Bundesverfassungsgericht:
Beschluss vom 29. Dezember 2004
Aktenzeichen: 1 BvR 113/03
(BVerfG: Beschluss v. 29.12.2004, Az.: 1 BvR 113/03)
Tenor
1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Dezember 2002 4 A 1462/01 -, das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 1. September 2000 - 13 K 2687/99 - sowie die Bescheide der Apothekerkammer Westfalen-Lippe vom 10. Juni und 14. Juli 1999 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes.
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts und das Urteil des Verwaltungsgerichts werden aufgehoben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
2. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 17.837 € (in Worten: siebzehntausendachthundertsiebenunddreißig Euro) festgesetzt.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Heranziehung zu Beiträgen zum Zusatzversorgungswerk der Apothekerkammer Westfalen-Lippe.
1. Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe betreibt seit 1956 als nicht selbstständige Einrichtung ein Zusatzversorgungswerk. Leistungen aus dem inzwischen geschlossenen - Zusatzversorgungswerk beziehen nach § 11 Abs 1 Satz 1 der Satzung Kammerangehörige, die vor dem 31. Dezember 1994 nicht selbstständig in öffentlichen Apotheken in Westfalen-Lippe, hauptamtlich bei der Apothekerkammer oder dem Apothekerverband Westfalen-Lippe tätig waren, sowie deren Hinterbliebene, soweit sie nicht aufgrund einer Apothekenkonzession oder betriebserlaubnis eine Apotheke nutzen oder ein Nutzungsrecht an einer Apotheke besitzen oder besessen haben.
Die Mittel des Zusatzversorgungswerks bestehen nach § 3 Abs. 1 der Satzung aus Beiträgen und Vermögenserträgen. Zu Beiträgen werden die öffentlichen Apotheken sowie für die dort hauptberuflich tätigen Kammerangehörigen - die Apothekerkammer und der Apothekerverband Westfalen-Lippe herangezogen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 der Satzung). Die Beitragshöhe wird nach versicherungsmathematischen Grundsätzen errechnet (§ 3 Abs. 2 der Satzung).
Seit 1967 wurden neu gegründete Apotheken bis zur Erreichung eines Jahresumsatzes zunächst nur mit einem Anerkennungsbeitrag von 60 DM jährlich veranlagt. Seit 1988 wird nach Erzielung eines Jahresumsatzes in den folgenden vier Jahren der Beitrag so bemessen, dass in jedem Jahr 0,375 % des Nettoumsatzes des Vorjahres, abgerundet auf volle DM-Beträge, erhoben wird. Soweit der Nettoumsatz 4 Mio. DM übersteigt, wird der übersteigende Betrag nicht in die Beitragsberechnung einbezogen. Apotheken, die vier Jahre lang mit umsatzbezogenen Beiträgen zum Deckungsstock beigetragen haben, werden seit 1967 vom Beitrag freigestellt.
Gewährt werden Berufsunfähigkeits-, Alters- und Hinterbliebenengeld. Das Altersgeld erhalten die zu versorgenden Kammerangehörigen mit Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie die letzten 15 Jahre vor Eintritt des Versorgungsfalles oder in den letzten 20 Jahren vor Eintritt des Versorgungsfalles mindestens 15 Jahre im Bereich der Apothekerkammer tätig waren (§ 13 Abs. 1, § 17 Abs. 1 und 2 der Satzung). Das Altersgeld beträgt derzeit 406 € monatlich. Berufsunfähigkeitsgeld kann nach § 14 in Verbindung mit § 17 Abs. 3 der Satzung ein Kammerangehöriger erhalten, wenn er die letzten fünf Jahre vor Eintritt des Versorgungsfalles im Sinne des § 11 Abs. 1 der Satzung tätig war und die Berufsunfähigkeit durch die gesetzliche Rentenversicherung oder eine berufsständische Versorgungseinrichtung festgestellt worden ist. Es können Zahlungen bis zur Höhe von 349 € monatlich geleistet werden. Das Witwen- oder Witwergeld beträgt 70 % des Alters- oder Berufsunfähigkeitsgeldes, das die zu versorgenden Kammerangehörigen bei ihrem Ableben bezogen oder bezogen haben würden, wenn zu diesem Zeitpunkt Anspruch auf Berufsunfähigkeitsgeld bestanden hätte (§ 15 Abs. 2 der Satzung). Das Waisengeld beträgt für Halbwaisen 41 €, für Vollwaisen 82 € (§ 16 Abs. 3 der Satzung).
Seit 1977 besteht ein allgemeines Versorgungswerk, das nach § 10 der Satzung alle selbstständigen und nicht selbstständigen Kammerangehörigen erfasst, die bei In-Kraft-Treten der Satzung oder zum Zeitpunkt des Entstehens ihrer Kammerzugehörigkeit das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Kammerangehörige, die nach dem 31. Dezember 1994 eine abhängige Beschäftigung in einer öffentlichen Apotheke aufnehmen, profitieren vom Zusatzversorgungswerk nicht mehr, sondern gehören diesem allgemeinen Versorgungswerk an. Vorgesehene Leistungen sind nach § 22 der Satzung hier Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenrente sowie die Erstattung von Beiträgen beim Ausscheiden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat 1987 zu dem hier streitigen Versorgungswerk entschieden, dass die Kammer mit seiner Errichtung in nicht zu beanstandender Weise von ihrer Rechtsetzungsbefugnis Gebrauch gemacht habe (Urteil vom 3. März 1987 - 1 C 6.86 -, GewArch 1987, S. 375 f.). Es begegne auch keinen Bedenken, dass sich Beitragslast und Begünstigung auf verschiedene Personenkreise bezögen. Aufgrund der Verpachtungs- und Verkaufsmöglichkeiten des eigenständig tätigen Apothekers sei dessen Versorgungslage ungleich günstiger als diejenige des abhängig beschäftigten Apothekers. Ferner würde der Konkurrenzdruck im Wettbewerb zwischen den Apothekern noch stärker, wenn im Hinblick auf die Versorgungssituation unselbstständig beschäftigte Apotheker auf den Markt drängen würden. Schließlich seien die zur Beitragszahlung verpflichteten Apothekenbesitzer auf die Mitarbeit von sozial abgesicherten qualifizierten Mitarbeitern angewiesen, und die Vorteile aus einer unselbstständigen Tätigkeit eines Apothekers kämen im Wesentlichen dem selbstständigen Apotheker zugute.
2. Der Beschwerdeführer eröffnete im Oktober 1997 im Zuständigkeitsbereich der Apothekerkammer Westfalen-Lippe eine Apotheke. Einen Angestellten, der im Zusatzversorgungswerk Ansprüche erworben hat, beschäftigt er nicht. Er ist Mitglied der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, die ihn mit Bescheid vom 10. Juni 1999 zu einem Beitrag für das Zusatzversorgungswerk in Höhe von 5.572,50 DM heranzog. Widerspruch und Klage gegen den Beitragsbescheid blieben erfolglos.
Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die Heranziehung des Beschwerdeführers zu dem Beitrag sei verfassungsrechtlich nicht bedenklich. Es sei allgemein anerkannt, dass die Kammern und Versorgungswerke der freien Berufe Aufgaben der sozialen Absicherung der Kammerangehörigen und ihrer Hinterbliebenen wahrnehmen könnten. Darunter falle auch die soziale Absicherung der unselbstständig tätigen Kammermitglieder durch ein Zusatzversorgungswerk. Dass die Leistung auf abhängig beschäftigte Apotheker begrenzt worden sei, sei weder willkürlich noch unverhältnismäßig. Inhaber einer Apotheke seien in aller Regel finanziell genügend für das Alter abgesichert, weil sie freiberuflich arbeiteten und wirtschafteten und zudem aus dem Verkauf oder der Verpachtung der Apotheke Vorteile ziehen könnten. Diese Unterschiede rechtfertigten es, das Zusatzversorgungswerk auch nach Errichtung eines allgemeinen Versorgungswerks im Jahre 1977 aufrechtzuerhalten. Aus der verfassungsrechtlich unbedenklichen Aufgabenwahrnehmung folge die Berechtigung der Kammer, Beiträge als Gegenleistung für die Vorteile zu erheben, die die Kammermitglieder aus ihrer Zugehörigkeit zur Kammer ziehen können.
Es verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Mittel von den Inhabern der öffentlichen Apotheken aufzubringen seien. Deren Versorgungssituation sei aufgrund der Verpachtungs- und Verkaufsmöglichkeit günstiger als die der abhängig beschäftigten Apotheker. Der beitragsrechtlich relevante Vorteil für alle Kammermitglieder liege in dem Umstand, dass dem Apothekenwesen insgesamt die soziale Sicherheit der Beschäftigten und damit deren Bereitschaft zu abhängiger Arbeit zugute komme.
Obwohl kein in der Zeit vor dem 31. Dezember 1994 angestellter Apotheker in seiner Apotheke arbeite, sei es nicht willkürlich, den Beschwerdeführer zu Beitragszahlungen heranzuziehen. Entscheidend sei, dass es sich bei der Versorgung des berechtigten Personenkreises um eine Gemeinschaftsaufgabe der Selbstverwaltungskörperschaft handele. Soweit der Beschwerdeführer eine Schlechterstellung gegenüber Pächtern oder Käufern einer Apotheke rüge, sei darauf hinzuweisen, dass die geleisteten Beiträge in den wirtschaftlichen Wert der Apotheke einflössen. Die Umsatzbezogenheit des Beitrags garantiere die Heranziehung nur im Rahmen der Leistungsfähigkeit. Die Höhe der Abgabe stelle sich nicht als erdrosselnd dar, zumal sie entsprechend der langjährigen Praxis auf vier Kalenderjahre begrenzt sei. Den Antrag auf Zulassung der Berufung wies das Oberverwaltungsgericht zurück.
3. Der Beschwerdeführer rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde unter anderem eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG durch den Beitrags- und Widerspruchsbescheid sowie die beiden Gerichtsentscheidungen.
Es verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass er zu Beiträgen zum Zusatzversorgungswerk herangezogen werde, nicht aber Apotheker, die 1997 eine bereits bestehende Apotheke übernommen und weitergeführt hätten. Die geleisteten Beiträge schlügen sich auch nicht im wirtschaftlichen Wert der Apotheke nieder. Es treffe nicht mehr zu, dass aufgrund Verpachtungs- und Verkaufsmöglichkeiten des selbstständig tätigen Apothekers dessen Versorgungslage ungleich günstiger sei als diejenige des abhängig beschäftigten Apothekers. Vor 1956 gegründete Apotheken hätten keine Beiträge abführen müssen, somit würden auch die Existenzgründer nicht belastet, die eine solche Apotheke übernähmen. Auch zahlten in anderen Kammerbezirken Neugründer keine Beiträge. Nach dem Äquivalenzprinzip müsse der Beitrag in einem angemessenen Verhältnis zu dem potentiellen Vorteil stehen. Daran fehle es hier.
Auch Art. 12 Abs. 1 GG werde verletzt, weil durch die Belastung mit den Beiträgen die Neugründung einer Apotheke erschwert werde. Gegen Art. 2 Abs. 1 GG werde verstoßen, weil die Regelung nicht durch überwiegende Interessen des gemeinen Wohls gerechtfertigt sei.
4. Neben den Beteiligten des Ausgangsverfahrens wurde der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, der Bundesapothekerkammer, den Apothekerkammern der Länder und dem Bund der Versicherten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung eines der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93 c Abs. 1 BVerfGG liegen vor. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Art. 12 Abs. 1 GG kommt als Prüfungsmaßstab nicht in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts scheidet bei der Einführung eines berufsständischen Versorgungswerks mit Zwangsmitgliedschaft und der damit verbundenen Beitragspflicht eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG aus (vgl. BVerfGE 10, 354 <362 f.>; auch BVerfGE 55, 7 <27> für die Beitragspflicht zu Sozialkassen).
Soweit eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG gerügt wird, kommt der Verfassungsbeschwerde keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass die Maßstäbe für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragszahlungen zu einem berufsständigen Versorgungswerk der allgemeinen Freiheitsgarantie des Art. 2 Abs. 1 GG zu entnehmen sind (vgl. BVerfGE 10, 354 <363>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 4. April 1989 1 BvR 685/88 -, NJW 1990, S. 1653). Ebenso ist entschieden, dass der allgemeine Gleichheitssatz verletzt ist, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Gruppen anders behandelt wird, obgleich zwischen ihnen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BverfGE 55, 72 <88>; 81, 108 <118>; 100, 195 <205>; stRspr).
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung von Grundrechten des Beschwerdeführers angezeigt. Soweit umsatzbezogene Beiträge von neu gegründeten Apotheken erhoben werden, ist § 3 Abs. 2 der Satzung des Zusatzversorgungswerks der Apothekerkammer Westfalen-Lippe in der hier maßgeblichen Fassung vom 18. November 1998 mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Durch die Heranziehung zur Beitragszahlung für das Zusatzversorgungswerk wird der Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung verletzt. Ob auch eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG vorliegt, kann demnach offen bleiben.
a) Die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Beitragszahlung für das Zusatzversorgungswerk könnte allerdings zur Erreichung des erstrebten Zwecks nicht erforderlich und daher als Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) nicht gerechtfertigt sein.
aa) Legitimer Zweck der Errichtung des Zusatzversorgungswerkes und der damit verbundenen Statuierung der Beitragspflicht der selbstständigen Apotheker war die zusätzliche soziale Sicherung der approbierten Apotheker in abhängiger Beschäftigung. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 3. März 1987 (a.a.O.) zu Recht herausgestellt, dass dies letztlich der Motivation der Mitarbeiter dient und dem selbstständigen Apotheker als Arbeitgeber zugute kommt. Die Apothekerkammer bewegte sich damit innerhalb der ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 10 des Heilberufsgesetzes Nordrhein-Westfalen). Dass mit der Errichtung des Zusatzversorgungswerkes ursprünglich ein zulässiges Ziel der Kammer verfolgt wurde, stellt auch der Beschwerdeführer nicht in Frage. Zur Erreichung dieses Ziels ist die Beitragspflicht in der angegriffenen Form auch geeignet.
bb) Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob die Beitragsregelung für den hier betroffenen Zeitraum ab 1999 noch als erforderlich angesehen werden kann. Der Beschwerdeführer verweist zu Recht auf einen inzwischen eingetretenen Strukturwandel. Leistungsberechtigt aus dem Zusatzversorgungswerk ist mittlerweile nur noch, wer vor dem 31. Dezember 1994 nicht selbstständig in einer Apotheke tätig war. Das Versorgungswerk befindet sich damit in einer Auslaufphase. Neue Anwartschaften konnten in der Zeit, in der der Beschwerdeführer selbstständiger Apotheker ist, nicht mehr begründet, sondern nur noch durch Erreichen der erforderlichen Beschäftigungszeiten vervollständigt werden. Die Berechtigung zur Erhebung von Beiträgen zum Zusatzversorgungswerk kann nunmehr nur noch daraus folgen, dass diese Beiträge zur Abwicklung der ursprünglich zulässigen Aufgabe der Kammer erforderlich sind.
Die Konzeption der Zusatzversorgung, insbesondere die seit 1967 bestehende zeitliche Begrenzung der Beitragspflicht auf vier Jahre, zeigt, dass die Versorgung im Wesentlichen nach dem Kapitaldeckungsprinzip aufgebaut ist. Im Laufe der Zeit wurde ein immer größerer Teil der Ausgaben durch erwirtschaftete Zinsüberschüsse gedeckt. So wird im versicherungsmathematischen Gutachten vom 6. April 1999 eine Berechnung für den Fall angestellt, dass keine Beiträge mehr erhoben werden. Dem ohne Beiträge zur Verfügung stehenden Betrag von 690.000 DM wird dabei ein benötigter Betrag von 609.356 DM gegenübergestellt. Im Gutachten vom 31. Dezember 2000 wird, bezogen auf die Kapitalanlagen, von jährlich zur Verfügung stehenden Mitteln in Höhe von 700.000 DM ausgegangen und der jährliche Nettomittelbedarf mit 698.360 DM beziffert. Auch in den Schreiben der Apothekerkammer an das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen als Aufsichtsbehörde, in denen um Genehmigung der jeweiligen Beitragsfestsetzung gebeten wurde, sind die Zinsüberschüsse ab dem Kalenderjahr 2000 höher beziffert als die erforderlichen Nettomittel. Es ist auch nach der Stellungnahme der Kammer zu diesem Verfahren nicht nachvollziehbar, warum zur Erfüllung der seit 1995 jährlich geringer ausfallenden Versorgungsansprüche nicht auf das in den Vorjahren gebildete Vermögen zurückgegriffen wird. Angesichts der Vermögensentwicklung und der stetig sinkenden Ausgaben ist vorhersehbar, dass bei einer weiteren Beitragserhebung ein bestimmter Kapitalstock nach dem Auslaufen der Ansprüche übrig bleiben wird. Vor diesem Hintergrund liegt die Annahme nahe, dass eine weitere Beitragserhebung nicht mehr erforderlich ist.
b) Ob deshalb Art. 2 Abs. 1 GG verletzt ist, kann jedoch offen bleiben, weil die einschlägige Satzungsbestimmung und damit auch die angegriffenen Entscheidungen jedenfalls dem Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG nicht gerecht werden.
aa) Der allgemeine Gleichheitssatz ist zwar nicht dadurch verletzt, dass es in anderen Kammerbezirken keine vergleichbaren Regelungen gibt. Der Anspruch auf Gleichbehandlung kann stets nur gegen den jeweiligen Normsetzer gerichtet sein und den Vergleich mit den übrigen Normunterworfenen betreffen (vgl. BVerfGE 93, 319 <351>). Der Gleichheitssatz ist auch nicht deshalb verletzt, weil zur Beitragszahlung nur die Arbeitgeber, nicht aber die begünstigten Arbeitnehmer herangezogen werden. Insofern hat bereits das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1987 (a.a.O.) zu Recht ausgeführt, dass die durch die zusätzliche soziale Absicherung hervorgerufene Motivation den Inhabern der öffentlichen Apotheken als Arbeitgebern insgesamt zugute kommt.
bb) Es ist aber unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht gerechtfertigt, dass im Rahmen der Abwicklung der Zusatzversorgung - soweit eine Beitragserhebung überhaupt noch erforderlich sein sollte wie in den Jahren zuvor allein die neugegründeten Apotheken in derselben Weise herangezogen werden. Solche Apotheken sind von den möglichen Vorteilen der Versorgung weiter entfernt als alteingesessene Apotheken, die schon längere Zeit Apotheker in einem Anstellungsverhältnis beschäftigen konnten. Nur ein ganz geringer Prozentsatz der anwartschaftsberechtigten Personen arbeitet in den seit 1994 gegründeten Apotheken. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass bei einer Apothekenübernahme die bereits geleisteten Beiträge in den zu erlösenden wirtschaftlichen Wert einfließen, wird dies je nach dem Zeitpunkt der Beitragsentrichtung und dem Zeitpunkt der Übernahme der Apotheke in vielen Fällen das erzielte Entgelt nicht mehr spürbar beeinflussen. Demgegenüber haben bereits bestehende Apotheken bis Ende 1994 zumindest potentiell unmittelbar von der Zusatzversorgung profitiert; bei ihnen sind die Wartezeiten im Wesentlichen aufgebaut worden, die jetzt noch erfüllt werden müssen. Wird weiter berücksichtigt, dass die Abwicklung des Zusatzversorgungswerkes eine Gemeinschaftsaufgabe darstellt, so ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass Beiträge für die Erfüllung dieser Gemeinschaftsaufgabe allein von den Neugründern erhoben werden.
3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 113 Abs. 2 Satz 3 BRAGO (vgl. auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).
BVerfG:
Beschluss v. 29.12.2004
Az: 1 BvR 113/03
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