Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Juli 2004
Aktenzeichen: 19 W (pat) 310/02

(BPatG: Beschluss v. 12.07.2004, Az.: 19 W (pat) 310/02)

Tenor

Das Patent 199 33 088 wird widerrufen.

Gründe

I.

Für die am 15. Juli 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Anmeldung ist die Erteilung des nachgesuchten Patents am 7. März 2002 veröffentlicht worden.

Das Patent betrifft ein Sollbruchelement.

Gegen das Patent hat die B... GmbH am 4. Juni 2002 Einspruch erhoben.

Sie verweist im Einspruchsschriftsatz auf die Gründe des § 21 PatG und behauptet, das Sollbruchelement gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 beruhe weder gegenüber dem im Erteilungsverfahren genannten Stand der Technik noch gegenüber dem von ihr neu ins Verfahren eingeführten Druckschriften auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.

Auch die Unteransprüche enthielten keine patentbegründenden Merkmale.

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:

"Sollbruchelement zur Verbindung eines Bauteils mit einem Sokkel, wobei das Sollbruchelement eine oben offene Wannenform hat mit zwei Seitenwänden, dadurch gekennzeichnet, daß in den Seitenwänden (2) jeweils eine sich über deren gesamte Länge erstreckende Nut (8) ausgebildet ist."

Es soll die Aufgabe gelöst werden, ein kostengünstig herstellbares Sollbruchelement anzugeben, dessen Bruchlast und Bruchstelle sehr viel genauer festlegbar sind (Sp 1 Z 39 bis 42 der PS).

Mit der am 6. Juli 2004 eingegangenen Eingabe ist der Einspruch zurückgenommen worden.

Die Patentinhaberin ist entsprechend ihrer Ankündigung vom 29. Juni 2004 zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

Sie hat schriftsätzlich beantragt, den Einspruch zurückzuweisen und das Patent im erteilten Umfang aufrechtzuerhalten; sie hat sich aber sachlich zum Einspruch nicht geäußert.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Einspruchsverfahren Die Entscheidungsbefugnis über den zulässigen Einspruch liegt gemäß § 147 Abs 3 PatG bei dem hierfür zuständigen 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts.

Dieser hatte - wie in der Entscheidung 19 W (Pat) 701/02 (BPatGE 46, 134 mwN) ausführlich dargelegt ist - aufgrund öffentlicher mündlicher Verhandlung zu entscheiden.

Das Einspruchsverfahren war auch vor dem Bundespatentgericht nach Rücknahme des zulässigen Einspruchs von Amts wegen fortzusetzen (§ 61 Abs 1 Satz 2 PatG).

Gegenstand des Verfahrens ist das erteilte Patent.

2. Patentfähigkeit Das Patent war zu widerrufen, da der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Aus der DE 198 31 782 A1 ist in Übereinstimmung mit allen Merkmalen gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 ein Sollbruchelement 1 (Titel) bekannt zur Verbindung eines Bauteils mit einem Sockel (Sp 1 Z 19 bis 13 und Z 26 bis 32), wobei das Sollbruchelement 1 eine nach oben offene Wannenform hat mit zwei Seitenwänden 11a, 11b (Fig 1 und Fig 5 iVm Sp 3 Z 27 bis 30).

Die Seitenwände sind außen glatt und innen durch eine Querwand 5 verbunden (Fig 1, 4 und 5 iVm Sp 3 Z 62 bis Sp 4 Z 8).

Das Sollbruchelement gemäß dem erteilten Anspruch 1 unterscheidet sich demnach vom bekannten dadurch, dass in den Seitenwänden jeweils eine sich über deren gesamte Länge erstreckende Nut ausgebildet ist.

Dieser Unterschied kann jedoch nicht patentbegründend sein.

Ausgehend von dem Sollbruchelement, wie es aus der DE 198 31 782 A1 bekannt ist, stellt sich dem Fachmann - hier einem Elektrotechniker oder Maschinenbautechniker mit Erfahrungen in der Konstruktion und dem Betrieb von Bauelementen der elektrischen Energieversorgung, insbesondere Kabelverteilerschränken u.ä. - in der Praxis von selbst.

Denn er muß einerseits sicherstellen, dass bei allen Belastungsfällen zuerst das Sollbruchelement bricht, ohne dass das Bauteil Schaden nimmt, andererseits sind die Bruchkräfte unbestimmt, wenn das Sollbruchelement an wechselnden Stellen brechen kann.

Zur Lösung der Aufgabe entnimmt der Fachmann schon aus der DE 198 31 782 A1 den Hinweis, die Ränder des Sollbruchelements bzw. dessen Boden so stabil auszubilden, dass in deren Bereich jeweils keine Zerstörung auftreten kann, sondern vorher die Wände abreißen (Sp 2 Z 23 bis 26).

Soweit diese Maßnahme in der Praxis zu einem nicht ausreichend reproduzierbaren Bruchverhalten führt, wird der Fachmann ohne weiteres daran denken, in den Seitenwänden jeweils eine sich über deren gesamte Länge erstreckende Nut vorzusehen, um an diesen Stellen einen definierten Bruch herbeizuführen.

Denn eine solche Maßnahme ist schon jederfrau/jedermann im Zusammenhang mit Schokoladentafeln bekannt, die zum Zwecke leichter und reproduzierbarer Teilbarkeit mit quer und längs verlaufenden nutförmigen Vertiefungen über ihre gesamte Erstreckung versehen sind.

Dem Fachmann waren überdies Nuten zur Erzeugung von definierten (Soll-)Bruchstellen bei unterschiedlichsten Bauteilen der elektrischen Energieversorgung bekannt, wie die von der Einsprechenden ins Verfahren eingeführten vorveröffentlichten DE 27 59 525 C2, DE 33 40 520 C2, DE 41 38 435 A1 und DE 36 01 988 A1 belegen.

Der Erfolg einer solchen Maßnahme ist für den Fachmann unmittelbar absehbar und Gesichtspunkte, die ihn davon abhalten könnten, die Seitenwände zur Lösung der Aufgabe mit Materialschwächungen in Gestalt von Nuten zu versehen, sind nicht ersichtlich.

Der Fachmann muss somit nicht erfinderisch tätig werden, um zu einem Sollbruchelement mit den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 zu gelangen.

Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch die auf diesen direkt oder indirekt rückbezogenen erteilten Unteransprüche 2 bis 8.

Daß diese etwas Patentbegründendes enthalten, ist weder ersichtlich noch von der Patentinhaberin geltend gemacht worden.

Dr. Mayer Schmöger Dr.-Ing. Kaminski Dr.-Ing. Scholz Pü






BPatG:
Beschluss v. 12.07.2004
Az: 19 W (pat) 310/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/dcc60d03dcc7/BPatG_Beschluss_vom_12-Juli-2004_Az_19-W-pat-310-02




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share