Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Oktober 2009
Aktenzeichen: 7 W (pat) 303/06

(BPatG: Beschluss v. 14.10.2009, Az.: 7 W (pat) 303/06)

Tenor

Das Patent DE 102 27 372 wird widerrufen.

Gründe

I.

Gegen das Patent 102 27 372 mit der Bezeichnung Kolben mit einer Ausnehmung zur Aufnahme von einem Schmiermittel, dessen Erteilung am 1. September 2005 veröffentlicht worden ist, hat die Einsprechende am 30. November 2005 Einspruch erhoben. Sie macht u. a. geltend, dass der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig sei. Die Einsprechende verweist u. a. auf die Druckschrift JP7 -17937U (E5), zu der sie eine englischsprachige Übersetzung als E5« vorlegt.

Gegenstand der mündlichen Verhandlung war des weiteren die vom Senat aufgefundene und in das Einspruchsverfahren eingeführte Druckschrift JP 2001 -355 728 A (E14).

Die Einsprechende beantragt, das Patent 102 27 372 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin, die der Einsprechenden in allen Punkten widerspricht und einen neuen Patentanspruch 1 (Hauptantrag) sowie hilfsweise jeweils Patentansprüche 1 bis 3 nach Hilfsantrag 1 und Hilfsantrag 2 eingereicht hat, stellt den Antrag, das Patent 102 27 372 mit dem Patentanspruch 1 laut Anlage zum Schriftsatz vom 23. April 2009 (Bl. 51 GA) sowie mit den Patentansprüchen 2 bis 4, der Beschreibung und der Zeichnung laut erteiltem Partent beschränkt aufrechtzuerhalten.

Hilfsweise beantragt sie, 1.

Hilfsantrag 1 das Patent 102 27 372 mit den Patentansprüchen 1 bis 3 und der geänderten Beschreibung laut den als "Hilfsantrag 1" bezeichneten Anlagen zum Schriftsatz vom 5. Oktober 2009 (Bl. 65 und 67 bis 69 GA) sowie im Übrigen mit der Zeichnung laut erteiltem Patent beschränkt aufrechtzuerhalten.

2.

Hilfsantrag 2 das Patent 102 27 372 mit den Patentansprüchen 1 bis 3 und der geänderten Beschreibung laut den als "Hilfsantrag 2" bezeichneten Anlagen zum Schriftsatz vom 5. Oktober 2009 (Bl. 66 und 70 bis 72 GA) sowie im Übrigen mit der Zeichnung laut erteiltem Patent beschränkt aufrechtzuerhalten.

Die geltenden Patentansprüche 1 nach Hauptantrag sowie nach Hilfsantrag 1 und Hilfsantrag 2 lauten:

Hauptantrag 1. Kolben (1) für eine Brennkraftmaschine mit einem ein Ringfeld

(3)

aufweisenden Kolbenboden (2) sowie mit einer in Kolbennaben

(4)

angeordneten Bolzenbohrung (5), dadurch gekennzeichnet, dass unterhalb des Kolbenbodens (2) ausgehend von einer Unterkante des Ringfeldes (3) in Richtung der Bolzenbohrung (5) eine hohlkörperförmige Ausnehmung (10) mit einem in Richtung des Kolbenbodens (2) gerichteten Scheitelpunkt zur Aufnahme von einem Schmiermittel vorhanden ist, wobei zumindest ein kleiner Teil der Ausnehmung (10) bis in Richtung des Scheitels der Kolbennabe (4) hineinreicht.

1. Hilfsantrag 1. Kolben (1) für eine Brennkraftmaschine mit einem ein Ringfeld

(3)

aufweisenden Kolbenboden (2) sowie mit einer in Kolbennaben

(4)

angeordneten Bolzenbohrung (5), dadurch gekennzeichnet, dass unterhalb des Kolbenbodens (2) ausgehend von einer Unterkante des Ringfeldes (3) in Richtung der Bolzenbohrung (5) einehohlkörperförmige Ausnehmung (10) mit einem in Richtung des Kolbenbodens (2) gerichteten Scheitelpunkt zur Aufnahme von einem Schmiermittel vorhanden ist, wobei zumindest ein kleiner Teil der Ausnehmung (10) bis in Richtung des Scheitels der Kolbennabe (4) hineinreicht und zwischen einer Ringnut des Ringfeldes (3) und der Ausnehmung (10) zumindest eine für das Schmiermittel durchlässige Verbindung (16) vorhanden ist.

2. Hilfsantrag 1. Kolben (1) für eine Brennkraftmaschine mit einem ein Ringfeld

(3)

aufweisenden Kolbenboden (2) sowie mit einer in Kolbennaben

(4)

angeordneten Bolzenbohrung (5), dadurch gekennzeichnet, dass unterhalb des Kolbenbodens (2) ausgehend von einer Unterkante des Ringfeldes (3) in Richtung der Bolzenbohrung (5) eine hohlkörperförmige Ausnehmung (10) mit einem in Richtung des Kolbenbodens (2) gerichteten Scheitelpunkt zur Aufnahme von einem Schmiermittel vorhanden ist, wobei zumindest ein kleiner Teil der Ausnehmung (10) bis in Richtung des Scheitels der Kolbennabe (4) hineinreicht und zwischen einer Ringnut des Ringfeldes

(3)

und der Ausnehmung (10) zumindest eine für das Schmiermittel durchlässige Verbindung (16) vorhanden ist, wobei weiterhin der Kolben (1) innerhalb einer Zylinderwand (14) der Brennkraftmaschine gelagert ist und sich das an der Zylinderwand (14) sammelnde Schmiermittel über die Verbindung (16) in der Ausnehmung (10) sammelt und von dort längs einer Bolzenachse (8) über Anlageflächen (11) in Richtung des Kolbeninneren bewegt.

Gemäß Hauptantrag sind die erteilten Patentansprüche 2 bis 4, nach Hilfsantrag 1 und Hilfsantrag 2 sind jeweils die erteilten Patentansprüche 2 und 3 auf die weitere Ausgestaltung des Gegenstandes nach dem jeweils geltenden Patentanspruch 1 gerichtet. Zum Wortlaut dieser Ansprüche wird auf die Akte verwiesen.

Nach Abs. [0006] der Patentschrift liegt dem Streitpatentgegenstand die Aufgabe zugrunde, eine Verbesserung der Schmierung in der Bolzenbohrung und eine Erhöhung der Fress-Sicherheit bei einem Kolben zu erzielen.

II.

1.

Der Senat ist für die Entscheidung im vorliegenden Einspruchsverfahren auch nach der -mit Wirkung vom 1. Juli 2006 erfolgten -Aufhebung der Übergangsvorschriften des § 147 Abs. 3 PatG noch auf Grund des Grundsatzes der "perpetuatio fori" gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO analog i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG analog zuständig (vgl. BGH, GRUR 2009, 184, 185 -Ventilsteuerung; GRUR 2007, 862 f. -Informationsübermittlungsverfahren II).

2.

Der fristund formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Er ist auch begründet und führt zum Widerruf des Patents.

3.

Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt weder in der Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag noch nach dem Wortlaut der Patentansprüche 1 nach Hilfsantrag 1 oder Hilfsantrag 2 eine patentfähige Erfindung nach §§ 1 bis 5 PatG dar.

Der zuständige Fachmann ist ein Maschinenbau-Ingenieur mit langjähriger Erfahrung bei der Entwicklung von Kolben für Brennkraftmaschinen.

3.1 Zum Hauptantrag Der Gegenstand des zulässigen Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist nicht neu.

Aus der Druckschrift JP 7 -17 937 U (E5), Fig. 4, ist unter Heranziehung der in der Beschreibung genannten Fachbegriffe, nachfolgend gemäß der englischen Übersetzung der E5 gemäß E5« ein Kolben (piston body 1) für eine Brennkraftmaschine (claim 1: piston for internal combustion machines...) mit einem Ringfeld (periphery 1d) aufweisenden Kolbenboden (plane section 1a) sowie mit einer in Kolbennaben (pin boss section 2) angeordneten Bolzenbohrung (piston pin hole 3) bekannt.

Neben diesen unstreitig aus der E5 bekannten Kolbenmerkmalen gemäß des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag sind auch noch die im Kennzeichenteil dieses Anspruchs genannten Merkmale aus dieser Druckschrift bekannt. So ist auch beim Kolben (1) der E5 unterhalb des Kolbenbodens (1a) ausgehend von einer Unterkante des Ringfeldes (1d) in Richtung der Bolzenbohrung (3) eine hohlkörperförmige Ausnehmung (cavity 5 mit crevice 15) mit einem in Richtung des Kolbenbodens (1a) gerichteten Scheitelpunkt zur Aufnahme von einem Schmiermittel vorhanden, wobei zumindest ein kleiner Teil der Ausnehmung (dort: free passage way 16a der crevice 15) bis in Richtung des Scheitels der Kolbennabe (2) hineinreicht (vergl. Fig. 4 und 5 sowie Abs. [0028] der E5«). Diese bekannte Ausbildung eines Kolbens dient nach Abs. [0028] der E5« wie beim Streitpatentgegenstand der Schmierung in der Bolzenbohrung und erzielt folglich eine Erhöhung der Fress-Sicherheit bei einem Kolben.

Da dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag die Neuheit fehlt, führt dieser Antrag nicht zum Erfolg.

3.2 Zum Hilfsantrag 1 Der Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 1 ist gegenüber dem des Hauptantrages in zulässiger Weise darauf beschränkt, dasszwischen einer Ringnut des Ringfeldes und der Ausnehmungzumindest eine für das Schmiermittel durchlässige Verbindung vorhanden ist.

Die Offenbarung dieses Zusatzmerkmales ergibt sich aus dem erteilten Patentanspruch 4.

Der in der E5 bzw. im Abs. [0002] der E5« gewürdigte und durch die Fig. 6 dargestellte Stand der Technik zeigt eine zwischen einer Ringnut (oil ring slot 24) des Ringfeldes und der in den Kolbennaben (pin boss section 22) angeordneten Bolzenbohrung (piston pin hole 23) eine für das Schmiermittel durchlässige Verbindung (oil path 25). Im Unterschied zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag führt die Verbindung 25 beim Kolben der E5 jedoch nicht in eine Ausnehmung, die unterhalb des Kolbenbodens ausgehend von einer Unterkante des Ringfeldes in Richtung der Bolzenbohrung angeordnet ist, sondern stellt eine direkte Verbindung zwischen der Ringnut und dem Scheitel der Kolbennabe bzw. der Bolzenbohrung her. Damit gelangt nach den Angaben in Abs. [0002] der E5« das sich an der Zylinderwand sammelnde Schmiermittel nach dem Abstreifen durch den in die Kolbennut 24 eingesetzten Ölabstreifring durch die Nut 24 und über die Verbindung 25 zu den Anlageflächen zwischen dem Kolbenbolzen und der Bolzenbohrung und damit in Richtung des Kolbeninneren.

Der Fachmann entnimmt der E5 zunächst zwei verschiedene Ausgestaltungen für eine Schmiermittelzuführung zu den Kontaktflächen zwischen Kolbenbolzen und Bolzenbohrung. Nach der Fig. 4 der E5 ist eine Ausnehmung in Übereinstimmung mit den darauf gerichteten Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Hilfsantrages 1 vorgesehen, während die Variante nach Fig. 6 keine Ausnehmung vorsieht sondern eine Verbindung in Form eine Ölpfades zwischen der Ölringnut und der Bolzenbohrung.

Dass diese aus der E5 bekannten Lösungen sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern auch miteinander kombinieren lassen, dazu regt die JP 2001-355 728 A (E14) an. Diese Druckschrift offenbart einen Kolben (70) für eine Brennkraftmaschine mit einem ein Ringfeld (79) aufweisenden Kolbenboden sowie mit einer in Kolbennaben (77) angeordneten Bolzenbohrung, wobei unterhalb des Kolbenbodens ausgehend von einer Unterkante des Ringfeldes (79) in Richtung der Bolzenbohrung eine hohlkörperförmige Ausnehmung (93) mit einem in Richtung des Kolbenbodens gerichteten Scheitelpunkt zur Aufnahme von einem Schmiermittel vorhanden ist, wobei zumindest ein kleiner Teil der Ausnehmung (93) bis an den Scheitel der Kolbennabe (77) reicht und zwischen einer Ringnut (83) des Ringfeldes (79) und der Ausnehmung (93) zumindest eine für das Schmiermittel durchlässige Verbindung (90) vorhanden ist. Damit unterscheidet sich der Gegenstand der E14 von dem des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 lediglich dadurch, dass nicht zumindest ein kleiner Teil der Ausnehmung bis in Richtung des Scheitels der Kolbennabe hineinreicht, sondern nur an den Scheitel heranreicht.

Dieses Unterscheidungsmerkmal, das beim Streitpatentgegenstand erkennbar mit der Schmiermittelzuführung zur Kolbennabe bzw. der Bolzenbohrung in Zusammenhang steht, geht jedoch aus der Darstellung der Schmiermittelzuführung nach der E5 und deren Fig. 4 hervor, wie bereits zum Hauptantrag erläutert wurde. Der zuständige Fachmann wird die in den Druckschriften E5 und E14 dargestellten Maßnahmen im Sinne einer Verbesserung der Schmierung in der Bolzenbohrung durch einfache Übertragung konstruktiv zusammenführen. Eine erfinderische Tätigkeit ist dazu nicht erforderlich.

3.3 Zum Hilfsantrag 2 Der Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 2 ist gegenüber dem des Hilfsantrags 1 in zulässiger Weise weiter darauf beschränkt, dassder Kolben (1) innerhalb einer Zylinderwand (14) der Brennkraftmaschine gelagert ist undsich das an der Zylinderwand (14) sammelnde Schmiermittelüber die Verbindung (16) in der Ausnehmung (10) sammeltund von dort längs einer Bolzenachse (8) über Anlageflächen

(11) in Richtung des Kolbeninneren bewegt.

Die Offenbarung dieser Zusatzmerkmale ergibt sich aus den Angaben im Abs. [0017] der Streitpatentschrift.

Das erste Teilmerkmal, das beschränkend in den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 aufgenommen wurde, wonach der Kolben innerhalb einer Zylinderwand der Brennkraftmaschine gelagert ist, ist üblich und zudem mit der Fig. 1 der E14 als bekannt belegt.

Das zweite Teilmerkmal, das beschränkend in den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 aufgenommen wurde, wonach sich das an der Zylinderwand sammelnde Schmiermittel über die Verbindung in der Ausnehmung sammelt und von dort längs einer Bolzenachse über Anlageflächen in Richtung des Kolbeninneren bewegt, stellt auf die Wirkung der übrigen im Patentanspruch 1 benannten, auf körperliche Ausgestaltung des Kolbens gerichteten Maßnahmen ab. Da der Gegenstand der E14 das Merkmal, nämlich die Führung des sich an der Zylinderwand sammelnden Schmiermittel über eine Verbindung zunächst in die Ausnehmung offenbart, stellt sich dort aufgrund der baulichen Ausgestaltung wie beim Streitpatentgegenstand ebenso ein Sammeleffekt ein wie auch die Bewegung des Schmiermittels von der Ausnehmung längs einer Bolzenachse über Anlageflächen in Richtung des Kolbeninneren, die sich auch beim Gegenstand der E5 ergibt, wie es bereits vorstehend im Zusammenhang mit dem Hilfsantrag 1 erläutert wurde. Damit ergeben sich keine überraschenden Wirkungen, im Gegenteil, es stellen sich lediglich die im Stand der Technik bereits bekannten Wirkungen ein.

Damit beruht auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Bei dieser Sachlage war das Patent zu widerrufen.

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BPatG:
Beschluss v. 14.10.2009
Az: 7 W (pat) 303/06


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