Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Oktober 2007
Aktenzeichen: 27 W (pat) 65/07
(BPatG: Beschluss v. 29.10.2007, Az.: 27 W (pat) 65/07)
Tenor
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 vom 25. Oktober 2006 wird aufgehoben, soweit die Markenstelle die Anmeldung für die Waren und Dienstleistungen
"Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen"
zurückgewiesen hat.
Gründe
I Die Markenstelle für Klasse 25 hat mit Beschluss vom 25. Oktober 2007 die von der Beschwerdeführerin mit beim Deutschen Patent- und Markenamt am selben Tag eingegangenem Antrag vom 27. April 2006 angemeldete Bezeichnung HOTLINE als Wortmarke für die Waren und Dienstleistungen Klasse 18:
Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren;
Klasse 25:
Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen;
Klasse 35:
Einzelhandelsdienstleistungen betreffend die in den Klassen 18 und 25 genannten Warenwegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen, weil die Anmeldemarke nur als Sachhinweis auf die Möglichkeit einer telefonischen Bestellung der beanspruchten Waren oder der telefonischen Auskunftserteilung verstanden werde.
Gegen diesen ihr am 30. Oktober 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Unter Beschränkung der Anmeldung auf die Waren der Klassen 18 und 25 beantragt sie, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Oktober 2006 aufzuheben.
Ihre weiteren Anträge auf Rückzahlung der Beschleunigungs- und der Beschwerdegebühr hat sie mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2007 zurückgenommen.
Sie hält die Anmeldemarke unter Berufung auf die "Berlin Card"- und die "BONUS"- Entscheidungen des Bundesgerichtshofs für schutzfähig, weil es sich bei der Bedeutung, welche die Markenstelle der Anmeldemarke beilege, allenfalls um einen mittelbaren Hinweis auf eine Vertriebsmodalität handele, nicht aber um einen unmittelbar beschreibenden Sachhinweis auf mögliche Merkmale der beanspruchten Waren und Dienstleistungen.
II A. Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde ist nach der Beschränkung des Warenverzeichnisses auf die Waren der Klassen 18 und 25 begründet. Der Eintragung der angemeldeten Kennzeichnung steht danach nämlich kein Schutzhindernis nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG entgegen.
1. Entgegen der Ansicht der Markenstelle ist die angemeldete Bezeichnung für die nach der Einschränkung des Warenverzeichnisses noch beanspruchten Waren nicht nach § 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG mangels jeglicher Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen. Unter Zugrundelegung des gebotenen großzügigen Maßstabs (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 1995, 408 [409] - PROTECH; BGH GRUR 2001, 413, 415 - SWATCH) kann der angemeldeten Marke die Eignung nicht abgesprochen werden, von den Abnehmern dieser beanspruchten Waren als Unterscheidungsmittel für die Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (st. Rspr., vgl. EuGH MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler, WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] - Philips/Remington; BGH GRUR 2000, 502, 503 - St. Pauli Girl; GRUR 2000, 720, 721 - Unter Uns). Entgegen der Ansicht der Markenstelle werden die durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Abnehmer (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2) nämlich in der Kennzeichnung noch einen Hinweis auf die Herkunft der beanspruchten Waren aus einem bestimmten Unternehmen sehen, weil sie in den Augen der Abnehmer weder einen für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt hat (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153 - marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 - City-Service; BGH GRUR 2001, 162, 163 m. w. N. - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION), noch aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache besteht, die etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. BGH GRUR 2001, 1042 - REICH UND SCHÖN; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten, Schlechte Zeiten; GRUR 2006, 850, 854 - FUSSBALL WM 2006) und sie insbesondere auch keine Werbeaussage allgemeiner Art darstellt (vgl. BGH MarkenR 2000, 262, 263 - Unter uns; WRP 2000, 298, 299 - Radio von hier; WRP 2000, 300, 301 - Partner with the best; GRUR 2001, 1047, 1048 - LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2001, 735, 736 - Test it; GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft).
Zutreffend hat die Markenstelle allerdings festgestellt, dass der Begriff "Hotline" für telefonische Auskunfts- und Beratungsdienste üblich ist. Auch ist diese Form des Vertriebs bei den noch streitgegenständlichen Waren der Klassen 18 und 25 sehr häufig anzutreffen. Nicht nur Versandhäuser, sondern auch zahlreiche andere Bekleidungsunternehmen als Hersteller oder Vertriebseinrichtungen veräußern und liefern solche Waren nicht nur an besonderen Vertriebsstellen, sondern auch aufgrund telefonischer Bestellung oder einer Anforderung über ihre Webseiten im Internet. Dabei werden diese Bestellmöglichkeiten durchweg mit dem allgemeinen Begriff "Hotline" bezeichnet und beworben, um hiermit den Kunden auf einen besonders schnellen Bestell- und Lieferservice hinzuweisen. Hierbei handelt es sich allerdings um eine Vertriebsmodalität, welche nicht auf unmittelbare Merkmale der vertriebenen Waren hinweist (vgl. BGH GRUR 1998, 465, 466 f. -- BONUS; GRUR 1998, 813, 814 - CHANGE; GRUR 1999, 1093, 1094 - FOR YOU; GRUR 2002, 64, 65 - INDIVIDUELLE; GRUR 2005, 417, 419 - BERLINCARD). Findet der Verbraucher demgegenüber den Begriff "HOTLINE" in Alleinstellung (vgl. zu diesem schutzbegründenden Aspekt BPatG 27 W (pat) 255/03 - ADVANTAGE, veröffentlicht auf der PAVIS CD-ROM) an Waren der Klasse 18 und 25, insbesondere also ohne Angabe einer Telefonnummer oder einer Webadresse, hat er keine Veranlassung mehr, diesen Begriff als bloßen Hinweis auf eine Bestellmöglichkeit per Telefon oder Internet anzusehen; auch die Vorstellung, dass es sich hierbei - wie bei "Kaufhaus", "Supermarkt" oder "Boutique" - nur um die allgemein übliche Bezeichnung eines Bekleidung anbietenden Unternehmens handele (vgl. hierzu BPatG 27 W (pat) 64/01 - KLEIDERMARKT), wird bei ihm nicht aufkommen. Damit liegt es in einem solchen Fall für die Verbraucher mangels anderer Anhaltspunkte nahe, den in Alleinstellung zur Kennzeichnung von Waren der Klassen 18 und 25 verwendeten Begriff "Hotline" als Hinweis auf die Herkunft der gekennzeichneten Waren aus einem bestimmten Unternehmen und damit als deren Marke anzusehen.
Dem stehen auch Belange der Allgemeinheit (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 607 [Rz. 51] - Libertel) nicht entgegen, weil mit der Eintragung der Anmeldemarke deren Schutz sich nur auf eine Verwendung in Alleinstellung erstreckt, also ein Schutz gegenüber beschreibenden Angaben von Wettbewerbern, insbesondere in Form des Hinweises auf den Bestell- und Lieferservice per Telefon, Internet oder sonstige Telekommunikationsformen gerade nicht besteht. Ein Vorgehen gegen solche Verwendungsmöglichkeiten kann als ungerechtfertigte Geltendmachung nicht bestehender (Marken-)Rechte gegenüber Dritten nicht nur zivil- (vgl. BGH GRUR 2005, 882 - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung), sondern auch strafrechtliche (vgl. §§ 263, 22, 23, 26, 27, 29 StGB) Folgen haben.
2. An dem Wort "Hotline" besteht somit im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren auch kein Freihaltebedürfnis.
3. Da die Markenstelle somit im Ergebnis der Anmeldemarke letztlich zu Unrecht die Eintragung der Anmeldemarke für Waren der Klassen 18 und 25 wegen eines Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG versagt hat, war auf die Beschwerde der Anmelderin der Beschluss der Markenstelle aufzuheben.
Dr. Albrecht Dr. van Raden Schwarz WA
BPatG:
Beschluss v. 29.10.2007
Az: 27 W (pat) 65/07
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