Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 12. Februar 2010
Aktenzeichen: 6 U 127/09

(OLG Köln: Urteil v. 12.02.2010, Az.: 6 U 127/09)

Tenor

A Auf die Berufung der Beklagten wird das am 1.7.2009 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O 158/08 - teilweise abgeändert und im Hauptausspruch insgesamt wie folgt neu gefasst:

I.) Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich der Klage insoweit in der Hauptsache erledigt ist, als der Kläger mit der Klage beantragt hat, die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Matratzen mit Testergebnissen zu bewerben, wenn sie von den angegebenen Tests nicht umfasst sind und dies so geschieht wie es auf der nachfolgenden Seite 3 dieses Urteils wiedergegeben ist.

II.) Auf die Widerklage wird

1.) festgestellt, dass die Beklagte durch die Angebote von Matratzen des Typs "f.a.n. Vital KS" auf der Webseite www.amazon.de am 8.9.2008 sowie auf den Webseiten www.preissuchmaschine.de und www.preisroboter.de am 25.9.2008 eine Vertragsstrafe aufgrund der Unterlassungserklärung vom 2.6.2008 nicht verwirkt hat;

2.) der Kläger verurteilt, an die Beklagte einen Betrag von 2.040,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 1.128,40 € seit dem 3.12.2008 und aus 911,80 € seit dem 27.1.2009 zu zahlen.

III.) Im übrigen werden die Klage und die Widerklage abgewiesen.

B Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Berufung des Klä-gers werden zurückgewiesen.

C Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger zu 68 % und die Beklagte zu 32 zu % zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 81 % und die Beklagte zu 19 % zu tragen.

D Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung des Zahlungsanspruches und die Parteien können die Vollstreckung des Kostenerstattungsanspruches durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

E Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

(Bild/Grafik nur in Originalentscheidung vorhanden)

B e g r ü n d u n g

Wegen des Sachverhaltes wird gem. § 540 Abs.1 S.1 Ziff.1 ZPO auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Die Beklagte begehrt auch in zweiter Instanz die Abweisung der Klage. Hinsichtlich des Widerklageantrages zu 1) verfolgt sie ihr Feststellungsbegehren weiter und verlangt hilfsweise die Verurteilung des Klägers nach dem im Schriftsatz vom 1.10.2009 formulierten Antrag (Blatt 320). Der Kläger begehrt die Abweisung der Widerklage, soweit diese auf Zahlung von 911,80 € nebst Zinsen gerichtet ist.

Der der Beklagten teilweise zuerkannte, auf Zahlung von 1.780,20 € nebst Zinsen gerichtete Widerklageantrag zu 2) ist im Berufungsverfahren nicht mehr im Streit.

Beide Rechtsmittel sind als selbständige Berufungen zulässig. Während die Berufung der Beklagten überwiegend Erfolg hat, ist die Berufung des Klägers unbegründet.

Berufung der Beklagten

1.) Soweit die Berufung der Beklagten die Feststellung des Landgerichts angreift, der Rechtsstreit sei hinsichtlich der Klage in der Hauptsache erledigt, ist sie zum Teil begründet. Es ist zwar Erledigung der Hauptsache eingetreten, diese betrifft aber den klageweise geltend gemachten Antrag nur in seiner auf die oben wiedergegebene konkrete Verletzungsform beschränkten Fassung. Der darüber hinausgehende Antrag war von vornherein unbegründet, weswegen die Unterlassungserklärung vom 2.9.2008 insofern eine Erledigung der Hauptsache nicht bewirkt hat.

Der mit der Klage zunächst erhobene Vorwurf der Irreführung (§§ 3, 5 UWG) war begründet: Die Beklagte hatte mit der auf Seite 3 dieses Urteils wiedergegebenen Darstellung im Internet für eine Matratze "Medisan Vital KS" von f.a.n. dadurch irreführend geworben, dass sie für beide angebotenen Härtegrade auf eine Bewertung der Stiftung Warentest Bezug nahm, obwohl das Institut - was die Beklagte selbst nicht in Abrede stellt - lediglich Matratzen des Härtegrades "H2-Medium" getestet hatte. Gleichwohl hätte der Antrag in der geltend gemachten Fassung keinen Erfolg haben können. Der Kläger hat beantragt, der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, "…Matratzen mit Testergebnissen zu bewerben, wenn sie von den angegebenen Tests nicht umfasst sind". Diese Formulierung ging weit über die konkrete Verletzungsform hinaus und umfasste auch Fallgestaltungen, hinsichtlich derer eine Begehungsgefahr gar nicht drohte, nämlich solche, in denen Matratzen einem Test nicht nur nicht in einem bestimmten beworbenen Härtegrad, sondern überhaupt nicht unterzogen gewesen waren. Dementsprechend hatte auch bereits das Landgericht in dem vorangegangenen Verfügungsverfahren 33 O 106/08 LG Köln dem - gleichlautenden - Verfügungsantrag nicht uneingeschränkt, sondern lediglich in der konkreten Verletzungsform stattgegeben. Der ursprüngliche Antrag des Klägers war aber dahin auszulegen (vgl. für vergleichbare Fälle BGH GRUR 2004, 605, 607 - "Dauertiefpreise"; GRUR 2008, 702 - "Internetversteigerung III"), dass der Kläger als minus auch ein Verbot der irreführenden Werbung in der konkreten Verletzungsform, also unter Bezugnahme auf den auf Seite 3 dieses Urteils wiedergegebenen Internetauftritt, begehrt hat. In dieser eingeschränkten Fassung war der Antrag aus §§ 3, 5, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG im Zeitpunkt der Klageerhebung begründet.

Die durch die Bewerbung der Matratze im Internet entstandene Wiederholungsgefahr war durch die vorprozessuale Unterlassungserklärung der Beklagten vom 02.06.2008 nicht beseitigt worden. Darin hat die Beklagte sich strafbewehrt verpflichtet, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

"die Matratze ‚Vital KS‘ der Marke ‚f.a.n.‘ im Härtegrad 3 mit dem in der Zeitschrift ‚Test‘ der Stiftung Warentest, Heft 10/2007, veröffentlichten Testergebnis zu bewerben, ohne darauf hinzuweisen, dass die Matratze im Härtegrad 2 getestet worden ist, wenn dies geschieht wie in der von Ihnen mit Schreiben vom 25.03.2008 dargelegten Art und Weise".

Diese Erklärung hat die bestehende Wiederholungsgefahr nicht ausgeräumt. Dazu wäre es erforderlich gewesen, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger uneingeschränkt, bedingungslos und unwiderruflich erklärt hätte, weitere Verletzungshandlungen zu unterlassen (BGH GRUR 08, 815 - "Buchführungsbüro"; Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 12 Rz. 1.101) und insbesondere deutlich zu machen, dass über die ausdrücklich angesprochene konkrete Verletzungsform hinaus sämtliche Verstöße zur Unterlassung erklärt sein sollten, die - lediglich - in den Kernbereich des Verbotes fielen. Letzteres kann sich auch konkludent aus den begleitenden Umständen ergeben. Das ist aber hier nicht der Fall:

Der Unterlassungserklärung vom 02.06.2008 war die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 02.04.2008 (33 O 106/08) vorausgegangen. In dieser Situation stand es der Beklagten zwar frei, anstelle einer Abschlusserklärung eine Unterlassungserklärung abzugeben. Das empfahl sich in der gegebenen Situation besonders, weil das - im späteren Urteil um die konkrete Verletzungsform ergänzte - Verbot des Verfügungsbeschlusses ("…Matratzen mit Testergebnissen zu bewerben, wenn sie von den angegebenen Tests nicht umfasst sind") aus den oben dargestellten Gründen zu weit ging. Die von der Beklagten stattdessen formulierte Unterlassungserklärung nahm aber nicht nur - was sie zu Recht tat - auf die konkrete Verletzungsform Bezug, sondern wiederholte auch in dem verbalisierten Vorspann die Details der angegriffen Internetwerbung. Angesichts dessen war offen, ob sich die Unterlassungserklärung unausgesprochen auch auf den Kernbereich der einstweiligen Verfügung erstrecken sollte. Nachdem die Beklagte auf die entsprechende Beanstandung des Klägers im Schreiben vom 12.6.2008 (Anlage K 10) innerhalb der ihr gesetzten angemessen Frist (20.06.2008) nicht reagiert hatte, konnte von einer konkludenten Einbeziehung kerngleicher Verstöße in die Unterwerfung nicht die Rede sein.

Der danach im oben dargelegten eingeschränkten Umfange im Zeitpunkt der Klageerhebung trotz der Unterlassungserklärung vom 2.6.2008 noch bestehende Unterlassungsanspruch ist durch die mit Schriftsatz der Beklagten vom 2.9.2008 erfolgte Erweiterung der Unterlassungserklärung auf kerngleiches Verhalten erloschen, weswegen die Kammer auf die zulässige Klageänderung insoweit zu Recht die Erledigung der Hauptsache festgestellt hat.

2.) Der mit dem Widerklageantrag zu 1) geltend gemachte, gem. § 256 ZPO zulässige Feststellungsantrag ist entgegen der Auffassung des Landgerichts begründet. Die Berufung der Beklagten hat insoweit Erfolg, eines Eingehens auf ihren Hilfsantrag bedarf es daher nicht.

Zu Recht begehrt die Beklagte die Feststellung, dass sie durch das Angebot der Matratze "Vital KS" im Härtegrad 3 am 08. und 25.09.2008 auf insgesamt drei Internetseiten die Vertragsstrafe aus der vorstehend zu 1) erörterten Unterlassungserklärung nicht verwirkt habe. Das Angebot verstieß zwar - was die Beklagte nicht in Abrede stellt - der Sache nach gegen die strafbewehrte Unterlassungserklärung, ein Vertragsstrafeanspruch ist gleichwohl nicht begründet, weil sowohl am 8., als auch am 25.9.2008 der Unterlassungsvertrag noch nicht bestand. Dieser ist vielmehr erst mit dem Zugang der Annahmeerklärung des Klägers vom 26.9.2008 bei der Beklagten am selben Tage zustande gekommen.

Ein Vertragsstrafeanspruch kann nicht auf eine (einseitige) strafbewehrte Unterlassungserklärung für sich genommen gestützt werden, vielmehr setzt ein Vertragsstrafeversprechen gem. § 339 BGB eine vertragliche Vereinbarung voraus (vgl. BGH NJW-RR 2006, 1477). Eine vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe ist auch nur verwirkt, wenn der gerügte Verstoß nach dem Zustandekommen des Unterlassungsvertrages erfolgt ist. "Verstöße", die zwischen der Abgabe der Unterlassungserklärung und deren erforderlicher Annahme erfolgt sind, lösen demgegenüber die Vertragsstrafe nicht aus (vgl. BGH GRUR 2006, 878 - "Vertragsstrafevereinbarung"). Ausgehend hiervon hat der Kläger zu Unrecht mit Schreiben vom 25.9.2008 wegen der gerügten drei Verstöße die Vertragsstrafe in Höhe von 6.000 € verlangt, weswegen der Feststellungsantrag begründet ist.

Die Beklagte hatte die mit der Abmahnung vom 19.03.2008 verlangte Abgabe einer Unterlassungserklärung mit Schreiben vom 25.3.2008 abgelehnt. Später hatte sie zwar unter dem 02.06.2008 eine Unterlassungserklärung abgegeben, diese war aber aus den unter 1) dargestellten Gründen unzureichend und ist von der Klägerin ihrerseits abgelehnt worden. Zu Recht hat die Kammer deswegen angenommen, ein Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrages könne nur in der Erklärung der Beklagten vom 02.09.2008 in Verbindung mit derjenigen vom 02.06.2008 liegen. Der weiteren Annahme der Kammer, dieses Angebot sei sogleich mit seinem Zugang von dem Kläger angenommen worden und ein Zugang der Annahmeerklärung bei der Beklagten sei hierfür gem. § 151 BGB nicht erforderlich, vermag sich der Senat indes auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vorbringens des Klägers in dessen ihm gem. §§ 283, 525 ZPO nachgelassenen Schriftsatz vom 22.1.2010 nicht anzuschließen. Die Bestimmung des § 151 BGB ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Auch wenn ihre Voraussetzungen vorlägen, wäre der Vertrag vor dem 26.09.2009 nur zustande gekommen, wenn der Kläger das in der Erklärung vom 2.9.2008 liegende Vertragsangebot zuvor in einer sich nach außen dokumentierenden Weise angenommen hätte. Die Bestimmung des § 151 BGB macht nämlich nicht die Annahmeerklärung selbst, sondern nur ihren Zugang bei dem Vertragspartner entbehrlich (vgl. BGH GRUR 2006, 878, Rz 16 - "Vertragsstrafevereinbarung"; Palandt-Ellenberger, BGB, 69. Aufl., § 151 Rz 1 u. 2). Dass der Kläger das Angebot durch eine bestimmte Äußerung oder doch konkludente Handlung angenommen hätte, ist indes - worauf der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich hingewiesen worden ist - weder vorgetragen noch ersichtlich.

Überdies liegen aber auch die Voraussetzungen des § 151 BGB nicht vor. Das ergibt sich gerade auch auf der Grundlage der von dem Kläger angeführten höchstrichterlichen Entscheidungen. Die Beklagte hat auf den Zugang der Annahmeerklärung nicht verzichtet und es kann auch nicht angenommen werden, dass der Zugang der Annahmeerklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten war.

Die Übermittlung einer Unterlassungserklärung enthält nur dann einen stillschweigenden Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung, wenn die Unterlassungserklärung nicht bzw. nicht in einem wesentlichen Punkt von dem abweicht, was der Gläubiger verlangt hat (vgl. BGH GRUR 2002, 824 f - "Teilunterwerfung"). Es kommt danach nicht - wie der Kläger anführt - auf die Übereinstimmung zwischen der Erklärung und dem Anspruch, sondern darauf an, ob die Erklärung mit dem Verlangen des Gläubigers übereinstimmt. Das war indes nicht der Fall: Der Kläger hatte mit der Abmahnung die weitreichende Unterlassungserklärung: "…Matratzen mit Testergebnissen zu bewerben, wenn sie von den angegebenen Tests nicht umfasst sind" verlangt. Dieses Begehren deckte die auf die konkrete Verletzungsform, wenn auch nunmehr einschließlich des Kernbereichs, bezogene Erklärung vom 2.9.2008 nicht ab.

In dieser Situation konnte die Beklagte erwarten, dass der Kläger, wenn er mit der nunmehr abgegebenen Erklärung einverstanden war, dies auch ihr gegenüber erklärte. Ohne den Zugang einer solchen Erklärung hatte die Beklagte nämlich keine Gewissheit darüber, ob der Kläger die Auseinandersetzung über die geeignete Formulierung einer Unterlassungserklärung nunmehr als beendet ansah. Entgegenstehende Verkehrssitten sind nicht erkennbar.

II.

Berufung des Klägers

Die Berufung des Klägers richtet sich gegen seine Verurteilung auf den Widerklageantrag zu 3) zur Zahlung von der Höhe nach unstreitigen Kosten von 911,80 € nebst Zinsen, die durch die Abmahnung der irreführenden Bewerbung einer Matratze "Malie Smaragd Medicott" und einer Matratze "Bio Fema" entstanden sind. Der Kläger erhebt - wie in erster Instanz - lediglich den Missbrauchseinwand, hat damit aber auch im Berufungsrechtszug keinen Erfolg.

Die Parteien stehen sich als unmittelbare Wettbewerber gegenüber und führen unter Einschluss der T GmbH eine Reihe von Auseinandersetzungen, in denen sie sich wechselseitig wettbewerbswidrige, insbesondere irreführende Werbung für Matratzen vorwerfen. Der Senat verweist hierzu auf das Verfahren 6 U 139/09, in dem der Kläger nach Erörterung auch der Missbrauchsfrage die Berufung zurückgenommen hat, und die demnächst zur Verhandlung anstehende Sache 6 U 187/09. In dieser Konstellation kann das Verhalten der Beklagten nicht mit der Begründung als missbräuchlich angesehen werden, es gehe ihr nicht um die Aufrechterhaltung des lauteren Wettbewerbs, sondern zumindest vorrangig darum, die Wettbewerber und insbesondere den Kläger zu schädigen. Die Bejahung des Missbrauchsvorwurfes würde nämlich zu der nicht haltbaren Situation führen, dass zwar der Kläger noch gegen die Beklagte, diese aber nicht mehr gegen den Kläger vorgehen könnte. Die Regelung des § 8 Abs. 4 UWG, wonach missbräuchliches Vorgehen unzulässig ist, hat nicht den Sinn, einseitig in einen bewerbsrechtlichen Streit unmittelbarer Konkurrenten einzugreifen und die von Gesetzes wegen gegebene Chancengleichheit in der Auseinandersetzung zu beseitigen. Der Senat sieht sich in seiner Auffassung durch den Umstand bestärkt, dass der Kläger den Missbrauchseinwand (im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 30.3.2009 unter Bezugnahme auf die Anlage K 21) im Einzelfall daraus herzuleiten versucht, dass die in Rede stehende Abmahnung durch die Beklagte erst erfolgt sei, nachdem sie vorher von ihm abgemahnt worden sei.

Ungeachtet dessen greifen die Missbraucheinwendungen auch aus anderen Gründen nicht. Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ist im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG missbräuchlich und damit unzulässig, wenn das beherrschende, das wettbewerbsrechtliche Interesse überwiegende Motiv des Gläubigers sachfremde Ziele sind (BGH GRUR 2000, 1089 - "Missbräuchliche Mehrfachverfolgung"; GRUR 2001, 82; 84 - "Neu in Bielefeld I und II"; GRUR 2006, 243 [Rn. 16] - MEGA SALE; vgl. auch Senat, GRUR-RR 2009, 183 f. - "Hauptsacheklage nach Widerspruch"; Harte/Henning/Bergmann, UWG, 2. Aufl., § 8 Rn. 313; Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 8 Rn. 4.10). Als typischen Beispielsfall, der andere sich aus den Gesamtumständen ergebende Missbrauchsfälle nicht ausschließt, nennt das Gesetz ein Vorgehen, bei dem es dem Gläubiger weniger um die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs, als um die Erlangung eines Kostenerstattungsanspruchs gegen den Schuldner geht. Dass die Beklagte vorrangig sachfremde Ziele verfolge, kann auch auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers nicht festgestellt werden.

Zu Recht hat das Landgericht aus der bloßen Anzahl der von der Beklagten ausgesprochenen Abmahnungen nicht ein Vorgehen aus sachfremden Motiven hergeleitet. Die Klägerin hat zu keiner der von ihr angeführten Abmahnungen behauptet, dass diese zu Unrecht erfolgt wäre. Ist deswegen von berechtigten Abmahnungen auszugehen, so kann aus deren - auch hoher - Anzahl nicht geschlossen werden, es gehe der Beklagten nicht vorrangig darum, ein wettbewerbswidriges Verhalten der abgemahnten Mitbewerber zu unterbinden. Die Beklagte ist als Wettbewerberin gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG berechtigt, gegen wettbewerbswidriges Verhalten anderer Anbieter am Markt vorzugehen. Von diesem Recht Gebrauch zu machen, wird nicht dadurch unzulässig, dass die Beklagte in größerer Anzahl Verstöße aufdeckt und Abmahnungen ausspricht. Es kommt aus diesem Grunde auch nicht darauf an, dass das Landgericht die weiteren von der Beklagten mit Schriftsatz vom 30.3.2009 angeführten Abmahnungen nicht ausdrücklich in die Bewertung einbezogen hat.

Auch die übrigen in jenem erstinstanzlichen Schriftsatz und im Berufungsverfahren herangezogenen Gesichtspunkte vermögen weder für sich genommen noch in ihrer Gesamtheit den Missbrauchseinwand zu rechtfertigen.

Das gilt zunächst für den Umstand, dass nach der Darstellung des Klägers neben der Beklagten auch das Unternehmen T GmbH, mit dem die Beklagte zusammenarbeitet, Abmahnungen ausspreche. Dieser Vorwurf hat nicht zum Gegenstand, derselbe Sachverhalt werde kumulativ von beiden Unternehmen beanstandet, sondern der Kläger rügt ausschließlich, von beiden Unternehmen gehe in Absprache entweder das eine oder das andere gegen den Verletzer vor. Die Beanstandung geht danach dahin, dass der Umfang der Abmahntätigkeit auf diese Weise verschleiert werde. Ist indes auch eine Vielzahl von Abmahnungen, solange diese berechtigt sind, nicht rechtsmissbräuchlich, dann bewirkt auch die Aufteilung des Vorgehens auf zwei Unternehmen die Missbräuchlichkeit nicht.

Auch die Verwendung von Textbausteinen kann den Missbrauchsvorwurf nicht rechtfertigen: Ist die Beklagte aus den dargelegten Gründen berechtigt, auch in großer Zahl gegen Wettbewerbsverstöße vorzugehen, so kann die Verwendung moderner EDV-Unterstützung und insbesondere von Textbausteinen den Missbrauchsvorwurf nicht rechtfertigen.

Dasselbe gilt für den Vorwurf, die Beklagte gelange an die Kenntnis von den abzumahnenden Verstößen durch ein "systematisches Durchkämmen von Anzeigen bzw. Internetauftritten". Auch wenn sich die Beklagte diese elektronische Hilfe zu Nutze macht, ist das berechtigte Abmahnen von so entdeckten Verletzungshandlungen nicht missbräuchlich.

Es rechtfertigt auch den Missbrauchsvorwurf nicht, dass die Beklagte im Zusammenhang mit Abmahnungen die Freistellung von Anwaltskosten verlangt hat. Im Rahmen der berechtigten Abmahnung schuldet der Abgemahnte gem. § 12 Abs. 1 UWG auch die Erstattung der Kosten. Er hat danach - bei Berechtigung der Abmahnung - den Abmahnenden gerade von den Anwaltskosten freizustellen, sofern nicht die Voraussetzungen sogar dafür vorliegen, dass er die Kosten sogleich an den Abmahnenden zu zahlen hat.

Der Senat hat nicht zu prüfen, ob von einem missbräuchlichen Vorgehen auszugehen sein könnte, wenn die Beklagte entsprechend der Behauptung des Klägers mit ihren Anwälten einen Gebührenverzicht vereinbart hätte. Denn von einem derartigen Gebührenverzicht kann nicht ausgegangen werden. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten behaupten, ihre - gesetzlichen - Gebühren zu erhalten und der Kläger selbst legt im Einzelnen detailliert Belege vor, wonach die Anwälte der Beklagten tatsächlich Gebühren in Rechnung gestellt und diese sie auch gezahlt hat. Damit steht seine Behauptung im Widerspruch, es sei ein Gebührenverzicht vereinbart worden. Der Umstand, dass die Fakturierung für ganze Gebührenzeiträume erfolgt ist und die Rechnungen nicht zeitnah gezahlt worden sind, können nicht als "Verschleierung der Nichtvergütung" interpretiert werden.

Es kann danach auch nicht von der Richtigkeit der weiteren Behauptung unter Ziffer 5 der Berufungsbegründung des Klägers ausgegangen werden, ihre Prozessbevollmächtigten stellten die Beklagte ganz oder teilweise vom Kostenrisiko frei. Es obliegt dem Kläger, diese Behauptung zu beweisen. Der bloße Vortrag, in bestimmten Verfahren hätten die Abgemahnten die Kosten nicht gezahlt und die Beklagte sei nicht in der Lage gewesen sei, Belege für Zahlungen an ihre Anwälte vorzulegen, genügt dem nicht.

Ohne Erfolg wiederholt der Kläger auch seinen erstinstanzlichen Vortrag, wonach weder die Beklagte noch die T GmbH in der Lage sein sollen, das mit den Abmahnungen verbundene Kostenrisiko zu tragen. Selbst wenn die Beklagte - wie der Kläger errechnet - im Jahre 2008 einen Gewinn von 340.000 € erzielt hat, trägt dies die Berechnung des Klägers nicht, weil er bei seiner Gegenüberstellung eine Uneinbringlichkeit sämtlicher Kosten unterstellt. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass die Abmahnkosten in relevanten Umfang erstattet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die der Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt. Die Anwendung dieser Rechtsfragen auf den vorliegenden Einzelfall hat nicht im Sinne des § 543 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO grundsätzliche Bedeutung. Ebenso ist aus diesem Grunde eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Abänderung des Senatsbeschlusses vom 5.10.2009 unter nachfolgender Aufteilung auf insgesamt 9.668,40 € festgesetzt:

Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung auf die Klage 2.756,60 € Berufung der Beklagten gegen die Abweisung des Widerklageantrags zu 1) 6.000,00 € Berufung des Klägers __911,80 € Gesamtstreitwert 9.668,40 €

Nach der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung des Klägers bezüglich des Klageantrags bildet die Summe der bis dahin entstandenen Kosten den Streitwert (vgl. BGH NJW 89, 2886). Diese beläuft sich nach der zutreffenden und unwidersprochen gebliebenen Berechnung der Beklagten im Schriftsatz vom 13.1.2010 nicht auf den von dem Senat geschätzten Betrag von 4.000 €, sondern auf 2.756,60 €.

Auf Anregung der Beklagten wird die Wertfestsetzung des Landgerichts gem. § 63 Abs. 3 S. 1 GKG aus den Gründen des Schriftsatzes vom 13.1.2010 modifiziert. Der Streitwert für die erste Instanz wird:

für die Zeit bis zum 31.10.2008 auf insgesamt 33.692,00 € für die Zeit ab dem 1.11.2008 auf insgesamt 11.446,60 €

festgesetzt.






OLG Köln:
Urteil v. 12.02.2010
Az: 6 U 127/09


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