Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 9. November 2009
Aktenzeichen: 31 Wx 134/09
(OLG München: Beschluss v. 09.11.2009, Az.: 31 Wx 134/09)
Tenor
I. Die Beschwerde der Gesellschaft gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 5. Oktober 2009 betreffend die Ermächtigung zur Einberufung einer Hauptversammlung und die Bestellung eines Versammlungsleiters (Fall 47) wird zurückgewiesen.
II. Zur Klarstellung wird die Entscheidung des Amtsgerichts in Ziffer 1 des Tenors wie folgt neu gefasst:
Die F. E. S. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer wird zur Einberufung einer Hauptversammlung der P. M. S. AG mit folgender Tagesordnung ermächtigt:
1. Vorlage des festgestellten Jahresabschlusses, des gebilligten Konzernabschlusses, der Lageberichte für die P. M. S. AG und den Konzern, des Berichts des Aufsichtsrats (einschließlich des erläuternden Berichts des Vorstands zu den Angaben nach § 289 Abs. 4 bzw. § 315 HGB), jeweils für das Geschäftsjahr 2008
2. Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstandes (einschließlich der ausgeschiedenen Mitglieder) für das Geschäftsjahr 2008
3. Beschlussfassung über die Entlastung des ehemaligen Mitglieds des Vorstands Dr. U. P. für die Geschäftsjahre 2004 und 2005
4. Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2008
5. Wahl des Abschlussprüfers und des Konzernabschlussprüfers für das Geschäftsjahr 2009 sowie des Prüfers für die etwaige prüferische Durchsicht von Zwischenfinanzberichten der Gesellschaft, die vor der ordentlichen Hauptversammlung 2010 aufgestellt werden
6. Änderung von § 17 Abs. 2 und Abs. 5 der Satzung (Vergütung des Aufsichtsrats)
7. Abberufung der durch die Hauptversammlung gewählten Mitglieder des Aufsichtsrats M. B. und C. F. V. mit Wirkung zum Ablauf der Hauptversammlung
8. Wahlen zum Aufsichtsrat.
III. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses wird zurückgewiesen.
IV. Die Beteiligte zu 1 hat die der Beteiligten zu 2 im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
V. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird für die Hauptsache auf 50.000 € festgesetzt, für die einstweilige Anordnung auf 10.000 €.
VI. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die beteiligte börsennotierte Aktiengesellschaft verfügt über ein Grundkapital in Höhe von 9.577.302 €, das in ebenso viele nennwertlose Stückaktien eingeteilt ist. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft besteht aus drei Mitgliedern, die längstens für die Zeit bis zur Beendigung der Hauptversammlung bestellt werden, die über ihre Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach dem Beginn der Amtszeit beschließt (§ 9 Abs. 1 und 2 der Satzung). Nach § 18 Abs. 2 der Satzung ist die ordentliche Hauptversammlung innerhalb der ersten sechs Monate eines jeden Geschäftsjahrs abzuhalten. Das Geschäftsjahr der Gesellschaft entspricht dem Kalenderjahr. Die gesetzlich vorgeschriebenen Bekanntmachungen erfolgen ausschließlich im elektronischen Bundesanzeiger (§ 4 Abs. 1 der Satzung).
Die Beteiligte zu 2 ist Aktionärin der Gesellschaft. Sie selbst hält rund 18 % der Aktien, zusammen mit weiteren Mitgliedern der Aktionärsgruppe verfügt sie über Anteile von rund 30 %. Ihr Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter W. wurde durch die Hauptversammlung vom 15.6.2005 zum Mitglied des Aufsichtsrats gewählt. Er legte das Amt nieder, als er Mitte Oktober 2008 Vorsitzender des Vorstands wurde. Für ihn wurde mit Wirkung zum 1.12.2008 Z. als Mitglied des Aufsichtsrats gerichtlich bestellt. Weitere Mitglieder waren der Vorsitzende B. (gewählt durch die Hauptversammlung vom 9.6.2004) und V. (gewählt durch die Hauptversammlung vom 15.6.2005). Im Februar 2009 machte die Beteiligte zu 2 bekannt, dass sie aufgrund einer Aktionärsvereinbarung infolge Stimmrechtszurechnung die Kontrolle über die Gesellschaft erlangt habe und rund 30,42 % der Stimmrechte halte, und unterbreitete Anfang März ein öffentliches Übernahmeangebot. Vorstand und Aufsichtsrat beurteilten das Angebot als zu niedrig und empfahlen den Aktionären, es nicht anzunehmen. Das Angebot wurde für knapp 0,20 % des Grundkapitals angenommen. Mit Schreiben vom 23.4.2009 schlug die Beteiligte zu 2 für die Hauptversammlung vom 18.5.2009 zwei Kandidaten für den Aufsichtsrat vor, unter anderem die Ehefrau ihres Geschäftsführers, und kündigte an, der Wahl der vom Vorstand vorgeschlagenen Kandidaten zu widersprechen. Der Aufsichtsrat lehnte die Vorschläge mit Stellungnahme vom 28.4.2009 ab. Am 14.5.2009 berief er den Geschäftsführer der Beteiligten zu 2 als Vorstand der Gesellschaft ab und kündigte dessen Anstellungsvertrag außerordentlich. Am selben Tag sagten Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam die für den 18.5.2009 einberufene ordentliche Hauptversammlung am 14.5.2009 ab.
Mit Schreiben vom 25.5.2009 verlangte die Beteiligte zu 2 unter Vorlage einer Depotbescheinigung und Angabe einer Tagesordnung die unverzügliche Einberufung einer Hauptversammlung. Mit ad-hoc-Mitteilung vom 15.6.2009 kündigte die Gesellschaft an, dem Einberufungsverlangen nachzukommen und für den 29.9.2009 die ordentliche Hauptversammlung einzuberufen; die Tagesordnung werde die Gesellschaft innerhalb der gesetzlichen Fristen bekanntgeben, wobei sämtliche geforderten Tagesordnungspunkte der Beteiligten zu 2 berücksichtigt würden. Am 18.6.2009 wurde € ohne Tagesordnung - die Einberufung zur ordentlichen Hauptversammlung der Gesellschaft für den 29.9.2009 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht. Mit Schreiben vom 19.6.2009 an die Vorstände beanstandete die Beteiligte zu 2 die Terminierung und forderte eine Hauptversammlung noch im Juli. Der Vorstand wies die Vorhaltungen zurück.
Am 23.6.2009 beantragte die Beteiligte zu 2 beim Registergericht die Bestellung eines Mitglieds des Aufsichtsrats, weil die Amtszeit von B. abgelaufen sei, und schlug hierfür ihren Geschäftsführer vor. Nach Anhörung der Gesellschaft wies das Registergericht den Antrag mit Beschluss vom 16.7.2009 zurück mit der Begründung, die Amtszeit für Aufsichtsratsmitglieder sei nicht mit der Einberufungsfrist verknüpft. Die Beschlussfähigkeit einer €verspätet€ einberufenen Hauptversammlung sei nicht tangiert. Es sei nicht sachgerecht, schon bei geringfügigen Fristüberschreitungen gerichtliche Notbestellungen vorzunehmen.
Am 15.9.2009 veröffentlichte die Gesellschaft eine ad-hoc-Mitteilung, wonach die für den 29.9.2009 angesetzte Hauptversammlung verschoben und neu terminiert werde, denn €auf Basis der bisherigen, seitens der Aktionärin (Beteiligte zu 2) veranlassten Veröffentlichungen€ sei eine €rechtssichere Hauptversammlung am 29.9.2009 nicht durchführbar€. Am 17.9.2009 beantragte die Beteiligte zu 2 beim Registergericht, sie zur Einberufung einer Hauptversammlung zu ermächtigen, die die im Einzelnen genannten Tagesordnungspunkte behandeln sollte (Vorlage des Jahresabschlusses u.a., Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, Wahl des Abschlussprüfers, Änderung der Satzung hinsichtlich der Vergütung des Aufsichtsrats, Abberufung der Mitglieder des Aufsichtsrats B. und V., Wahlen zum Aufsichtsrat). Zugleich regte sie im Hinblick auf die beabsichtigte Abberufung des Vorsitzenden des Aufsichtsrats und dessen Stellvertreter die Bestimmung eines neutralen Versammlungsleiters an. Am 21.9.2009 beantragte die Beteiligte zu 2 gemeinsam mit ihrer Schwestergesellschaft, ein Mitglied des Aufsichtsrats gerichtlich zu bestellen, weil das Amt des B. am 31.8.2009, spätestens aber mit der am 15.9.2009 erfolgten Absage der vorgesehenen Hauptversammlung geendet habe. Sie schlug vor, den Geschäftsführer der Beteiligten zu 2 zu bestellen, hilfsweise Rechtsanwalt Sch., der regelmäßig die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz bei Hauptversammlungen vertrete, so auch bei den letzten beiden Hauptversammlungen der Gesellschaft. Mit ad-hoc-Mitteilung vom 29.9.2009 gab die Gesellschaft als neuen Termin für die ordentliche Hauptversammlung den 15.12.2009 bekannt. Mit Schreiben vom 30.9.2009 nahm sie zu den Anträgen vom 17.9.2009 und 21.9.2009 Stellung und beantragte, beide zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 5.10.2009 bestellte das Amtsgericht - Registergericht - Rechtsanwalt Sch. zum Mitglied des Aufsichtsrats. Mit weiterem Beschluss vom selben Tag ermächtigte es die Beteiligte zu 2, eine Hauptversammlung einzuberufen und bestellte einen Notar zum Versammlungsleiter. Im elektronischen Bundesanzeiger wurde am 8.10.2009 die Einberufung der Hauptversammlung durch die Beteiligte zu 2 für den 16.11.2009 veröffentlicht, am 12.10.2009 die Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung für den 15.12.2009 durch die Gesellschaft. Bei der Sitzung des Aufsichtsrats am 23.10.2009 wurde V. zum Vorsitzenden gewählt. Die Wahl eines Stellvertreters erfolgte nicht, weil Sch. an der Abstimmung zu diesem Tagesordnungspunkt (ebenso wie zu denjenigen betreffend Geschäftsordnung von Vorstand und Aufsichtsrat) nicht teilnahm.
Die Gesellschaft legte gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts € Registergericht vom 5.10.2009 jeweils Beschwerde ein und beantragte, sie aufzuheben sowie die Vollziehung auszusetzen. Die Beteiligte zu 2 beantragte Zurückweisung der Beschwerden und der Anträge auf Aussetzung der Vollziehung.
II.
Die zulässige Beschwerde (§ 122 Abs. 3 Satz 4 AktG, § 402 Abs. 1, § 375 Nr. 3, §§ 58 ff. FamFG) ist nicht begründet.
1. a) Nach § 122 Abs.1 Satz 1 AktG ist die Hauptversammlung auf Verlangen von Aktionären, deren Mindestbeteiligung bei 5 % des Grundkapitals liegt, einzuberufen. Die Vorschrift bezweckt den Schutz der Minderheitsaktionäre und soll als Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts die Ausübung der an die Hauptversammlung gebundenen Rechte gewährleisten (MünchKommAktG/Kubis 2. Aufl. § 122 Rn. 1; Bürgers/Reger AktG § 122 Rn. 1; Schmidt/Lutter/Ziemons AktG § 122 Rn. 2). Kommt der Vorstand dem Verlangen nicht nach, so hat das Gericht bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Ermächtigung des Minderheitsaktionärs zur Einberufung der Hauptversammlung bzw. zur Ergänzung der Tagesordnung der Hauptversammlung zu erteilen. Außer der Einhaltung der erforderlichen Mindestbeteiligung des antragstellenden Aktionärs sowie der Beachtung der förmlichen Anforderungen enthält das Gesetz keine inhaltlichen Voraussetzungen für das Einberufungsverlangen. Erfüllt also der Antrag auf Einberufung einer Hauptversammlung alle gesetzlichen bzw. satzungsmäßigen Erfordernisse, so hat der Vorstand die Hauptversammlung einzuberufen und im Fall des § 122 Abs. 3 AktG das Gericht die Ermächtigung zur Einberufung der Hauptversammlung zu erteilen.
b) Es ist jedoch anerkannt, dass die Ausübung dieses Rechts den Treuebindungen unterliegt, die zwischen der Aktiengesellschaft und den Aktionären bestehen. Insbesondere darf das Einberufungsverlangen nur auf die Behandlung solcher Gegenstände durch die Hauptversammlung gerichtet sein, für die diese eine aktienrechtliche Zuständigkeit besitzt und die eine Beschlussfassung durch die Hauptversammlung erfordern. Des Weiteren darf das Einberufungsverlangen nicht auf die Herbeiführung eines gesetzes- oder satzungswidrigen Hauptversammlungsbeschlusses gerichtet sein. Auch die Ausübung des Rechts auf Einberufung der Hauptversammlung darf nicht rechtsmissbräuchlich sein. Im Rahmen der Konkretisierung des Rechtsmissbrauchs ist allerdings Zurückhaltung geboten, um den Zweck des Minderheitenschutzes nicht zu gefährden. Ein Einberufungsverlangen ist insbesondere dann rechtsmissbräuchlich, wenn dem antragstellenden Aktionär ein Zuwarten bis zur nächstfolgenden Hauptversammlung zugemutet werden kann (OLG Stuttgart AG 2009, 169/170; OLG Frankfurt AG 2005, 442; KG AG 2003, 500/502; Bürgers/Reger § 122 Rn. 11; Hüffer AktG 8. Aufl. § 122 Rn. 6). Dabei ist für die Dringlichkeit eines Einberufungsverlangens nach § 122 Abs. 1 AktG im Unterschied zu dem Verlangen nach § 122 Abs. 2 AktG zur Aufnahme weiterer Tagesordnungspunkte für die Beschlussfassung in einer anstehenden ordentlichen Hauptversammlung auch zu berücksichtigen, dass die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung in aller Regel mit einem nicht unerheblichen Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist und in der Öffentlichkeit eine besondere und für das Unternehmen in der Regel eher negative Aufmerksamkeit hervorruft. Für die Beurteilung der Rechtsmissbräuchlichkeit und der Dringlichkeit des Einberufungsverlangens kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts als letzter Tatsacheninstanz an (OLG Frankfurt AG 2005, 442 m.w.N.).
2. Der Antrag der Beteiligten zu 2 auf gerichtliche Ermächtigung zur Einberufung einer Hauptversammlung erfüllt die Voraussetzungen des § 122 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 AktG. Quorum und Mindestbesitzzeit sind unstreitig gegeben, die angegebenen Tagesordnungspunkte nicht zu beanstanden.
12a) Dem mit Schreiben vom 25.5.2009 an den Vorstand gerichteten Einberufungsverlangen ist auch nicht entsprochen worden. Der Vorstand entspricht dem Verlangen, indem er eine Hauptversammlung einberuft, deren Tagesordnung die von der Minderheit genannten Beschlussgegenstände enthält; diese sind Mindestinhalt der Tagesordnung (vgl. Bürgers/ Reger AktG § 122 Rn. 12; Hüffer § 122 Rn. 7). Hier hat der Vorstand bis zur Einleitung des gerichtlichen Verfahrens (und darüber hinaus bis zum 12.10.2009) keine Hauptversammlung zur Behandlung der im Einberufungsverlangen genannten Beschlussgegenstände einberufen. Er hat zwar mit ad-hoc-Mitteilung vom 15.6.2009 angekündigt, dem Einberufungsverlangen nachzukommen, hat diese Ankündigung aber über Monate hinweg nicht umgesetzt. Denn die am 18.6.2009 veröffentlichte Festlegung eines Termins für eine Hauptversammlung ohne Bekanntgabe einer Tagesordnung entspricht nicht den Anforderungen des § 122 Abs. 3 AktG. Nichts anderes gilt für die ad-hoc-Mitteilung vom 29.9.2009, die einen Hauptversammlungstermin, nunmehr für den 15.12.2009, nur ankündigt. Dass der Vorstand zu keiner Zeit das Einberufungsverlangen ausdrücklich abgelehnt hat, steht dem Antrag auf eine gerichtliche Ermächtigung nicht entgegen. Wie sich schon aus dem Wortlaut des § 122 Abs. 3 Satz 1 AktG ergibt, ist allein maßgeblich, dass das an den Vorstand gerichtete Verlangen erfolglos geblieben ist.
b) Ohne Erfolg wendet die Gesellschaft ein, der Antrag auf gerichtliche Ermächtigung sei verspätet. Dass zwischen dem Einberufungsverlangen vom 25.5.2009 und dem Antrag auf gerichtliche Ermächtigung nahezu vier Monate liegen, ist wesentlich auf das Verhalten der Gesellschaft zurückzuführen, die erst angekündigt hat, dem Verlangen nachzukommen, dann aber am 15.9.2009 die für den 29.9.2009 terminierte Hauptversammlung abgesetzt hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Beteiligte zu 2 den Mangel der am 18.6.2009 veröffentlichten Einladung erkennen musste, denn sie durfte zunächst darauf vertrauen, dass die Verwaltung entsprechend ihrer Ankündigung noch eine ordnungsgemäße Einladung für den festgesetzten Termin veröffentlichen würde, was bis zum 21.8.2009 möglich gewesen wäre. Sie war auch nicht gehalten, nach dem Verstreichen der Frist für eine Veröffentlichung der Tagesordnung für den 29.9.2009 oder der Veröffentlichung der ad-hoc-Mitteilung vom 15.9.2009 erneut ein € gleichlautendes - Einberufungsverlangen an den Vorstand zu richten. Unerheblich ist, ob die Verwaltung den Mangel tatsächlich erst Anfang September aufgrund von Hinweisen Dritter bemerkt haben sollte (was in einem gewissen Widerspruch zu der ad-hoc-Mitteilung vom 15.6.2009 stünde).
3. Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände kann das Einberufungsverlangen der Beteiligten zu 2 auch nach Sachlage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht als rechtsmissbräuchlich gewertet werden.
15a) Zwar ist zwischenzeitlich € am 12.10.2009 - von der Gesellschaft eine ordentliche Hauptversammlung für den 15.12.2009 samt Tagesordnung nicht nur angekündigt, sondern auch einberufen worden, allerdings für einen Zeitpunkt, der die von der Satzung vorgesehene Frist um nahezu fünfeinhalb Monate und die in § 175 Abs. 1 Satz 2 AktG bestimmte um dreieinhalb Monate überschreitet. Es kann dahinstehen, ob der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs bereits dann entfällt, wenn der Vorstand die Acht-Monats-Frist verstreichen lässt (so MünchKommAktG/Kubis § 122 Rn. 2 a.E.) oder ob auch dann noch ein Zuwarten für wenige Wochen dem Aktionär zuzumuten ist. Hier kommt hinzu, dass die Gesellschaft bereits zweimal eine Hauptversammlung kurz vor dem angesetzten Termin abgesagt hat. Unter diesen Umständen muss sich die Beteiligte zu 2 nicht auf die von der Gesellschaft einberufene Hauptversammlung verweisen lassen, denn angesichts des bisherigen Verlaufs kann aus der Einberufung der Hauptversammlung durch die Gesellschaft nicht mit hinreichender Sicherheit gefolgert werden, dass diese auch tatsächlich stattfindet und die verlangten Beschlussgegenstände behandelt werden können. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass die Einberufung einer Hauptversammlung nur von demjenigen zurückgenommen werden kann, der sie vorgenommen hat (vgl. GroßKommAktG/Werner 4. Aufl. Bearbeitungsstand 1993 § 121 Rn. 69). Eine von der Beteiligten zu 2 einberufene Hauptversammlung kann also nicht von der Verwaltung abgesetzt werden, wie dies schon zweimal der Fall war. Ob und aus welchen Gründen die Verwaltung ihr Vorgehen jeweils für sachgerecht gehalten hat, ist nicht entscheidend; es steht nicht im Ermessen des Vorstands, ob und wann er die Hauptversammlung einberuft.
Die Befürchtung der Gesellschaft, die Verwirrung der Aktionäre durch zwei Hauptversammlungstermine werde eine geringe Präsenz und damit eine Dominanz der Beteiligten zu 2 bei der Hauptversammlung vom 16.11.2009 zur Folge haben, führt nicht dazu, dass das Einberufungsverlangen der Beteiligten zu 2 als rechtsmissbräuchlich zu werten wäre. Die Gesellschaft hatte es zum einen in der Hand, die Hauptversammlung fristgerecht oder zumindest zu dem für 29.9.2009 angesetzten Termin einzuberufen; zum anderen war sie auch nicht gezwungen, nach Erteilung der gerichtlichen Ermächtigung und Einberufung durch die Beteiligte zu 2 ihrerseits ebenfalls eine Hauptversammlung einzuberufen.
b) Soweit die Gesellschaft der Beteiligten zu 2 ein Mitverschulden an der Absage des Hauptversammlungstermins vom 29.9.2009 zusprechen will, kann dem nicht gefolgt werden. Gibt der Vorstand dem Einberufungsverlangen eines Aktionärs statt, hat er die Hauptversammlung unverzüglich einzuberufen und die Vorschriften der §§ 121, 123, 124 AktG in gleicher Weise zu beachten wie bei einer von ihm selbst initiierten Einberufung (MünchKommAktG/Kubis § 122 Rn. 36). Versäumnisse des Vorstands können deshalb nicht dem Aktionär angelastet werden. Der Vorwurf, die Beteiligte zu 2 habe sich vier Monate lang nicht mehr mit der Einberufung befasst und den €Record Date€ am 8.9.2009 versäumt, liegt neben der Sache, zumal der auf den 8.9.2009 bezogene Nachweis des Anteilsbesitzes erst sieben Tage vor der Hauptversammlung der Gesellschaft zugehen musste (§ 123 Abs. 3 Satz 3 AktG) und die Absage 14 Tage vorher erfolgte.
c) Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten kann entgegen der Auffassung der Gesellschaft nicht darin gesehen werden, dass die Beteiligte zu 2 unmittelbar nach Erhalt der gerichtlichen Entscheidung von der erteilten Ermächtigung Gebrauch gemacht hat. Dazu war sie berechtigt, denn die Entscheidung des Gerichts war mit der Bekanntgabe an die Beteiligte zu 2 wirksam geworden (§ 40 Abs. 1 FamFG). Die Tatsache, dass innerhalb weniger Tage zwei verschiedene Einladungen zu zwei verschiedenen Hauptversammlungsterminen im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht und in der Fachpresse mitgeteilt wurden, ist Folge des auch durch das Verhalten der Gesellschaft bedingten Ablaufs und kann nicht der Beteiligten zu 2 angelastet werden (vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 11.7.2002, DStR 2003, 219 Ls.). Der Vorstand bedurfte für die Einberufung der € überfälligen € Hauptversammlung keiner gerichtlichen Ermächtigung und war deshalb nicht gehindert, vor Zugang der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag der Beteiligten zu 2 die Einberufung vorzunehmen.
d) Es kann dahinstehen, ob die von der Beteiligten zu 2 veranlasste Einberufung die Mängel aufweist, die die Gesellschaft in ihrem Beschwerdevorbringen rügt. Etwaige Fehler des einberufenden Aktionärs bei Ausübung der gerichtlichen Ermächtigung führen nicht dazu, dass die Ermächtigung wieder aufzuheben ist. Die gerichtliche Ermächtigung, die bei Vorliegen der Voraussetzungen zu erteilen ist, verleiht dem Aktionär die Zuständigkeit zur Einberufung, die ihm ansonsten fehlt. Die durch gerichtliche Entscheidung verliehene Einberufungszuständigkeit entfällt wegen Fehlern bei der Einberufung ebenso wenig wie die gesetzliche Einberufungszuständigkeit des Vorstands. Im Übrigen sind nach § 124 Abs. 3 AktG nur Vorstand und Aufsichtsrat verpflichtet, in der Bekanntmachung der Tagesordnung Vorschläge zur Beschlussfassung zu machen. Wenn der Gegenstand der Beschlussfassung auf Verlangen einer Minderheit auf die Tagesordnung gesetzt wurden, entfällt diese Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat (§ 124 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz AktG). Dasselbe gilt, wenn die Einberufung der Hauptversammlung aufgrund gerichtlicher Ermächtigung durch einen Aktionär erfolgt, wobei die Verwaltung nicht gehindert ist, einen Beschlussvorschlag zu unterbreiten (MünchKommAktG/Kubis § 122 Rn. 62; Bürgers/Reger § 124 Rn. 20; Hüffer § 124 Rn. 15). Eine entsprechende Verpflichtung für den Aktionär, der gerichtlich zur Einberufung einer Hauptversammlung oder zur Ergänzung der Tagesordnung ermächtigt wird, sieht § 124 Abs. 3 AktG hingegen nicht vor; für diesen besteht eine Vorschlagspflicht deshalb nur in den Fällen des § 124 Abs. 2 AktG (Münch KommAktG/Kubis § 122 Rn. 62, § 124 Rn. 44; GroßkommAktG/Werner § 124 Rn. 70; a.A. Schmidt/Lutter/Ziemons § 122 Rn. 16).
e) Etwaige Pflichtverletzungen des Geschäftsführers der Beteiligten zu 2 während seiner Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender sind für die Frage, ob deren Einberufungsverlangen begründet ist, nicht von entscheidender Bedeutung. Auf den umfangreichen Vortrag der Beschwerdeführerin hierzu kommt es deshalb nicht an, wie auch die wechselseitigen Mutmaßungen zu den wahren Motiven der Gegenseite nicht entscheidungserheblich sind. Soweit die Gesellschaft in der vorgelegten e-mail-Korrespondenz des Geschäftsführers der Beteiligten zu 2 mit einem anderen Aktionär Ende Oktober 2009 eine versuchte Nötigung sieht, die sie bereits zur Anzeige gebracht hat, ändert das nichts daran, dass die Voraussetzungen für die gerichtliche Ermächtigung zur Einberufung einer Hauptversammlung vorliegen.
4. Zutreffend weist die Beschwerde darauf hin, dass die gerichtliche Ermächtigung nicht pauschal, sondern nur zu den beantragten (und für zulässig befundenen) Beschlussgegenständen erteilt werden kann. So ist auch bei der gebotenen Berücksichtigung der Entscheidungsgründe der angefochtene Beschluss zu verstehen, der allerdings im Tenor keine bestimmten Gegenstände nennt. Um Missverständnisse auszuschließen, fasst der Senat die in Ziffer 1 des Tenors ausgesprochene Einberufungsermächtigung neu und führt die beantragten und für zulässig befundenen Beschlussgegenstände zur Klarstellung im Einzelnen auf.
Hingegen bedarf es keines ausdrücklichen Ausspruchs dazu, ob es sich bei der einzuberufenden Hauptversammlung um eine ordentliche oder eine außerordentliche handelt. Die ordentliche Hauptversammlung ist durch ihre typische, den so genannten Regularien gewidmete Tagesordnung gekennzeichnet; ob sie als solche bezeichnet wird, ist unerheblich (Hüffer § 175 Rn. 1).
5. Nach § 122 Abs. 3 Satz 2 AktG kann das Gericht auch den Vorsitzenden der Versammlung bestimmen. Die Entscheidung darüber erfolgt von Amts wegen, Anträge der Beteiligten sind insoweit nur als Anregung zu verstehen (h.M., vgl. Bürgers/Reger § 122 Rn. 20; Hüffer § 122 Rn. 11). Die Bestimmung eines Versammlungsleiters steht ebenso wie die Auswahl der Person im Ermessen des Gerichts.
Der Senat hält es wie das Erstgericht für zweckmäßig, mit Notar Vo. eine rechtskundige, zur Neutralität verpflichtete Person zum Versammlungsleiter zu bestellen. Damit werden auch Schwierigkeiten im Hinblick auf das streitige Ende der Amtszeit des Aufsichtsratsmitglieds B. und die noch ausstehende Wahl eines Stellvertreters des Vorsitzenden vermieden.
6. Die von der Beschwerde gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht über die beiden gesondert eingereichten Anträge, die unterschiedliche Verfahrensgegenstände betreffen, in zwei gesonderten Beschlüssen entschieden hat. Die Gesellschaft konnte zu beiden Anträgen vor der Entscheidung des Gerichts Stellung nehmen und hat das auch getan. Dass sie einen Schriftsatz für beide Verfahren eingereicht hat, hat nicht dazu geführt, dass ihre Stellungnahme nicht in beiden Verfahren zur Kenntnis genommen wurde (was im Übrigen auch für das Beschwerdeverfahren gilt). Der Erstrichter war angesichts der widerstreitenden Auffassungen der Beteiligten nicht gehalten, die Gesellschaft vor seiner Entscheidung darauf hinzuweisen, dass er ihr nicht folgen werde (vgl. Keidel/Sternal FamFG 16. Aufl. § 28 Rn. 13). Ob die Gesellschaft € wie sie nun vorträgt € dem Einberufungsverlangen sofort nachgekommen wäre, wenn das Gericht auf die beabsichtigte Bestellung eines Mitglieds des Aufsichtsrats vorher hingewiesen hätte, ist ohne Belang. Die Gesellschaft hatte seit Ende Mai Gelegenheit, dem Einberufungsverlangen nachzukommen.
7. Die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Entscheidung durch Erlass einer einstweiligen Anordnung (§§ 49 ff. FamFG) ist nicht veranlasst, weil der Senat abschließend in der Hauptsache entscheidet.
III.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, denn die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 70 FamFG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Es liegen keine besonderen Umstände vor, die ein Abweichen vom Regelfall rechtfertigen würden. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 4, § 30 KostO. Für das Hauptsacheverfahren schätzt der Senat den Wert wie das Amtsgericht auf 50.000 €, für die beantragte einstweilige Anordnung (Aussetzung der Vollziehung) auf 10.000 €.
OLG München:
Beschluss v. 09.11.2009
Az: 31 Wx 134/09
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