Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 7. Mai 2009
Aktenzeichen: 6 U 185/07

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 07.05.2009, Az.: 6 U 185/07)

1. Auch nach rechtskräftiger Feststellung, dass eine einstweilige Verfügung zu Unrecht erlassen worden ist, ist gegenüber einem Schadensersatzsanspruch nach § 945 ZPO der Einwand zugelassen, dass das ausgesprochene Verbot aus anderen als den die einstweilige Verfügung tragenden Gründen gerechtfertigt gewesen sei.

2. Der Schuldner einer zu Unrecht erlassenen einstweiligen Verfügung kann nach § 945 ZPO im Wege der Drittschadensliquidation auch solche Vermögenseinbußen geltend machen, die bei einem mit ihm konzernverbundenen Unternehmen eingetreten sind.

3. Zur Berechnung des infolge eines zu Unrecht erlassenen Vertriebsverbot für ein Arzneimitttel entgangenen Gewinns.

4. Zur Frage des Mitverschuldens beim Anspruch nach § 945 ZPO

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 24. August 2007 verkündete Urteil der 12. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.

Die Parteien sind Wettbewerberinnen auf dem Arzneimittelmarkt; beide führen in ihrem Sortiment ein Arzneimittel, welches € unter anderem € einen Trockenextrakt aus Gingko biloba-Blättern enthält. Die Klägerin führte ihr Präparat €X € Dragees€ mit der Wirkstoffkombination Ginseng, Ginkgo und Weißdorn Anfang Oktober 1996 in den sogenannten Mass-Market (Drogeriemärkte, Verbrauchermärkte, Lebensmitteleinzelhandel) ein.

Mit einer vom Landgericht Düsseldorf am 6. Dezember 1996 nach mündlicher Verhandlung erlassenen einstweiligen Verfügung wurde der Klägerin unter anderem untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken das Präparat €X € Dragees€ in der Wirkstoffkombination Ginseng, Ginkgo und Weißdorn außerhalb von Apotheken zu vertreiben. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin kein Rechtsmittel eingelegt.

Im Hauptsacheverfahren hat das Oberlandesgericht Düsseldorf ein gleichlautendes Verbot des Landgerichts aufgehoben und die Unterlassungsklage der Beklagten mit Urteil vom 19. September 2001 abgewiesen. Dieses Urteil wurde rechtskräftig. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2001 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie verzichte auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 6. Dezember 1996.

Im Jahre 2003 begann die Klägerin mit der Wiedereinführung des ihres Gringko-Präparats in den Mass-Market.

Mit dem vorliegenden Verfahren verlangt die Klägerin von der Beklagten Ersatz des durch das Vertriebsverbot entstandenen Schadens. Erstinstanzlich hat sie diesen für den Zeitraum bis Ende des Jahres 2002 mit 6.522.180,- € beziffert und darüber hinaus die Feststellung gegehrt, dass die Beklagte dazu verpflichtet ist, ihr auch den ab 01.01.2003 aus dem Vollzug der einstweiligen Verfügung entstandenen Schaden zu ersetzen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Zahlungsklage in Höhe von 1.293.738,- € stattgegeben und die die beantragte Feststellung getroffen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Sie macht geltend, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, weil das operative Geschäft nicht von ihr, sondern von ihrer Muttergesellschaft betrieben werde, bei der auch sämtliche erwirtschafteten Gewinne und Verluste unmittelbar angefallen seien. Darüber hinaus sei durch die Beachtung des Vertriebsverbots gemäß der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Düsseldorf ein nach § 945 ZPO ersatzpflichtiger Schaden nicht eingetreten, weil das Produkt Präparat €X € Dragees€ in der Wirkstoffkombination Ginseng, Ginkgo und Weißdorn auch aus anderen Gründen nicht verkehrsfähig gewesen sei. Schließlich beanstandet die Beklagte die Schadensschätzung des Landgerichts und macht ein Mitverschulden der Klägerin geltend. Dem Feststellungsantrag fehle das Feststellungsinteresse. Der Klägerin sei zumutbar gewesen, ihre diesbezüglichen Ansprüche zu beziffern.

Sie beantragt,

unter Abänderung des Urteils des LG Frankfurt vom 24. 08.2007 (AZ: 3-12 O 121/02) die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil. Im Übrigen wiederholen und vertiefen die Parteien ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Mit Beschluss vom 16. Oktober 2008 hat der Senat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nach § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO um eine Auskunft ersucht. Das BfArM hat diese Auskunft am 7. November 2008 erteilt. Auf Bd. VIII, Bl. 1633 und 1634 wird Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

A) Die Zahlungsklage ist aus § 945 ZPO in der vom Landgericht zugesprochenen Höhe begründet.

Denn wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, hat sich das durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 6. Dezember 1996 - 38 O 160/96 - ausgesprochene Verbot, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken das Präparat €X € Dragees€ in der Wirkstoffkombination Ginseng, Ginkgo und Weißdorn außerhalb von Apotheken zu vertreiben, als von Anfang an ungerechtfertigt erwiesen. Die Beklagte schuldet der Klägerin deshalb Ersatz des in Form von entgangenem Gewinn entstandenen Schadens für den Zeitraum zwischen Erlass der einstweiligen Verfügung und der Wiedereinführung des Präparats im Jahre 2003. Diesen hat das Landgericht zutreffend auf 1.293.738,70 € festgesetzt.

17I) Die Klägerin ist zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs aus § 945 ZPO aktiv legitimiert. Die Umsatzeinbußen sind zwar nicht bei Ihr, sondern bei Ihrer Muttergesellschaft entstanden. Wie das Landgericht zutreffend festegestellt hat, werden Schaden und Anspruch aber nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation zusammengeführt mit der Folge, dass die Klägerin als Inhaberin der verletzten Rechtsstellung den bei ihrer Muttergesellschaft eingetretenen Schaden mit deren Einwilligung liquidieren kann (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 68. Aufl., Vor § 249 Rd 114, m.w.Nachw.).

1) Inhaber des Anspruchs nach § 945 ZPO ist der durch eine ungerechtfertigter Weise erlassene einstweilige Verfügung betroffene Antragsgegner. Dies ist die Klägerin, die nach § 4 Nr. 18 AMG als pharmazeutische Unternehmerin auch Inhaberin der Zulassung für das Präparat €X Ginkgo Ginseng Dragees€ ist.

Der Schaden ist jedoch nicht bei der Klägerin, sondern bei ihrer 100%-igen Muttergesellschaft, der A GmbH (vormals A + Co. GmbH & Co.) eingetreten. Denn zwischen der Klägerin und ihrer Muttergesellschaft besteht der als Anlage K 43 (Bd. II, Bl. 410 ff) vorgelegte €Ergebnisübernahmevertrag€ vom 18. Mai 1992, mit dem die Klägerin ihrer Muttergesellschaft die Leitung ihres Unternehmens überlassen hat und in dem außerdem vereinbart wurde, dass die Muttergesellschaft den gesamten Gewinn der Klägerin übernimmt und jeden Verlust ausgleicht.

Folge dieser Konzernstruktur ist, dass sich mögliche Umsatzeinbußen nicht bei der Klägerin, sondern bei ihrer Muttergesellschaft eingestellt haben, so dass nur dieser ein entsprechender Schaden entstanden ist. Dem steht € wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat € nicht entgegen, dass die Unterlassungsverfügung gegen die rechtlich selbständige Klägerin gerichtet war. Denn einen Weitervertrieb unter eigenem Namen oder dem Namen einer anderen Tochtergesellschaft hätte die Muttergesellschaft der Klägerin schon deshalb nicht riskieren können, weil eventuell gegen die Klägerin verhängte Ordnungsgelder aufgrund des €Ergebnisübernahmevertrag€ vom 18. Mai 1992 letztlich auch von ihr zu tragen gewesen wären. Darüber hinaus bestand bis zur endgültigen Klärung der Frage der Vertriebsfähigkeit des Präparats €X € Dragees€ im so genannten Mass-Market-Bereich die Gefahr, dass die Beklagte gegen einen solchen Vertrieb erneut einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch nehmen und erhalten würde.

2) Damit besteht die für die Drittschadensliquidation typische Konstellation eines Auseinanderfallens von Schaden (der Muttergesellschaft) und Aktivlegitimation (der Klägerin) aufgrund eines Vertragsverhältnisses (€Ergebnisübernahmevertrag€ vom 18. Mai 1992) zwischen dem Anspruchsinhaber (Klägerin) und dem Geschädigten (Muttergesellschaft).

Dem steht nicht entgegen, dass die im Wege der Drittschadensliquidation geltend gemachten Ansprüche ihren Rechtsgrund nicht in einem Vertragesverhältnis zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits haben. Die Beklagte hat zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung eine Drittschadensliquidation nur in ganz besonders gelagerten Fällen in Betracht kommt, nämlich insbesondere dann, wenn das durch Vertrag geschützte Interesse infolge besonderer Rechtsbeziehungen zwischen dem aus dem Vertrag berechtigten Gläubiger und dem Träger des Interesses dergestalt auf den Dritten verlagert ist, dass der Schaden ihn und nicht den Gläubiger trifft (BGH, Urt. v. 21.05.1996 - XI ZR 199/95 € NJW 1996, 2734 - juris-Tz 23, m.w.Nachw.). Allerdings ist die Anwendung der dieses Rechtsinstituts nicht auf solche Fälle beschränkt. Es kann vielmehr immer dann heranzuziehen sein, wenn der Grundsatz, wonach nur dem unmittelbar Geschädigten ein Ersatzanspruch zusteht, zu einer nicht gerechtfertigen Besserstellung des Schädigers führen würde, weil keine andere Möglichkeit des Vorteilsausgleichs besteht (MünchKomm, Oetker, BGB, 5. Aufl. (2007), § 249 Rd 277, 278).

Diese Situation ist hier gegeben. Denn bei der Klägerin selbst ist der Schaden nur aufgrund der besondern Konstellation innerhalb des Konzerns, in den sie eingebunden ist, nicht entstanden, während ein eigener Schadensersatzanspruch der Muttergesellschaft nicht gegeben ist. Ohne die Anwendung des Instituts der Drittschadensliquidation ginge der Schadensersatzanspruch der Klägerin ins Leere, was zu einer nicht gerechtfertigten Besserstellung der Beklagten führen würde. Die Anwendung des Rechtsinstituts der Drittschadensliquidation führt somit dazu, dass die Klägerin als Inhaberin der Verletzten Rechtsstellung den bei ihrer Muttergesellschaft entstandenen Schaden liquidieren kann. Dieses Ergebnis beruht auf anerkannten Grundsätzen der Rechtsprechung, so dass die von der Beklagten angeregte Zulassung der Revision aus diesem Grund nicht in Betracht kommt.

II) Der Einwand der Beklagten, das Präparat €X € Dragees€ sei auch aus anderen als den die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf tragenden Gründen nicht verkehrsfähig, steht dem Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht entgegen.

251) Nach § 945 ZPO ist der gesamte nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 249 ff BGB zu berechnende Schaden zu ersetzen, der aus der Vollziehung einer zu Unrecht ergangenen einstweiligen Verfügung entstanden ist (BGH, Urt. v. 20.07.2006 € IX ZR 94/03 € WRP 2006, 1250 ff, juris-Tz 30). Dabei gilt der allgemeine Grundsatz, dass €Schaden€ im Sinne des § 945 ZPO immer nur die Beeinträchtigung eines lauteren Zustandes oder Verhaltens sein kann (BGH, Urt. v. 29.11.1991 - 1 ZR 297/89 € GRUR 1992, 203 ff - Roter mit Genever, m.w.Nachw.; Teplitzky, 9. Aufl. Kap. 36, Rd. 26 € S. 462). Ein Schadensersatzanspruch besteht deshalb nicht, wenn ein Vertriebsverbot zwar nicht aus den Gründen der später aufgehobenen einstweiligen Verfügung, wohl aber aus anderen Gründen berechtigt war. Dabei ist der Schadensersatzrichter bei seiner Beurteilung, ob die Anordnung der einstweiligen Verfügung von Anfang an ungerechtfertigt im Sinne des § 945 Altern. 1 ZPO war, an eine vorangegangene Entscheidung über diese Frage nur im Umfang ihrer Rechtskraft gebunden (BGH, a.a.O., S. 205). Denn für das Wettbewerbsrecht gilt, dass in Rechtskraft nicht der Verbotsausspruch als solcher erwächst, sondern jeweils nur in Bezug auf die vom Gericht festgestellten Verletzungshandlungen (BGH, Urt. v. 23.02.2006 € I ZR 272/02 € GRUR 2006, 421 ff, Tz 29 € Markenparfümverkäufe; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 12 Rd 2.113). Die Darlegungs- und Beweislast für die Rechtfertigung der einstweiligen Verfügung aus anderen als den sie tragenden Gründen trägt nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der sich darauf beruft. Dies ist hier die Beklagte. Ihr ist der Nachweis der fehlenden Vertriebsfähigkeit von €X € Dragees€ aus anderen als den vom Landgericht Düsseldorf festgestellten Gründen nicht gelungen.

2) Der Verkehrsfähigkeit des Präparats €X € Dragees€ steht der von der Beklagten behauptete €Extraktaustausch€ nicht entgegen.

a) Nach Auffassung der Beklagten ist die Verkehrsfähigkeit des Mittels es nunc entfallen, weil die Klägerin einen €Extraktaustausch€ vorgenommen habe, das heißt die Klägerin verwende nicht denjenigen Ginsengextrakt, welcher in der für die fiktive Zulassung des streitgegenständlichen Mittels maßgeblichen Monographie €Ginkgo-biloba-Blätter€ genannt ist. Denn während in der fiktiven Zulassung von €X € Dragees€ als Arzneimittel (Anlage B 15, Bd. III, Bl. 531) als arzneilich wirksame Bestandteile (u.a.) der negativ monographierte (Anlage B 14, Bd. III, Bl. 530) Trockenextrakt €Ginkgoblätter, TE o.w.A.€ mit der ASK-Nr. ... genannt werde, habe die Klägerin zumindest seit der Einführung des Produkts im Jahre 1996 den positiv monographierten (Anlage B 13, Bd. III, Bl. 529) Trockenextrakt €Ginkgo-Extrakt 35 € 67 : 1€ mit der ASK-Nr. ... verwendet (LG-U. S. 5, Bd. VI, Bl. 1329; Berufungsbegründung S. 16 und 28, Bd. VII, Bl. 1401 und 1413; Berufungserwiderung, Bd. VII, Bl. 1506).

Im Übrigen meint die Beklagte, das Präparat €X € Dragees€ sei auch deshalb nicht verkehrsfähig, weil die von der Klägerin in dem streitgegenständlichen Produkt verwendete Wirkstoffkombination (Ginseng, Ginkgo, Weißdornblätter und €blüten) der sog. Negativmonographie zu Ginkgo folium (Ginkgo-biloba-Blätter) der Kommission E des ehemaligen Bundesgesundheitsamts (Anlage B 14, Bd III, Bl. 530) unterfalle.

b) Dem kann nach der vom Senat eingeholten Auskunft des BfArM vom 7. November 2008 (Bd VIII, Bl. 1637) nicht gefolgt werden. Denn danach erklärt sich die Angabe €Gingkoblätter TE o.w.A.€ € das heißt €Trockenextrakt ohne weitere Angaben€ € nicht nur in dem vorliegenden Fall aus dem Umstand, dass bei Verlängerungsanträgen nach § 105 AMG die bei pflanzlichen Extrakten von den europäischen Richtlinien seit Ende der 80er Jahre geforderte Angabe von Droge und Auszugsmittel nicht in allen Fällen vorhanden waren. Für diese Wirkstoffe hat das BfArM somit zwar deshalb in der Arzneimitteldatenbank die Angabe €Gingkoblätter TE o.w.A.€ mit der ASK-Nr. ... geschaffen. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich deshalb bei €Gingkoblätter TE o.w.A.€ nach der ausdrücklichen Feststellung des BfArM nicht um einen Oberbegriff, der in jedem Fall auch den von ihr tatsächlich verwendeten Trockenextrakt €Ginkgo-Extrakt 35 € 67 : 1€ mit der ASK-Nr. ... umfasst. Vielmehr werden unter der ASK-Nr. ... pflanzliche Extrakte zusammen gefasst, die nach Droge und Auszugsmittel nicht vollständig definiert sind. Nach der Auskunft des BfArM ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass ein angezeigtes Arzneimittel zufällig den Wirkstoff €Ginkgo-Extrakt 35 € 67 : 1€ mit der ASK-Nr. ... enthielt. Vor diesem Hintergrund erweist es sich € entgegen der Auffassung der Beklagten (Schriftsatz vom 7. Oktober 2008, S. 3, Bd VIII, Bl. 1621) € nicht als Verstoß gegen die Gesetze der Logik, dass der tatsächlich verwendete Extrakt mit der ASK-Nr. ... positiv monographiert ist, während dem Trockenextrakt €ohne weitere Angaben€ nach der Monographie gemäß der Anlage B 14, Bd. III, Bl. 530 eine therapeutische Anwendung nicht bescheinigt werde konnte. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass die therapeutische Wirksamkeit gerade durch die Extraktion mit Aceton-Wasser hervorgerufen wird.

Angesichts dessen ist es als nicht nachgewiesen anzusehen, dass der von der Klägerin tatsächlich verwendete Trockenextrakt €Ginkgo-Extrakt 35 € 67 : 1€ mit der ASK-Nr. ... nicht bereits unter die ursprüngliche Anmeldung zu fassen ist und eine genauere Klassifizierung lediglich an den fehlenden Angaben zu Droge und Auszugsmittel gescheitert ist. Dies wird auch nicht durch die von der Beklagten im Einzelnen dargelegte Vorgeschichte des Präparats €X Ginkgo Ginseng Dragees€ widerlegt. Denn der Umstand, dass ein dem Extrakt mit der ASK-Nr. ... vergleichbarer Trockenextrakt zum Zeitpunkt der Anmeldung in der ehemaligen DDR nicht und auch später wegen der Monopolstellung der Beklagten nur schwer zu beschaffen war, belegt dies ebenso wenig wie die Möglichkeit, dass die Klägerin aus diesen Gründen vor der Markteinführung des streitgegenständlichen Produkts im Jahre 1996 einen anderen Gingkoextrakt verwendet hat. Ein solcher, der Verkehrsfähigkeit des Präparats €X Ginkgo Ginseng Dragees€ entgegenstehender €Extraktaustausch€ könnte vielmehr nur angenommen werden, wenn der unstreitig seit der Markteinführung dieses Präparats im September 1996 verwendete, erstmals von der Firma B gelieferte und der Spezifikation mit der ASK-Nr. ... entsprechende Extrakt nicht auch unter die ASK-Nr. ... gefasst werden könnte. Dass diese Möglichkeit besteht, entnimmt der Senat der eingeholten Auskunft des BfArM. Eine möglicherweise erfolgte und €der Not geschuldete€ Verwendung eines anderen Extrakts für das Vorgängerprodukts belegt weder den behaupteten €Extraktaustausch€ noch erlaubt es Rückschlüsse auf die Gründe für die unterbliebene Spezifizierung des Extrakts bei der Anmeldung in der ehemaligen DDR. Auf die von der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 3. März 2009 dargelegten €Widersprüche€ in dem Vortrag der Klägerin kommt es deshalb nicht an. Auch obliegt der Klägerin € entgegen der Auffassung der Beklagten € nicht die sekundäre Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es sich bei dem im Anmeldezeitpunkt nicht näher spezifizierten und deshalb unter die eigens für solche Fälle geschaffene ASK-Nr. ... gefassten Extrakt um einen solchen gemäß der ASK-Nr. ... gehandelt hat. Denn damit würde von der Klägerin heute € 20 Jahre nach der Anmaldung in der ehemaligen DDR € ein Nachweis gefordert, der seinerzeit weder erbracht werden konnte noch (faktisch) gefordert war. Dies erscheint unmöglich und widerspräche zudem der vom BfArM in seiner Auskunft geschilderten Praxis der Aufsichtsbehörden.

Der Nachweis eines der Verkehrsfähigkeit des Präparats €X Ginkgo Ginseng Dragees€ entgegenstehenden Extraktaustausch ist deshalb nicht gelungen.

3) Die Zulassung für das Präparat €X € Dragees€ ist auch nicht bereits deshalb erloschen, weil der Antrag der Klägerin auf Nachzulassung zurückgewiesen wurde. Denn zu der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, die nach § 105 Abs. 5a Satz 2 AMG im Falle der Versagung der Verlängerung der Zulassung erforderlich ist, ist es nicht gekommen. Das Landgericht hat deshalb zutreffend festgestellt, dass die fiktive Zulassung für das Arzneimittel erst mit Bestandskraft des die Nachzulassung versagenden Bescheides erlischt (LGU, S. 22, Bd VI, Bl. 1369).

4) Schließlich ist der Senat auch befugt, diese Feststellungen zur Verkehrsfähigkeit des Präparats €X € Dragees€ zu treffen.

Die Rechtskraft des Urteils des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. September 2001 (27 U 5/00, Anlage K 4, Bd. I, Bl. 31 ff) steht dem nicht entgegen. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Oberlandesgericht Düsseldorf in dieser Entscheidung die Verkehrsfähigkeit des Präparats €X € Dragees€ nicht abschließend und für beide Parteien verbindlich festgestellt. Das Düsseldorfer Urteil befasst sich (auf den Seiten 27 ff) zwar auch mit der Frage, ob die hiesige Klägerin deshalb dazu verpflichtet war, den Vertrieb des streitgegenständlichen Präparates nach § 1 UWG (a.F.) in Verbindung mit § 21 AMG zu unterlassen, weil eine arzneimittelrechtliche Zulassung fehlte. Die Gesichtspunkte, die das Oberlandesgericht Düsseldorf in diesem Zusammenhang geprüft hat, waren jedoch andere als die in dem vorliegenden Verfahren umstrittene Frage, ob ein Austausch der vorgegebenen Extraktqualität stattgefunden hat. Mit der Klageabweisung in dem Düsseldorfer Verfahren steht deshalb nicht bindend fest, dass das Präparat €X € Dragees€ unter allen rechtlichen Gesichtspunkten verkehrsfähig ist.

III) Ohne Erfolg wendet sich die Beklagte auch gegen die Schadensschätzung des Landgerichts.

Das Landgericht hat den durch Vollzug der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Düsseldorf entstandenen Schaden nach § 287 ZPO auf 1.293.738,70 € geschätzt. Die von der Beklagten mit der Berufung dagegen vorgebrachten Argumente, führen zu keiner anderen Bewertung.

371) Die Schadensschätzung des Landgerichts geht von der Umsatzerwartung der Klägerin für das Restjahr 1996 in Höhe von 30.000 Einheiten aus und nimmt an, in den Folgejahren hätten die Verkäufe des Präparats €X € Dragees€ einen Anteil von 5% (1997) bis 15% (2002) des Apothekenumsatzes mit Gingko-Monopräparaten erreicht. Damit ist das Landgericht wesentlich hinter den Umsatzprognosen der Klägerin geblieben, die von Anteilen zwischen 10% im Jahr 1997 und 25% in den Jahren 2000 bis 2002 ausgegangen ist. Als Grund für die Abweichungen hat das Landgericht das im Jahre der Wiedereinführung des Präparats €X € Dragees€ im Jahre 2003 gegenüber 1996 geänderte (Markt-)Umfeld sowie den Umstand genannt, dass die Klägerin bei der Wiedereinführung auf die ursprünglich geplante Verkaufsförderung (Endkundenwerbung) in Höhe von 3,0 Mio. € verzichtet hat.

38Damit hat das Landgericht in zulässiger Weise an konkrete Anhaltspunkte € nämlich die von der Klägerin schlüssig dargelegte Umsatzverwartung € angeknüpft und die Grundlagen für die eigene Schätzung erläutert. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dieser Ansatz nicht bereits deshalb verfehlt, weil aus dem Umsatz von Ginkgo-Monopräparaten im Apothekenvertrieb nicht auf die Absatzmöglichkeiten im sogenannten Mass-Market-Bereich schließen kann. Denn die Besonderheit des Präparats €X Ginkgo Ginseng Dragees€ bestand sowohl 1996 als auch 2002 darin, dass dieses erstmals außerhalb der Apotheke frei verkäuflich angeboten wurde. Bei dem vom Landgericht festgestellten Rückgang des Verordnungsanteils im Apotheken-Mono-Markt von 78% im Jahr 1998 auf 52% im Jahr 2001 und der gleichzeitig gestiegenen Selbstmedikationsrate lässt dies den Schluss zu, dass das Präparat €X € Dragees€ in erheblichem Umfang von seiner €Monopolstellung€ auf dem Mass-Markt profitiert und entsprechende Marktanteile erreicht hätte. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die von apothekenpflichtigen Monopräparaten und frei verkäuflichen Kombinationspräparaten angesprochenen Verkehrskreise nicht völlig deckungsgleich sind. Dieser Gesichtspunkt ist jedoch nicht geeignet, die Schätzung des Landgerichts grundsätzlich in Frage zu stellen.

Auch die tatsächliche Entwicklung der Verkaufszahlen von €X € Dragees€ stellen die Schätzung nicht grundsätzlich in Frage.

Der Senat teilt die Auffassung des Landgericht, dass die Umstände, die für die Umsatzschwankungen nach der Wiedereinführung im Jahre 2003 verantwortlich sein konnten, auf die Umsatzprognose für die Jahre 1996 bis 2002 nicht zu übertragen sind.

2) Soweit das Landgericht bei der Schätzung des Gewinns, den die Klägerin mit dem Vertrieb des Präparats €X € Dragees€ in dem Zeitraum zwischen 1996 und 2002 pro verkaufte Packung erzielt hat, dem Gutachten des Sachverständigen Dr. SV1 gefolgt ist, bleibt die Berufung ebenfalls erfolglos. Der Sachverständige hat seine gutachterlichen Feststellungen sowohl schriftlich € Stellungnahme vom 23. April 2007 (Bd. V, Bl. 1151 ff) € als auch persönlich in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erläutert und sich dabei mit den Vorwürfen der Beklagten auseinander gesetzt. Danach ergibt sich, dass die von der Beklagten gegen das Gutachten erhobenen Vorwürfe nicht stichhaltig sind.

So greifen die Einwände der Beklagten gegen die vom Sachverständigen gewählte Berechnungsmethode nicht bereits deshalb, weil der Sachverständige auf Seite 9 des Gutachtens darauf hinweist, dass das Gutachten nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abschlussprüfung entspricht. Diesen Anforderungen konnte das Gutachten, das eine lediglich theoretische Geschäftsentwicklung über einen Zeitraum von sechs Jahren erfassen sollte, nicht gerecht werden. Auch soweit der Sachverständige mangels detaillierter Unterlagen auf €Hilfsüberlegungen€ oder Schätzungen angewiesen war, begründet dies € aus denselben Gründen € keinen grundsätzlichen Mangel des Gutachtens. Dass andere Berechnungsmethoden möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, steht dem nicht entgegen.

Dem Vorwurf, das Gutachten habe €fragwürdiges Zahlenmaterial€ der Klägerin unkritisch übernommen, ist der Sachverständige ebenfalls schlüssig mit dem Hinweis entgegen getreten, dass er sowohl die Vertriebs- und Verwaltungskosten abweichend von den Vorgaben der Klägerin angesetzt und außerdem zusätzlich Kapitalkosten und weitere Forschungs- und Entwicklungskosten angesetzt habe.

44IV) Die Beklagte ist auch verpflichtete, der Klägerin diesen Schaden insgesamt zu ersetzen. Denn die Klägerin trifft an der Entstehung des Schadens kein Mitverschulden im Sinne von § 254 BGB.

45a) Nach § 945 ZPO zu ersetzen ist der gesamte durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung adäquat kausal verursachte Schaden, für dessen Bemessung die allgemeinen Vorschriften der §§ 249 ff BGB heranzuziehen sind. Dies gilt auch für ein mitwirkendes Verschulden des Verfügungsbeklagten (BGH, Urt. v. 20.07.2006 € IX ZR 94/03 € WRP 2006, 1250 ff, juris-Tz 30). Dabei liegt die Darlegungs- und Beweislast für die Anwendung des § 254 BGB grundsätzlich bei dem Schädiger, das heißt hier bei der Beklagten, weil dieser auf diesem Wege seine Ersatzpflicht mindern oder beseitigen will (BGH, Urt. v. 20.07.2006 a.a.O., juris-Tz 34).

b) Die Beklagte macht die Klägerin unter drei Gesichtspunkten für den entstandenen Schaden mitverantwortlich. Sie wirft sie der Klägerin vor, gegen die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf in dem einstweiligen Verfügungsverfahren pflichtwidrig nicht Berufung eingelegt zu haben, meint die Klägerin habe nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf in dem Hauptsacheverfahren vom 19. September 2001 zu lange mit dem €Relaunch€ des Präparats €X € Dragees€ zugewartet und vertritt zudem die Auffassung, der Klägerin sei vorzuwerfen, dass sie nicht versucht habe, den Apothekenvertrieb zu aktivieren.

c) Wie das Landgericht bereits zutreffend festgestellt hat, sind diese Gesichtspunkte jedoch nicht geeignet, eine Mitverantwortung der Klägerin für den entstandenen Schaden zu begründen.

48aa) Ein Mitverschulden der Klägerin wird nicht durch ihr Prozessverhalten in dem Düsseldorfer Ausgangsverfahren begründen. Ein Mitverschulden an der Entstehung eines Vollziehungsschadens kann zwar auch darin liegen, dass die durch eine einstweilige Verfügung belastete Partei es unterlässt, gegen diese Rechtsmittel einzulegen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn sich das Unterlassen ursächlich auf die Entstehung des Schadens auswirkt (BGH, Urt. v. 20.07.2006 € IX ZR 94/03 € WRP 2006, 1250 ff, juris-Tz 32 € KOPIE; Urt. v. 27.06.2000 € VI ZR 126/99, NJW 2000, 3069, 3071). Dies ist dann nicht der Fall, wenn Rechtsmittel im Eilverfahren nicht aussichtsreich erscheint. So liegen die Dinge hier.

(1) Die Klägerin ist gegen die von Landgericht Düsseldorf am 6. Dezember 1996 nach mündlicher Verhandlung erlassene einstweilige Verfügung (38 O 160/96, Anlage K 1, Bd. I, Bl. 18 ff) nicht in Berufung gegangen, sondern hat die Beklagte zur Erhebung der Hauptsacheklage veranlasst. Diese wurde am 13. November 1998 von Landgericht Düsseldorf abgewiesen. Diese Entscheidung hat das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Urteil vom 19. September 2001 (27 U 5/00, Anlage K 4, Bd. I, Bl. 31 ff) abgeändert und die Klage abgewiesen.

(2) Zur Begründung für dieses prozessuale Verhalten hat die Klägerin zu Recht auf die als Anlage BK 2 (Bd. VIII, Bl. 1550 ff - KOPIE) vorgelegte Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf in dem Rechtsstreit 2 U 127/95 vom 07.11.1996 verwiesen. Das Oberlandesgerichts Düsseldorf hatte dort die auch für den zwischen Parteien geführten (Vor)-Prozess entscheidende Frage, welche Vorstellung der Verkehr mit dem Begriff €Ginkgo€ allgemein verbindet, dahingehend beantwortet, einem Arzneimittel, das diesen Inhaltsstoff aufweist, werde jedenfalls auch eine Eignung zur Behandlung von Durchblutungsstörungen beigemessen. Diese Feststellung war nach der Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf schon deshalb €zwingend, weil die insoweit darlegungspflichtige Beklagte keine Umstände dargetan hat, aufgrund derer sich die Verbraucherschaft eine abweichende Vorstellung hätte bilden können.€ In ähnlicher Weise hatte sich der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auch schon in einem weiteren Urteil (von 22. Dezember 1994, 2 U 182/94) geäußert.

Zum Zeitpunkt des Erlasses der einstweiligen Verfügung am 6. Dezember 1996 konnte die Klägerin deshalb nicht erwarten, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf von diesem (Verkehrs-)Verständnis des Begriffs €Gingko€ ohne Weiteres, das heißt auf der Grundlage der in einem laufenden Eilverfahren zur Verfügung gestehenden Mitteln der Glaubhaftmachung abrücken würde. Anders als in der von der Beklagten angeführten Entscheidung des OLG München (OLG München, Urt. v. 07.03.1996 € 29 U 2314/95 € GRUR 1996, 998 f) wäre die Klägerin in der hier gegebenen speziellen Konstellation deshalb nicht dazu in der Lage gewesen, gegen die nach mündlicher Verhandlung mit ausführlicher Begründung ergangene Entscheidung des Landgericht mit der Berufung erfolgreich vorzugehen.

Eine Bestätigung findet diese Auffassung in dem weiteren Gang des Ausgangsrechtsstreits. Denn tatsächlich hat der 27. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf in dem Hauptsacheverfahren für die freie Verkäuflichkeit des Ginkgo-Produkts der Klägerin nur nach und aufgrund einer Beweisaufnahme entschieden, die in einem einstweiligen Verfügungsverfahren nicht möglich gewesen wäre. Zur Grundlage der für die Klägerin letztlich günstigen Entscheidung wurden eine in erster Instanz eingeholte Meinungsumfrage (OLG-Urt. S. 14 f, 19 ff; Bd. VIII, Bl. 1527 f; 1532 ff), eine Zeugenvernehmung durch den Senat (OLG-Urt. S. 29 f; Bl. 1542 f) sowie die Einholung einer Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (OLG-Urt. S. 35, Bd. VIII, Bl. 1548) gemacht. Diese Erkenntnisse hätten in der Berufungsinstanz des Eilverfahrens nicht mehr eingeführt werden können.

(3) Vor diesem Hintergrund überzeugt auch die Argumentation der Beklagten nicht, die Klägerin hätte zusätzlich zum Hauptsacheverfahren auch das Eilverfahren weiter betreiben müssen, weil die Kosten dafür nicht ins Gewicht fallen. Denn ein von vornherein aussichtsloses Verfahren muss - unabhängig von seinen Kosten - nicht betrieben werden.

bb) Auch der - nach Auffassung der Beklagten - zu lange Zeitraum zwischen der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf und dem €Relaunch€ des Präparats €X € Dragees€ begründet - wie das Landgericht ebenfalls zutreffend festgestellt hat - kein Mitverschulden der Klägerin.

(1) Nachdem das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf in dem Hauptsacheverfahren am 7. Dezember 2001 rechtskräftig geworden war (Bd. I, Bl. 7, 66), erklärte die Beklagte unter dem Datum vom 26. Oktober 2001 den Verzicht aus der einstweiligen Verfügung vom 6. Dezember 1996 (Bd. I, Bl. 7, 67).

Die Wiedereinführung des Produkts €X € Dragees€ erst im Jahre 2003 hat die Klägerin damit begründet, dass die Produktion außer Haus gegeben wurde und erst sogenannte €Lohnhersteller€ gefunden werden mussten, die Beschaffung der Rohstoffe wegen einer €nahezu monopolistischen Stellung€ der Beklagten auf dem Markt dem Markt für Gingko-Extrakt schwierig war und dass die Listung des Produkts im Einzelhandel auch deshalb nicht einfach gewesen sei, weil Vorbehalte wegen des schon einmal einstellten Vertriebs bestanden haben.

(2) Dieser Argumentation hat die € für die Darlegung der Umstände, aus denen sich ein Mitverschulden der Klägerin ergeben könnte, an sich beweispflichtige € Beklagte nicht substantiiert widerlegt. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat aus der Äußerung der Klägerin, sie hätte das Präparat €X € Dragees€ möglicherweise auch schon ein halbes Jahr nach dem rechtskräftigen Hauptsacheverfahren wieder auf den Markt bringen können, wenn sie dafür andere Geschäftszweige vernachlässigt hätte, eine Verletzung der Schadensminderungspflicht sieht, kann dem nicht gefolgt werden. Denn es trägt nicht zur Minderung eines Schadens bei, wenn der Geschädigte andere Vermögenspositionen aufgibt oder Einkünfte nicht erzielt, um den unmittelbar durch die Verletzungshandlung entstandenen Schaden zu begrenzen. Dies widerspricht dem Grundsatz, dass der Geschädigte so zu stellen ist, wie er ohne das schädigende Ereignis stehen würde. Im Übrigen war die Klägerin € entgegen der Auffassung der Beklagten € auch nicht gehalten, darzulegen, welche Geschäftsbereiche sie zu Gunsten einer rascheren Wiedereinführung des Präparats €X € Dragees€ hätte vernachlässigen müssen. Diese Auffassung verkennt die oben dargelegten Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast beim Mitverschulden.

cc) Schließlich vermag der Senat ein Mitverschulden der Klägerin auch nicht darin zu sehen, dass sie nicht den Versuch unternommen hat, die durch das Verbot des Verkaufs im sogenannten Mass-Market-Bereich (Drogeriemärkte, Verbrauchermärkte und Lebensmittelhandel) verursachten Gewinneinbußen durch einen Apothekenvertrieb auszugleichen.

Dagegen steht der € nicht entkräftete € Vortrag der Klägerin, der Apothekenmarkt sei bereits gesättigt gewesen, so dass ihr Produkt dort keine Chance gehabt hätte (Bd. I, Bl. 208). Tatsächlich war die Besonderheit der €X € Dragees€, dass die bei ihrer Markteinführung 1996 ebenso wie jedenfalls bei Klageerhebung im Jahr 2002 als einziges Präparat dieser Art im sog. Mass-Market frei verkäuflich war und ist. Eine messbare Minderung des Schadens wäre von dem Apothekenvertrieb deshalb nicht zu erwarten gewesen.

B) Zu Recht hat das Landgericht auch festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr ab dem 1. Januar 2003 in Gestalt von entgangenem Gewinn aus dem Vollzug des Urteils des Landgerichts Düsseldorf in dem Einverfahren entstanden ist. Der Einwand der Beklagten, die Klägerin habe im Laufe des immerhin fünf Jahre dauernden erstinstanzlichen Verfahrens Gelegenheit gehabt, ihren Feststellungsantrag zu beziffern, greift nicht. Denn die Feststellungsklage bleibt auch möglich, wenn sich der anspruchsbegründende Sachverhalt zur Zeit der Klageerhebung noch in der Fortentwicklung befindet (BGH, Urt. v. 21.02.1991 - III ZR 204/89 € VersR 1991, 788 juris-Tz 45; Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 256 Rd 7a). Das ist hier der Fall, weil Umsatzeinbußen auch noch für die Zeit nach Klageerhebung im Jahre 2002 in Betracht kommen.

C) Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 07.05.2009
Az: 6 U 185/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/de98a026300e/OLG-Frankfurt-am-Main_Urteil_vom_7-Mai-2009_Az_6-U-185-07




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