Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 21. April 2008
Aktenzeichen: AnwZ (B) 37/07

(BGH: Beschluss v. 21.04.2008, Az.: AnwZ (B) 37/07)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 15. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist 1977 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden. Seit dem 10. September 2002 ist er bei dem Amtsgericht L. und dem Landgericht M. zugelassen. Die Antragsgegnerin widerrief mit Bescheid vom 14. Juli 2006 die Zulassung des Antragstellers gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls.

Der Anwaltsgerichtshof hat den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft ist zu Recht widerrufen worden.

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlass der angegriffenen Verfügung erfüllt.

a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall sind die Erwirkung von Schuldtiteln und fruchtlose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. vom 25. März 1991 - AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126). Der Antragsteller hatte zum Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung beim Finanzamt L. fällige und vollstreckbare Steuerrückstände in Höhe von 156.988,83 €. Die vom Finanzamt L. durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen sind erfolglos verlaufen. Auf das Anhörungsschreiben der Antragsgegnerin vom 1. Juni 2006 hin hat er die Steuerschuld nicht in Abrede gestellt, jedoch behauptet, seinerseits gegenüber der Finanzbehörde einen noch zu realisierenden Schadensersatzanspruch aus Amtspflichtverletzung in einer Größenordnung von mehr als 500.000 € zu haben, ohne diesen näher zu konkretisieren oder zu belegen.

b) Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, lagen bei Erlass der Widerrufsverfügung nicht vor. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern.

2. Ein nachträglicher Wegfall des Widerrufsgrundes, der im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356; 84, 149), liegt nicht vor.

Eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hat der Antragsteller nicht dargetan. Seinen gegenüber dem Finanzamt behaupteten Zahlungsanspruch hat er bis heute nicht näher dargelegt und belegt. Vielmehr ist mit Beschluss des Amtsgerichts M. vom 15. September 2006 über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden, so dass zwischenzeitlich auch der Vermutungstatbestand des § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO gegeben ist.

Solange das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers läuft, ist die Grundlage der gesetzlichen Vermutung nicht entfallen. Die Vermögensverhältnisse eines Schuldners können grundsätzlich erst mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, mit welcher der Schuldner das Recht zurückerhält, über die vormalige Insolvenzmasse frei zu verfügen (§ 259 Abs. 1 Satz 2 InsO), und mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung durch Beschluss des Insolvenzgerichts (§ 291 Abs. 1 InsO) wieder als geordnet angesehen werden (Senatsbeschlüsse vom 26. November 2007 - AnwZ (B) 96/06 Textziffer 9 und vom 7. Dezember 2004 - AnwZ (B) 40/04, NJW 2005, 1271). Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben.

b) Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall nicht (mehr) gefährdet sind. Wie der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber grundsätzlich von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden aus, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet; dies ist auch in aller Regel der Fall, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern. Diese Gefährdung entfällt nicht bereits durch die Insolvenzeröffnung und die damit verbundene Verfügungsbeschränkung des Insolvenzschuldners (Senatsbeschlüsse vom 26. November 2007 - AnwZ (B) 96/06 Textziffer 9 und vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511).

Ein Ausnahmefall, in dem der Vermögensverfall die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet, liegt hier entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht vor. Anders als in dem der Senatsentscheidung vom 18. Oktober 2004 (AnwZ (B) 43/03, aaO) zugrunde liegenden Fall hat der Antragsteller schon seinen anwaltlichen Beruf bisher nicht ohne jede Beanstandung ausgeübt. Das Anwaltsgericht für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer H. hat am 27. Juni 2002 gegen den Antragsteller wegen schuldhafter Verletzung der Berufspflichten gemäß §§ 43, 113 BRAO einen Verweis und eine Geldbuße in Höhe von 10.000 € verhängt. Dem Verfahren lagen Vorgänge zugrunde, derentwegen der Antragsteller auch vom Landgericht D. wegen Untreue, Betruges und versuchten Betruges in seiner Tätigkeit als Notar zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten unter Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung verurteilt worden war. Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts E. vom 11. Dezember 2007 ist der Antragsteller überdies wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Anders als in der vorgenannten Senatsentscheidung ist der Antragsteller auch nicht in einer Sozietät angestellt, sondern als Einzelanwalt tätig. Durch die vom Antragsteller angesprochenen Vereinbarungen mit einem oder mehreren außenstehenden Rechtsanwälten kann aber eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht ausgeschlossen werden. Eine Selbstbeschränkung des Antragstellers, keine Mandate anzunehmen, die die Entgegennahme von Fremdgeld beinhalten oder auch überhaupt keine Mandate mehr anzunehmen, wäre nicht überprüfbar.

Der Senat konnte auch in Abwesenheit des Antragstellers entscheiden, weil er ordnungsgemäß geladen worden ist und sein Fernbleiben nicht entschuldigt hat.

Ganter Ernemann Frellesen Roggenbuck Hauger Wosgien Martini Vorinstanz:

AGH Hamm, Entscheidung vom 15.12.2006 - 1 ZU 93/06 -






BGH:
Beschluss v. 21.04.2008
Az: AnwZ (B) 37/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/dc00c3d8b7f3/BGH_Beschluss_vom_21-April-2008_Az_AnwZ-B-37-07




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share