Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 4. Juni 2014
Aktenzeichen: 34 O 95/13
(LG Düsseldorf: Urteil v. 04.06.2014, Az.: 34 O 95/13)
Tenor
1.
Der Beklagte wird verurteilt, bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft, im Rahmen geschäftlicher Handlungen mit Verbrauchern es künftig zu unterlassen,
a)
Überprüfungen der Sehleistungen bzw. der Augen mit der Angabe "kostenlos", wie in der Klagschrift vom 13.10.2013 auf der Seite 2a abgebildet, zu bewerben, wenn hierfür gleichwohl Kosten erhoben werden,
b)
für Augeninnendruckmessungen mit der Aussage zu werben:
"Augeninnendruckmessung (Screening)* Glaukom (grüner Star)
*Ein erhöhter Innendruck ist ein Hinweis auf das mögliche Vorliegen eines Glaukoms. Die durchgeführte Druckmessung ist ein Screening, bei dem Auffälligkeiten am Auge ermittelt werden. Selbst wenn sich die Ergebnisse im Normbereich bewegen, schließt dies einen krankhaften Befund nicht zuverlässig aus. Diese Messung ersetzt keine ärztliche Untersuchung",
wenn dies wie in der Klagschrift vom 13.10.2013 auf den Seiten 2a und 2b abgebildet geschieht,
c)
für Augenüberprüfungen mit der Aussage zu werben:
"Überprüfung der Makuladegeneration (70 % der Betroffenen kann geholfen werden)",
d)
für Seniorenheime ein Zertifikat und/oder Logo zu vergeben bzw. für ein solches zu werben, das den Eindruck erweckt, die Einrichtung habe eine Sturzprophylaxe nach § 113a SGB XI umgesetzt, wenn dies nach Zertifizierungsbedingungen erfolgt, wie in der Klagschrift vom 13.10.2013 auf der Seite 2b abgebildet.
2.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 250,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.10.2013 zu zahlen.
3.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,-- €.
Streitwert: 10.000,-- €
Tatbestand
Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein mit dem Ziel, die Rechte der Verbraucher wahrzunehmen.
Der Beklagte bietet bundesweit mobil augenoptische Leistungen an, die durch Augenoptikermeister vor Ort erbracht werden. Insbesondere bietet der Beklagte seine Leistungen auch an Bewohner von Seniorenheimen an. Dabei hängt er in den Seniorenheimen. Mit Schreiben vom 10.05.2013 an das Seniorenzentrum Vv in Bonn bat er um den Aushang der zwei Werbeblätter wie sie als Seiten 2a und 2b zur Klagschrift vorliegen und überschrieben sind mit
"AUGENPRÜFUNG
Sturzprävention".
Die Heimleitung wandte sich wegen Fehl- und Missverständnissen bei den Senioren an den Kläger.
Auf seiner Internetseite www.xxx.www wirbt der Beklagte auf der Schaltfläche "Zertifikat" damit, dass "geprüfte Senioreneinrichtungen und Partner" die Genehmigung erhielten, das logo des Beklagten benutzen zu dürfen; auf dem Logo heißt es:
"Zertifizierte Einrichtung Umsetzung Sturzprophylaxe nach § 113a SGB XI 2012 xxx"
Mit Schreiben vom 08.08.2013 mahnte der Kläger den Beklagten ab und stellte einen Aufwandersatzanspruch in Höhe von 250,-- €.
Der Kläger vertritt die Auffassung, die zwei streitgegenständlichen werbenden Aushänge seien für die angesprochenen Bewohner der Seniorenheime irreführend hinsichtlich der Aussage "kostenlos", in Bezug auf den Sternchenhinweis zur "Augeninnendruckmessung (Screening)* Glaukom (grüner Star):" und zur Aussage "Überprüfung der Makuladegeneration (70 % der Betroffenen kann geholfen werden)", obwohl eine Diagnose nicht angeboten werde.
Die Werbung mit der Aussage "Sturzprävention" und "Sturzprophylaxe nach § 113a SGB XI" sei irreführend, weil es keine gesetzlich verankerte Sturzrisikoprophylaxe gebe; § 113a SGB XI erteile erst den Auftrag zur Entwicklung von Expertenstandards.
Der Kläger beantragt,
wie tenoriert.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, dass er durch die beiden streitgegenständlichen Aushänge in Seniorenheimen die angespriochenen Bewohner nicht irreführend bewerbe. Denn der blaue Stern mit der Aussage "kostenlos" sei ausreichend weit von dem Angebot der kostenpflichtigen Augeninnendruckmessung entfernt.
Der Sternchenhinweis nehme am Blickfang teil.
Das Wort "Überprüfung" weise ausreichend darauf hin, dass eine Makuladegeneration schon zuvor festgestellt worden sei.
Unter § 113a SGB XI fielen nicht nur die neu zu entwickelnden Expertenstandards, sondern auch schon die bestehenden nationalen Standrads, etwa der nationale Expertenstandard Sturzprophylaxe des Deutschen Netzwerkes für Qualitätssicherung in der Pflege.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, insbesondere auf die Seiten 2a und 2b der Klagschrift verwiesen.
Gründe
Die Klage ist in der Sache umfassend begründet.
Der Kläger kann von dem Beklagten Unterlassung in dem unter Zifern 1., 2., 3. und 4. tenorierten Umfang wegen irreführender Werbung gemäß §§ 8 Abs.1 und 3 Nr. 3, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG verlangen.
Danach handelt unterlauter, wer unwahre oder sonst zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Dienstleistung wie Art, Ausführung, Vorteile oder von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse macht.
1.a)
Die Werbung mit der Aussage "kostenlos", abgebildet in einem auffälligen blauen Stern, ist irreführend für den angesprochenen Verkehrskreis der Bewohner eines Seniorenheims, wenn tatsächlich für die Augeninnendruckmessung ein Kostenbetrag von 10,-- € erhoben wird.
Zwar findet sich auf der Werbung "Augenüberprüfung" rechts unten neben dem "blauen Stren" mit der Angabe "kostenlos" der Satz:
"Augeninnendruckmessung (Screening)* Glaukom (grüner Star):
Kosten pro Person 10,- €" oder "Kosten pro Person 20,- €"
Dieser Hinweis auf die Kostenerhebung hinsichtlich dieser Leistungen ist jedoch nicht so klar und unmissverständlich, dass er am Blickfang des Bewohner eines Seniorenheims teilnimmt. Denn erheblich größer und durch den Abdruck innerhalb eines blau gehaltenen Sterns ist die Aussage "kostenlos". Dem gegenüber tritt die Angabe "Kosten pro Person 10,- €" oder "Kosten pro Person 20,- €" unauffällig zurück.
1.b)
Auch das Angebot der "Augeninnendruckmessung (Screening)* Glaukom (grüner Star)" ist hinsichtlich des einschränkenden Sternchenhinweises, wonach die angebotenen Messungen "einen krankhaften Befund nicht zuverlässig ausschließen und die angebotene Messung keine ärztliche Untersuchung ersetzt, ist für den angesprochenen Verkehrskreis der Bewohner eines Seniorenheimes irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG.
Zwar kann ein Sternchenhinweis eine den Irrtum ausschließende Aufklärung sein, wenn der Hinweis an dem Blickfang teilhat, nämlich der situationsadäquat aufmerksame Verbraucher die aufklärenden Hinweise wahrnimmt.
Vorliegend ist es jedoch so, dass das Sternchen an sich schon nicht von den Bewohnern eines Seniorenheims, deren Augen ganz überwiegend nicht mehr die volle Sehkraft besitzen, wahrgenommen wird. Das gilt, weil das Sternchen zum einen mitten in einem Text steht und zum anderen an eine geschlossene Klammer - )* - angeschlossen ist.
Zusätzlich nimmt der Text, auf den das Sternchenverweist, nicht am Blickfang teil. Sowohl in der Werbung auf Seite 2a der Klagschrift, als auch in der Werbung auf Seite 2 b der Klagschrift befinden sich nämlich zischen dem Sternchen und dem dazugehörigen Text als abschließend zu betrachtende Angaben zum Impressum des Beklagten. Insbesondere der angesprochene Verkehrskreis der Senioren, unter denen sich zielgerichtet sogar "demente und bettlägrige" Personen befinden- wie sich aus dem Hinweis auf dem Werbeplakat selbst ergibt, vermag den in shr kleiner schrift gehaltenen Sternchenhinweis nicht zu lesen.
1.c)
Irreführend ist auch die angegriffene Aussage "Überprüfung der Makulageneration (70 % der Betroffenen kann geholfen werden)", so dass sie nach §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG zu unterlassen ist.
Durch diese Aussage wird dem angesprochenen Verkehrskreis der Senioren vorgetäuscht, dass der Beklagte eine Makuladegeneration diagnostiert. Gerade durch den Zusatz, dass 70 % der Betroffenen geholfen werden könne, besteht das Verständnis der angesprochenen Laien, dass der Beklagte durch seine Methoden - die nicht näher spezifiziert sind - die Makulaturdegeneration feststellt und anschließend Abhilfe schafft.
1.d)
Schließlich ist auch die Werbung des Beklagten sowohl auf seiner Internetseite www.xxx.www als auch in dem Abschreiben vom 10.05.2013 an das Ev. Seniorenzentrum Vv, die Senioreneinrichtung könne eine Zertifizierung der Einrichtung mit dem Siegel der Sturzprophylaxe nach § 113a SGB XI erhalten, irreführend nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG.
Denn nach § 113a Abs. 1 SGB XI stellen die Vertragsparteien nach § 113 SGB XI, also der Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände und die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene, die Entwicklung und Aktualisierung wissenschaftlich fundierter und fachlich abgestimmter Expertenstandards zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität in der Pflege sicher.
Es gibt derzeit also gar keinen geltenden Expertenstandard nach § 113a SGB XI. Dieser soll vielmehr erst entwickelt und erarbeitet werden.Wenn der Expertenstandard "Sturzprophylaxe des Deutschen Netzwerkes für Qualitätssicherung in der Pflege" von dem Beklagten eingehalten und zertifiziert wird, dann soll er diesen zitieren, aber nicht irreführend § 113a SGB XI.
2.
Der Anspruch auf die Kosten der Abmahnung in Höhe von 250,-- € beruht auf § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
LG Düsseldorf:
Urteil v. 04.06.2014
Az: 34 O 95/13
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