der angemeldeten Bezeichnung hinweisen zu können, darf die angemeldete Bezeichnung nicht zugunsten eines Unternehmers monopolisiert werden (vgl. EuGH GRUR 2004, 146 - Doublemint).

Da ihr die angesprochenen Verkehrskreise ohne weiteres Nachdenken den im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt von "anatomisch" zuordnen können, fehlt ihr auch jegliche Unterscheidungskraft, denn bei einer solchen reinen Sachaussage, die völlig sprachregelgemäß gebildet ist, hat der Verkehr keine Veranlassung, sie als Herkunftshinweis aufzufassen (st. Rspr.: BGH GRUR 2001, 1151 - marktfrisch; BGH GRUR 2002, 1070 - Bar jeder Vernunft; EuGH MarkenR 2002, 391 - Companyline; BGH MarkenR 2004, 39 - Cityservice).

Dr. Schermer Richter Rekerkann wegen Urlaubs nicht unterschreiben Dr. van Raden Na






BPatG:
Beschluss v. 16.03.2004
Az: 27 W (pat) 179/03


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