Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Juni 2000
Aktenzeichen: 7 W (pat) 57/99
(BPatG: Beschluss v. 21.06.2000, Az.: 7 W (pat) 57/99)
Tenor
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse F 01 D des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Juni 1999 aufgehoben und das Patent erteilt.
Bezeichnung: Mit Dampf, Gas oder Flüssigkeit betreibbare Turbomaschine Anmeldetag: 21. April 1998 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 und 2, Beschreibung Seiten 1 bis 5 sowie 5 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 15, jeweils eingegangen am 17. April 2000.
Gründe
I Die Patentanmeldung ist am 21. April 1998 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden.
Die Prüfungsstelle für Klasse F 01 D des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Patentanmeldung nach zwei Prüfungsbescheiden vom 6. Oktober 1998 und vom 12. Januar 1999 durch Beschluß vom 30. Juni 1999 zurückgewiesen, weil der 4-seitige, von unverständlichen, unüblichen Begriffen und zahlreichen Alternativen geprägte Patentanspruch nicht erkennen lasse, was in dem beantragten Patent unter Schutz gestellt werden solle. Gleichzeitig hat sie den Antrag auf Anhörung abgelehnt. Zum Stand der Technik hat sie die deutschen Patentschriften 44 40 241 und 144 864 sowie die deutsche Offenlegungsschrift 1 751 093 genannt.
Gegen den Zurückweisungsbeschluß hat der Anmelder Beschwerde eingelegt. Er hat mit Eingabe vom 12. April 2000, eingegangen am 17. April 2000, neue Patentansprüche 1 und 2 sowie eine neue Beschreibung, Seiten 1 bis 5, eingereicht.
Der Patentanspruch 1 lautet:
"Mit Dampf, Gas oder Flüssigkeit betreibbare Turbomaschine, die ein mit der Abtriebswelle verbundenes Laufrad und ein diesem nachgeschaltetes gehäusefestes Widerstandsrad aufweist und bei der die Beaufschlagung durch das Betriebsmedium über am Umfang eines Düsenrings gleichmäßig verteilt angeordnete, schräg in Drehrichtung des Laufrads gerichtete Düsen erfolgt, dadurch gekennzeichnet, daß der Düsenring oder mehrere konzentrisch zueinander angeordnete Düsenringe jeweils einzeln für sich frei drehbar im Gehäuse gelagert ist bzw. sind, daß die Düsen jeweils einen konischen Ansatz an der Eindringseite des Mediums aufweisen und daß den Düsen in Strömungsrichtung des Mediums jeweils eine Kolbenkammer vorgeschaltet ist, die im Radialschnitt gesehen eine ungleichschenklig trapezförmige Gestalt hat, wobei der kurze Schenkel exakt zur Drehachse gerichtet ist und der lange Schenkel flach und annähernd in Richtung der Düse verläuft."
Der Patentanspruch 2 ist dem Patentanspruch 1 nachgeordnet und auf diesen rückbezogen.
Der Anmelder beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent mit den am 17. April 2000 eingegangenen Unterlagen zu erteilen.
Er ist der Auffassung, der Gegenstand des nunmehr klargestellten Patentanspruchs 1 sei durch den nachgewiesenen Stand der Technik weder bekannt noch nahegelegt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.
II Die Beschwerde ist zulässig und hat auch Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Vorbeschlusses und zur antragsgemäßen Erteilung des Patents mit den neuen Unterlagen.
Die Mängel der Anmeldung, die zur Zurückweisung der Anmeldung durch das Deutsche Patent- und Markenamt geführt haben, liegen bei den geltenden Unterlagen nicht mehr vor. Die Patentansprüche lassen mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, was unter Schutz gestellt werden soll. Ob die vorgeschlagene Maschine so funktioniert, wie der Anmelder annimmt, und ob sie die angestrebten Vorteile hat, kann dahin gestellt bleiben. Ein Verstoß gegen physikalische Gesetze ist jedenfalls nicht ersichtlich.
1. Die Anmeldung betrifft eine mit Dampf, Gas oder Flüssigkeit betreibbare Turbomaschine der Art, wie sie aus der deutschen Patentschrift 144 864 bekannt ist. Bei solchen Maschinen hat es der Anmelder als nachteilig angesehen, daß die Umsetzung der Dampfenergie in Drehbewegung ziemlich verlustreich erfolgt.
Der Anmeldung liegt daher die Aufgabe zugrunde (S 1 Abs 4), die Leistung der bekannten Turbomaschinen zu erhöhen.
Diese Aufgabe soll nach Angabe des Anmelders durch die im Patentanspruch 1 angebenenen Merkmale gelöst werden. Eine weitere Ausgestaltung ist im Patentanspruch 2 angegeben.
2. Die Patentansprüche sind zulässig. Das Patentbegehren ist in den ursprünglichen Unterlagen (insbes S 3 Abs 4 u 5 und S 11 Abs 3 u 4 iVm den Zeichnungen auf den Seiten 15 - 18) offenbart.
3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 stellt eine patentfähige Erfindung iSd §§ 1 bis 5 PatG dar.
a) Die - gewerblich anwendbare - Turbomaschine nach dem Patentanspruch 1 ist neu.
Sie unterscheidet sich von der im Oberbegriff berücksichtigten mehrstufigen Dampfturbine nach der deutschen Patentschrift 144 864 durch sämtliche kennzeichnenden Merkmale. Dieser Unterschied ist auch gegenüber der Gasturbinentriebwerksanlage nach der deutschen Offenlegungsschrift 1 751 093 sowie gegenüber der Turbine nach der von der Prüfungsstelle lediglich als Beispiel für die Abfassung von Patentansprüchen genannten deutschen Patentschrift 44 40 241 vorhanden.
Weiterhin hat der Anmelder glaubhaft versichert, daß der innere Aufbau des in der ursprünglichen Beschreibung (S 9 Abs 5 - 7) angeführten Experimentiermodells nur ihm selbst bekannt war und außerdem nicht demjenigen des jetzigen Anmeldungsgegenstandes entsprochen hat.
b) Die Lehre nach dem Patentanspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Für die im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 angegebenen Maßnahmen findet der Fachmann - ein Maschinenbauingenieur mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet des Turbinenenbaus - kein Vorbild im nachgewiesenen Stand der Technik. So sind bei der Dampfturbine nach der deutschen Patentschrift 144 864 den Düsen e keinerlei Kolbenkammern vorgeschaltet, so daß auch für deren Ausgestaltung jegliches Vorbild fehlt. Bei der Turbine nach der deutschen Patentschrift 44 40 241 sind zwar den düsenartigen Auslässen 25a und 25b vorgeschaltete Zuführungskanäle 19 mit konischer Querschnittsform vorgesehen (Sp 5 Z 59 - 61 iVm Fig 7). Kolbenkammern im Sinne der Anmeldung, dh mit der im Patentanspruch 1 angegebenen Ausgestaltung, sind dort aber nicht vorhanden. Bei der Turbinenanlage nach der deutschen Offenlegungsschrift 1 751 093 sind schon keine Düsen zur Beaufschlagung durch das Betriebsmedium vorhanden.
4. Der Gegenstand des Patentanspruchs 2 betrifft eine Ausgestaltung der Turbomaschine nach dem Patentanspruch 1 und wird von deren Patentfähigkeit mitgetragen.
Dr. Schnegg Eberhard Dr. Pösentrup Hochmuth Cl
BPatG:
Beschluss v. 21.06.2000
Az: 7 W (pat) 57/99
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