Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 16. Dezember 1996
Aktenzeichen: 12 U 141/96
(OLG Köln: Urteil v. 16.12.1996, Az.: 12 U 141/96)
1. Der auf Herausgabe der Handakten in Anspruch genommene Rechtsanwalt genügt seiner Darlegungslast nicht mit dem Vorbringen, der Mandant habe " alle zu beanspruchenden Schriftstücke" zugeleitet bekommen.
2. Dem Rechtsanwalt steht ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Kosten, die er aufwenden will, um von der Handakte vor der Herausgabe an den Mandanten eine Kopie zu fertigen, nicht zu.
3. Ein Rechtsanwalt verletzt die ihm gegenüber seinem Mandanten obliegenden Vertragspflichten, wenn er für diesen zuerst den Rücktritt von einem Vertrag erklärt, nachfolgend aber die Zwangsvollstreckung wegen des vertraglichen Erfüllungsanspruchs einleitet. Er ist in diesem Fall verpflichtet, dem Mandanten die finanziellen Nachteile zu ersetzen, die diesem dadurch entstehen, daß der Vertragspartner eine erfolgreiche Vollstreckungsgegenklage erhebt und der Rechtsanwalt Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergriffen hat, die wegen der erfolgreichen Vollstreckungsgegenklage letztlich leer laufen.
4. Die Verjährungsfrist des § 51 BRAO a.F (= § 51b BRAO n.F.) beginnt in diesem Fall frühestens mit der Einreichung der Vollstreckungsgegenklage zu laufen.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 13. März 1996 - 20 O 160/95 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 69.000 DM, wenn nicht der Kläger zuvor entsprechende Sicherheit erbringt. Als Sicherheitsleistung wird auch die selbstschuldnerische unbefristete Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte, die ihn
anwaltlich beraten und vertreten hat, auf Herausgabe der Handakten
und Schadensersatz wegen behaupteter Vertragsverletzung in
Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Durch Urkunde des Notars Dr. C. vom 15.
Juni 1990 veräußerte der Neffe der Ehefrau des Klägers, M. St.,
Inventargegenstände aus der bis dahin von ihm betriebenen
Gaststätte "C. I." am K. in K. zum Kaufpreis von 125.000,00 DM an
die Herren K. und Ka. A.. Diese betrieben die Gaststätte in der
Folgezeit weiter. Die Erwerber waren bei Vereinbarung eines
Eigentumsvorbehalts für den Verkäufer berechtigt, den Kaufpreis ab
August 1990 in monatlichen Raten zu je 2.500,00 DM zu begleichen.
Bei Zahlungsverzug von mehr als 3 Monaten war jedoch der gesamte
Restkaufpreis nebst Zinsen fällig. Wegen der Zahlung des
Kaufpreises unterwarfen sich die Erwerber als Gesamtschuldner der
sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.
Der Kläger hatte zuvor erhebliche
Mietrückstände des Veräußerers beglichen, woraus für ihn ein
Darlehensanspruch in Höhe von 160.000,00 DM resultierte. Aus diesem
Grunde trat Herr St. seinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises
gegen die Herren A. an den Kläger ab, der fortan auch die
monatlichen Kaufpreisraten einzog.
Ende des Jahres 1991 gerieten die
Erwerber sowohl mit der Zahlung des Kaufpreises als auch mit der
Begleichung des monatlichen Mietzinses für die Gaststätte in
Rückstand. Dies führte dazu, daß der Kläger, der sich für die
Mietzahlungen verbürgt hatte, vom Vermieter der Gaststätte in Höhe
eines Betrages von 9.000,00 DM in Anspruch genommen wurde. Aus
diesem Grunde wurde die Beklagte eingeschaltet. Beabsichtigt war zu
diesem Zeitpunkt, die Mieter zur Aufgabe der Gaststätte zu bewegen,
denn es stand zu dieser Zeit eine Gruppe von 4 Interessenten als
Nachmieter bereit, welche vom Vermieter akzeptiert worden wären.
Die Mietinteressenten hatten dem Kläger 80.000,00 DM als Vorschuß
dafür übergeben, daß sie den Mietvertrag und das Inventar
übernehmen konnten. Der Beklagten, die den Veräußerer St.
persönlich nicht kannte, wurde im Rahmen einer Besprechung eine von
Herrn St. unterzeichnete schriftliche Erklärung übergeben, mit der
sie beauftragt wurde, "auf die Erfüllung des Vertrages zu
verzichten und die Erfüllung abzulehnen, die möglichst schnelle
Herausgabe und Sicherung des Inventars in die Wege zu leiten und
nach Absprache sonstige Rechte aus dem Vertrag geltend zu
machen". "Insbesondere" sollte sie aber "auch eine
vollstreckbare Ausfertigung beim Notar anfordern und die
Vollstreckung betreiben".
Namens und im Auftrage des Veräußerers
St. meldete sich die Beklagte daraufhin mit Schreiben vom 28.
Dezember 1991 bei den Erwerbern A.. In dem Schreiben heißt es u.a.
wörtlich:
"Namens und im Auftrage meines
Mandanten erkläre ich, daß mein Mandant die Annahme der Erfüllung
des Kaufvertrages vom 15. Juni 1990, geschlossen vor Notar Dr. Hans
C. zu UR Nr.: x für 1990 ablehnt.
Binnen einer Frist bis zum 10. Januar
1992 haben sie daher die in obiger Urkunde bezeichneten Gegenstände
an meinen Mandanten herauszugeben, d.h., ihm den Besitz zu
überlassen und sich sämtlicher Verfügungen über die Gegenstände zu
enthalten."
In einem weiterem Schreiben vom 17.
Januar 1992 setzte die Beklagte namens des Veräußerers den
Erwerbern bei Vermeidung einer Strafanzeige eine Frist bis zum 23.
Januar 1992 für die Bereitstellung der Inventargegenstände zur
Abholung. Vor Ablauf der Frist kündigte sie den Erwerbern im
Schreiben vom 21. Januar 1992 an, daß nunmehr wegen des Kaufpreises
die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde betrieben
werde. Diesem Schreiben widersprach der zwischenzeitlich von den
Erwerbern beauftragte Rechtsanwalt Dr. W. im Schreiben vom
22.1.1992 u.a. mit dem Einwand, die Erfüllung des Kaufvertrages sei
von der Verkäuferseite zuvor endgültig abgelehnt worden.
Gleichwohl beantragte die Beklagte mit
Schreiben vom 17. Februar 1992 bei dem Notar für den Kläger und
Herrn St. die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung der
Urkunde; der Notar erteilte diese Ausfertigung dem Kläger am 19.
Februar 1992. Die Beklagte ließ den Erwerbern unter dem 14. März
1992 die notarielle Urkunde zustellen und beantragte ein
vorläufiges Zahlungsverbot. Die Erwerber erhoben daraufhin unter
dem Aktenzeichen 23 O 230/92 LG Köln gegen den Kläger, der die
Beklagte zu seiner Prozeßbevollmächtigten bestellte,
Vollstreckungsabwehrklage. Diese wurde neben der behaupteten
Sittenwidrigkeit des Veräußerungsvertrags vom 15.6.1990 von Anfang
an auch darauf gestützt, daß der Vertrag in Folge des wirksamen
Rücktritts nicht mehr durchgeführt werden könne. Die
Vollstreckungsabwehrklage hatte in zwei Instanzen keinen Erfolg,
wobei ein wirksamer Rücktritt vom Kaufvertrag vom Landgericht und
vom Oberlandesgericht mit unterschiedlicher Begründung verneint
worden ist. Auf die Revision des Klägers hin hat der VIII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs durch Urteil vom 19. Oktober 1994
die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Zwangsvollstreckung
aus der notariellen Urkunde vom 15. Juni 1990 für unzulässig
erklärt. Dabei hat das Gericht die Frage der Sittenwidrigkeit des
Vertrages offen gelassen, da jedenfalls die Schreiben der Beklagten
vom 28. Dezember 1991 und 17. Januar 1992 mit Rücksicht auf den
vereinbarten Eigentumsvorbehalt an den Inventargegenständen als
Rücktritt vom Kaufvertrag anzusehen seien.
Aus diesem Rechtsstreit und einem
zusätzlich von der Beklagten unter dem 16.7.1992 gegen die Erwerber
gestellten Konkursantrag sind dem Kläger Gerichts- und
Anwaltskosten entstanden, die er auf 55.734,13 DM beziffert. Diese
sowie weitere eventuell entstehende finanzielle Belastungen sind
Gegenstand der am 30. März 1995 eingereichten vorliegenden Klage
gegen die Beklagte, die mit Schreiben vom 31. März 1995 bis zum 31.
Oktober 1995 auf die Erhebung der Verjährungseinrede hinsichtlich
bis dahin noch nicht verjährter Forderungen verzichtet hat.
Zusätzlich verlangt der Kläger von der Beklagten die Herausgabe der
Handakten zu der Angelegenheit Pugge ./. Ahmadzadeh.
Er hat der Beklagten vorgeworfen, ihre
Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt zu haben, indem sie in
widersprüchlicher Weise zunächst den Rücktritt vom Kaufvertrag vom
15. Juni 1990 erklärt, anschließend daraus aber die
Zwangsvollstreckung betrieben habe. Außerdem habe sie dessen
Wirksamkeit nach dem Abzahlungsgesetz nicht geprüft. Dadurch habe
sie die Erhebung der Vollstreckungsgegenklage durch den Erwerber
Ka. A. und die daraus entstandenen Prozeßkosten schuldhaft
verursacht. Ferner habe sie ihn, den Kläger, während der gesamten
ersten Instanz nicht hinreichend über den Prozeßverlauf informiert,
was zur Folge gehabt habe, daß 37.500,00 DM unstreitig als gezahlt
angesehen worden seien, obwohl die Erwerber lediglich 25.000,00 DM
gezahlt hätten.
Der Kläger hat beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, ihre
gesamten Handakten der Auseinandersetzung Pugge ./. A.
einschließlich der Vollstreckungsakte und des Konkursverfahrens
herauszugeben;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn
55.734,13 DM nebst 4% Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen;
3.
festzustellen, daß die Beklagte
verpflichtet ist, ihm über den im Klageantrag zu 2) hinaus geltend
gemachten Betrag den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der
fehlerhaften Sachbearbeitung der Rechtssachen Pugge ./. A. durch
die Beklagte entstanden ist und noch entsteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat eingewendet, sie sei vor dem
Hintergrund der beabsichtigten Neuvermietung der Gaststättenräume
zu dem von ihr eingeschlagenen Vorgehen ausdrücklich angewiesen
worden. Im Schreiben vom 28. Dezember 1991 habe sie im übrigen
nicht den Rücktritt von dem Kaufvertrag erklärt, sondern lediglich
eine Ablehnung der Leistung im Sinne des § 286 Abs. 2 BGB.
Schließlich hat sich die Beklagte auf die Einrede der Verjährung
berufen.
Das Landgericht hat der Klage in vollem
Umfang stattgegeben. Es hat die Ansicht vertreten, die Beklagte
dürfe die Herausgabe der Handakten nicht von einer Kostenerstattung
abhängig machen. Hinsichtlich des Zahlungs- und
Feststellungsantrags hat das Gericht ausgeführt, die Beklagte hafte
diesbezüglich aufgrund einer positiven Vertragsverletzung des
Anwaltsvertrags, wobei das pflichtwidrige Verhalten in dem
anwaltlichen Schreiben vom 28.12.1991 zu sehen sei. Dieses sei
nicht eindeutig formuliert worden, so daß es als
Rücktrittserklärung hätte ausgelegt werden können. Die Einrede der
Verjährung greife nicht ein, da zumindest der sogenannte sekundäre
Schadensersatzanspruch mit einer weiteren Verjährungsfrist bis zum
28.12.1997 bestehe.
Gegen dieses am 21. März 1996
zugestellte Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten
verwiesen wird, hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung
eingelegt und diese auch fristgerecht begründet.
Sie wendet gegenüber dem
Herausgabeanspruch ein, der Kläger habe über seinen
Bevollmächtigten G. sämtliche prozessualen Unterlagen erhalten. Was
den Zahlungs- und Feststellungsanspruch betrifft, rügt die
Beklagte, daß in dem angefochtenen Urteil ein Pflichtenverstoß
nicht eindeutig festgestellt worden sei. Sie wiederholt ihr
erstinstanzliches Vorbringen, daß ihr anwaltliches Schreiben vom
28.12.1991 eine Rücktrittserklärung nicht beinhalte. Jedenfalls sei
ihr ein schuldhaftes Verhalten nicht vorzuwerfen, da die
Vorgehensweise mit dem Mandanten abgestimmt worden sei. Die
Beklagte wiederholt im übrigen die Einrede der Verjährung, da auch
die vom Landgericht angenommene Sekundärhaftung vorliegend nicht
eingreife. Die jetzigen Prozeßbevollmächtigten des Klägers seien
nämlich mit der Prüfung der Haftungsfrage seit dem Jahreswechsel
1994/1995 beauftragt gewesen. Damit habe sich eine Aufklärung des
Auftraggebers über die Regreßforderung durch die Beklagte erübrigt.
Gegenüber dem Feststellungsantrag wendet die Beklagte schließlich
ein, ein schutzwürdiges rechtliches Interesse sei nach dem
mittlerweile 2 Jahre zurückliegenden rechtskräftigen Abschluß des
Streitverfahrens 23 O 230/92 LG Köln nicht mehr zu bejahen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen
Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger, der um Zurückweisung des
Rechtsmittels bittet, tritt den Ausführungen der Beklagten im
Einzelnen entgegen und verteidigt das landgerichtliche Urteil. In
der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er - mit Zustimmung
der Beklagten - den Zahlungsantrag in Höhe eines Teilbetrags von
2.016,00 DM nebst Zinsen zurückgenommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des
Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den Inhalt
der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Akte des Verfahrens über die
Vollstreckungsabwehrklage 23 O 230/92 LG Köln war Gegenstand der
mündlichen Verhandlung.
Gründe
Die Berufung der Beklagten ist
zulässig, jedoch - nach der teilweisen Klagerücknahme - nicht
begründet. Das Landgericht hat den Anträgen des Klägers in dem
jetzt noch verfolgten Umfang zu Recht stattgegeben.
I.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf
Herausgabe der Handakten der Beklagten zu, die diese im Rahmen
ihrer gerichtlichen und außergerichtlichen Tätigkeit für den Kläger
im Zusammenhang mit der Wahrnehmung seiner Rechte aus dem
notariellen Vertrag mit den Brüdern A. angelegt hat.
1. Das Herausgabeverlangen des Klägers
ist hinreichend bestimmt. Der Kläger hat in seinem Antrag
umschrieben, auf welche rechtliche Angelegenheit sich die
herausverlangten Handakten der Beklagten beziehen. Da davon
auszugehen ist, daß die Beklagte ihrer Berufspflicht zur Führung
von Handakten nachgekommen ist, besteht für sie folglich keine
Ungewißheit darüber, auf welche Schriftstücke sich das Verlangen
des Klägers bezieht, und es ist zu erwarten, daß im Rahmen einer
etwa erforderlich werdenden Zwangsvollstreckung aus dem
Herausgabetitel nicht erst in der Kanzlei der Beklagten noch
Schriftstücke aus unterschiedlichen Behältnissen mühsam
zusammengesucht und zugeordnet werden müssen, sondern daß eine
geordnete Sammlung von Schriftstücken vorhanden ist, die unschwer
als einschlägige Handakte qualifiziert werden kann.
2. Der Herausgabeanspruch des Klägers
folgt aus § 667 BGB nach Maßgabe des § 50 BRAO, wobei dahinstehen
kann, ob die durch das Gesetz vom 2.9.1994 geschaffene neue Fassung
der BRAO oder die alte Fassung anzuwenden ist, da eine Ànderung der
materiellen Rechtslage in den hier maßgebenden Punkten nicht
erfolgt ist. Der Anwaltsvertrag ist entgeltlicher
Geschäftsbesorgungsvertrag; die Handakten des Rechtsanwalts gehören
zu den nach § 667 BGB herauszugebenden Unterlagen (BGHZ 109, 260,
263 = NJW 1990, 510). Da das Mandat der Beklagten in dieser
Angelegenheit unzweifelhaft beendet ist, schuldet sie grundsätzlich
die Herausgabe der Handakten.
Vorsorglich wird zur Klarstellung
darauf hingewiesen, daß gem. § 50 Abs. 3 S. 2 Alt. 1 BRAO a.F. bzw.
§ 50 Abs. 4 BRAO n.F. zu den Handakten allerdings nicht die
Schreiben gehören, die der Rechtsanwalt an seinen Mandanten selbst
gerichtet hat. Eine dahingehende Einschränkung des Tenors erscheint
dem Senat aber nicht erforderlich, da sie sich zum einen aus dem
Gesetz ergibt und derartige Schreiben im Rahmen einer etwaigen
Zwangsvollstreckung ohne weiteres ausgesondert werden könnten, zum
anderen aber die Beklagte selbst nicht vorträgt, daß ihre Akte
derartige Schreiben enthält; nach ihrem Vorbringen ist der Kontakt
zum Kläger nicht schriftlich begründet und aufrecht erhalten
worden, sondern über Besprechungen, insbesondere unter Einschaltung
von Herrn G..
Nach § 50 Abs. 3 S. 2 Alt. 2 BRAO a.F.
bzw. § 50 Abs. 4 BRAO n.F. gehören zu den (herausgabepflichtigen)
Handakten des Rechtsanwalts auch nicht die Schriftstücke, die
dieser bereits in Urschrift oder Abschrift erhalten hat. Dafür, in
welchem Umfang der Mandant die bei Bearbeitung seiner
Rechtsangelegenheit angefallenen Schriftstücke bereits erhalten
hat, ist der Rechtsanwalt darlegungs- und beweisbelastet, da es
darum geht, inwieweit der Herausgabeanspruch bereits durch
Erfüllung erloschen ist (vgl. BGHZ 109, 260, 265 = NJW 1990, 510,
511). Dem Mandanten kann diesbezüglich auch deshalb nicht die
Darlegungs- und Beweislast auferlegt werden, weil ihm damit
unmögliches abverlangt würde, da er aus eigener Kenntnis nicht weiß
und nicht wissen kann, welche Schriftstücke der Rechtsanwalt für
ihn gefertigt oder erhalten hat. Die Beklagte hat ihrer
Darlegungslast nicht genügt. Sie hat sich lediglich darauf berufen,
der Kläger habe über seinen damaligen Beauftragten, Herrn G., "alle
zu beanspruchenden Schriftstücke" zugeleitet bekommen. Jegliche
Konkretisierung dahin, um welche Schriftstücke es sich dabei
gehandelt haben soll und wann diese übergeben worden sein sollen,
lassen die Schriftsätze der Beklagten jedoch vermissen. Auch die
Erörterung dieses Komplexes in der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat hat nicht zu einer Ergänzung des Sachvortrags geführt. Eine
Beweiserhebung zu diesem Punkt kommt nicht in Betracht; die Frage,
ob der Kläger "alle Schriftstücke" erhalten hat, kann der Zeuge G.
offensichtlich nicht beantworten; ein konkreter Sachvortrag, der
eine gezielte und sachgerechte Befragung des Zeugen ermöglichen
würde, ist nach wie vor nicht erfolgt. Eine Einschränkung
dahingehend, daß bestimmte Schriftstücke von der Herausgabepflicht
ausgenommen sind, kann deshalb nicht ausgesprochen werden. Eine
völlige Abweisung der Herausgabeklage käme aufgrund des Einwandes
der Beklagten ohnehin nicht in Betracht, denn in der Handakte
befindet sich, wie die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 9. Januar
1996 (GA 38) einräumt, "eine Fülle von Unterlagen", die der Kläger
ihr zur Verfügung gestellt hat; daß diese zurückzugeben sind, kann
unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zweifelhaft sein.
3. Ein Zurückbehaltungsrecht der
Beklagten gem. § 50 Abs. 1 S. 1 BRAO a.F. bzw. § 50 Abs. 3 BRAO
n.F. besteht nicht. Nach den genannten Bestimmungen ist ein
Zurückbehaltungsrecht des Rechtsanwalts nur so lange gegeben, bis
er wegen seiner Gebühren und Auslagen befriedigt ist. Wie zwischen
den Parteien unstreitig ist, hat der Kläger die von der Beklagten
im Rahmen ihrer Tätigkeit verdienten Gebühren bzw. die ihr
zustehenden Auslagenerstattungsbeträge aber an diese gezahlt, so
daß für eine Zurückbehaltung der Handakten nach den genannten
Vorschriften von vornherein kein Raum ist. Die Beklagte ist
augenscheinlich der Auffassung, der Kläger müsse ihr darüberhinaus
auch die Auslagen ersetzen, die ihr entstehen, wenn sie vor der
Herausgabe der Handakten an ihn Fotokopien hiervon fertigt. Ein
diesbezüglicher Ersatzanspruch besteht jedoch nicht. Wenn die
Beklagte die Handakten an den Kläger herausgibt, ist sie naturgemäß
von einer weiteren Aufbewahrung befreit, auch wenn die
Aufbewahrungsfrist gem. § 50 Abs. 2 S. 1 BRAO a.F. = n.F. noch
nicht abgelaufen ist. Die vorherige Fertigung von Kopien erfolgt
somit ausschließlich für den eigenen Gebrauch der Beklagten; dies
hat sie auch dadurch verdeutlicht, daß sie geltend gemacht hat, sie
benötige eine Kopie der Handakte, um sich im vorliegenden
Rechtsstreit zu verteidigen. Die Kosten ihrer Rechtsverteidigung
hat der Kläger der Beklagten aber allenfalls dann zu erstatten,
wenn sie obsiegt; ein derartiger Erstattungsanspruch - der
vorliegend nicht besteht - hat zudem nichts mit den Ansprüchen zu
tun, die durch das Zurückbehaltungsrecht gem. § 50 Abs. 2 BRAO
geschützt werden.
Selbst wenn aber der Beklagten ein
Erstattungsanspruch wegen der Schreibauslagen gegen den Kläger gem.
§ 27 BRAGO zustehen würde, wäre sie zur Zurückhaltung der Handakten
nicht berechtigt, da dies nach den Umständen unangemessen wäre.
Eine Unangemessenheit der Vorenthaltung der Handakten ist
insbesondere dann zu bejahen, wenn die von dem Mandanten
geschuldeten Beträge verhältnismäßig geringfügig sind, er aber an
der Aushändigung er Handakten ein gewichtiges Interesse hat. Eine
derartige Situation ist hier gegeben, da der Kläger alsbald
Gelegenheit haben muß, zwecks Wahrnehmung seiner Rechte gegenüber
der Beklagten und den Erwerbern des Gaststätteninventars die
Handakten auswerten zu können, die Schreibauslagen gem. § 27 Abs. 2
BRAGO i.V.m. Nr. 9000 KV GKG aber von untergeordneter Bedeutung
sind, da sie für die ersten 50 Kopien 1 DM/Stück und für weitere
Kopien 0,30 DM/Stück betragen, also allenfalls wenige hundert DM
ausmachen.
II.
Der mit dem Klageantrag zu 2) verfolgte
Zahlungsanspruch ist in Höhe von 53.718,13 DM begründet. Dem Kläger
steht insoweit ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen
Schlechterfüllung des Anwaltsvertrags zu.
1.
Die Beklagte hat bei der Wahrnehmung
der rechtlichen Interessen des Klägers ihr obliegende
Sorgfaltspflichten verletzt.
a) Soweit das Landgericht ausführt, das
pflichtwidrige Verhalten der Beklagten sei darin zu erblicken, daß
sie das Schreiben vom 28. Dezember 1991 nicht unmißverständlich
formuliert und deshalb die Möglichkeit bestanden habe, das
Schreiben als Rücktritt zu werten, kann dem allerdings nicht
gefolgt werden.
aa) Dieser Ansatzpunkt erscheint schon
deshalb zumindest zweifelhaft, weil fraglich ist, ob die Beklagte
mit diesem Schreiben überhaupt im Auftrag des Klägers handelte.
Dies deshalb, weil aus dem Vortrag des Klägers nicht hinreichend
deutlich wird, ob er zu dieser Zeit die Beklagte schon mit seiner
Interessenwahrnehmung gegenüber den Erwerbern des Inventars
beauftragt hatte. Zwar heißt es in der Klageschrift (GA 2), der
Kläger habe die Beklagte "im Dezember 1991 mit der Wahrnehmung
seiner Interessen gegen die Käufer beauftragt". In seinem weiteren
Schriftsatz vom 14. Dezember 1995 (GA 26) hat der Kläger jedoch
ausgeführt, "zunächst" habe der Verkäufer St. die Beklagte
beauftragt, und schließlich im Schriftsatz vom 22. Januar 1996 (GA
44), die Beklagte sei sowohl für ihn als auch für Herrn St. tätig
geworden. Ausweislich ihres Schreibens vom 28. Dezember 1991 gab
die Beklagte die dort enthaltenen Erklärungen im Namen des Herrn
St. ab. In ihrem Schriftsatz vom 18. November 1996 macht die
Beklagte dann auch geltend, sie habe zunächst nur den Verkäufer St.
vertreten und die Beauftragung durch den Kläger sei erst erfolgt,
als die Aktivlegitimation des Herrn St. vom Bevollmächtigten der
Käufer mit seinen Schreiben vom 20. und 22. Januar 1992 bestritten
worden sei. Gegenteiliges ist nicht festzustellen, zumal es auch in
der von St. unterzeichneten Erklärung (AH 44) heißt, daß er die
Beklagte mit der Wahrnehmung und Geltendmachung seiner Rechte aus
dem Kaufvertrag, insbesondere wegen der Nichtzahlung des
Kaufpreises, beauftragt habe. Wenn die Beklagte mit dem Schreiben
vom 28. Dezember 1991 aber nur für den Verkäufer St. tätig geworden
sein sollte, dann würde auch die Abtretung von dessen
Schadensersatzansprüchen gegen die Beklagte an den Kläger nicht
weiterhelfen, da der hier geltend gemachte Schaden nicht bei St.
eingetreten ist.
bb) Der Vorwurf der mißverständlichen
Formulierung des Schreibens vom 28. Dezember 1991 wäre aber
insbesondere nur dann gerechtfertigt, wenn die "richtige"
Bearbeitung des der Beklagten erteilten Auftrags nur darin bestehen
konnte, einen Rücktritt nicht zu erklären. Davon kann aber nicht
ausgegangen werden. Denn im Hinblick darauf, daß die
Interessentengruppe um Herrn G. dem Kläger bereits 80.000 DM
gezahlt hatte und bei Óberlassung der Gaststätte an sie weitere
80.000 DM zahlen wollte, konnte es durchaus den wirtschaftlichen
Interessen des Klägers entsprechen, die bisherigen
Gaststättenpächter zum Verlassen der Räumlichkeiten zu bewegen. Der
Rücktritt vom Kaufvertrag über das Inventar und dessen Rücknahme
aufgrund des vereinbarten Eigentumsvorbehalts wäre aber durchaus
ein geeigneter Schritt in diese Richtung gewesen, da ein
Weiterbetreiben der Gaststätte ohne das Inventar zumindest
erheblich erschwert, wenn nicht gar unmöglich gewesen wäre.
Bezeichnenderweise sind diese Maßnahmen in der von dem Verkäufer
St. unterzeichneten Erklärung auch ausdrücklich erwähnt und der
Kläger hat sowohl im vorliegenden Rechtsstreit eingeräumt, daß er
daran interessiert war, daß die Mieter das Lokal räumen (GA 27),
als auch im Rechtsstreit 25 O 247/95 LG Köln mit Schriftsatz vom
22. September 1995 vorgetragen, er habe ein Interesse daran gehabt,
"das Vertragsverhältnis zu beenden und einen solventen Mieter in
das Objekt zu setzen" (AH 39).
b) Es ist aber der vom Kläger erhobene
Vorwurf (vgl. Schriftsätze vom 14. Dezember 1995, GA 27, und 22.
Januar 1996, GA 43) gerechtfertigt, daß die Beklagte sich in der
Folgezeit widersprüchlich verhalten und hierdurch ihre Pflichten
gegenüber dem Kläger verletzt hat. Wie zwischen den Parteien
unstreitig ist, hat die Beklagte (auch) namens und im Auftrag des
Klägers eine vollstreckbare Ausfertigung der Kaufvertragsurkunde
bei Notar Dr. C. beantragt und nach deren Erteilung im Namen des
Klägers die Zwangsvollstreckung gegen die Käufer eingeleitet.
Hiermit hat sie sich in Widerspruch zu den zuvor ergriffenen
Schritten gesetzt. Durch die voraufgegangenen Schreiben vom 28.
Dezember 1991 und 17. Januar 1992 hatte sie nämlich bewirkt, daß
Erfüllungsansprüche aus dem Vertrag vom 15. Juni 1990 nicht mehr
geltend gemacht werden konnten, wozu die Zwangsvollstreckung,
durch die die zwangsweise Erfüllung herbeigeführt werden sollte, in
unüberbrückbarem Gegensatz stand.
aa) Wie der Bundesgerichtshof in seinem
Revisionsurteil über die Vollstreckungsgegenklage der Käufer des
Inventars ausgeführt hat, sind die Ausführungen der Beklagten in
den genannten Schreiben als Rücktritt zu werten. Dem folgt der
Senat. Denn die Beklagte hat in dem Schreiben vom 28. Dezember 1991
namens des Verkäufers St. ausdrücklich erklärt, daß die Annahme der
Erfüllung des Kaufvertrages abgelehnt werde und die im Besitz der
Erwerber befindlichen Inventargegenstände herauszugeben seien. Von
der Möglichkeit, gemäß § 325 BGB Schadensersatz zu verlangen, ist
dagegen keine Rede. Auch wenn das Wort Rücktritt nicht ausdrücklich
erwähnt worden ist, mußten die Pächter der Gaststätte insbesondere
vor dem Hintergrund des vereinbarten Eigentumsvorbehalts das
Schreiben so verstehen, daß der Kaufvertrag nicht weiter
durchgeführt, sondern rückgängig gemacht werden sollte. Daß sie es
so verstanden haben, folgt auch aus dem vorprozessualen Schriftsatz
ihres Bevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. W. vom 22. Januar 1992 (AH
15), worin auf die Widersprüchlichkeit des Vorgehens der Beklagten
ausdrücklich hingewiesen worden ist. Daß die Pächter der Gaststätte
in der Folgezeit sich nicht entsprechend der Aufforderung der
Beklagten verhalten haben, besagt in diesem Zusammenhang nichts, da
ein derartiges Verhalten eines Schuldners keineswegs ungewöhnlich
ist.
Die Beklagte kann sich auch nicht mit
Erfolg darauf berufen, der Bundesgerichtshof habe in dieser
Auslegungsfrage seine Rechtsprechung geändert. Richtig ist zwar,
daß wegen der Gestaltungswirkung des Rücktritts und des damit
verbundenen Erlöschens der Wahlmöglichkeiten aus § 325 BGB für den
Gläubiger die Rechtsprechung wegen dieser nachteiligen Folge im
Zweifel nicht von einer Rücktrittserklärung ausgeht (so Óberblick
bei Soergel-Wiedemann, BGB, 12. Aufl., § 325 RN 26 m.w.N.;
Palandt-Heinrichs, BGB, 55. Aufl., § 325, RN 8). Dabei
unterscheiden sich die von der Rechtsprechung in diesem
Zusammenhang entschiedenen Fälle von dem hier vorliegenden
Sachverhalt aber dadurch, daß in den betreffenden
Willenserklärungen der Gläubiger der Rücktritt entweder nur
angedroht wurde (so BGH NJW-RR 1989, 201, 202) oder aber das
Gestaltungsrecht kumulativ mit dem Schadensersatzbegehren geltend
gemacht worden ist, so daß nicht klar war, was gemeint war (so BGH
NJW-RR 1988, 1100; OLG Hamm NJW 1987, 2089). So lag der Fall hier
nicht, denn die Erklärung der Beklagten war im Sinne einer
Rückgängigmachung des Kaufvertrages eindeutig. Mit der Erklärung
des Rücktritts erlosch aber - was auch die Beklagte nicht in
Zweifel zieht - der Erfüllungsanspruch.
bb) Selbst wenn aber das Schreiben vom
28. Dezember 1991 nicht eindeutig als Rücktritt auszulegen wäre,
würde dies der Rechtsverteidigung der Beklagten nicht zum Erfolg
verhelfen. Sie müßte sich dann nämlich vorhalten lassen, daß sie
für ihren Mandanten eine Erklärung abgegeben hat, der es an der
erforderlichen Klarheit und Eindeutigkeit fehlte, was ohne weiteres
daraus erhellt, daß sie vom Bundesgerichtshof (und zuvor auch schon
vom anwaltlichen Vertreter der Käufer sowie vom mit der
Vollstreckungsgegenklage in erster Instanz befaßten Landgericht)
als Rücktrittserklärung gewertet worden ist, obwohl die Beklagte
nach ihrem Prozeßvortrag etwas anderes zum Ausdruck bringen wollte
(zur Pflicht des Anwalts zur präzisen Formulierung
rechtsgeschäftlicher Erklärungen vgl. nur BGH NJW 1996, 2649, 2650
= BB 1996, 2218).
cc) Schließlich wäre der Beklagten
selbst dann der Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens zu machen,
wenn das Schreiben vom 28. Dezember 1991 zweifelsfrei nicht als
Rücktritt zu werten, sondern so zu verstehen wäre, wie es nach dem
Prozeßvortrag der Beklagten gemeint gewesen sein soll. Die Beklagte
macht insoweit geltend, sie habe in dem Schreiben nur die Erfüllung
abgelehnt (gem. § 286 Abs 2 BGB) und Herausgabe des Inventars
aufgrund des Eigentumsvorbehalts verlangt; ob nachfolgend der
Rücktritt erklärt oder Schadensersatz verlangt werden sollte, sei
bewußt offen gelassen worden. Sie verkennt hierbei jedoch, daß
damit der Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens nicht ausgeräumt
wird. Denn in der notariellen Urkunde haben sich die Erwerber nur
"wegen des Kaufpreises nebst Zinsen" der sofortigen
Zwangsvollstreckung unterworfen (AH 3), nicht hinsichtlich
irgendwelcher Ansprüche auf Schadensersatz oder Rückabwicklung. Ein
Erfüllungsanspruch besteht aber nicht nur dann nicht mehr, wenn der
Verkäufer zurückgetreten ist, sondern bereits dann, wenn er sich
nach § 286 Abs. 2 BGB erklärt hat; der Verkäufer hat damit die
Erfüllung abgelehnt und zu erkennen gegeben, daß er Erfüllung nicht
mehr verlangen will (Palandt/Heinrichs a.a.O. § 286 RN 13;
Staudinger/Löwisch, BGB, 13. Aufl. 1995, § 286 RN 66; MK-Thode,
BGB, 3. Aufl., § 286 RN 14). Daß die Ablehnung der Erfüllung
insoweit dieselbe Wirkung hat wie der Rücktritt, läßt sich auch
unschwer der Vorschrift des § 286 Abs. 2 S. 2 BGB entnehmen, wo für
diese Erklärung die Bestimmungen über den Rücktritt als
entsprechend anwendbar erklärt werden. Dasselbe gilt, wenn der
Verkäufer die Erfüllung nach § 326 Abs. 2 BGB ablehnt und
Schadensersatz verlangt (Palandt/Heinrichs a.a.O. § 326 RN 22;
Staudinger-Otto a.a.O. § 326 RN 131; MK/Emmerich a.a.O. § 326 RN
66; Soergel-Wiedemann, a.a.O. § 326 RN 60, 69; Erman-Battes, BGB,
9. Aufl., § 326 RN 40). Auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt hat
der Senat bereits in der mündlichen Verhandlung hingewiesen;
ausweislich ihres Schriftsatzes vom 18. November 1996 beurteilt die
Beklagte die Rechtslage in diesem Punkt nunmehr auch in diesem
Sinn.
c) Die Beklagte kann sich schließlich
auch nicht unter Hinweis auf die Entscheidung BGH NJW 1990, 1785,
1787 darauf berufen, sie habe in Vollmacht des Verkäufers St.
gehandelt und der in dessen Namen erklärte Rücktritt (bzw. die
Ablehnung der Erfüllung) habe als Verfügung über das abgetretene
Recht gemäß §§ 398, 407 BGB dem Kläger nicht zugerechnet werden
dürfen. Der vom BGH seinerzeit entschiedene Sachverhalt ist mit dem
hier zu beurteilenden Fall nicht vergleichbar. Denn nach dem
eigenen Vortrag der Beklagten war der Kläger mit der von ihr
gewählten Vorgehensweise einverstanden. Das ergibt sich aus ihrem
Vorbringen in der Klageerwiderung (GA 20) und dem Schriftsatz vom
9. Januar 1996 (GA 38), wonach die schriftliche Erklärung des
Verkäufers St. betreffend ihre Beauftragung (Anlage B 2; AH 44) ihr
"über den Kläger zugeleitet wurde" bzw. ihr "bei der gemeinsamen
Besprechung mit dem Kläger" übergeben wurde und ihrem Vortrag, ein
Kontakt zu St. habe "nur seitens des Klägers bestanden, der für
Herrn St. voll umfänglich eingetreten war und so dessen Interessen
zu seinen gemacht hatte".
In der erwähnten schriftlichen Àußerung
des Verkäufers St. ist aber ausdrücklich davon die Rede, daß die
Beklagte "auf die Erfüllung des Vertrags verzichten" und "die
Erfüllung ablehnen" solle. Wußte der Kläger daher von der
beabsichtigten Vorgehensweise und erfolgte der Rücktritt bzw. die
Ablehnung der Erfüllung in seinem Einverständnis, so ist für die
Anwendung von §§ 398, 407 BGB kein Raum, denn der Verkäufer St. hat
dann nicht als Nichtberechtigter verfügt.
2.
Die Beklagte hat auch schuldhaft
gehandelt. Wie sich aus ihrem Prozeßvortrag ergibt, hat sie bei
Einleitung der Zwangsvollstreckung aus der Kaufvertragsurkunde
nicht bedacht, daß ihr Schreiben vom 28. Dezember 1991 als
Rücktrittserklärung verstanden werden konnte, obwohl dieses
Verständnis - wie bereits ausgeführt - keineswegs fern lag. Dies
reicht zur Bejahung eines Verschuldens völlig aus, zumal die
Beklagte durch das Schreiben des von den Käufern bevollmächtigten
Rechtsanwalts Dr. W. bereits auf die Problematik aufmerksam gemacht
worden war. Dasselbe gilt, wenn das Schreiben entsprechend den
Vorstellungen der Beklagten noch nicht als Rücktritt, sondern als
bloße Ablehnung der Erfüllung angesehen wird, denn wie sich aus dem
Vorbringen der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit ergibt, war
sie bis zuletzt der Auffassung, durch eine solche Erklärung würden
die Erfüllungsansprüche des Verkäufers nicht berührt. Daß diese
Annahme nicht zutrifft, wurde oben bereits dargestellt; da hierüber
in Rspr. und Schrifttum keinerlei Streit besteht, wie sich aus den
zahlreichen Zitaten unschwer ersehen läßt, hätte die Beklagte dies
bei sorgfältiger Bearbeitung des Mandats auch seinerzeit bereits
erkennen können.
Der Umstand, daß die schriftliche
Erklärung des Veräußerers St. betreffend die Beauftragung der
Beklagten insoweit widersprüchliche Anweisungen enthält, vermag die
Beklagte nicht zu entlasten. Zum einen ist nach dem Vortrag der
Beklagten dazu, wie sie in den Besitz dieser Erklärung gelangt ist
sowie nach Formulierung und Schriftbild der Erklärung bereits nicht
auszuschließen, daß diese von der Beklagten selbst entworfen worden
ist, um sich im Hinblick darauf abzusichern, daß sie den Verkäufer
St. nie persönlich gesprochen hat. Aber auch wenn diese Erklärung
nicht von der Beklagten verfaßt worden sein sollte, würde dies
nicht zu einer anderen Beurteilung führen, denn der Rechtsanwalt
darf als juristischer Fachmann nicht Anweisungen eines juristischen
Laien im Rahmen eines im übertragenen Mandats ungeprüft ausführen,
sondern es obliegt ihm, die Vorstellungen seines Auftraggebers
daraufhin zu überprüfen, ob sie mit der Rechtslage in Einklang
stehen und ggfls. von der Weiterverfolgung bestimmter Ziele
abzuraten oder Alternativvorschläge zu unterbreiten.
3.
Durch die Einleitung der Vollstreckung
aus der notariellen Urkunde ist die von den Pächtern erhobene
Vollstreckungsgegenklage veranlaßt worden, was die Ursache für die
Entstehung der Kosten ist, die dem Kläger durch die Prozeßführung
in drei Instanzen entstanden sind. Diese Kosten, hinsichtlich deren
Höhe nach der teilweisen Klagerücknahme keine Bedenken und zwischen
den Parteien kein Streit bestehen, hat die Beklagte dem Kläger zu
ersetzen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die im 2. und 3.
Rechtszug entstandenen Kosten auch auf eine fehlerhafte Beratung
oder Prozeßvertretung der jeweiligen Instanzanwälte zurückzuführen
sind. Derartige Fehler wären nur als Mitursache zu bewerten, die an
der Schadensursächlichkeit des Fehlverhaltens der Beklagten nichts
ändern würden.
Desweiteren hat die Beklagte dem Kläger
die Kosten zu ersetzen, die durch die Vollstreckungsmaßnahmen
einschließlich der Stellung des Konkursantrags entstanden sind, da
diese Maßnahmen wegen der erfolgreichen Vollstreckungsgegenklage
nicht zu einer ihm verbleibenden Einnahme führen konnten, für ihn
also wertlos waren. Auch insoweit besteht hinsichtlich der Höhe
kein Streit.
4.
Eine Kürzung des
Schadensersatzanspruchs des Klägers aus dem Gesichtspunkt des
Mitverschuldens der für ihn im zweiten und dritten Rechtszug der
Vollstreckungsgegenklage tätig gewesenen Rechtsanwälte (§§ 278,
254 BGB) kommt nicht in Betracht, ohne daß es auch insoweit darauf
ankommt, ob diesen Anwälten eine fehlerhafte Beratung vorzuwerfen
ist. Grundsätzlich werden Fehler eines zweiten Rechtsanwalts, der
von dem Mandanten zugezogen wird, nachdem der erste Berater seine
Pflichten in schadensstiftender Weise bereits verletzt hat, nicht
dem Mandanten schadensmindernd zugerechnet (BGH NJW 1993, 1779,
1781; 1993, 2797, 2799). Eine Zurechnung erfolgt nur dann, wenn der
zweite Rechtsanwalt gerade dazu eingeschaltet worden ist, um den
Fehler des ersten auszugleichen (BGH NJW 1994, 1211, 1212; 1994,
2822, 2824 = WM 1994, 2162, 2185). Dies ist im Verhältnis zwischen
den in verschiedenen Instanzen desselben Rechtsstreits tätig
werdenden Rechtsanwälten regelmäßig nicht der Fall. Für abweichende
Vereinbarungen zwischen dem Kläger und seinen damaligen
Prozeßbevollmächtigten ist nichts dargetan.
5.
Die von der Beklagten erhobene
Verjährungseinrede greift nicht durch. Gemäß § 51 BRAO a.F. = § 51
b BRAO n.F. verjährt der Anspruch des Auftraggebers auf
Schadensersatz aus dem zwischen ihm und dem Rechtsanwalt
bestehenden Vertragsverhältnis in drei Jahren von dem Zeitpunkt an,
in dem der Anspruch entstanden ist, spätestens jedoch in drei
Jahren nach der Beendigung des Auftrags. Die Verjährungsfrist für
den sog. Primäranspruch beginnt zu laufen, wenn sich die
Vermögenslage des Betroffenen infolge des schädigenden Ereignisses
objektiv verschlechtert hat, da dann der Schaden und mit ihm der
Ersatzanspruch entstanden ist. Solange nur das Risiko eines
Vermögensnachteils aus der Pflichtverletzung besteht, ist der
Schaden noch nicht entstanden (BGH NJW 1996, 661 = WM 1996, 540;
NJW 1996, 2929, 2930 = WM 1996, 1832).
Wie oben ausgeführt, liegt das der
Beklagten vorzuwerfende Fehlverhalten nicht in der Abfassung des
Schreibens vom 28. Dezember 1991, sondern in dem anschließenden
Betreiben der Zwangsvollstreckung und weiterhin in der
Prozeßaufnahme der Vollstreckungsgegenklage. Der Beginn der
Zwangsvollstreckung gegen die Käufer A. lag Mitte März 1992; in ihr
hat sich die pflichtwidrige Vorgehensweise der Beklagten zwar
hinreichend manifestiert. Durch diese Handlung ist dem Kläger aber
noch kein Schaden entstanden. Zu diesem Zeitpunkt war nämlich noch
nicht mit hinreichender Sicherheit abzusehen, wie die Käufer
reagieren würden. Es war nicht ausgeschlossen, daß sie im Wege der
Zwangsvollstreckung die fälligen Monatsraten zahlen würden um so zu
erreichen, daß der Kaufvertrag weiter abgewickelt und eine
Herausgabe des Inventars, die die Fortführung des
Gaststättenbetriebs ernsthaft gefährdet hätte, vermieden werden
konnte. Der vom Kläger im vorliegenden Rechtsstreit geltend
gemachte Schaden entstand frühestens und nur dann, wenn die Käufer
sich gegen die Zwangsvollstreckung durch Erhebung der Abwehrklage
gem. §§ 767, 797 Abs. 4 ZPO zur Wehr setzten; solange dies nicht
geschah, konnte der Kläger ungehindert weiter vollstrecken. Die bis
dahin nur gegebene Gefahr einer Vermögenseinbuße hat sich
frühestens mit der Einreichung der Vollstreckungsgegenklage am 29.
April 1992 in einen Schaden umgewandelt. Da die Beklagte am 31.
März 1995 für die Zeit bis zum 31. Oktober 1995 auf die Erhebung
der Verjährungseinrede verzichtet hat (AH 47/48), hat die
Zustellung der vorliegenden Klage am 7. September 1995 (GA 15 R)
die Verjährung rechtzeitig unterbrochen. Es bedarf deshalb keiner
weiteren Erörterung, ob der Verjährungsbeginn nicht noch später
anzusetzen ist, nämlich etwa auf den Tag, an dem die Käufer den
Gerichtskostenvorschuß für die Vollstreckungsgegenklage eingezahlt
haben, da ohne die Zahlung dieses Vorschusses eine Bearbeitung der
Klage durch das Landgericht nicht erfolgt wäre; diese Einzahlung
erfolgte erst am 20.7.1992 (Bl. I BA).
III.
Das Feststellungsbegehren des Klägers
ist zulässig und begründet.
Das Feststellungsinteresse des Klägers
ergibt sich schon daraus, daß er Vorsorge treffen muß, um zu
verhindern, daß bezüglich bislang noch nicht bezifferter Schäden
Verjährung eintritt. Daß dem Kläger noch weitere bislang nicht
bezifferte Schäden entstanden sind oder noch entstehen können,
erscheint aber keineswegs fernliegend.
Die Begründetheit des
Feststellungsbegehrens ergibt sich aus den Ausführungen unter
II.
IV.
Die prozessualen Nebenentscheidungen
beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Beschwer der Beklagten: mehr als 60.000
DM
Berufungsstreitwert: 66.234,13 DM (s.
Beschluß vom 2.7.1996 -19 U 82/96, GA 110).
Gleichzeitig wird die Wertfestsetzung
des Landgerichts vom 12.4.1995 (GA 9) abgeändert und der Streitwert
für die erste Instanz ebenfalls auf 66.234,13 DM festgesetzt, § 25
Abs. 2 S. 2 GKG.
OLG Köln:
Urteil v. 16.12.1996
Az: 12 U 141/96
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/dd40149b6c86/OLG-Koeln_Urteil_vom_16-Dezember-1996_Az_12-U-141-96