Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. März 2004
Aktenzeichen: 27 W (pat) 199/01
(BPatG: Beschluss v. 16.03.2004, Az.: 27 W (pat) 199/01)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die am 15. Juli 1999 für die Waren
"Compact Disks; Druckereierzeugnisse"
veröffentlichte Eintragung der Wortmarke 399 17 500 AC Aida Cardsist - beschränkt auf die Waren "Druckereierzeugnisse" - Widerspruch eingelegt worden aus der Wortmarke 398 12 783 AIDA die am 11. August 1998 u.a. eingetragen worden ist für die Waren
"Druckereierzeugnisse, Photographien, Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten".
Die Markenstelle hat den Widerspruch durch Beschluss eines Beamten des höheren Dienstes vom 6. November 2001 zurückgewiesen. Trotz Warenidentität sei eine Verwechslungsgefahr nicht gegeben, denn angesichts der äußerst geringen Kennzeichnungskraft, die der aus dem Namen einer bekannten Oper bestehenden Widerspruchsmarke als beschreibender Hinweis auf den Inhalt von Druckereierzeugnissen zukomme, bestehe ein ausreichender Unterschied zwischen der älteren Einwortmarke und der jüngeren mehrgliedrigen Marke in ihrer Gesamtheit. Eine Verwechslungsgefahr könne aber auch nicht aus dem in der jüngeren Marke enthaltenen Einzelbestandteil "AIDA" hergeleitet werden, weil er wegen seines warenbeschreibenden Gehalts den Gesamteindruck nicht präge. Auch eine assoziative Verwechslungsgefahr scheide wegen der starken Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke aus.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Auf die von der Inhaberin der angegriffenen Marke mit Schriftsatz vom 15. September 2003 erhobene Nichtbenutzungseinrede hat sie eine eidesstattliche Versicherung ihres stellvertretenden Marketingleiters in Verbindung mit Kalendern, Plakaten, Aufklebern, Postkarten, Bordkarten mit Schlüsselfunktion sowie Terminkarten für Kosmetikbehandlungen eingereicht. In der Sache wendet sie sich gegen die Ansicht der Markenstelle, "AIDA" stelle eine inhaltsbeschreibende Angabe im Hinblick auf "Druckereierzeugnisse" dar. Dies könne allenfalls bei Programmheften für die Oper der Fall sein, ansonsten wiesen aber weder die Person der Operngestalt Aida noch die Handlung der Oper einen Bezug zu Drukkereierzeugnissen auf. Der Bestandteil "AIDA" bilde in der angegriffenen Marke den beherrschenden und selbständig kollisionsbegründenden Bestandteil, gegenüber dem der Bestandteil "AC" als nicht identifizierbare Kurzbezeichnung ebenso wie das rein beschreibende "CARDS" zurücktrete.
Sie beantragt, den Beschluss der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der deutschen Marke 399 17 500 zu beschließen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hat die Waren "Druckereierzeugnisse" im Beschwerdeverfahren beschränkt auf "Druckereierzeugnisse, nämlich Karten im Scheckkartenformat". In der Sache trägt sie vor, eine Benutzung der älteren Marke für die beanspruchten Waren der Warenklasse 16 sei nicht nachgewiesen. Der Verkehr werde die auf sämtlichen von der Widersprechenden eingereichten Unterlagen angebrachte Benutzungsform "AIDA" mit dem darunter befindlichen Zusatz "DAS CLUBSCHIFF" nicht als betrieblichen Herkunftshinweis für die Druckereierzeugnisse sehen, sondern allenfalls als kennzeichnend für den Betrieb des Clubschiffs "AIDA" und damit die Dienstleistung "Betrieb eines Hotels" auffassen. Durch diesen Zusatz sei im übrigen die Marke nicht in der eingetragenen, sondern in veränderter und damit nicht rechtserhaltender Weise benutzt worden. Auch eine verwechslungsbegründende Ähnlichkeit der Marken bestehe wegen ihrer unterschiedlichen Länge und Gestaltung nicht.
In der mündlichen Verhandlung, an der die Widersprechende, wie zuvor angekündigt, nicht teilgenommen hat, hat die Markeninhaberin ihr Vorbringen aufrechterhalten und weiter vertieft.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil eine Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken i.S.d. §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nicht besteht.
Die Verwechslungsgefahr beurteilt sich unter Berücksichtigung der miteinander in einer Wechselbeziehung stehenden Kriterien der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sowie der Marken und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke (vgl. EuGH GRUR 1998, 922 - Canon; GRUR Int. 1999, 734 - Lloyd), wobei ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen größeren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr., vgl. EuGH GRUR 1998, 387, Nr. 23 f. - Puma/Sabèl).
Nachdem die Inhaberin der jüngeren Marke die Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG in zulässiger Weise bestritten hat, ist bei der Prüfung der Ähnlichkeit der durch die Marken erfassten Waren nur auf diejenigen Waren abzustellen, für die die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht hat. Bei den von der Widersprechenden vorgelegten Bord- und Terminkarten ist zu berücksichtigen, dass sie nicht als selbständige Ware in den Verkehr gebracht, sondern unentgeltlich an die Passagiere der "AIDA" Clubschiffe ausgegeben werden, um als Schlüssel und als Ausweis- oder Berechtigungskarte, zB für Behandlungen im Kosmetiksalon, zu dienen. Damit handelt es sich um Hilfswaren, bei denen die Bezeichnung "AIDA" nur als Hinweis auf den Erbringer der jeweiligen Dienstleistungen, nicht aber auf den Hersteller oder Vertreiber der betreffenden Karten anzusehen ist.
Anders verhält es sich bei den Ansichts-Postkarten, Aufklebern und Plakaten. Auch wenn die Postkarten und Plakate mit Abbildungen der "AIDA"-Schiffe ebenso wie die Aufhängekalender vorrangig die Funktion von Merchandising-Artikeln für die Dienstleistungen der Widersprechenden haben mögen, spricht dies im Hinblick auf die für die Jahre 2000 bis 2003 eidesstattlich versicherten und von der Markeninhaberin nicht bestrittenen Umsatzzahlen (zB 2003 Plakate 7 070 Euro; Postkarten 61 360 Euro; Jahreskalender 5 600 Euro) nicht grundsätzlich gegen ihren Charakter als eigenständig vermarktete Produkte, die auf den Clubschiffen oder sogar im Handel in Konkurrenz zu gleichen Waren der Mitbewerber angeboten werden. Letztlich bedarf dies aber ebenso wenig einer abschließenden Entscheidung wie die weitere Frage, ob der Zusatz "Das Clubschiff" den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke verändert und ob die Benutzung auf den Clubschiffen eine Inlandsbenutzung darstellt, denn auch bei unterstellter rechtserhaltender Benutzung der Widerspruchsmarke für Postkarten, Jahreskalender und Plakate ist eine Verwechslungsgefahr mit der angegriffenen Marke zu verneinen.
Die Waren, für die eine Benutzung allenfalls anzuerkennen ist, fallen zwar unter den für die Widerspruchsmarke eingetragenen Oberbegriff "Druckereierzeugnisse". Es ist aber nicht gerechtfertigt, der Widerspruchsmarke für den gesamten Bereich der Druckereierzeugnisse Schutz zuzubilligen. Nach der Rechtsprechung ist nur die von der Benutzung betroffene Warengruppe der Postkarten, Jahreskalender und Plakate zugrundezulegen (vgl auch BGH GRUR 2002, 58, 63 - ISCO; 2002, 65 - ICHTHYOL; Ströbele/Hacker, Markenrecht, 7. Aufl. § 26 Rdn 210 f). Diese Warengruppe weist aber zu den Waren "Druckereierzeugnisse, nämlich Karten im Scheckkartenformat" keine besondere Ähnlichkeit auf. Bedruckte Karten im Scheckkartenformat, die vorwiegend als (Berechtigungs-) Ausweise im weitesten Sinne zum Einsatz kommen, unterscheiden sich in ihrem Verwendungszweck wesentlich von Ansichtspostkarten, Kalendern und Plakaten. Auch die Vertriebswege werden weitgehend unterschiedlich sein, weil Abnehmer von Karten im Scheckkartenformat meist Geschäftsleute sind, die die Karten an ihre Kunden weitergeben. Aber auch dann, wenn Karten im Scheckkartenformat zB als Karteikarten in Papier- oder Schreibwarenläden oder den entsprechenden Abteilungen der Kaufhäuser erhältich sein sollten, gehören sie innerhalb der Druckereierzeugnisse ersichtlich einer anderen Warengruppe an als Kalender, Postkarten und Plakate und werden vom Verkehr daher nicht ohne weiteres derselben betrieblichen Ursprungsstätte zugeordnet.
In Anbetracht der somit im eher ferneren Bereich anzusiedelnden Ähnlichkeit der Waren reicht der Abstand der Marken selbst dann aus, um die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen, wenn die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke als normal oder jedenfalls nicht erheblich geschwächt angesehen wird. Es ist zwar nicht von der Hand zu wiesen, dass der Name der bekannten Oper "AIDA" für einzelne Druckereierzeugnisse, zB Opernlibretti, eine inhaltsbeschreibende Angabe darstellen kann, wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat. Dagegen kommt bei Postkarten, Kalendern oder Plakaten der Name einer einzelnen Oper als Beschreibung des Gegenstands oder des Motivs der Waren weniger in Betracht, weil sich diese Waren, wenn überhaupt, im allgemeinen mit Opernmotiven generell befassen. Gleiches gilt für die nunmehr speziell beanspruchten "bedruckten Karten im Scheckkartenformat" der jüngeren Marke, so dass es nicht gerechtfertigt erscheint, der Widerspruchsmarke im vorliegenden Fall nur einen minimalen Schutzumfang zuzubilligen.
In ihrem Gesamteindruck bieten die Marken wegen der zusätzlichen Bestandteile der angegriffenen Marke ohnehin keinen Anlass für Verwechslungen. Es ist aber auch nicht damit zu rechnen, dass diejenigen Verkehrskreise, die als Abnehmer von Karten im Scheckkartenformat in Betracht kommen, sich in einem noch beachtlichen Umfang nur an dem Bestandteil "AIDA" der jüngeren Marke orientieren. Dagegen spricht einerseits, dass auch beschreibende Angaben bei der Beurteilung des Gesamteindrucks einer Marke nicht ohne weiteres unberücksichtigt gelassen werden. Vor allem aber wird der Verkehr in den Buchstaben "AC", die erkennbar die Initialen der Wortbestandteile "AIDA" und "CARDS" bilden, eine die beiden Wörter verbindende Klammer sehen und die angegriffene Marke daher als Einheit werten, deren Gesamteindruck nicht durch das Einzelelement "AIDA" geprägt wird.
Es besteht auch keine Gefahr, dass die Marken im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 letzter Halbsatz MarkenG gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden könnten, denn es ist nicht davon auszugehen, dass der Verkehr die angegriffene Marke wegen ihres Bestandteils "AIDA" als ein von der Widerspruchsmarke abgewandeltes weiteres Zeichen der Inhaberin der älteren Marke sieht. Anlaß für eine solche Schlussfolgerung hat der Verkehr nur unter besonderen Umständen (vgl BGH GRUR 1999, 587 - Cefallone; GRUR 2002, 544 - BlG), insbesondere dann, wenn ein Unternehmen den Verkehr bereits an mehrere Zeichen mit demselben Bestandteil gewöhnt hat, wenn es sich bei dem übereinstimmenden Bestandteil um das Firmenschlagwort des Inhabers der älteren Marke handelt oder wenn die Art der Zeichenbildung oder der abweichenden Bestandteile die Annahme nahe legt, es handele sich bei der jüngeren Marke um ein weiteres Zeichen der Inhaberin der älteren Marke. Das Vorliegen einer dieser Voraussetzungen ist hier weder ersichtlich noch von der Widersprechenden geltend gemacht worden.
Hinsichtlich der Kosten verbleibt es bei der allgemeinen Regel des § 71 Abs. 1 MarkenG. Gründe, hiervon abzuweichen, sind nicht ersichtlich.
Dr. Schermer Reker Dr. van Raden Na
BPatG:
Beschluss v. 16.03.2004
Az: 27 W (pat) 199/01
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