Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Juli 2009
Aktenzeichen: 30 W (pat) 42/08
(BPatG: Beschluss v. 09.07.2009, Az.: 30 W (pat) 42/08)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Am 19. März 2002 angemeldet, am 17. Dezember 2002 unter der Nummer 302 14 282 in das Markenregister eingetragen und am 24. Januar 2003 veröffentlicht worden ist die Bezeichnung Orona. Das Warenverzeichnis lautet nach Teillöschung noch:
"Mittel zur Körperund Schönheitspflege; pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; Sanitärprodukte für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide; chirurgische, ärztliche, zahnund tierärztliche Instrumente und Apparate, künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne; orthopädische Artikel, chirurgisches Nahtmaterial".
Gegen die Eintragung ist u. a. am 3. April 2003 Widerspruch aus der seit 1953 für "Arzneimittel" eingetragenen Marke 642 090 Dona erhoben worden. Die Widersprechende macht eine gesteigerte Kennzeichnungskraft ihrer Widerspruchsmarke geltend; sie hat zum Nachweis Unterlagen vorgelegt.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Verfahren vor dem Patentamt mit Schriftsatz vom 19. August 2003 die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten; die Widersprechende hat Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung vorgelegt. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat daraufhin erklärt, dass allein die Benutzung für ein Arzneimittel zur Behandlung von Abnutzungserkrankungen des Kniegelenks zugrunde gelegt werden könne.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentund Markenamts hat im Erstbeschluss, ausgehend von teilweise identischen Waren und einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, den Abstand der Marken in jeder Hinsicht für ausreichend erachtet, die Gefahr von Verwechslungen verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Die Erinnerung der Widersprechenden ist erfolglos geblieben. Selbst wenn zu Gunsten der Widersprechenden von einer etwas überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen werde, sei der gebotene Abstand der Marken selbst im Bereich identischer Waren eingehalten.
Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Sie ist mit näheren Ausführungen der Meinung, dass der Widerspruchsmarke eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft zukomme und hält Verwechslungsgefahr für gegeben.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse des Deutschen Patentund Markenamts aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie bestreitet eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke im Zeitpunkt der Anmeldung ihrer Marke und hält, teilweise schon unter Hinweis auf fehlende Warenähnlichkeit, Verwechslungsgefahr nicht für gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet. Es besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr hat nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von den Marken erfassten Waren. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und -davon abhängig -der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren, so dass ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.
z. B. EuGH GRUR 2006, 237, 238 Nr. 18 f. -PICASSO; BGH WRP 2006, 92, 93 Nr. 12 -coccodrillo).
Im Verfahren vor dem Patentamt hat die Inhaberin der angegriffenen Marke zulässig die Benutzung der Widerspruchsmarke nach § 43 Abs. 1 MarkenG bestritten. Im Hinblick auf die von der Widersprechenden eingereichten Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung hat die Inhaberin der angegriffenen Marke durch Erklärung im Schriftsatz vom 8. Dezember 2003 die Nichtbenutzungseinrede für ein "Arzneimittel zur Behandlung von Abnutzungserkrankungen des Kniegelenks" nicht mehr aufrechterhalten und darüber hinaus den Nichtbenutzungseinwand fallengelassen. Da eine weitergehende Benutzung nicht geltend gemacht ist, ist von der Benutzung für diese Waren auszugehen. Auf Seiten der Widerspruchsmarke können im Rahmen der Integrationsfrage damit "Analgetika/Antirheumatika" im Sinne der entsprechenden Hauptgruppe 5 der Roten Liste berücksichtigt werden (vgl. allgemein zur Integrationsfrage BGH GRUR 1990, 39 ff. -Taurus -und GRUR 1999, 164, 165 -JOHN LOBB; vgl. auch BGH GRUR 2002, 59, 62 f. -ISCO; Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 26 Rdn. 161 m. w. N.).
Bei der sich daraus ergebenden Warenkonstellation ist jedenfalls im Bereich der pharmazeutischen Erzeugnisse der jüngeren Marke von identischen Waren auszugehen; wie die Frage der Warenähnlichkeit im Übrigen zu bewerten ist, bedarf keiner abschließenden Klärung; der Senat geht zu Gunsten der Widersprechenden insgesamt von identischen Waren aus. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist nach Auffassung des Senats von Haus aus als durchschnittlich einzustufen. Auch wenn die Widerspruchsmarke in der portugiesischen Sprache eine höfliche Anredeform für eine Frau ist (vgl. Langenscheidt, Taschenwörterbuch Portugiesisch S. 256), ergibt sich hieraus kein klar beschreibender Aussagegehalt, der zu einer Einschränkung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke führen könnte. Darüber hinaus ist eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke geltend gemacht, die die Inhaberin der angegriffenen Marke bestreitet. Die Voraussetzungen einer erhöhten Kennzeichnungskraft müssen bereits im Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke vorgelegen haben und im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch noch fortbestehen (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 121, 147 m. w. N.). Zur Feststellung der gesteigerten Verkehrsbekanntheit sind im Einzelfall alle relevanten Umstände zu berücksichtigen. Das betrifft zunächst die Eigenschaften, welche die Marke von Haus aus besitzt, einschließlich des Umstands, ob sie beschreibende Elemente in Bezug auf die eingetragenen Waren aufweist. Weiterhin sind der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, geographische Verbreitung und Dauer der Markenverwendung, die dafür aufgewendeten Werbemittel und die dadurch erreichte Bekanntheit in den beteiligten Verkehrskreisen von Bedeutung. Diese Bekanntheit kann nicht in jedem Fall ohne weiteres allein aus den erzielten Umsatzzahlen hergeleitet werden, da selbst umsatzstarke Marken wenig bekannt, wie andererseits Marken mit geringen Umsätzen weithin bekannt sein können. Insoweit lassen objektive Statistiken oder demoskopische Befragungen sowie Angaben über Werbeaufwendungen zuverlässigere Schlüsse auf die Verkehrsbekanntheit einer Marke zu. Hierbei ist stets auf den konkreten Einzelfall abzustellen, so dass nicht allgemein -etwa durch Rückgriff auf bestimmte Prozentsätze bezüglich des Bekanntheitsgrads -angegeben werden kann, wann eine Marke eine hohe Kennzeichnungskraft besitzt (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 114 m. w. N.).
Eine erhöhte Kennzeichnungskraft kann der Widerspruchsmarke aufgrund der vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen allerdings nicht zugebilligt werden. Die eidesstattlich versicherten Abund Umsätze eines Arzneimittels zur Linderung von Schmerzen bei Abnutzungserscheinungen des Kniegelenks unter der Marke "Dona" in den Geschäftsjahren 1996 bis 2007, die sich zwischen jährlich ... (1996) und ... (2007) verkauften Einheiten bewegen, was Umsätzen zwischen DM ... und Euro ... entspricht, belegt zwar eine langjährige gute Benutzung der Marke in einem ernsthaften Umfang, sprechen dabei aber eher für einen gut durchschnittlichen als für einen besonders starken, deutlich über dem Durchschnitt liegenden Benutzungsumfang. Dies gilt auch für die genannten Umsatzzahlen und Absatzmengen hinsichtlich des für die Frage einer erhöhten Kennzeichnungskraft maßgeblichen Zeitpunkts der Anmeldung der angegriffenen Marke im März 2002. Die für das Jahr 2002 in den eidesstattlichen Versicherungen vom 27. Mai 2005 und vom 7. Juli 2008 genannten Umsätze mit ... € bei ... Einheiten sind im hier maßgeblichen Bereich der Analgetika/Antirheumatika, die neben Erkältungspräparaten zu den am Häufigsten abgesetzten Präparaten zählen, nicht besonders hoch; soweit in der Anlage 12 zum Schriftsatz vom 12. März 2009 ("Apothekenverkauf nach AC Nielsen") für das Jahr 2002 höhere Umund Absätze genannt sind, ist das angesichts der in den eidesstattlichen Versicherungen genannten Zahlen zwar nicht ohne weiteres verständlich; aber auch die hier genannten Um-/Absätze sind für die Zuerkennung einer gesteigerten Kennzeichnungskraft nicht ausreichend. Die für das Jahr 2002 genannten Werbeaufwendungen (Anl. 13 zum Schriftsatz vom 14. September 2008) sind mit Euro ... eher gering, wenn man bedenkt, dass die Preise für Anzeigenseiten in "auflagenstarken Publikumszeitschriften", wie in der eidesstattlichen Versicherung vom 7. Juli 2008 erwähnt, kaum unter Euro ... liegen. Einzelheiten hierzu, die zu einer für die Widersprechende positiven Beurteilung führen könnten, sind für den maßgeblichen Zeitpunkt nicht vorgetragen. Angaben zum Marktanteil (Anl. 15) liegen erst für das Jahr 2007 vor, was keinen Schluss auf die Verkehrsbekanntheit im Jahr 2002 zulässt.
Wenngleich daher der Widerspruchsmarke in dem vorliegenden Widerspruchsverfahren im Ergebnis kein aufgrund starker Bekanntheit erhöhter Schutzumfang zukommt, so handelt es sich doch um eine im Verkehr langjährig eingesetzte und gut etablierte Marke im Bereich der "Analgetika/Antirheumatika" gegenüber einer unbenutzten Marke; zu ihren Gunsten geht der Senat mit der Markenstelle daher von einer im oberen Bereich des Durchschnitts liegenden Kennzeichnungskraft aus (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 107 m. w. N.).
Auch wenn insgesamt deutlich erhöhte Anforderungen an den Markenabstand gelten, scheidet indessen Verwechslungsgefahr aus. Der Senat berücksichtigt dabei auch, dass bei den vorliegenden pharmazeutischen Erzeugnissen eine Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen nicht festgeschrieben ist. Soweit allgemeine Verkehrskreise zu berücksichtigen sind, ist aber davon auszugehen, dass grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware unterschiedlich hoch sein kann (vgl. BGH MarkenR 2000, 140 -ATTACHÉ/TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li. Spalte -ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. -Lloyd/Loint's) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl. BGH GRUR 1995, 50, 53 -Indorektal/Indohexal).
Unter Berücksichtigung dieser gesamten Umstände hält die angegriffene Marke in jeder Hinsicht einen mehr als deutlichen und deutlich erhöhten Anforderungen genügenden Abstand zu der Widerspruchsmarke ein.
Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen (vgl. Ströbele/Hackera. a. O. § 9 Rdn. 111). Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist dabei im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs-(Sinn-)Gehalt zu ermitteln.
Wie bereits die Markenstelle ausgeführt hat, weichen die Marken in jeder Hinsicht deutlich voneinander ab. Diese Abweichungen ergeben sich aus der unterschiedlichen Wortlänge, der unterschiedlichen Silbenzahl sowie dem abweichenden Sprechund Betonungsrhythmus. In den Wortanfängen, bei denen die Aufmerksamkeit erfahrungsgemäß liegt und die mehr als nachfolgende Wortteile beachtet werden (vgl. BGH a. a. O. -Indorektal/Indohexal), weshalb die hier vorhandenen Unterschiede um so eher wahrgenommen werden, weichen die Markenwörter erheblich ab; die Wiederholung des Vokals "o" in der jüngeren Marke, die eine weich fließende, melodiöse Aussprache bewirkt, findet in der Widerspruchsmarke mit der Vokalfolge "oa" keine Entsprechung. Die Übereinstimmung in der Endsilbe "-na" ist nicht geeignet, die Verwechslungsgefahr zu begründen, zumal Wortenden regelmäßig weniger beachtet werden. Die weiteren Bestandteile heben sich demgegenüber -wie ausgeführt -mit "Oro-" bzw. "Do-" erheblich voneinander ab, so dass auch bei ungünstigen Übermittlungsbedingungen oder undeutlicherer Artikulation eine Unterscheidung der Wörter gewährleistet ist.
Im schriftbildlichen Markenvergleich halten die Vergleichswörter in allen üblichen Wiedergabeformen ebenfalls einen deutlichen Abstand ein. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Marken im Schriftbild erfahrungsgemäß mit etwas größerer Sorgfalt wahrgenommen werden als im eher flüchtigen Klangbild, das häufig bei mündlicher Benennung entsteht. Zudem steht beim schriftlichen Markenvergleich der Fachverkehr, der aufgrund seiner beruflichen Praxis und Erfahrung im Umgang mit Arzneimittelkennzeichen über ein erhöhtes Unterscheidungsvermögen verfügt, im Vordergrund. Unter diesen Voraussetzungen reichen auch bei einer schriftlichen Wiedergabe in jeder Form die unterschiedlichen Wortlängen sowie die Abweichungen am regelmäßig stärker beachteten Wortanfang -"Oro-" gegenüber "Do-" -aus, um eine Unterscheidbarkeit der Marken zu gewährleisten.
In begrifflicher Hinsicht sind keine Übereinstimmungen erkennbar.
Andere Arten der Verwechslungsgefahr sind weder dargelegt noch ersichtlich. Die Beschwerde hat daher keinen Erfolg. Zu einer Kostenauferlegung (§ 71 Abs. 1 und 4 MarkenG) bestand kein Anlass.
Dr. Vogel von Falckenstein Winter Paetzold Cl
BPatG:
Beschluss v. 09.07.2009
Az: 30 W (pat) 42/08
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/dc5bef96c08e/BPatG_Beschluss_vom_9-Juli-2009_Az_30-W-pat-42-08