Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Februar 2005
Aktenzeichen: 9 W (pat) 304/03

(BPatG: Beschluss v. 14.02.2005, Az.: 9 W (pat) 304/03)

Tenor

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

- Patentanspruch 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 14. Februar 2005 als Hauptantrag,

- Patentansprüche 2 bis 19, wie erteilt,

- Beschreibung Spalten 1 und 2, Spalten 9 und 10, eingegangen in der mündlichen Verhandlung am 14. Februar 2005,

- Beschreibung Spalten 3 bis 8,

- Zeichnungen Figuren 1 bis 16, jeweils wie erteilt.

Gründe

I.

Gegen das unter Inanspruchnahme der Priorität der Voranmeldungen in Japan vom 28. Dezember 1991 am 23. Dezember 1992 angemeldete und am 19. September 2002 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung

"Fahrzeugtür mit Scheibenheber-Modul"

ist von der B... GmbH & Co. KG Einspruch erhoben worden.

Zur Begründung ihres Einspruchs verweist die Einsprechende auf folgende Druckschriften:

- DE 32 17 640 A1 (E1) - DE 32 09 052 A1 (E2) - US 2 876 003 A (E3)

- DE 28 43 633 C2 (E4) - DE 28 43 634 A1 (E5) - DE-PS 2 027 241 (E6)

- DE-OS 2 205 147 (E7) - DE 36 27 234 A1 (E8) - DE 37 23 679 A1 (E9)

- DE 40 20 746 A1 (E10) - EP 0 242 547 A2 (E11) - US 4 761 915 A (E12)

- JP 62-261 523 A (E13) - JP 01-278 837 A (E14) - DE 26 24 028 A1 (E15)

- DE 34 45 000 A1 (E16) - DE 35 21 678 A1 (E17), und nach Ablauf der Einspruchsfrist noch auf die Druckschriften - DE 37 04 816 A1 (E18) - DE 35 45 856 C1 (E19) - DE 39 03 556 A1 (E20).

Die Einsprechende meint, der Gegenstand des Patentes 42 43 952 (Streitpatent) sei gegenüber dem zitierten Stand der Technik nicht patentfähig.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberinnen beantragen, das Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

- Patentanspruch 1, als Hauptantrag eingegangen am 14. Februar 2005,

- Patentansprüche 2 bis 19 wie erteilt,

- Beschreibung Spalten 1 und 2, Spalten 9 und 10, eingegangen am 14. Februar 2005,

- Beschreibung Spalten 3 bis 8,

- Zeichnungen Figuren 1 bis 16, jeweils wie erteilt.

Die Patentinhaberinnen widersprechen dem Vorbringen der Einsprechenden und sind der Auffassung, die Kraftfahrzeugtür nach dem Patentanspruch 1 sei patentfähig.

Der nunmehr geltende Patentanspruch 1 lautet:

" Kraftfahrzeugtür mit einer Fensterscheibe (B1) mit einem äußeren Modul (A), mit einer äußeren Platte (A1) und einer inneren Platte (A2), die miteinander verbunden sind, einem inneren Modul (C), einem Fensterscheiben-Hubmodul (B) zwischen dem inneren und dem äußeren Modul (C, A), welches Fensterscheiben-Hubmodul (B) eine Anzahl von waagerechten Bauteilen (B5, B6, B7), eine Anzahl von senkrecht verlaufenden Führungsschienen (B8, B9, B10), die an den waagerechten Bauteilen befestigt sind und eine Gitterkonstruktion mit diesen bilden, ein waagerechtes, inneres Verstärkungsglied (B4), das an zwei der waagerechten Bauteile (B5, B6, B7) zur Verstärkung der Gitterkonstruktion befestigt und an der inneren Platte (A2) des äußeren Moduls (A) befestigbar ist, eine Trägerplatte (B11), die vermittels einer Führungseinrichtung (B48, B49, B50) gleitend auf den Führungsschienen (B8, B9, B10) geführt ist und die Fensterscheibe (B1) trägt, einen Fensterstellmechanismus (B3), der an dem Verstärkungsglied (B4) derart befestigt ist, dass er die Trägerplatte (B11) entlang der Führungsschienen (B8, B9, B10) verschiebt, umfasst, wobei das Fensterscheiben-Hubmodul (B) eine Neigungswinkel-Einstelleinrichtung (B37, B39, B40) zur Einstellung des Winkels zwischen der Fensterscheibe (B1) und der Trägerplatte (B11) umfasst, und, die waagerechten Bauteile (B5, B6, B7), die Führungsschienen (B8, B9, B10), das Verstärkungsglied (B4), die Trägerplatte (B11), die Fensterscheibe (B1), der Fensterstellmechanismus (B3) und die Neigungswinkel-Einstelleinrichtung (B37, B39, B40) eine vormontierte Montageeinheit bilden, die als Fensterscheiben-Hubmodul (B) mit dem äußeren und inneren Modul (A, C) verbindbar ist."

Rückbezogene Patentansprüche 2 bis 19 sind dem Patentanspruch 1 nachgeordnet.

Im Erteilungsverfahren ist noch auszugsweise eine Betriebsanleitung der Nissan Motor Co., Ltd. (Band 578, Seite D-30, Juni 1987) in Betracht gezogen worden.

Die Patentinhaberinnen reichen eine Teilungserklärung ein.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch PatG § 147 Abs. 3 Satz 1 begründet.

Der Einspruch ist zulässig. Er hat teilweise Erfolg durch eine Beschränkung des Patents.

1. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 19 sind zulässig.

Das Patentbegehren ist der Patentschrift zu entnehmen und in den ursprünglichen Unterlagen offenbart.

Die Merkmale der Kraftfahrzeugtür nach dem Patentanspruch 1 ergeben sich aus dem erteilten Patentanspruch 1 in Zusammenhang mit der Beschreibung der Patentschrift (Spalte 3, Zeilen 46-48 und 53-56; Spalte 5, Zeilen 65-67). Die Offenbarung in den ursprünglichen Unterlagen ergibt sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 1,4 und 9 iVm mit Angaben aus der ursprünglichen Beschreibung (Seite 2, Zeilen 19-26; Seite 5, Zeilen 25-30 und 34, 35; Seite 6, Zeilen 3-5; Seite 9, Zeilen 4-22; ursprüngliche Figuren 1, 2, 4, 5, 11, 14).

Die Merkmale nach den Patentansprüchen 2 bis 14 und 16 bis 19 finden sich in den ursprünglichen Patentansprüchen 2,3, 5 bis 8, 10 bis 16 und 18 bis 21. Die Ausgestaltung nach dem Patentanspruch 15 ergibt sich aus dem ursprünglichen Anspruch 17 iVm mit Angaben aus der Beschreibung (Seite 13, Zeilen 26-32; Figur 15).

2. Das Patent betrifft eine Kraftfahrzeugtür mit einer Fensterscheibe und einem Fensterscheiben-Hubmodul.

In der Beschreibungseinleitung ist sinngemäß ausgeführt, dass bei einer üblichen Fahrzeugtür dieser Art der Scheiben-Hubmechanismus nur in Bezug auf die äußere Platte positioniert wurde und die Positionsbeziehung zwischen der Scheibe und der inneren Platte bzw. den Innenteilen der Tür nicht sichergestellt worden ist.

Das dem Patent zugrundeliegende und mit der Aufgabe formulierte technische Problem besteht daher darin, eine Kraftfahrzeugtür mit Scheiben-Hubmechanismus zu schaffen, die von diesen Nachteilen frei ist.

Dieses Problem wird durch die Kraftfahrzeugtür mit den in Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen gelöst.

3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist patentfähig.

a) Die ohne Zweifel gewerblich anwendbare Kraftfahrzeugtür nach dem Patentanspruch 1 ist neu.

Denn aus keiner der in Betracht gezogenen Druckschriften ist eine Kraftfahrzeugtür mit allen im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen bekannt. Insbesondere weist keine der bekannten Türen ein Hubmodul auf, das eine aus waagerechten Bauteilen und senkrechten Führungsschienen gebildete Gitterkonstruktion aufweist, die eine auf den Führungsschienen vermittels einer Führungseinrichtung geführte und mit einer Neigungswinkel-Einstelleinrichtung für die Fensterscheibe versehene Trägerplatte für die Fensterscheibe trägt.

Folgende Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 des Streitpatentes sind aus der DE 32 17 640 A1 nicht bekannt:

- das Fensterscheiben-Hubmodul weist eine Anzahl von waagerechten Bauteilen und eine Anzahl von senkrecht verlaufenden Führungsschienen auf, die an den waagerechten Bauteilen befestigt sind und eine Gitterkonstruktion mit diesen bilden;

- das waagerechte Verstärkungsglied ist an zwei der waagerechten Bauteile zur Verstärkung der Gitterkonstruktion befestigt;

- die Trägerplatte ist vermittels einer Führungseinrichtung gleitend auf den Führungsschienen geführt;

- der Fensterstellmechanismus ist an dem Verstärkungsglied befestigt;

- das Fensterscheiben-Hubmodul umfasst eine Neigungswinkel-Einstelleinrichtung zur Einstellung des Winkels zwischen der Fensterscheibe und der Trägerplatte und - das Verstärkungsglied und die Neigungs-Einstelleinrichtung sind Teil der vormontierten Montageeinheit.

Die Einsprechende hat die Neuheit auch nicht bestritten.

b) Die Lehre nach dem Patentanspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Als Durchschnittsfachmann nimmt der Senat einen Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau an, der bei einem Kfz-Hersteller/-Zulieferer mit der Konstruktion von Scheibenhebern befasst ist und über mehrjährige Berufserfahrung verfügt.

Eine Kraftfahrzeugtür mit einem eine vormontierte Montageeinheit bildenden Fensterscheiben-Hubmodul ist aus der DE 32 17 640 A1 bekannt. Diese Tür weist ein äußeres und inneres Modul auf, zwischen denen das Fensterscheiben-Hubmodul angeordnet ist (Figur 1). Das äußere Modul besteht aus einer äußeren und einer inneren Platte (Außenhaut 14, Türrahmen 16), die miteinander verbunden sind. Das Fensterscheiben-Hubmodul enthält einen als Rechteckrahmen ausgebildeten Aggregateträger 12 mit waagerecht und senkrecht verlaufenden Holmen. Senkrecht verlaufende Führungsschienen 28 für die Fensterscheibe 24 sind am Aggregateträger befestigt. Waagerecht verlaufende Verstärkungsglieder 18 sind zusammen mit dem Aggregateträger an der inneren Platte des äußeren Moduls befestigbar. Die Fensterscheibe ist von einer Trägerplatte 54 getragen. Es ist weiter ein Fensterstellmechanismus 26, 32, 34 an dem Aggregateträger vorgesehen, der die Trägerplatte für die Vertikalbewegung der Fensterscheibe verschiebt. Der Aggregateträger, die Führungsschienen, der Fensterstellmechanismus und die Fensterscheibe mit der Trägerplatte gehören zu der vormontierten Montageeinheit (Seite 15, Zeilen 22-24; Seite 16, Zeilen 12-21; Anspruch 1, Zeilen 5-8).

Soll der Fachmann die Einstellbarkeit der Fensterscheibe bei einer Kraftfahrzeugtür dieser Art verbessern (o.g. Aufgabe), so mag er Veranlassung haben, die Einstelleinrichtungen als solche zu überarbeiten bzw. zu ergänzen. Hierzu bietet ihm der einschlägige Stand der Technik den Vorschlag, die Fensterscheibe als solche relativ zu ihrer verfahrbaren Halterung verstellbar anzuordnen.

Bei einer solchen Einrichtung (DE 28 43 633 C2) ist die Fensterscheibe 3 von zwei jeweils an einer Führungsschiene 5 geführten Halterungen 4 getragen. Die Halterungen weisen auf ihrer der Scheibe zugewandten Seite eine gekrümmte Oberfläche in Form einer Kugelkalotte auf. An dieser gekrümmten Oberfläche liegt eine die Scheibe auf gegenüberliegenden Seiten einspannende Trageinrichtung 7, 9 an, wobei die der Halterung zugewandte Fläche der Trageinrichtung eine der gekrümmten Oberfläche komplementäre Krümmung aufweist. Die Trageinrichtung ist so mit der Halterung verschraubt, dass sie und mit ihr die darin eingespannte Scheibe entlang der gekrümmten Fläche unter Neigung der Scheibe relativ zur Halterung verschoben werden kann.

Diese Art der Einstelleinrichtung mag prinzipiell übertragbar sein auf das Fensterscheiben-Hubmodul nach der DE 32 17 640 A1. Dabei würde der Fachmann die dort vorhandene Trägerplatte 54 austauschen gegen die beiden Halterungen nach der DE 28 43 633 C2 mit ihren gekrümmten Oberflächen. Dadurch würde die Scheibe von zwei separaten Tragelementen getragen, die jeweils für sich an einer separaten Führungsschiene geführt sind. Somit ergäbe sich nicht die mit geltendem Anspruch 1 beanspruchte Konstruktion mit einer einzigen durch Führungsmittel auf den Führungsschienen gleitend geführter Trägerplatte und einer durch eine Neigungswinkel-Einstelleinrichtung relativ zu dieser einstellbaren Scheibe.

Auch die aus der DE 35 45 856 C1 bekannte Neigungswinkel-Einstelleinrichtung liefert keine entsprechende Anregung. Dort ist eine die Fensterscheibe 2 tragende Grundplatte 5 vorgesehen, die an zwei als Zahnstangen 4 ausgebildeten senkrechten Führungen vertikal verfahrbar ist. Die Scheibe wird an ihrer unteren Kante von einer Halteschiene 7 getragen, die ihrerseits an der Grundplatte durch eine Neigungswinkel-Einstelleinrichtung 16, 25, 26 verstellbar angebracht ist. Somit wird die Scheibe mitsamt dem sie tragenden Element (Halteschiene 7) gegenüber dem verfahrbaren Träger verstellt. Bei einer Übernahme dieser Variante hätte der Fachmann demnach die Fensterscheibe starr an einem sie tragenden Bauelement und dieses mitsamt der Scheibe an der Trägerplatte verstellbar angeordnet.

Schon gar nicht können diese Druckschriften irgendeine Anregung zur mit dem geltenden Patentanspruch 1 beanspruchten Konstruktion des Aggregateträgers des Scheiben-Hubmoduls geben.

Gemäß der DE 32 17 640 A1 ist der Aggregateträger ein Rechteckrahmen mit einer geringfügig gegen die Horizontale geneigt verlaufenden Mittelstrebe 30 zwischen den seitlichen Rahmenholmen. Die waagerechten Rahmenholme sind dabei nicht "Bauteile" innerhalb des Aggregateträgers, sondern der Rahmen bildet insgesamt ein einziges Bauteil. Dieses weist zwar eine Gitterstruktur auf, die durch die aufgesetzten Führungsschienen 28 verstärkt werden mag. Der Fachmann kann daraus aber nicht den Hinweis entnehmen, die Gitterkonstruktion allein durch die waagerechten Bauteile und die daran befestigten, senkrecht verlaufenden Führungsschienen zu bilden. Dazu musste er erkennen, dass die Führungsschienen selbst außer der Funktion der Führung der Scheibe auch die tragende Funktion der senkrechten "Gitterstäbe" übernehmen können und dabei die Verbindung der als waagerechte "Gitterstäbe" dienenden waagerechten Bauteile bewirken. Um zu dieser Gitterkonstruktion nach dem geltenden Patentanspruch 1 zu gelangen, musste der Fachmann sich von der bekannten Rahmenkonstruktion für den Aggregateträger nach der DE 32 17 640 A1 geradezu abwenden.

Außerdem verbinden die bei dem vorbekannten Rechteckrahmen vorgesehenen Verstärkungsglieder (Versteifungsrohre 18, 118) senkrechte Holme des Rechteckrahmens. Es ergibt sich aus der DE 32 17 640 A1 keine Anregung, von dieser Anordnung der Verstärkungsglieder abzuweichen und wie beim Gegenstand des Streitpatentes mit einem einzigen Verstärkungsglied die waagerechten Bauteile zu verbinden.

Auch die übrigen Entgegenhaltungen einschließlich der Betriebsanleitung der Nissan Motor Co. können die beanspruchte Ausgestaltung hinsichtlich Gitterkonstruktion und damit zusammenwirkender Scheibenführung und Scheiben-Neigungsverstellung nicht nahelegen. Die bei den dort dargestellten Hubmechanismen eingesetzten Aggregateträger bzw. Neigungswinkel-Einstelleinrichtungen kommen der mit dem Patentanspruch 1 beanspruchten Ausgestaltung jedenfalls nicht näher als die der oben diskutierten Hubmechanismen. Dies wird von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung auch nicht behauptet. Demnach vermag auch eine wie auch immer geartete Zusammenschau des in Betracht gezogenen Standes der Technik dem Fachmann die Kraftfahrzeugtür nach dem Patentanspruch 1 nicht nahezulegen.

Mit der Kraftfahrzeugtür nach dem Patentanspruch 1 sind auch die Gegenstände der rückbezogenen Unteransprüche patentfähig, die vorteilhafte Weiterbildungen der Kraftfahrzeugtür nach dem Patentanspruch 1 betreffen und zumindest keine Selbstverständlichkeiten darstellen.

Petzold Dr. Fuchs-Wissemann Bülskämper Reinhardt Bb






BPatG:
Beschluss v. 14.02.2005
Az: 9 W (pat) 304/03


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