Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 8. Juni 2011
Aktenzeichen: 31 Wx 81/10

(OLG München: Beschluss v. 08.06.2011, Az.: 31 Wx 81/10)

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 8. April 2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsteller haben die der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Das Grundkapital der Antragsgegnerin beläuft sich auf €, eingeteilt in € Stückaktien. Die Antragsteller halten derzeit € Aktien an der Antragsgegnerin. Die x AG hält an ihrer Vertriebsgesellschaft, der y AG, einen Anteil von 100 %. Die y AG ihrerseits hält seit 2004 einen Anteil von 89,87 % an der Antragsgegnerin.

Im Jahr 2006 bestand bei der Antragsgegnerin das Programm LTIP (long term incentive plan). Außerdem bestand im Jahre 2008 das sogenannte Programm Beat. Nach diesen erhalten die Vorstände der Antragsgegnerin virtuelle Aktienoptionsrechte, je nachdem, wie sich der Kurs der x AG entwickelt. Nach Sachvortrag der Antragsteller erhielten die Vorstände der Antragsgegnerin in den Jahren 2006 und 2007 im Rahmen des Aktienoptionsprogramm bzw. des LTIP erhebliche Vergütungen.

Die Antragsteller tragen vor, dass diese Aktienoptionsprogramme ein erheblicher Anreiz für den Vorstand seien, dass die Antragsgegnerin ihren Strom von der y AG jedenfalls im Einzelfall zu höheren Konditionen bezogen habe, als es bei einem Strombezug bei Wettbewerbern oder Dritten möglich gewesen wäre. Dies sei aufgrund der Aktienoptionsprogramme naheliegend und ergebe sich im Übrigen auch daraus, dass die Antragsgegnerin auf entsprechende Fragen zum Strombezug für 2006 und 2007 in den Hauptversammlungen 2007 und 2008 ausgewichen sei. Aufgrund der auf den Hauptversammlungen gegebenen Antworten bezüglich der Strompreise sei es naheliegend, dass die Antragsgegnerin ihren Strom jedenfalls im Einzelfall zu überhöhten Konditionen von der y AG bezogen habe. Darüber hinaus sei ausweislich des Anhanges zum Geschäftsbericht 2006 der Aufwand für vom x-Konzern bezogene Lieferungen und Leistungen erheblich gestiegen; es ergebe sich insoweit ein x-bezogener Kostenanteil von 51,72 %. Für das Jahr 2007 ergebe sich ein x-bezogener Kostenanteil von 58,31 % und für das Jahr 2008 sogar ein solcher von 62,82 %. Damit bestünden konkrete Anhaltspunkte, dass beim Bezug von Lieferungen und Leistungen innerhalb des Konzerns die Anstrengungen der Vorstände, optimal günstige Preise zu erlangen, nicht in dem nach § 93 Abs. 1 AktG gebotenen Maß vorgenommen worden seien, zumal deren variable Vergütung zu einem ganz erheblichen Prozentsatz vom Erfolg der Muttergesellschaft abhängig gewesen sei. Im Übrigen sei bei der Antragsgegnerin ein stetiges Ansteigen der Gewinnrücklagen gegeben. Es sei unverständlich, weshalb diese Gewinnrücklagen im Konzern weiter anwachsen und nicht stattdessen in Form von Dividenden ausgeschüttet würden. Dies zeige deutlich, dass der Vorstand der Antragsgegnerin sich nicht den Minderheitsaktionären, sondern ausschließlich dem Hauptaktionär y AG verpflichtet fühle. Im Übrigen seien unstreitig die Vergütungen aus "long term incentive plan" im Jahr 2006 von der Antragsgegnerin und nicht von der x AG oder y AG bezahlt worden. Auch die Vergütung aus dem Plan "Beat" betreffend 2007 und 2008 sei von der Antragsgegnerin bezahlt worden.

Des Weiteren tragen die Antragsteller vor, das Aktienoptionsprogramm sei unzulässig, weil es gegen § 87 Abs. 1 AktG a.F. verstoße. Es bestehe der Verdacht pflichtwidriger Zufügungen von Nachteilen. Es bestehe auch der Verdacht einer konkreten Vermögensgefährdung, denn mit den beiden Aktienoptionsprogrammen würden die Vorstandsmitglieder veranlasst, den Strombezug nicht zu marktgerechten Konditionen zu akzeptieren. Im Übrigen sei auch die Zahlung der Vergütungen aus den Optionsprogrammen durch die Antragsgegnerin die Zufügung eines pflichtwidrigen Nachteils. Damit lägen die Voraussetzungen für eine Sonderprüfung nach § 315 Satz 2 AktG vor. Hilfsweise sei der geltend gemachte Sonderprüfungsantrag nach § 142 Abs. 2 AktG gerechtfertigt, weil das streitgegenständliche Aktienoptionsprogramm einen Gesetzesverstoß im Sinne von § 87 Abs. 1 AktG a.F. begründe.

Die Gesellschaft wandte dagegen ein, dass der Hauptantrag nach § 315 Satz 2 AktG teilweise unzulässig sei, weil diese über den von der konzernrechtlichen Sonderprüfung gemäß § 315 AktG erfassten Prüfungsgegenstand hinaus gehen würde. Darüber hinaus sei der Antrag wegen Rechtsmissbrauchs unbegründet, weil die Antragsteller mit diesem lediglich einen Lästigkeitswert aufbauen wollten, um diesen als Druckmittel für die Durchsetzung persönlicher Interessen einzusetzen. Darüber hinaus sei der Hauptantrag jedenfalls unbegründet, weil es an einem Prüfungsgrund fehle. Der Sachvortrag der Antragsteller sei insoweit nicht ausreichend, weil diese lediglich eine angebliche konkrete Vermögensgefährdung aufgrund des bestehenden Vergütungssystems behaupten würden. Der Verdacht einer konkreten Vermögensgefährdung werde aber nicht schlüssig dargelegt. Allein aufgrund des konzernweiten aktienkursorientierten Programmes ergebe sich keine Vermutung für eine Nachteilszufügung. Dieses habe für die Vorstände keinen Anreiz zu einem überteuerten Strombezug dargestellt. Vielmehr bestehe das aktienkursorientierte Programm gerade im Interesse der Antragsgegnerin. Der Antragsteller würde lediglich eine allenfalls rein abstrakte Gefährdungslage schildern, aber keine Tatsachen vortragen, aus denen sich eine konkrete Vermögensgefährdung ergebe. Allein der Umfang der Liefer- und Leistungsbeziehungen innerhalb des Konzerns sage nichts über die Drittvergleichsfähigkeit der diesen Bezügen zugrunde liegenden Konditionen aus. Auch der Aktienkurs, der sich bei der Antragsgegnerin und der x unterschiedlich entwickelt habe, sage nichts darüber aus, dass eine pflichtwidrige Nachteilszufügung stattgefunden habe. Im Übrigen gebe es auch keine Anhaltspunkte für die Vereinbarung nicht marktgerechter Konditionen bei den konzerninternen Lieferungen und Leistungen. Insoweit würden die Antragsteller nur Vermutungen anstellen. Im Übrigen liege ein Nachteil im Sinne von § 311 AktG nur dann vor, wenn ein objektives Missverhältnis zwischen Leistung- und Gegenleistung bestehe. Auch die Drittvergleichsfähigkeit besage aber gerade nicht, dass jeweils zwingend zu den niedrigsten Preisen abgeschlossen werden müsse. Auch ergebe sich keine Nachteilzufügung durch den Anstieg der Gewinnrücklagen der Antragsgegnerin. Ferner könne der Verdacht einer pflichtwidrigen Nachteilszufügung im Sinne von § 315 Satz 2 AktG nicht alleine aus der Zugehörigkeit der Antragsgegnerin zum x Konzern hergeleitet werden. Auch die Zahlungen durch die Antragsgegnerin im Hinblick auf das Aktienkurs orientierte Programm stellten keinen pflichtwidrigen Nachteil dar. Des Weiteren sei der Hilfsantrag nach § 142 Abs. 2 AktG unbegründet, weil die Antragsteller keine Tatsachen vortragen würden, die den Verdacht rechtfertigten, dass bei Vorgängen der Geschäftsführung Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung vorgekommen seien. Selbst wenn die Aktienoptionsprogramme einen Verstoß gegen § 87 Abs. 1 AktG a.F. darstellen würden, was allerdings nicht zutreffend sei, läge jedenfalls eine Pflichtverletzung der Vorstände nicht vor. Im Übrigen sei eine solche am Konzernerfolg orientierte Vergütung grundsätzlich zulässig. Im Übrigen sei der von der Antragstellerin vorgeschlagene Sonderprüfer ungeeignet.

Der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin hat vorgetragen, dass der Aufsichtsrat keine Veranlassung für eine Sonderprüfung sehe. Es würden keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der konzerninterne Strombezug durch die Antragsgegnerin zu nicht marktgerechten Konditionen erfolgt sein könnte. Die konzerninternen Geschäftsbeziehungen der Antragsgegnerin, insbesondere die Strombeschaffung, würden durch den Aufsichtsrat laufend überprüft. Es seien in keinem der maßgeblichen Geschäftsjahre 2006 bis 2008 Unregelmäßigkeiten aufgefallen. Der Vorwurf der Antragsteller, dass die Teilnahme an dem Programm LTIP Beat die Gefahr begründe, dass der Vorstand die Interessen der Antragsgegnerin vernachlässige und sich alleine an den Interessen der y AG und die x AG orientiere, sei aus Sicht des Aufsichtsrates unzutreffend. Der Strombezug über die y AG sei zu Marktkonditionen auf der Grundlage der mit dieser getroffenen Vereinbarungen über die energiewirtschaftliche Kooperation erfolgt. Zur Überprüfung der Marktüblichkeit würden auch regelmäßig Vergleichsangebote eingeholt. Im Übrigen seien im Unabhängigkeitsbericht von den Abschlussprüfern für die Geschäftsjahre 2006 bis 2008 keinerlei Unregelmäßigkeiten festgestellt worden.

Das Landgericht wies den Antrag mit Beschluss vom 8.4.2010 zurück. Zwar sei der gestellte Sonderprüfungsantrag nicht bereits deswegen unbegründet, weil er rechtsmissbräuchlich wäre. Er sei jedoch unbegründet, da nach Auffassung der Kammer keine hinreichenden Tatsachen vorlägen, die den Verdacht einer pflichtwidrigen Nachteilszufügung rechtfertigen würden. Allein aufgrund des Umstandes, dass das konzernweite aktienkursorientierte Programm vereinbart worden sei, könne eine Nachteilsvermutung nicht angenommen werden. Auch stelle das Aktienoptionsprogramm bei den Vorständen keine ausreichende Anreizwirkung zum Bezug von Strom zu überteuerten Konditionen dar. Das Vergütungssystem habe entgegen der Auffassung der Antragsteller auch nicht zu einer konkreten Vermögensgefährdung geführt. Die Antragsteller hätten lediglich eine rein abstrakte Gefährdungslage in den Raum gestellt. Auch im Übrigen seien keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Nachteilszufügung ersichtlich. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Bestellung eines Sonderprüfers nach § 142 Abs. 2 AktG sei ebenfalls unbegründet, da nicht von dem Vorkommen von Unredlichkeiten oder groben Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung ausgegangen werden könne.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsteller. Zur Begründung führen sie u. a. aus, dass das Landgericht wesentlichen Sachvortrag der Antragsteller übergangen und dadurch gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs verstoßen habe. Darüber hinaus überspanne die Kammer die Voraussetzungen des § 315 Satz 2 AktG. Zu Unrecht sei das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen für die Bestellung von Sonderprüfung gemäß § 315 Satz 2 AktG nicht gegeben seien. Zudem sei das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass in den hilfsweise auf § 142 Abs. 2 AktG gestützten Antrag das Jahr 2008 nicht einbezogen worden sei.

II.

9Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 315 S. 6 AktG i.V.m. § 142 Abs. 8 AktG a.F. i. V. m. § 22 FGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat es zu Recht abgelehnt, einen Sonderprüfer zu bestellen, da die Voraussetzungen für dessen beantragte Bestellung weder im Haupt- noch im Hilfsantrag erfüllt sind.

1. Bei dem Sonderprüfungstatbestand gemäß § 315 Satz 2 AktG handelt es sich um einen besonderen Anwendungsfall der allgemeinen Sonderprüfung nach §§ 142 ff. AktG (vgl. K. Schmidt/ Lutter /J. Vetter AktG <2010> § 315 Rn. 3). Voraussetzung für die gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern ist das Vorliegen von Tatsachen, die den Verdacht einer pflichtwidrigen Nachteilszufügung rechtfertigen. Eine solche Nachteilszufügung verlangt einen Verstoß gegen § 311 AktG. Die Formulierung des § 315 S. 2 AktG orientiert sich dabei an § 142 Abs. 2 Satz 1 AktG, so dass im Hinblick auf die Tatbestandsmerkmale "Tatsache" und "Verdacht" die gleichen Anforderungen wie hinsichtlich einer Bestellung von Sonderprüfern gemäß § 142 Abs. 2 S. 1 AktG zu gelten haben (vgl. K. Schmidt/Lutter/J. Vetter AktG a.a.O. § 315 Rn .11). Erforderlich ist demnach zunächst, dass die Antragsteller Tatsachen vortragen, aus denen sich, wenn auch nur mittelbar, diese Verdachtsgründe ergeben. Aus den vorgetragenen Tatsachen muss sich ein hinreichender Tatverdacht für eine Unredlichkeit oder erhebliche Pflichtverletzung ergeben, d. h. diese müssen denklogisch wahrscheinlich und nicht bloß nur möglich sein (MünchKommAktG/ Schröer AktG 2. Aufl. § 142 Rn. 69; K.Schmidt/ Lutter/ Spindler a.a.O. § 142 Rn. 55). Unsubstantiierte Behauptungen, bloße Verdächtigungen oder Vermutungen reichen nicht aus. Die Antragsteller brauchen die von ihnen behaupteten Indiztatsachen bei Antragstellung weder zu beweisen noch glaubhaft zu machen. Dem Antrag kann aber nur stattgegeben werden, wenn das Gericht nach Anhörung der Gesellschaft und des Aufsichtsrats zu der Überzeugung gelangt, dass hinreichende Tatsachen vorliegen, die den Verdacht einer pflichtwidrigen Nachteilszufügung begründen. Gegebenenfalls kann das Gericht dazu ergänzende Ermittlungen anstellen. Wird der Vortrag der Antragsteller widerlegt, so ist der Antrag abzuweisen. Ob jedoch tatsächlich ein pflichtwidriger Nachteil zugefügt worden ist, ist im Rahmen der Entscheidung über die Anordnung der Sonderprüfung ebenso wenig zu beurteilen wie die Frage, welche Rechtsfolgen sich hieraus ergeben können. Andernfalls würde nämlich dem Ergebnis der Sonderprüfung vorgegriffen (vgl. OLG München AG 2010, 840/841; AG 2008, 33/35; GroßKommAktG/ Bezzenberger 4. Aufl. § 142 Rn. 62). An die Überzeugung des Gerichts zum Vorliegen der Tatsachen sind hohe Anforderungen zu stellen (OLG Stuttgart NZG 2010, 804/865; BT-Drs. 15/5092 S. 18)).

2. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat das Landgericht zutreffend angenommen, dass unter Berücksichtigung des Vorbringens der Gesellschaft kein hinreichender Tatverdacht dafür besteht, dass Tatsachen vorliegen, die den Verdacht einer pflichtwidrigen Nachteilszufügung im Sinne des § 315 Satz 2 AktG rechtfertigen. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die insofern zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug. Im Hinblick auf das Vorbringen der Beschwerdeführer ist ergänzend auszuführen:

a) Die Rüge der Beschwerdeführer, das Landgericht habe die Anforderungen an eine Sonderprüfung i.S.d. § 315 S. 2 AktG insofern verkannt, als es zu hohe Anforderungen an den Tatsachenvortrag gestellt habe, greift nicht durch. Zu Recht hat das Landgericht im Einklang mit den vorgenannten Grundsätzen darauf abgestellt, dass für die Annahme einer pflichtwidrigen Nachteilszufügung strenge Anforderungen zu stellen sind und es hierfür eines Vortrags konkreter Tatsachen bedarf.

b) Entgegen dem Beschwerdevorbringen begründet nicht bereits die Vereinbarung des Aktienoptionsprogramms für sich allein den Verdacht einer Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 315 S. 2 AktG.

aa) Denn eine solche Vereinbarung setzt sich nicht über eine zweifelsfreie Gesetzeslage hinweg, sondern vielmehr ist die Frage, ob und inwieweit im faktischen Konzern die Vergütung des Vorstands einer abhängigen Aktiengesellschaft an der Ertragslage der herrschenden Gesellschaft ausgerichtet werden darf, umstritten. Hierauf hat insbesondere der BGH (Beschluss v. 9.11.2009 - II ZR 154/08 zitiert von Goette DStR 2009, 2602/2610) im Rahmen seiner Entscheidung betreffend die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil, das in einem Anfechtungsverfahren gegen einen Entlastungsbeschluss einer in einen Konzern eingebundenen Aktiengesellschaft ergangen ist, ausdrücklich hingewiesen. Ist aber die Rechtslage derzeit ungeklärt - eine abschließende Entscheidung dieser Rechtsfrage durch den Senat im Rahmen des Verfahrens auf Bestellung eines Sonderprüfers ist dabei nicht veranlasst -, kann daher auch die Vereinbarung einer solchen Vergütungsregelung keine Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 315 S. 2 AktG darstellen.

15bb) Im Übrigen würde auch das Vorbringen der Antragsteller bezüglich des Aktienoptionsprogramms selbst einen hinreichenden Verdacht einer pflichtwidrigen Nachteilszufügung nicht rechtfertigen. Aus einem - als wahr unterstellt - unzulässigen Aktienoptionsprogramm folgt nämlich allein noch nicht der hinreichende Verdacht einer pflichtwidrigen Nachteilszufügung im Zusammenhang mit dem Strombezug der Gesellschaft. Insofern hätte es der Schilderung eines konkreten Sachverhaltes bedurft, der den hinreichenden Verdacht rechtfertigt, dass das Vergütungssystem im Einzelfall tatsächlich zumindest zu einer konkreten Gefährdung des Vermögens der Gesellschaft geführt hat. Hierfür ist aber der Vortrag der Antragsteller, dass die Vorstandsmitglieder durch das Aktienoptionsprogramm veranlasst werden, den Strombezug nicht zu marktgerechten Konditionen zu akzeptieren und somit nicht mehr das Wohl der Gesellschaft, sondern das des Hauptaktionärs im Vordergrund stehe, für sich genommen nicht ausreichend. Denn damit bringen die Beschwerdeführer lediglich ihre eigene Bewertung des Vergütungsprogramms zum Ausdruck und schildern allenfalls eine abstrakte Gefährdungslage. Ein solcher Vortrag genügt jedoch nicht den Anforderungen an die im Rahmen des § 315 S. 2 AktG gebotene Tatsachenschilderung.

c) Auch der Umstand eines konzerninternen Strombezugs stellt entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht bereits zwingend eine konkrete Nachteilszufügung im Sinne des § 315 S. 2 AktG insofern dar, als ein Dritter im Rahmen der Bewertung des Vermögens der Gesellschaft einen "gewissen" Abschlag vornehmen würde. Denn in einem solchem Bezugsverhältnis könnte ein Dritten bei objektiver Betrachtungsweise auch Vorteile wie z.B. die Möglichkeit eines verbilligten Einkaufs, Liefersicherheit usw. erkennen.

d) Soweit die Antragsteller den von ihnen gehegten Verdacht einer pflichtwidrigen Nachteilszufügung auf einen Strombezug der Gesellschaft zu überhöhten Preisen stützen, sind ihre Ausführungen hierzu in tatsächlicher Hinsicht nicht ausreichend.

(1) Der von den Beschwerdeführern erhobene Vorwurf, dass die Antragsgegnerin ihren Strom zu manipulierten und deswegen überhöhten EEX-Preisen bezogen habe, ist nicht substantiiert mit Tatsachen belegt. Eine allgemeine Bezugnahme auf Vortragsunterlagen eines Referenten zu dem Thema "Kundenerwartungen an die Energiepolitik für den Standort Ostdeutschland" oder auf eine rechtsgutachterliche Erörterungen im Rahmen eines Aufsatzes in einer juristischen Zeitschrift ist nicht ausreichend und auch nicht geeignet, einen Tatsachenvortrag bzgl. einer hier inmitten stehenden Pflichtwidrigkeit des Antragsgegnerin selbst zu ersetzen. Dem gemäß musste das Landgericht die Ausführungen der Beschwerdeführer hierzu auch nicht als entscheidungserheblich ansehen. Zudem hat sich der von den Beschwerdeführern erhobene Vorwurf einer Manipulation an der Strombörse EEX, der insbesondere auf den vorgenannten Aufsatz gegründet wurde, nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft Essen (Stand: März 2010) gerade nicht erhärtet.

(2) Im Übrigen würde ein Bezug von Strom zu - unterstellt - überhöhten Strompreisen allein noch nicht den Verdacht einer pflichtwidrigen Nachteilszufügung rechtfertigen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der konkrete Strombezug nicht zu Marktpreisen und deswegen überteuert erfolgt wäre. Eine solche Annahme setzt aber voraus, dass der Strom in dem streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich von dritter Seite erheblich günstiger als bei der Strombörse hätte bezogen werden können. Dass dies der Fall gewesen wäre, wird jedoch von den Antragstellern nicht substantiiert dargelegt. Der Vortrag erschöpft sich in der Behauptung, dass die Preise an der Strombörse deutlich höher als diejenigen gewesen seien, die bei einem unmittelbaren Bezug von den großen Energieversorgern und auch am Markt außerhalb der EEX - sofern ein solcher überhaupt tatsächlich existiert - möglich gewesen wären. Dass dies für den streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich der Fall war, wird hingegen nicht mit entsprechendem Tatsachenvortrag hinreichend dargelegt. Das Vorbringen der Antragsteller, dass im Rahmen von Stromauktionen Preise unter denen von der EEX erzielt werden konnten, ist hierfür nicht ausreichend, da die Antragsteller nicht substantiiert dargelegt haben, dass ein solcher Stromerwerb für die Antragsgegnerin überhaupt tatsächlich möglich gewesen wäre. Im Übrigen erscheint es auch im Hinblick auf den Sachvortrag der Antragsgegnerin als fraglich, ob die Gesellschaft im Rahmen solcher Auktionen überhaupt bieterberechtigt gewesen wäre.

(3) Entgegen dem Beschwerdevorbringen belegt auch nicht bereits der Umstand, dass die Antragsgegnerin im Zeitraum von Januar bis Mai 2008 den Strom zu höheren monatlichen Durchschnittspreisen im Vergleich zu Wettbewerbern bezogen hat, den hinreichenden Verdacht der Zufügung eines pflichtwidrigen Nachteils. Denn ein solcher wäre nur dann gegeben, wenn der jeweilige Strombezug tatsächlich zu gegenüber dem Marktpreis überhöhten Preisen erfolgt wäre. Ein solcher Schluss lässt sich aber aus einem Vergleich von Durchschnittspreisen nicht zwingend ziehen, da diese gerade nicht auf den jeweiligen Einzelbezug abstellen. Im Übrigen stellt ein Vergleich von Durchschnittspreisen keine verlässliche Grundlage für den von den Antragstellern gezogenen Schluss des Verdachts der Zufügung eines pflichtwidrigen Nachteils zu Lasten der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit dem Strombezug dar, da die Durchschnittspreise u.a. von der Anzahl der Einzelgeschäfte und auch den jeweiligen Bezugszeitpunkten des Stroms beeinflusst werden. Eine Vergleichbarkeit der durchschnittlichen Bezugskonditionen wäre daher nur dann gegeben, wenn die jeweiligen zur Ermittlung des Durchschnittspreises herangezogenen Einzelgeschäfte selbst vergleichbar wären. Dass dies der Fall ist, ist aber dem Sachvortrag der Antragsteller nicht zu entnehmen. Zu Recht hat daher das Landgericht die Ausführungen der Beschwerdeführer hierzu als nicht entscheidungserheblich erachtet.

3. Auch der hilfsweise gestützte Antrag auf Bestellung eines Sonderprüfers gemäß § 142 Abs. 2 AktG ist unbegründet.

Voraussetzung für die gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern im Sinne des § 142 Abs. 2 Satz 1 AktG ist, dass Tatsachen vorliegen, die den Verdacht rechtfertigen, dass bei dem Vorgang Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung vorgekommen sind. Insoweit gelten die gleichen Anforderungen an den Sachvortrag wie bei einer Bestellung eines Sonderprüfers gemäß § 315 Satz 2 AktG (vgl. dazu oben).

Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass unter Berücksichtigung des Vorbringens der Gesellschaft kein hinreichender Tatverdacht dafür vorliegt, dass im Hinblick auf das aktienorientierte Programm der Antragsgegnerin die Annahme eines Verdachtes von Unredlichkeiten oder groben Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung gegeben ist.

a) Für die Jahre 2006 und 2007 ergibt sich dies - worauf das Landgericht zu Recht abgestellt hat - bereits daraus, dass die Zulässigkeit einer solchen Vergütungsregelung im Zeitpunkt der Vergütungsentscheidungen umstritten war, so dass sich eine solche Vereinbarung auch nicht über eine zweifelsfreie Gesetzeslage hinweg gesetzt hat (s.o.).

b) Dies gilt aber auch für das Jahr 2008, wobei es schon fraglich ist, ob sich der Hilfsantrag der Beschwerdeführer überhaupt auf das Jahr 2008 bezieht.

aa) Im Schriftsatz vom 30.4.2009 wurde der Hilfsantrag ausdrücklich auf die Jahre 2006 und 2007 bezogen. Eine ausdrückliche Erweiterung des Hilfsantrags für das Jahr 2008 erfolgte hingegen entgegen dem Beschwerdevorbringen in dem Schriftsatz vom 18.8.2009 gerade nicht. Vielmehr betrafen die Ausführungen für das Jahr 2008 zunächst (S. 4) lediglich den Inhalt einer vorsorglichen Antragstellung in der Hauptversammlung am 13.5.2009, wobei in diesem Zusammenhang gerade zwischen dem streitgegenständlichen gerichtlichen Sonderprüfungsantrag (also die Jahre 2006 und 2007) und dem Jahr 2008 unterschieden wurde. Erst im Rahmen der Begründung des Hilfsantrags erfolgten Ausführungen bezüglich einer Pflichtwidrigkeit der Antragsgegnerin im Hinblick auf das Jahr 2008, da sich diese nach Auffassung der Antragsteller über eine Entscheidung des OLG München hinweggesetzt habe ( S. 57 f.). (Ausdrückliche) Antragstellung und sachliche Ausführungen hierzu erweisen sich daher als widersprüchlich.

bb) Letztendlich kommt der Frage, ob auch das Jahr 2008 in den Hilfsantrag miteinbezogen worden ist, keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, wären die Voraussetzungen für die Bestellung eines Sonderprüfers im Sinne des § 142 Abs. 2 AktG nicht erfüllt. Eine zweifelsfreie Gesetzeslage hinsichtlich der Zulässigkeit eines konzernweiten aktienorientierten Vergütungsprogramms ist auch nach der von den Antragstellern zitierten Entscheidung des OLG München hierzu nach wie vor nicht gegeben, zumal der BGH die Ausführungen des OLG München kritisch würdigte und die Rechtslage weiterhin als umstritten erachtet hat (vgl. oben). Damit kann auch die Vergütungsvereinbarung im Jahre 2008 keine Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung darstellen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG; die Festsetzung des Geschäftswerts auf § 30 Abs. 1 KostO.






OLG München:
Beschluss v. 08.06.2011
Az: 31 Wx 81/10


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