Bundespatentgericht:
Urteil vom 4. Juni 2009
Aktenzeichen: 2 Ni 50/07

(BPatG: Urteil v. 04.06.2009, Az.: 2 Ni 50/07)

Tenor

I. Das Patent DE 101 15 895 wird für nichtig erklärt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 30. März 2001 angemeldeten Patents DE 101 15 895 (Streitpatent). Das Streitpatent mit der Bezeichnung "Verfahren zur Erzeugung einer Darstellung für das Wiederfinden einer bereits aufgerufenen Informationsseite" umfasst 7 Patentansprüche.

Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zur Erzeugung einer Darstellung für das Wiederfinden einer bereits von einer Startseite (50) eines Informationsanbieters aus aufgerufenen und inzwischen verlassenen Informationsseite, welche über das Internet, ein Intranet oder ein Extranet aufrufbar ist, aufweisend folgende Verfahrenschritte: a) Registrieren eines Benutzers (5) bei Aufruf der Startseite (50), b) Registrieren der von dem Benutzer (5) unmittelbar und mittelbar von der Startseite (50) aus aufgerufenen Informationsseiten des Informationsanbieters und c) Erzeugung einer anzeigbaren Darstellung (80, 81), aus der die Abfolge der von dem Benutzer (5) aufgerufenen Informationsseiten des Informationsanbieters erkennbar ist."

Wegen des Wortlauts der mittelbar oder unmittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 19. Oktober 2004 -X ZB 33/03 -Anbieten interaktiver Hilfe -(GRUR 2005, 141ff.) und vom 20. Januar 2009 -X ZB 22/07 -Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten -keine auf technischem Gebiet liegende Erfindung. Zumindest aber sei der Gegenstand des Streitpatents nicht neu und beruhe auch nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Druckschriften N1 DE 100 49 825 A1 N2 US 6,189,024 B1 N3 WO 00/75 827 (im Streitpatent als Stand der Technik genannt)

Die Klägerin beantragt, das deutsche Patent 101 15 895 für nichtig zu erklären, hilfsweise, die Verhandlung zu vertagen, soweit der Klage nicht bereits wegen fehlender Technizität stattgegeben werde. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält das Streitpatent für eine auf technischem Gebiet liegende Erfindung und auch für patentfähig, weil es neu sei und auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsantrags.

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag lautet:

"Verfahren zur Erzeugung einer Darstellung für das Wiederfinden einer bereits von einer Startseite (50) eines Informationsanbieters aus aufgerufenen und inzwischen verlassenen Informationsseite in einer Klienten-Server-Struktur, welche über das Internet, ein Intranet oder ein Extranet aufrufbar ist, wobei das Hypertext Transfer Protocol (HTTP) verwendet wird, aufweisend folgende Verfahrenschritte: a) auf einem Server (20) des Informationsanbieters Registrieren eines Benutzers (5) bei Aufruf der Startseite (50) mittels eines Cookies, b) auf einem Server (20) des Informationsanbieters Registrieren der von dem Benutzer (5) unmittelbar und mittelbar von der Startseite (50) aus aufgerufenen Informationsseiten des Informationsanbieters und c) auf einem Server (20) des Informationsanbieters Erzeugung einer anzeigbaren Darstellung (80, 81), aus der die Abfolge der von dem Benutzer (5) aufgerufenen Informationsseiten des Informationsanbieters erkennbar ist, d) Anzeigen der Darstellung (80, 81) für den Benutzer (5)."

Die Unteransprüche 2 bis 7 in der erteilten Fassung schließen sich Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unverändert an.

Wegen weiteren Einzelheiten des Sachund Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit (§ 22 PatG i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents, denn das Streitpatent hat keine Erfindung auf technischem Gebiet i. S. d. § 1 PatG zum Gegenstand.

I.

1) Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Erzeugung einer Darstellung für das Wiederfinden einer bereits von einer Startseite eines Informationsanbieters aus aufgerufenen und inzwischen verlassenen Informationsseite. In der Beschreibungseinleitung des Streitpatents ist ausgeführt, dass beim sogenannten "Surfen", beispielsweise im Internet, worunter das zeitlich aufeinanderfolgende Aufrufen verschiedener Internetseiten über Hyperlinks (Verweis auf eine Internetseite) verstanden wird, häufig die Situation auftritt, dass man nach einiger Zeit eine bereits aufgerufene und inzwischen verlassene Internetseite wiederfinden und nochmals aufrufen möchte. Gängige Netzwerkbrowser (Programm zum Surfen) bieten zum Wiederfinden einer bereits aufgerufenen Internetseite nur beschränkte Möglichkeiten, meist einen sogenannten "Zurück"-Button an, um ausgehend von der aktuell aufgerufenen Internetseite zu der unmittelbar zuvor aufgerufenen Internetseite zu gelangen (Sp. 1, Z. 1-23). Des Weiteren besteht die Möglichkeit, eine Adressliste aufzurufen, die eine Anzahl von aufgerufenen Adressen von Internetseiten aufweist (Sp. 1, Z. 27-29). Insbesondere nach längerem Surfen im Internet sind der "Zurück"-Button und die Adressliste nur bedingt geeignet, eine aufgerufene Internetseite wiederzufinden, insbesondere dann, wenn es sich um eine Internetseite aus dem Informationsangebot eines bestimmten Informationsanbieters handelt, welche von einer Startseite abzweigt.

2) Entsprechend wird als dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe genannt, ein Verfahren zur Erzeugung einer Darstellung anzugeben, mit dem "eine bereits aufgefundene und inzwischen verlassene Informationsseite aus dem Informationsangebot eines Informationsanbieters, welche von einer Startseite des Informationsanbieters aus unmittelbar oder mittelbar aufrufbar ist, in einfacher Weise wiedergefunden und somit nochmals aufgerufen werden kann" (vgl. Abs. [0008] des Streitpatents).

3) Gemäß Patentanspruch 1 soll die Lösung der im Streitpatent genannten Aufgabe gelingen mit einem Verfahren zur Erzeugung einer Darstellung für das Wiederfinden einer bereits von einer Startseite eines Informationsanbieters aus aufgerufenen und inzwischen verlassenen Informationsseite, welche über das Internet, ein Intranet oder ein Extranet aufrufbar ist, aufweisend folgende Verfahrenschritte:

a) Registrieren eines Benutzers bei Aufruf der Startseite, b) Registrieren der von dem Benutzer unmittelbar und mittelbar von der Startseite aus aufgerufenen Informationsseiten des Informationsanbieters undc) Erzeugung einer anzeigbaren Darstellung, aus der die Abfolge der von dem Benutzer aufgerufenen Informationsseiten des Informationsanbieters erkennbar ist.

4) Als Fachmann für die Gestaltung von Darstellungen in vernetzten Datenverarbeitungssystemen, mit denen bereits aufgerufene Informationsseiten eines Informationsanbieters wiedergefunden werden können, ist ein Informatiker anzusehen, der über praktische Erfahrung in der Programmierung von Browserprogrammen und Benutzerführungen verfügt.

Dieser Fachmann entnimmt dem Patentanspruch 1, dass im Rahmen eines Browserprogramms für das Aufrufen von Informationsseiten über ein Netz (z. B. Internet), eine Darstellung erzeugt werden soll, mit der ein Benutzer die Informationsseiten eines bestimmten Informationsanbieters, die er früher aufgerufen und wieder verlassen hat, auf einfache Weise wiederfinden kann. Gemäß Merkmal a) soll hierzu der Benutzer bei Aufruf der Startseite (eines bestimmten Informationsanbieters) registriert werden. Eine bestimmte Art und Weise der Registrierung gibt der Patentanspruch nicht vor. In der Beschreibung wird beispielhaft die Verwendung einer Registrierungssoftware oder die Verwendung der bekannten "Cookie"-Technik vorgeschlagen (vgl. Abs. [0024] -Abs. [0026]). Nachdem der Benutzer registriert bzw. identifiziert ist, werden entsprechend Merkmal b) die Informationsseiten (bzw. deren Hyperlinks) registriert, die der Benutzer ausgehend von der Startseite des Informationsanbieters aufgerufen hat. Auf diese Weise werden Daten, beispielsweise in Form einer Tabelle, erfasst, aus denen hervorgeht, welche Informationsseiten ein (bestimmter) Benutzer in welcher Reihenfolge von einem (bestimmten) Informationsanbieter abgerufen hat. Nach Merkmal c) des Anspruchs soll (unter Benutzung der registrierten Daten) eine Darstellung erzeugt werden, aus der die Abfolge der von dem Benutzer aufgerufenen Informationsseiten erkennbar ist. Wie die Art der Kennzeichnung der Abfolge der aufgerufenen Seiten konkret gestaltet sein soll, lässt sich dem Patentanspruch nicht entnehmen, so dass der Fachmann alle anzeigbaren Darstellungen für geeignet halten wird, die eine Abfolge erkennen lassen. Eine mögliche Art der dem Benutzer angebotenen Anzeige ist in den Figuren 3 und 4 des Streitpatents gezeigt. Dort ist die Abfolge der ab der Startseite eines Informationsanbieters von einem Benutzer aufgerufenen Seiten (bzw. deren Adressen oder Hyperlinks) durch Pfeile und Zahlen kenntlich gemacht. Dieses Ausführungsbeispiel beschränkt aber nicht den Inhalt des Patentanspruchs, denn die Auslegung eines Patentanspruchs unterhalb des Wortlauts ist generell nicht zulässig (vgl. BGH -Schussfädentransport -in GRUR 2007, 309).

Insgesamt gesehen schlägt der Anspruch vor, die von einem Benutzer ab der Startseite eines Informationsanbieters aufgerufenen Informationsseiten mit ihrerzeitlichen Abfolge zu registrieren und in irgend einer Weise anzuzeigen, aus der sich die zeitliche Abfolge ihres Aufrufs erkennen lässt. Es ist nicht in Frage zu stellen, dass eine Darstellung, aus der die zeitliche Abfolge der von einem Informationsanbieter aufgerufenen Informationsseiten erkennbar ist, es einem Benutzer einfacher macht, vormals aufgerufene Seiten wieder aufzufinden. Der Aufruf einer früheren Informationsseite, wie er in der Aufgabenstellung ebenfalls angesprochen ist (vgl. Abs. [0008] des Streitpatents), wird von dem anspruchsgemäßen Verfahren allerdings nicht mehr geleistet, er muss vom Benutzer unter Auswertung der Darstellung und Wahl der gewünschten Seite veranlasst werden, bspw durch Anklicken des entsprechenden Hyperlinks.

5) Das Verfahren nach Patentanspruch 1 liegt nicht auf technischem Gebiet und ist daher dem Patentschutz nicht zugänglich.

5.1 Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die Erzeugung einer Darstellung wesentlicher Gegenstand des Verfahrens nach Anspruch 1 sei. Die Wiedergabe von Informationen sei jedoch gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 4 i. V. m. Abs. 4 PatG nicht als patentfähige Erfindung i. S. d. § 1 Abs. 1 PatG anzusehen. Das Streitpatent könne schon aus diesem Grund keinen Bestand haben.

5.2 Dieser Auffassung folgt der Senat insoweit, als die Wiedergabe einer (konkret nicht näher bestimmten) anzeigbaren Darstellung Teil des Verfahrens nach Patentanspruch 1 ist (vgl. Merkmal c). Das Verfahren umfasst jedoch auch die Verfahrensschritte a) und b), die das Registrieren des Benutzers und der von ihm ab der Startseite eines Informationsanbieters aufgerufenen Seiten anweisen. Diese Schritte werden, für den Fachmann offensichtlich, programmgesteuert von einer Datenverarbeitungsanlage ausgeführt. Es war daher auch zu untersuchen, ob der Patentfähigkeit des in Rede stehenden Verfahrens nicht auch der in § 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG genannte Ausschlusstatbestand für Programme für Datenverarbeitungsanlagen als solche entgegensteht. Letztlich ist die exakte Bestimmung des Ausschlusstatbestandes aber ohne Belang. Denn der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung "Anbieten interaktiver Hilfe" (vgl. GRUR 2005, 141 ff.) zwar in Hinsicht auf Datenverarbeitungsprogramme festgestellt, dass "ein Verfahren, das sich zur Herbeiführung des angestrebten Erfolgs eines Programms bedient, mit dessen Hilfe eine Datenverarbeitungsanlage so gesteuert wird, dass der gewünschte Erfolg erzielt wird, nicht schon wegen des Vorgangs der elektronischen Datenverarbeitung dem Patentschutz zugänglich" ist und gefolgert: "Da das Gesetz Programme für Datenverarbeitungsanlagen als solche vom Patentschutz ausschließt (§ 1 II Nr. 3 und III PatG), muss die beanspruchte Lehre vielmehr Anweisungen enthalten, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen". In Hinblick auf die anderen, nunmehr in § 1 Abs. 3 PatG nF genannten Ausnahmetatbestände hat er ergänzend ausgeführt: "Nichts anderes gilt, wenn in Rede steht, ob eine beanspruchte Lehre als mathematische Methode (§ 1 II Nr. 1 PatG), als Regel oder Verfahren für geschäftliche Tätigkeiten (§ 1 II Nr. 3 PatG) oder als Wiedergabe von Informationen (§ 1 II Nr. 4 PatG) nicht als Erfindung anzusehen ist" (vgl. GRUR 2005, 141, II. 4. a)). Jedenfalls in Zusammenhang mit den zitierten Ausnahmetatbeständen liegt also nur dann eine Erfindung vor, wenn der Anspruch Anweisungen enthält, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen (vgl. hierzu auch BGH GRUR 2005, 749, Leitsatz 2 -Aufzeichnungsträger -).

5.3 Solche Anweisungen können in dem Verfahren zur Erzeugung einer Darstellung nach Patentanspruch 1 nicht erkannt werden. Denn die Anweisungen, einen Benutzer bei Aufruf der Startseite eines Informationsanbieters zu registrieren und die von ihm ab der Startseite eines Informationsanbieters aufgerufenen Seiten und dann deren Reihenfolge (auf irgendeine Weise) darzustellen, sind allgemeiner Art und lehren nicht die gezielte Verwendung bestimmter Vorrichtungen oder Verfahrensabläufe aus technischen Erwägungen und zur Lösung eines konkreten technischen Problems. Der Anspruch geht zwar stillschweigend davon aus, dass zur Implementierung ein Datenverarbeitungssystem verwendet wird. Dies aber ist der einzig erkennbare Ansatz im Hinblick auf die geforderte konkrete technische Problemstellung. Wie aber bereits zur Entscheidung "Anbieten interaktiver Hilfe" zitiert, ist ein Verfahren ... "nicht schon wegen des Vorgangs der elektronischen Datenverarbeitung dem Patentschutz zugänglich".

5.4 Die Beklagte ist der Auffassung, dass ein Benutzer unter Anwendung der patentgemäßen Lehre einen besseren Überblick über sein Internetaufrufverhalten erhalte. Damit werde die Bedienbarkeit der Datenverarbeitungsanlage verbessert. Hierzu seien auch technische Maßnahmen erforderlich und genannt, nämlich die Registrierung des Benutzers und der von ihm aufgerufenen Seiten. Den Anweisungen des Patentanspruchs 1 liege folglich eine konkrete technische Problemstellung zugrunde.

Das Argument der Beklagten, dass die Bedienbarkeit der Datenverarbeitungsanlage verbessert werde, geht schon deshalb fehl, weil das anspruchsgemäße Verfahren bei objektiver Betrachtung nicht mehr als die Erzeugung (irgend) einer an den Benutzer gerichteten Darstellung leistet, aus der sich die Abfolge der Aufrufe erkennen lässt. Die von der Beklagten angeführte verbesserte Bedienbarkeit hingegen tritt erst in Interaktion mit dem Benutzer ein und hängt wesentlich von der konkreten Ausgestaltung und Übersichtlichkeit der erzeugten Darstellung ab, die aber nicht Gegenstand des Anspruchs ist.

Daneben könnte auch in der Erzeugung einer bestimmten, leicht auffassbaren grafischen Darstellung keine technische Problemstellung erkannt werden. Denn eine solche Darstellung orientiert sich nur an der Auffassungsgabe des menschlichen Benutzers. Die Überwindung einer konkreten technischen Problemstellung spielt dabei ersichtlich keine Rolle, ebenso wie bei den Registriervorgängen, die nur "irgendwie" erfolgen müssen und bei Einsatz einer Datenverarbeitungsanlage in der Speicherung von Daten bestehen, worin im vorliegenden Fall nur der bestimmungsgemäße Gebrauch einer Datenverarbeitungsanlage zu erkennen ist.

5.5 Die Beklagte wendet weiter ein, dass dem Verfahren nach dem Patentanspruch 1 jedenfalls unter Beachtung der Ausführungen in der jüngsten BGH-Entscheidung "Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten" (vgl.

GRUR 2009, 479) die Patentierbarkeit zugebilligt werden müsse, und verweist hierzu auf Abs. [0008] dieser Entscheidung. Dort ist ausgeführt: "Der Gegenstand der [dort vorliegenden] Anmeldung weist nach den vom Patentgericht getroffenen Feststellungen i. d. F. der Hilfsanträge 2 und 3 die für die Patentfähigkeit eines Computerprogramms oder eines in Verfahrensansprüche gekleideten Gegenstands der datenverarbeitungsmäßigen Abarbeitung von Verfahrensschritten erforderliche Technizität (§ 1I PatG) schon deshalb auf, weil er der Verarbeitung, Speicherung und Übermittlung von Daten mittels eines technischen Geräts dient." Sie interpretiert diesen Absatz in der Weise, dass das Erfordernis einer konkreten technischen Problemstellung nur im Rahmen der in § 1 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG genannten Ausschlusstatbestände gelte, nicht aber für das in § 1 Abs. 1 PatG genannte Erfordernis einer Erfindung auf dem Gebiet der Technik.

Der Senat kann sich der Interpretation der von der Beklagten vorgetragenen Textstelle in dem Sinne, dass ein Verfahren, das mit einem Computerprogramm ausgeführt wird, schon wegen der Verarbeitung, Speicherung und Übermittlung von Daten patentfähig ist, nicht anschließen. Denn auch in dieser Entscheidung wurde als maßgebliches Kriterium für die Anerkennung des technischen Charakters der Umstand gewertet, dass dort von der Datenverarbeitungsanlage ein (weiteres) technisches Gerät angesteuert und somit eine konkrete technische Aufgabenstellung gelöst wurde. Dies ergibt sich bspw. aus Abs. [0012] der in Rede stehenden Entscheidung, in dem die (direkte) Steuerung der Untersuchungsmodalität als entscheidendes Kriterium genannt wird.

Ein Ansatzpunkt dafür, dass der Bundesgerichtshof von seiner bisherigen Rechtsprechung abweichen wollte, findet sich in der genannten Entscheidung nicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten bekräftigt der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung in Abs. [0011]: "Nach der Rechtsprechung des Senats muss eine Anmeldung, die ein Computerprogramm oder ein durch Software realisiertes Verfahren zum Gegenstand hat, über die für die Patentfähigkeit unabdingbare Technizität hinaus verfahrensbestimmende Anweisungen enthalten, welche die Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln zum Gegenstand haben."

Der Patentanspruch 1 ist daher mangels einer auf technischem Gebiet liegenden Erfindung nicht patentfähig. Das Streitpatent konnte daher in der erteilten Fassung keinen Bestand haben.

II.

Soweit die Beklagte ihr Patent hilfsweise mit Patentansprüchen 1 bis 7 nach Hilfsantrag verteidigt, vermag auch diese Fassung der Patentansprüche dem Streitpatent nicht zur Patentfähigkeit zu verhelfen.

1) Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag lautet:

Verfahren zur Erzeugung einer Darstellung für das Wiederfinden einer bereits von einer Startseite eines Informationsanbieters aus aufgerufenen und inzwischen verlassenen Informationsseite in einer Klienten-Server-Struktur, welche über das Internet, ein Intranet oder ein Extranet aufrufbar ist, wobei das Hypertext Transfer Protocol (HTTP) verwendet wird, aufweisend folgende Verfahrenschritte:

a) auf einem Server des Informationsanbieters Registrieren eines Benutzers bei Aufruf der Startseite mittels eines Cookies, b) auf einem Server des Informationsanbieters Registrieren der von dem Benutzer unmittelbar und mittelbar von der Startseite aus aufgerufenen Informationsseiten des Informationsanbieters und c) auf einem Server des Informationsanbieters Erzeugung einer anzeigbaren Darstellung, aus der die Abfolge der von dem Benutzer aufgerufenen Informationsseiten des Informationsanbieters erkennbar istd) Anzeigen der Darstellung für den Benutzer.

Der Patentanspruch 1 in der Fassung gemäß Hilfsantrag unterscheidet sich von der erteilten Fassung durch die unterstrichen dargestellten Textpassagen. Hinsichtlich der Zulässigkeit dieser Anspruchsfassung hat auch die Klägerin keine Bedenken geäußert.

2) Jedoch handelt es sich auch bei der hilfsweise verteidigten Fassung des Streitpatents nicht um eine auf dem technischen Gebiet liegende Erfindung. Die Beklagte vertritt hierzu die Auffassung, dass durch die in dieser Anspruchsfassung ergänzten Angaben der technische Charakter des Verfahrens deutlich hervorgehoben werde. Ein wesentlicher Aspekt des Streitpatents bestehe darin, die Bedienung eines Klienten-Server-Systems zu erleichtern. Hierzu kommunizierten Klient und Server über Cookies. Außerdem würden die vom Benutzer abgerufenen Seiten beim Klienten gespeichert. Dies entspreche nicht dem bestimmungsgemäßen Gebrauch einer Datenverarbeitungsanlage. Daher sei der technische Charakter des Verfahrens anzuerkennen.

Die Klägerin ist Ansicht, dass sich diese Anspruchsfassung von der erteilten Fassung lediglich durch die Aufnahme von technischen Ausdrücken unterscheide. Dies reiche aber nicht aus, um dem Verfahren technischen Charakter zu verleihen. Entscheidend für die Patenfähigkeit sei, dass auch diese Anspruchsfassung keine konkrete technische Problemstellung erkennen lasse, die mit technischen Mitteln gelöst werde.

3) Das Verfahren zur Erzeugung einer Darstellung in der Fassung nach Hilfsantrag ist gegenüber der erteilten Fassung in mehrfacher Hinsicht ergänzt.

Die von der Beklagten vorgenommenen Ergänzungen ändern jedoch letztlich nichts am sachlichen Gehalt des Verfahrens, der der Beurteilung der Patentfähigkeit zugrunde zu legen ist. Sie lassen insbesondere keine Anweisung erkennen, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dient.

3.1 Dass die mit dem beanspruchten Verfahren erzeugte Darstellung auch dem Benutzer angezeigt wird, wie nunmehr explizit in Merkmal d) angegeben, unterstellte der Fachmann schon bei Nachvollzug der Lehre nach dem erteilten Anspruch 1. Denn ohne Anzeige wäre die Erzeugung einer Darstellung sinnlos und das Wiederauffinden bereits aufgerufener Seiten durch einen Benutzer nicht möglich.

3.2 In den weiteren Ergänzungen, nach denen das Datenverarbeitungssystem eine Klienten-Server-Struktur aufweist, die Registrierungsvorgänge und die Erzeugung der Darstellung auf einem Server des Informationsanbieters stattfinden, für die Übertragung der Informationsseiten das Übertragungsprotokoll HTTP benutzt wird und die Registrierung eines Benutzers mittels eines "Cookies" erfolgt, kann nur das Herausgreifen bestimmter technischer Mittel oder Maßnahmen aus einer Anzahl von dem Fachmann sich anbietenden Möglichkeiten erkannt werden, ohne dass der Fachmann darüber belehrt würde, in welcher Weise das gerade gewählte Mittel die Erzeugung einer Darstellung in technischer Hinsicht besonders fördert. Deshalb sind auch in dieser Fassung des Anspruchs 1 keine Anweisungen erkennbar, die der Lösung eines konkreten technischen Problems dienen und folglich den technischen Charakter der Lehre begründen könnten.

Das Argument der Beklagten, dass die Bedienung einer Klienten-Server-Struktur erleichtert würde, greift hier ebenso wenig wie zum Hauptantrag, weil auch in der Fassung nach Hilfsantrag das Verfahren lediglich die Erzeugung einer an den Benutzer gerichteten Darstellung leistet und die Bedienbarkeit Folge der gewählten Darstellungsform ist und nicht von technischen Umständen abhängt.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist daher ebenfalls mangels einer auf technischem Gebiet liegenden Erfindung nicht patentfähig.

3.3 Im Übrigen könnte eine patentfähige Erfindung auch dann nicht erkannt werden, wenn das Vorliegen einer konkreten technischen Problemstellung aus einer der ergänzten Anweisungen hergeleitet werden könnte. Denn die Klienten-Server-Struktur mit ihrer vorgegebenen Arbeitsteilung zwischen Dienstleister und Benutzer und die Verwendung des HTTP-Internetprotokolls samt Cookie-Technik waren dem Fachmann schon lange vor dem Anmeldetag des Streitpatents aus dem Einsatz des Internets mit entsprechenden Strukturen und Kommunikationsmechanismen bekannt.

Das Streitpatent konnte daher auch in der hilfsweise verteidigten Fassung keinen Bestand haben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.

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BPatG:
Urteil v. 04.06.2009
Az: 2 Ni 50/07


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