Landgericht Münster:
Urteil vom 3. November 2004
Aktenzeichen: 12 O 85/04

(LG Münster: Urteil v. 03.11.2004, Az.: 12 O 85/04)

Tenor

Dem Beklagten wird untersagt, aus dem von ihm auf dem Betriebsgelände der Kläge-rin aufgezeichneten Filmmaterial folgende Filme zu veröffentlichen und/oder diese Fil-me an Dritte - mit Ausnahme der Strafverfolgungsbehörden oder staatlichen Aufsichts-behörden - weiterzugeben:

a) „Poisoning for Profit“,

b) die von SAT 1 am 10.12.2003 in den Nachrichten um 18:30 Uhr und von Pro 7 am selben Tag in den Nachrichten um 20:00 Uhr gezeigte Version (jeweils ca. 2 Minu-ten),

c) die von Pro 7 am 17.12.2003 um 13:00 Uhr in der Sendung „SAM“ und um 17:00 Uhr in der Sendung „taff“ gezeigte Version (jeweils ca. 6 Minuten).

Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Ver-pflichtungen ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten angedroht.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin hinsichtlich der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 EUR, für beide Seiten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstrecken Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt in N2 ein Auftragsforschungsinstitut, das Tierversuche an Affen vornimmt, schwerpunktmäßig im Bereich der Reproduktionstoxikologie im Auftrag pharmazeutischer Unternehmen. Die Bezirksregierung N2 hat ihr die Genehmigung i.S.v. § 8 TierSchG zu pharmakologischen und toxikologischen Versuchen an nichtmenschlichen Primaten erteilt. Ferner besitzt die Klägerin die gem. § 11 TierSchG erforderliche Genehmigung zum Züchten und Halten von Tieren. Nach Bescheinigungen des Umweltministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen hält sie die Grundsätze guter Laborpraxis ein. Für die Tierversuche verwendet die Klägerin Makaken, vornehmlich Javaneraffen (Cynomolgen). Seit längerem ist ihr Unternehmen Y von Aktionen der Tierschutzbewegung.

Der Beklagte, der als freier Bildjournalist tätig ist, beabsichtigte verdeckt im Unternehmen der Klägerin zu recherchieren. Er bewarb sich auf eine Stellenanzeige und schloss am 11.03.2003 einen Arbeitsvertrag mit der Klägerin. § 6 des Arbeitsvertrages sieht eine Geheimhaltungspflicht vor, auch nach Austritt aus dem Dienstverhältnis. In der Betriebsvereinbarung der Klägerin, die gemäß § 8 des Arbeitsvertrages in der jeweils gültigen Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden sollte, heißt es in § 21:

"Fotografier- und Filmverbot

(1)

Es ist nicht gestattet, ohne dienstlichen Auftrag Lichtbild- bzw. Filmaufnahmen jeglicher Art innerhalb des Betriebes zu machen."

Wegen der Einzelheiten der Betriebsvereinbarung wird auf Blatt 70 ff. der Akte verwiesen. Unter dem 10.03.2003 bestätigte der Beklagte schriftlich, die Betriebsvereinbarung erhalten zu haben.

Der Beklagte fertigte mit einer versteckten Kamera bei seiner Arbeit heimlich insgesamt rund 40 Stunden Filmmaterial, welches zum Teil auch mit Ton unterlegt ist. Mit Schreiben vom 15.06.2003 kündigte er das Arbeitsverhältnis. Er wählte sodann Rohfilmmaterial aus und ließ es in Zusammenarbeit mit der britischen Tierschutzorganisation C. zu einer rund 20-minütigen Rohfilmversion zusammenstellen.

Eine Videokassette mit dem Rohfilmmaterial bot er sodann der Redaktion des ZDF-Magazins "Frontal 21" an. Am 09.12.2003 strahlte das ZDF in der Sendung "Frontal 21" einen ca. neunminütigen Filmbeitrag unter dem Titel "Tierversuche für den Profit" aus. Gezeigt wurde u.a. eine Abfolge unterschiedlicher Szenen aus dem Unternehmen der Klägerin, unterlegt mit einem kritischem Kommentar. Die Szenen betreffen im Wesentlichen die Haltungsbedingungen der Versuchstiere und den Umgang des Personals mit den Tieren. Am Tag vor der Ausstrahlung hatte die Redaktion der Sendung "Frontal 21" die Klägerin per Faxschreiben um Stellungnahme zu fünf einzelnen Fragen betreffend der Durchführung von Tierversuchen an Primaten gebeten. Dieses Schreiben enthielt jedoch keinen Hinweis darauf, dass sich das ZDF im Besitz des vom Beklagten angefertigten Filmmaterials befand. Wegen der genauen Einzelheiten wird auf die Anlage K34 zum Schriftsatz der Klägerin vom 15.10.2004 verwiesen.

Am 10.12.2003 wurden Ausschnitte des Filmmaterials in den Nachrichten anderer Fernsehsender gezeigt (SAT.1 und Pro 7). Am 16.12.2003 sendete das ZDF in "Frontal 21" einen Folgebeitrag, der die öffentliche Reaktion auf den Beitrag der Vorwoche schilderte. Am 17.12.2003 strahlten zwei Magazine des Senders Pro 7 namens "SAM" und "taff" jeweils rund sechsminütige Berichte aus. Wegen des Inhalts der am 09.12. und 16.12. im ZDF verbreiteten Sendungen wird auf die im Verfahren 12 O 7/04 LG N2 (3 U ......# OLG I) zu den Akten gereichten Videokassetten verwiesen.

Nach der Ausstrahlung des Filmberichts in der Sendung Frontal 21 kam es zu einer breiten Resonanz in der Öffentlichkeit. Dabei wurde in den Medien die Tätigkeit der Klägerin überwiegend kritisiert, teils massiv. Tierschützer und Tierschutzorganisationen griffen den Bericht auf, um gegen Tierversuche insbesondere bei der Klägerin zu protestieren und zu demonstrieren. Im Anschluss an die Ausstrahlung des Filmbeitrages im ZDF gab die Stadt N2 der Klägerin auf, Videokameras zur Überwachung des Umgangs mit den Tieren in ihrem Unternehmen zu installieren. Das Verwaltungsgericht N2 stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Klägerin durch Beschluss vom 16.01.2004 wieder her. Wegen der Einzelheiten dieses Beschlusses wird auf Blatt 104 ff. der Akte verwiesen. Das OVG N2 wies die Beschwerde des Oberbürgermeisters der Stadt N2 durch Beschluss vom 15.03.2004 zurück (.........#).

Durch Bescheid vom 19.02.2004 stellte die Staatsanwaltschaft N2 ein Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter der Klägerin wegen Verdachts der Tierquälerei (§ 17 TierSchG) mangels hinreichenden Tatverdachts ein und gab das Verfahren zur Verfolgung etwaiger Ordnungswidrigkeiten an das Rechtsamt der Stadt N2 ab. Die Generalstaatsanwaltschaft I wies die gegen die Einstellung gerichtete Aufsichtsbeschwerde der Anzeigeerstatter durch Bescheid vom 08.06.2004 zurück, und zwar mit Rücksicht auf ein zwischenzeitliches erstattetes Gutachten der Schweizer Wissenschaftler Dr. H2 und Dr. X3 vom 22.03.2004 (2 Zs ......#/......).

Die britische Tierschutzorganisation C1., mit der der Beklagte zusammenarbeitete, hatte zwischenzeitlich aus den heimlich gefilmten Szenen den Film "Poisoning for Profit" zusammenstellen lassen, welcher sodann als Videokassette bzw. CD-ROM vertrieben wurde. Die ausgewählten Filmsequenzen stimmen weithin mit dem ZDF-Beitrag überein. Gezeigt wird ebenfalls eine szenische Abfolge, die kritisch und für die Belange des Tierschutzes Partei nehmend kommentiert wird. Der Film "Poisoning for Profit" wurde auch ins Internet gestellt und stand auf den Webseiten mehrerer Betreiber zur Einsicht und zum Download bereit.

Die Klägerin beantragte zunächst, es dem Beklagten im Wege einer einstweiligen Verfügung zu untersagen, das von ihm auf ihrem Betriebsgelände unerlaubt aufgezeichnete Filmmaterial – einschließlich hiervon gefertigter Standbilder - zu veröffentlichen und zu verbreiten. Ferner wurde beantragt, dem Beklagten im Wege einer einstweiligen Verfügung aufzugeben, das Filmmaterial vollständig an einen Gerichtsvollzieher herauszugeben. Das Landgericht N2 hat die einstweilige Verfügung – abgesehen vom Herausgabeantrag – antragsgemäß erlassen und auf den Widerspruch des Beklagten hin durch Urteil vom 10.02.2004 bestätigt. Auf die Berufung des Beklagten hin hat das Oberlandesgericht I diese Entscheidung durch Urteil vom 21.07.2004 – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen – teilweise abgeändert. Es hat dem Beklagten untersagt folgende, aus dem auf dem Betriebsgelände der Klägerin aufgezeichneten Filmmaterial erstellte Filme zu veröffentlichen oder an Dritte – mit Ausnahme der Strafverfolgungsbehörden oder staatlicher Aufsichtsbehörden – weiterzugeben:

a) "Poisoning for Profit",

b) die von SAT.1 am 10.12.2003 in den Nachrichten um 18.30 Uhr und von Pro 7 am selben Tag in den Nachrichten um 20.00 Uhr gezeigte Version (jeweils ca. 2 Minuten),

c) die von Pro 7 am 17.12.2003 um 13.00 Uhr in der Sendung "SAM" und um 17.00 Uhr in der Sendung "taff" gezeigte Version (jeweils ca. 6 Minuten).

Wegen der Einzelheiten wird auf die Akten 12 O 7/04 LG N2 (3 U ......# OLG I) Bezug genommen.

Die Klägerin hält die vorgenannte Entscheidung des OLG I für unrichtig. Das OLG habe die nach der Entscheidung des BVerfG vom 25.01.1984 (BVerfGE 66, 116) anzulegenden Maßstäbe verkannt, die der Klägerin entstehenden Nachteile nicht ausreichend berücksichtigt und insbesondere unzutreffende eigene Maßstäbe angelegt. Die Klägerin betreibt auch das vorliegende Hauptsacheverfahren vorrangig mit dem Y, der Beklagten die Veröffentlichung sowie die Weitergabe des Filmmaterials an Dritte - mit Ausnahme der Strafverfolgungsbehörden und örtlichen Aufsichtsbehörden - umfassend untersagen zu lassen.

Sie macht geltend, das Filmmaterial sei rechtswidrig durch arglistige Täuschung über die wahren Absichten des Beklagten unter Verstoß gegen ihr Hausrecht sowie ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht erlangt worden und solle zum Angriff gegen sie selbst verwendet werden. Nach den vom BVerfG aufgestellten Grundsätzen habe daher die Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbleiben. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn durch die Veröffentlichung Missstände von erheblichen Gewicht aufgedeckt würden, an deren Aufdeckung in der Öffentlichkeit ein überragendes Interesse bestehe. Nur in diesem Falle überwiege die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen und die (tatsächliche) Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehe.

Ein solcher Missstand von erheblichem Gewicht habe jedoch bei der Klägerin nie bestanden. Nach den vom BVerfG aufgestellten Grundsätzen bestehe ein solcher Missstand in der Regel nur, wenn Rechtsverstöße vorlägen. Rechtsverstöße seien jedoch bei der Klägerin nicht festzustellen. Nach mehreren gutachterlichen Stellungnahmen seien weder auf dem Filmmaterial Verstöße gegen geltendes Recht zu sehen noch gebe es solche in ihrem Betrieb. Sämtliche von ihr durchgeführten Tierversuche seien angezeigt bzw. behördlich genehmigt. Sie unterliege ständigen Kontrollen, die bislang keine Beanstandungen ergeben hätten.

Ein überwiegendes öffentliches Interesse lasse sich auch nicht mit sonstigen Missständen bei der Klägerin begründen. Bei der Klägerin gebe es keine Missstände von erheblichem Gewicht. Gegenteiliges belegten auch einzelne Filmsequenzen nicht ("Polizeigriff", Haltungsbedingungen etc.), zu denen die Klägerin umfangreich vorträgt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen auf den Seiten 39 ff. der Klageschrift vom 18.02.2004 (Blatt 39 ff. der Akte), auf die Seiten 6 ff. des Schriftsatzes vom 24.05.2004 (Blatt 328 ff. der Akte), sowie auf die Seiten 61 ff. de Schriftsatzes vom 15.10.2004 (Blatt 524 ff. der Akte) Bezug genommen. Erst einseitige Szenenauswahl, willkürliche bzw. suggestive Aneinanderreihung von Szenen und die Vertonung des Materials zeichneten ein völlig falsches Bild von den Zuständen und Vorgängen bei der Klägerin. Das bestätige auch das Gutachten Dr. X. H2 (Anlage K 34 zum Schriftsatz der Klägerin vom 15.10.2004). Ein überragendes öffentliches Interesse an einer mit filmischen Mitteln erzeugten Fiktion könne für die rechtliche Beurteilung nicht von Bedeutung sein. Gerade die Ausführungen der Sachverständigen Godall, C und T zeigten, dass das selektiv zusammengeschnittene Material zu falschen Schlüssen und vorschnellen Verallgemeinerungen verleite. So könnten etwa sekundenlange Sequenzen gerade kein stereotypes Verhalten belegen, das auf eine geistige Störung der Tiere schließen lasse. Gleichwohl ließen sich die genannten Sachverständigen zu derlei Schlüssen hinreißen.

Ein überragendes öffentliches Interesse lasse sich auch nicht damit begründen, dass das geltende Recht reformbedürftig sei. Dies sei lediglich eine Einzelmeinung eines Gutachters. Es existiere auch keine neue EU-Richtlinie, sondern lediglich ein Entwurf zu einer Überarbeitung von Anlagen. Das Filmmaterial zeige aber unabhängig davon auch keine Verstöße gegen diesen Entwurf. Insbesondere sei auch nach ihm die Einzelhaltung nicht generell unzulässig.

Hinsichtlich der ihr entstandenen Nachteile verweist die Klägerin u.a. auf das eingeleitete Strafverfahren, die ihr erteilten Auflagen betreffend die Installation einer Videoüberwachung sowie das sich anschließende verwaltungsgerichtliche Verfahren und mehrere zivilrechtliche Verfahren. Sie verweist ferner auf Attacken gegen ihre Mitarbeiter, vor allem in Form von sog. Home-Demos und dem Bespucken ihres Geschäftsführers nach einem Termin vor dem LG N2. Auch hätten zahlreiche teils kritische, teils falsche Veröffentlichungen in der Presse zu einer Schädigung ihres Images und ihrer Reputation geführt. Es seien ihr in erheblichem Umfang Anwalts-, Gutachter- und Beraterkosten entstanden. Die Klägerin behauptet eine Verschlechterung ihres Betriebsklimas.

Weiterhin müssten bei der Abwägung des Interesses des Beklagten an der Veröffentlichung des Filmmaterials mit den Nachteilen auf Seiten der Klägerin auch der vom Beklagten verfolgte Zweck berücksichtigt werden. Dem Beklagten gehe es gerade nicht darum, die Öffentlichkeit über Missstände bei der Klägerin zu unterrichten. Vielmehr arbeite er mit Tierrechtsorganisationen zusammen, denen es darum gehe, die Klägerin mittels einer gezielten Kampagne zur Aufgabe ihrer Geschäftstätigkeit zu veranlassen. Weiterhin verfolge der Beklagte auch eigennützige Interessen, indem er die Videoaufnahmen nutze, um sich als Journalist zu etablieren.

Geführt werde letztlich eine allgemeine politische Diskussion, die nicht mit nachteiligen Konsequenzen einseitig zu Lasten der Klägerin ausgetragen werden dürfe. Ein thematischer Zusammenhang mit verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 20a GG) könne nicht per se dazu führen, dass das öffentliche Interesse überwiege. Von der geforderten Unverbrüchlichkeit des Rechts bleibe sonst nichts übrig.

Daher habe sie zumindest einen Anspruch darauf, im Zusammenhang mit der Verbreitung oder Veröffentlichung des Materials nicht identifizierbar gemacht oder gar namentlich genannt zu werden. Die Klägerin werde in unzulässiger Weise gezielt vorgeführt.

Ausreichend sei ferner bei den hier behaupteten Missständen die Weitergabe der Informationen an die zuständigen staatlichen Stellen. Jedenfalls einer bildlichen Darstellung bedürfe es nicht. Die für die Klägerin weniger einschneidende mündliche oder schriftliche Information sei ausreichend.

Selbst nach den eigenen Kriterien des OLG I habe dieses den ZDF-Beitrag nicht als ausgewogen einstufen dürfen. Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Klägerin wird auf deren Ausführungen auf den Seiten 78 ff. des Schriftsatzes vom 15.10.2004 (Bl. 541 ff. d.A.) Bezug genommen.

Schließlich seien Missstände jedenfalls heute nicht mehr gegeben. Hierzu behauptet die Klägerin, sie habe auf sämtliche von den Gutachtern unterbreiteten Verbesserungsvorschläge reagiert und Maßnahmen getroffen, u.a. betreffend die Themenbereiche Einzelhaltung der Versuchstiere und Ausbildung der Mitarbeiter. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Seiten 11 ff. des Schriftsatzes der Klägerin vom 15.10.2004 (Blatt 475 ff. der Akte) Bezug genommen. Die Einzelhaltung sei weiter reduziert worden. Sie sei erlaubt, teilweise unumgänglich und im Übrigen allgemein bekannt und somit nicht veröffentlichungswürdig.

Die Klägerin beantragt,

1. dem Beklagten zu untersagen, dass von ihm auf dem Betriebsgelände der Klägerin aufgezeichnete Filmmaterial – einschließlich hiervon gefertigter Standbilder – zu veröffentlichen,

2. dem Beklagten zu untersagen, dass von ihm auf dem Betriebsgelände der Klägerin aufgezeichnete Filmmaterial – einschließlich hiervon gefertigter Standbilder – und Kopien der Aufnahmen an Dritte – mit Ausnahme der Strafverfolgungs- oder staatlichen Aufsichtsbehörden – weiterzugeben.

3. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über sämtliches in seinem Besitz befindliches Filmmaterial, das von ihm auf dem Betriebsgelände der Klägerin aufgezeichnet worden ist, einschließlich hiervon gefertigter Standbilder und Kopien der Aufnahmen zu erteilen.

4. den Beklagten zu verurteilen, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides statt zu versichern.

5. den Beklagte zu verurteilen, dass nach Auskunftserteilung gemäß Antrag 3) noch bei ihm befindliche Filmmaterial, das von ihm auf dem Betriebsgelände der Klägerin aufgezeichnet worden ist, an einen Gerichtsvollzieher als Sequester zum Zwecke der Vernichtung und/oder Unbrauchbarmachung herauszugeben.

Hilfsweise beantragt die Klägerin,

den Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, das von ihm in dem Unternehmen der Klägerin aufgezeichnete Filmmaterial öffentlich zu zeigen oder Dritten weiterzugeben, wenn gleichzeitig darauf hingewiesen wird – sei es durch Vertonung, durch mündliche oder schriftliche Erklärung oder durch das Abspielen des Filmmaterials auf einer Veranstaltung, die sich ausdrücklich gegen das Unternehmen der Klägerin richtet – dass die Filmaufnahmen aus dem Unternehmen der Klägerin bzw. einem Unternehmen im Umkreis der Stadt N2 stammen.

Hilfsweise hierzu beantragt die Klägerin,

de Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, das von ihm in dem Unternehmen der Klägerin aufgezeichnete Filmmaterial in Form der Beiträge des ZDF "Tierversuche für den Profit, der C1. "Poisoning for Profit", sowie der von SAT 1 am 10.12.2003 um 18:30 Uhr und von Pro 7 am 10.12.2003 um 20:00 Uhr sowie am 17.12.2003 um 13:00 und 17:00 Uhr ausgestrahlten Kurzbeiträge öffentlich zu zeigen oder Dritten weiterzugeben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, zur Veröffentlichung der Filmaufnahmen berechtigt zu sein. Eine Untersagung der Veröffentlichung verstoße gegen das Zensurverbot aus Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG. Zudem läge kein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin vor. Ein Unternehmen habe keine schützenswerte Privatsphäre und müsse deshalb ein wahre Berichterstattung durch die Presse grundsätzlich dulden. Etwas anderes gelte nur dann, wenn ein besonders schützenswertes Geheimhaltungsinteresse bestehe. Ein solches habe die Klägerin bezüglich der gefilmten Vorgänge jedoch nicht.

Zudem dokumentiere das Filmmaterial erhebliche Rechtsbrüche. Die Filmaufnahmen zeigten, dass den Affen im Labor der Klägerin Schmerzen, Stressbelastungen und Leiden zugefügt würden, die nicht durch die Erlaubnis zur Durchführung der Tierversuche gedeckt seien. Aus diversen bereits im Verfahren 12 O ......# LG N2 (3 U ......# OLG I) vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen ergebe sich, dass bei der Klägerin erhebliche Missstände und Gefahrenlagen für die Tiere bestünden. Weder die Einzelhaltung noch der raue Umgang und Umgangston mit den Tieren seien durch das Tierschutzgesetz und/oder der Klägerin erteilte Genehmigungsbescheide gedeckt. Die Ausbildung der Tierpflegehelfer der Klägerin sei nach dem Gutachten Dr. X. H2 unzureichend. Auf den vom Beklagten angefertigten Videoaufnahmen sei zu sehen, dass die Affen bei der Klägerin in Käfigen gehalten würden, die nicht die in der Richtlinie 86/609 EWG vorgeschriebene Größen hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Seiten 8 ff. des Schriftsatzes des Beklagten vom 02.04.2004 (Bl. 198 ff. d.A.) und auf die Seiten 3 ff. des Schriftsatzes vom 02.08.2004 (Bl. 369 ff. d.A.) Bezug genommen.

Es sei auch nicht erheblich, dass die Klägerin Maßnahmen zur Verbesserung der Situation ergriffen haben will. Maßgeblich sei nicht der gegenwärtige, sondern der Zustand zum Zeitpunkt der Aufnahmen. Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass bei einer nachträglichen Überprüfung rechtswidrige Zustände im Betrieb der Klägerin nicht beseitigt worden wären.

Es bestehe auch ein starkes öffentliches Interesse an den Zuständen im Betrieb der Klägerin. Dieses werde schon durch die Einschaltquoten der gesendeten Beiträge belegt. Ein allgemeines starkes Interesse am Tierschutz habe zudem in der Änderung des Art. 20a GG seinen Niederschlag gefunden.

Weiterhin sei der Beklagte als freier Journalist nicht für die Bearbeitung und den Schnitt seines Bildmateriales in den veröffentlichten Fassungen verantwortlich. Der Beklagte sei lediglich freier Journalist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist insoweit begründet, als dem Beklagten die Veröffentlichung und Weitergabe des Filmes der C1., sowie der auf SAT 1 und Pro 7 gezeigten Filme untersagt worden ist. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

Der verschuldensunabhängige Anspruch der Klägerin auf Unterlassung der Verbreitung des im Tenor unter a) bis c) genannten Bildmaterials folgt aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG und aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB, § 186 StGB. Die Kammer hat dem Beklagten die Veröffentlichung und Verbreitung der im Tenor bezeichneten Filmwerke untersagt, weil der Klägerin darin generell gesetzwidriges und tierquälerisches Verhalten vorgeworfen wird. Diese Vorwürfe werden den Grundsätzen einer sachlichen und ausgewogenen Berichterstattung nicht gerecht, so dass diesbezüglich auch eine Abwägung der Grundrechtspositionen der Parteien nicht zu einer Rechtfertigung der Veröffentlichung des im Tenor bezeichneten Filmmaterials führen konnte. Die Kammer schließt sich den Ausführungen des OLG I in seinem Urteil vom 21.07.2004 (3 .........#) an:

1.

Die Verbreitung des vom Beklagten illegal gefertigten Bildmaterials ist ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin als einer juristischen Person des Privatrechts. Kapitalgesellschaften genießen sowohl den Schutz des § 186 StGB (BGHSt 6, 186; Schönke/ Schröder/ Lenckner, StGB, 26. Aufl., Vorbemerkung zu § 185 Rn. 3, 3a; Tröndle/ Fischer, StGB, 52. Aufl., § 185 Rn. 12 m. w. N.) als auch den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (BVerfGE 106, 28, 42 ff; BGH, NJW 1994, 1281; Wenzel/ Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 125). Bei juristischen Personen stützt sich das Persönlichkeitsrecht auf Art. 2 Abs. 1 GG, nicht auf Art. 1 Abs. 1 GG (BVerfGE 106, 28, 44).

a)

Der Umfang des Persönlichkeitsschutzes wird durch das Wesen der juristischen Person als Zweckschöpfung des Rechts, ihre satzungsmäßigen Funktionen und ihr soziale Wertgeltung begrenzt und bestimmt (BGH, NJW 1994, 1281). Kapitalgesellschaften genießen den Schutz eines Persönlichkeitsrechts, soweit sie dieses Rechtsschutzes zur Ausübung ihrer Funktionen bedürfen (Funktionsschutz). Das ist insbesondere der Fall, wenn sie – wie hier - in ihrem Geltungsbereich als Wirtschaftsunternehmen betroffen sind (vgl. KG, NJW 2000, 2210).

Wie jeder andere Private kann die Verfügungsklägerin grundsätzlich frei entscheiden, welche Informationen sie über sich verbreiten lassen will und welche nicht (vgl. BVerfGE 84, 239, 279; Lerche, AfP 1976, 56). Der Persönlichkeitsschutz gewerblicher Betätigung reicht dabei nicht so weit wie der Schutz des privaten Bereichs. Die berufliche Sphäre wird in geringerem Maß gegen Ausspähung geschützt (Erman/ Ehmann, BGB, 11. Aufl., Anh. § 12 Rn. 137). Denn eine Privatsphäre gibt es bei juristischen Personen nicht, erst recht keine Intimsphäre (BGHZ 80, 25, 32).

Art. 2 Abs. 1 GG schützt aber u.a. auch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit juristischer Personen des Privatrechts (BVerfG-K, NJW 1994, 1784). Diese wird beeinträchtigt, wenn ein Unternehmen ungeschützt mit Ausspähung rechnen müsste. Auch eine juristische Person muss es insbesondere nicht hinnehmen, dass in der ihrem Hausrecht unterliegenden Sphäre gegen ihren Willen heimlich Filmaufnahmen gefertigt werden (KG, NJW 2000, 2210f; OLG N, AfP 1992, 78, 80; Wanckel/ Nitschke, Foto- und Bildrecht, 2004, Rn. 9 ff). Ebenso wie juristischen Personen des Privatrechts ein Recht am eigenen Wort als Ausprägung des Persönlichkeitsrechts zusteht (BVerfGE 106, 28, 43), gibt es ein Recht am eigenen Bild als Bestandteil des Persönlichkeitsrechts (BVerfGE 106, 28, 39). Das Recht am eigenen Bild (und Wort) gewinnt umso mehr Bedeutung, je ausgefeilter die technischen Möglichkeiten des Ausspionierens durch versteckte Kameras und Tonaufzeichnungssysteme werden. Diese Erwägungen gelten auch für das Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin. Der Umstand, dass die Klägerin nach eigenem Bekunden grundsätzlich ohnehin bereit ist, Interessenten einen Einblick in ihren Betriebsablauf zu gewähren, ändert daran nichts. Denn zu den persönlichkeitsrechtlichen Grundlagen jeder unternehmerischen Betätigung gehört ein Mindestmaß an Vertrauensschutz (BGHZ 80, 25, 32; BGH, NJW 1981, 1366, 1368). Wie im vorliegenden Fall geschehen, wird das Mindestmaß des gebotenen Vertrauensschutzes beeinträchtigt, wenn ein Journalist als vermeintlich loyaler Mitarbeiter des Unternehmens tätig wird, es in Wahrheit aber ausspioniert, um die erlangten Informationen zu publizieren bzw. an die Presse, andere Medien oder sonstige Dritte weitergeben will (vgl. Wenzel/ Burkhardt, Kap. 5 Rn. 152 und Kap. 10 Rn. 23). Das gilt umso mehr, wenn dies zum Zweck des Angriffs auf das Unternehmen geschieht. Der Beklagte hat zusätzlich noch gegen das arbeitsvertraglich vereinbarte Fotografier- und Filmverbot verstoßen. Eine Verschwiegenheitspflicht besteht jedoch auch schon dann, wenn sie nicht ausdrücklich vereinbart ist (BGHZ 80, 25, 27 f.).

b)

Ein weitergehendes Geheimhaltungsinteresse steht der Klägerin nicht zu.

aa)

Es begründet kein besonderes Geheimhaltungsinteresse, dass der durchschnittliche Betrachter bereits die Darstellung eines rechtmäßigen Tierversuchs als schockierend empfinden mag. Betriebsinterna, wie sie hier gefilmt worden sind, sind auch keine Betriebsgeheimnisse (vgl. BGH, NJW 1981, 1089, 1091). Betriebsgeheimnisse, die in den Schutzbereich von Art. 12 GG bzw. Art. 14 GG fallen (vgl. Jarass/ Pieroth, GG, 7. Aufl., Art. 2 Rn. 33 und Art. 12 Rn. 11), sind im vorliegenden Verfahren nicht betroffen, ebenso wenig die Freiheit der Forschung (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG). Der Beklagte hat sich nicht Zugang zu vor ihm geheim gehaltenen Vorgängen, Dokumenten oder Forschungsergebnissen verschafft.

bb)

Die Klägerin genießt kein mit der Redaktionskonferenz eines Presseunternehmens vergleichbares, gesteigertes Geheimhaltungsinteresse. Darauf hat das Bundesverfassungsgericht im Fall "Der Aufmacher" abgestellt (BVerfGE 66, 116). In diesem (Sonder-) Fall war das betroffene Unternehmen seinerseits ein Presseunternehmen. Die Vertraulichkeit der Redaktion ist gewiss eine notwendige Bedingung der Funktion einer freien Presse. Im Vergleich dazu genießen die Umstände, unter denen Tiere in einem Versuchslabor gehalten werden, keinen solcherart gesteigerten Vertraulichkeitsschutz.

cc)

Vermögensrechtliche Nachteile, die möglicherweise dem Schutz der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG unterliegen, hat die Verfügungsklägerin nicht hinreichend dargelegt. Art. 14 GG bietet Bestandsschutz, keinen Erwerbsschutz (BGHZ 98, 341, 351; Jarass/ Pieroth, Art. 14 Rn. 10, 25) Bestehende Geschäftsbeziehungen und den erworbenen Kundenstamm erfasst der Schutzbereich dieses Grundrechts nicht (BVerfGE 77, 84, 118). Für einen möglicherweise drohenden Widerruf der Tierhaltungserlaubnis durch die Verwaltungsbehörden gibt es darüber hinaus keine Anhaltspunkte. Die Verwaltungsbehörden haben dies zwar geprüft bzw. prüfen dies noch. Die Klägerin rechnet im Grunde aber nicht mit einem Widerruf, wie sie selbst erklärt hat. Für sonstige wirtschaftliche Nachteile oder gar eine "Existenzgefährdung" der Klägerin gibt es jedenfalls derzeit keine greifbaren Anzeichen.

dd)

Das Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb ist vor diesem Hintergrund nicht betroffen. Denn auch dafür ist u.a. Voraussetzung, dass vermögensrechtliche Nachteile vorgetragen oder erkennbar sind (BVerfGE 66, 116, 145; Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 823 Rn. 181f). Das ist jedenfalls bisher nicht der Fall. Die Klägerin führt zwar Kosten für "Berater, Rechtsanwälte und Gutachter" an. Das sind lediglich Aufwendungen, die der Abwehr des Ansehensverlustes dienen. Sie begründen keinen eigenständigen Eingriff in den ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb.

Ein Unterlassungsanspruch wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb besteht außerdem nur subsidiär, wenn sonst keine Anspruchsgrundlage gegeben ist. Es handelt sich um einen Auffangtatbestand, der nur eingreift, soweit Lückenfüllung zulässig ist. Der hier einschlägige Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 186 StGB geht vor (vgl. BGH, NJW 1992, 1312; BGH, NJW 1998, 2141, 2142). Im Übrigen würde auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb im vorliegenden Fall zu keinem anderen Abwägungsergebnis führen.

ee)

Mehrere Mitarbeiter der Klägerin werden in einigen Filmsequenzen in Wort und Bild gezeigt. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin das Persönlichkeitsrecht ihrer Mitarbeiter geltend machen kann. Denn soweit das Filmmaterial veröffentlicht worden ist, sind die gezeigten Personen, die sich im Berufsleben ohnehin auf eine gewisse Beobachtung ihres Verhaltens durch andere einstellen müssen, durch schwarze Balken über den Augen hinreichend anonymisiert. Dadurch sind die Gesichtszüge der Mitarbeiter unkenntlich. Zu den Schutzanzügen, die die gefilmten Personen arbeitsbedingt tragen, gehören überdies Mundschutzmasken und F-Weg, die die Gesichter noch weiter verdecken.

ff)

Auch die Demonstrationen am Firmensitz der Klägerin und im privaten Umfeld von Mitarbeitern der Klägerin und mit der Klägerin in Geschäftsbeziehungen stehenden Unternehmen (sog. Home-Demos) sowie die Übergriffe gegen den Geschäftsführer der Klägerin anlässlich einer mündlichen Verhandlung vor dem LG N2 führen zu keinem weitergehenden Geheimhaltungsinteresse der Klägerin. Dabei steht außer Frage, dass rechtswidrige Übergriffe keinesfalls gebilligt werden können oder hingenommen werden müssen. Es ist jedoch weder hinreichend dazu vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Beklagte sich an derartigen Übergriffen beteiligt, sie unterstützt oder auch nur gebilligt hat.

2.

Der Beklagte ist als "Urheber" des Bildmaterials primärer Anspruchsgegner. Er hat bereits Teile des von ihm gefertigten Filmmaterials an das ZDF und an den C1. weitergegeben. Die Copyright-Vermerke im Abspann der für das ZDF bestimmten Rohfilmversion als auch im C1.-Film "Poisoning for Profit" lauten übereinstimmend "© 2003 C1./ R & D www. tierbildarchiv. de". R & D" ist der Verlag des Beklagten und steht für "Recherche & Dokumentation". Bei der Internetadresse "www.U." handelt es sich um die Homepage des Beklagten. Aufgrund des Copyright-Vermerks gilt der Beklagte gem. § 10 Abs. 1 UrhG bis zum Beweis des Gegenteils als (Mit-) Urheber des Films "Poisoning for Profit". Das Copyright gilt gem. § 10 Abs. 1 Halbsatz 2 UrhG auch für Decknamen (zum Copyright-Vermerk vgl. Wanckel/ Nitschke, Foto- und Bildrecht, 2004, Rn. 381-383).

Im Abspann des am 9.12.2003 gesendeten ZDF-Beitrages wird der Verfügungsbeklagte neben einem ZDF-Redakteur als Mitautor genannt. Es ändert nichts, wenn der Verfügungsbeklagte sich darauf beruft, nur "Informant" des Fernsehens gewesen sein. Auch ein Informant, der die geschützte Sphäre einer Person ausgespäht hat, ist originärer Verletzer und haftet als Veranlasser (Wenzel/ Burkhardt, Kap. 12 Rn. 71 und Kap. 14 Rn. 65).

Der Verfügungsbeklagte kann sich auf die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen, die durch die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Tierschutzes in Art. 20a GG verstärkt werden.

a)

Der Beklagte hat sich das Bildmaterial zwar rechtswidrig beschafft, als er sich bei Verfügungsklägerin eingeschlichen hat. Hätte er sein Vorhaben aufgedeckt, hätte er es nicht verwirklichen können. Die rechtswidrige Beschaffung von Informationen wird nicht von Art. 5 Abs. 1 GG geschützt. Es gibt kein Grundrecht auf Quellenerschließung, Indiskretion oder Vergesellschaftung privater Kommunikation (Bettermann, NJW 1981, 1067).

Trotz der rechtswidrigen Beschaffung des Materials kann der Beklagte das Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) in Anspruch nehmen. Art. 5 Abs. 1 GG schützt die Verbreitung unzulässig beschaffter Informationen, weil es zur Kontrollaufgabe der Presse gehört, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen (BVerfGE 66, 116, 137f; BGHZ 73, 120, 125ff). Das Medienrecht kennt kein generelles Verwertungsverbot der "Früchte des verbotenen Baumes" (Wanckel/ Nitschke, Rn. 254). Es spricht zwar einiges dafür, dass der Beklagte nicht erst später mit der britischen Organisation "C1." zusammen gearbeitet, sondern von Anfang an in deren Auftrag gehandelt hat. Der C1.-Film "Poisoning for Profit" spricht jedenfalls von einer verdeckten Untersuchung durch den C1. ("undercoverinvestigation by the C1."; Minuten 1:56 bis 1:59 und 10:43 bis 10:46 Real Player). Der C1. teilt das auch auf seiner Webseite mit (Bl. 98 d.A.). Darauf kommt es jedoch nicht an, denn es ändert nichts daran, dass dem Beklagten das Grundrecht der Pressefreiheit zusteht. Das Grundrecht schützt selbst presserechtliche Hilfspersonen (BVerfG, NJW 1988, 1833; OLG N, NJW-RR 2004, 767, 768) und damit umso mehr den Journalisten selbst.

Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG greift zugunsten des Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt der Filmfreiheit ein, denn die öffentliche Verbreitung von Filmmaterial über Internet, CD-ROM oder Videokassetten steht nach überwiegender Auffassung unter dem Schutz der Filmfreiheit (vgl. Degenhart, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 5 Rn. 903; Jarass/ Pieroth, Art. 5 Rn. 50, jeweils m.w.N).

b)

Das Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG kommt im vorliegenden Fall nicht zum Tragen. Es greift nur dann ein, wenn die Veröffentlichung von einer vorherigen Kontrolle durch den Staat abhängig gemacht wird. Das Zensurverbot bezieht sich nur auf die Vorzensur, d.h. ein präventives Verfahren, vor dessen Abschluss ein Werk nicht veröffentlicht werden darf (BVerfGE 33, 52, 71; BVerfG-K, NJW 2001, 503, 504). Als Vor- oder Präventivzensur werden einschränkende Maßnahmen vor der Herstellung oder Verbreitung eines Geisteswerkes, insbesondere das Abhängigmachen von behördlicher Vorprüfung und Genehmigung seines Inhalts bezeichnet (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Bezogen auf Filme bedeutet Zensur das generelle Verbot, ungeprüft Filme der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, verbunden mit dem Gebot, Filme, die öffentlich vorgeführt werden sollen, zuvor der zuständigen Behörde vorzulegen, die sie anhand von Zensurgrundsätzen prüft und je nach dem Ergebnis ihrer Prüfung die öffentliche Vorführung erlaubt oder verbietet (formeller Zensurbegriff; vgl. BVerfGE 33, 51, 71). Darum geht es im vorliegenden Fall nicht. Die Untersagung einer Meinungsäußerung durch eine gerichtliche einstweilige Verfügung oder andere gerichtliche Entscheidung ist keine Zensur, weil dies auf Antrag einer Privatperson geschieht (Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/ Starck, Das Bonner Grundgesetz, 3. Aufl., Art. 5 GG Rnr. 106; Jarass/ Pieroth, Art. 5 Rn. 64). Hier geht es ausschließlich um einen sachgerechten Ausgleich bei der Kollision von unterschiedlichen Grundrechtspositionen zwischen privaten Parteien.

c)

Soweit das Filmmaterial auf Demonstrationen gezeigt wurde bzw. werden soll, gewährt Art. 8 GG keinen weitergehenden Schutz. Für den Inhalt von Meinungsäußerungen im Rahmen von Demonstrationen gilt Art. 5 Abs. 1 GG. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG ist lediglich Maßstab der Art und Weise der kollektiven Meinungskundgabe in Form einer Versammlung (BVerfGE 90, 241, 246; BVerfGE 104, 92, 103).

d)

Den Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 GG kommt um so größeres Gewicht zu, je mehr es sich nicht um eine unmittelbar gegen ein privates Rechtsgut gerichtete Äußerung im privaten, namentlich im wirtschaftlichen Verkehr und in Verfolgung eigennütziger Ziele handelt, sondern um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage (st. Rspr.; vgl. BVerfGE 66, 116, 139). Eine solche Konstellation liegt hier vor. Tierschutz hat große Bedeutung in der Gesellschaft. Die Bevölkerung misst ihm einen hohen Stellenwert zu (vgl. BVerfGE 104, 337 ff). Die Sensibilität der Öffentlichkeit für Belange des Tierschutzes ist groß. Es steht außer Zweifel, dass Tierversuche ein die Öffentlichkeit wesentlich berührendes Problem darstellen. Bereits in der Vergangenheit stand die Praxis der Tierversuche im Blickpunkt der öffentlichen Auseinandersetzung (siehe bereits OLG L, OLGReport 1992, 122). Auch Tierversuche, die z. B. im Zusammenhang mit Forschung und Maßnahmen für den Gesundheitsschutz durchgeführt werden, werden fortgesetzt kritisiert (vgl. den Tierschutzbericht der Bundesregierung 2003, S. 1, 15). Ob die Kritik berechtigt oder unberechtigt ist, hat die Rechtsprechung nicht zu beurteilen. Fraglos ist Tierschutz jedoch ein die Öffentlichkeit wesentlich interessierender Bereich, der als Gemeinwohlbelang anerkannt ist (BVerfGE 36, 47, 57 ff; BVerfGE 101, 1 ff). Darüber hinaus ist Tierschutz mittlerweile auch verfassungsrechtlich verankert, nicht nur in Art. 29a Abs. 1 LVerfNW. Durch das Gesetz zur Änderung des GG vom 26.7.2002 (BGBl I 2863) wurde insbesondere Art. 20a GG geändert. Die Vorschrift enthält eine bindende verfassungsrechtliche Zielsetzung zugunsten des Tierschutzes. Die Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel in das Grundgesetz war nach Auffassung der Bundesregierung ein wesentlicher Schritt zu einem würdigen Umgang mit Tieren (Tierschutzbericht der Bundesregierung 2003, S. 1). Die verfassungsrechtliche Wertentscheidung ist bei der Auslegung einfachen Rechts zu beachten. Subjektive Rechte ergeben sich aus Art. 20a GG nicht. Die Vorschrift reichert aber Grundrechte an bzw. verstärkt grundrechtliche Gewährleistungen (Jarass/Pieroth, Art. 20a Rn. 1 f., 17).

3.

Das maßgebliche Kriterium für die Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Klägerin und der oben dargestellten Rechtsposition des Beklagten ergibt sich aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25.1.1984 (1 BvR 272/81) im Fall "Der Aufmacher" (BVerfGE 66, 116). Entscheidend ist die Zweck-Mittel-Relation. Soweit bei der Konkretisierung offener Normen Art. 5 Abs. 1 GG zu berücksichtigen ist, kommt es einerseits auf den Zweck der strittigen Äußerung an. Dem Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit kommt, wie ausgeführt, um so größeres Gewicht zu, je mehr es sich nicht um eine unmittelbar gegen ein privates Rechtsgut gerichtete Äußerung im privaten Verkehr und in Verfolgung eigennütziger Ziele handelt, sondern um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage. Auf der anderen Seite ist auch das Mittel von wesentlicher Bedeutung, durch welches ein solcher Zweck verfolgt wird. In einem Fall der vorliegenden Art geht es um die Veröffentlichung von Informationen, die durch Täuschung widerrechtlich beschafft worden sind und überdies zu einem Angriff gegen den Getäuschten verwendet worden sollen. Ein solches Mittel indiziert in der Regel einen nicht unerheblichen Eingriff in den Bereich eines anderen. Darüber hinaus gerät es in einen schwerwiegenden Widerspruch mit der Unverbrüchlichkeit des Rechts, einer Grundvoraussetzung der Rechtsordnung. Bei dieser Sachlage hat die Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbleiben. Eine Ausnahme kann nur gelten, wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen und die Geltung der Rechtsordnung nach sich zieht. Das wird in der Regel nur dann der Fall sein, wenn die widerrechtlich beschaffte Information Zustände oder Verhaltensweisen offenbart, die ihrerseits rechtswidrig sind. Denn die Rechtmäßigkeit deutet darauf hin, dass es sich nicht um Missstände von erheblichem Gewicht handelt, an deren Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht (BVerfGE 66, 116, 139).

Die Beweislast trifft dabei den Beklagten, weil er sich auf eine Ausnahme von der Regel beruft, denn die Veröffentlichung hat – wie ausgeführt – grundsätzlich zu unterbleiben. Im Hinblick auf den Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB, § 186 StGB trifft die Beweislast ohnehin stets den Äußernden. Nach der Beweisregel des § 186 StGB, die über § 823 Abs. 2 BGB in das Zivilrecht transformiert wird, muss der Äußernde die Wahrheit der von ihm behaupteten Tatsachen beweisen (BGH, NJW 1996, 1131, 1133).

a)

Die Kammer schließt sich der Auffassung des OLG I an, eine Veröffentlichung des Filmmaterials sei nicht bereits deshalb nicht im öffentlichen Interesse erforderlich, weil die Strafverfolgungs- und Verwaltungsbehörden durch das Filmmaterial keinen Handlungsbedarf begründet sahen. Insbesondere die Pressefreiheit ist nicht nachrangig gegenüber der Arbeit staatlicher Behörden. Eine nur subsidiäre Befugnis der Presse lässt sich nicht mit ihrer durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG abgesicherten Stellung in Einklang bringen (vgl. Staudinger/ Hager, BGB, 13. Bearb., § 823 Rn. C 227 a.E.). Auch in vergleichbaren Fällen hat die Rechtsprechung nicht in dieser Weise argumentiert (siehe OLG N, NJW-RR 2004, 767).

Weiterhin schließt sich die Kammer der Auffassung des OLG I an, ein öffentliches Interesse an der Einsichtnahme in das Filmmaterial nicht bereits mit der Begründung zu verneinen ist, das Filmmaterial zeige keine "groben" bzw. keine "massiven" Verstöße gegen das Tierschutzgesetz. Das öffentliche Interesse verengt sich nicht auf die Aufdeckung von Straftaten. Auch im Fall "Der Aufmacher" spielte strafbares Verhalten von Mitarbeitern des ausgespähten Unternehmens keine Rolle. Das öffentliche Interesse ist ebenso wenig auf die Aufdeckung besonders gravierender Rechtsverstöße zu beschränken. Es kann in Ausnahmefällen von besonderem öffentlichen Interesse auch Fehlentwicklungen und Missstände geben, die nicht ausdrücklich verboten sein mögen, sondern noch die Formen des Rechts für sich in Anspruch nehmen (BGHZ 80, 25, 37). Die Kammer verkennt nicht, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegen ein überragendes öffentliches Interesse sprechen kann, wenn lediglich Verhaltensweisen offenbart werden, die ihrerseits nicht rechtswidrig sind (BVerfGE 66, 116, 139). Eine Ausnahme davon gilt nach Auffassung der Kammer aber dann, wenn sich das öffentliche Interesse mit verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen deckt, hier mit der Wertentscheidung zugunsten des Tierschutzes in Art. 20a GG.

Die Kammer schließt sich ferner der Auffassung des OLG I an, wonach das scheinbar präzise Kriterium der Aufdeckung rechtswidriger Verhaltensweisen tatsächlich Randunschärfen aufweist. Denn es mag sein, dass ein bestimmtes Verhalten zwar nicht rechtswidrig ist, das geltende Recht aber seinerseits reformbedürftig ist. Eine solche Konstellation kann der Beklagte hier für sich in Anspruch nehmen. Einer der Wissenschaftler, die in diesem Verfahren Stellung bezogen haben, hat festgestellt, dass die zur Zeit geltende "Richtlinie des Rates 86/609/EWG vom 24. November 1986 zur Annäherung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere" (ABl. 86/L 358/1ff) den Bedürfnissen der Versuchstiere in keiner Weise gerecht werde. Tierhaltung nach diesen Mindestanforderungen laufe an sich der Forderung von § 2 des deutschen Tierschutzgesetzes nach artgerechter Tierhaltung zuwider. Die EU habe mittlerweile eine neue Richtlinie erarbeitet, die jedoch noch keine Gültigkeit erlangt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf S. 9 des Gutachtens der Schweizer Wissenschaftler Dr. H2 und Dr. X3 vom 22.3.2004 verwiesen (Anlage K 34 zum Schriftsatz der Klägerin vom 15.10.2004).

Die Freiheit der Meinungsäußerung und der Presse sind schließlich auch gerade deshalb gewährleistet, um für die Allgemeinheit unsichtbare, auf andere Weise nicht zugängliche Vorgänge in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen (BGHZ 80, 25, 37; OLG N, NJW-RR 2004, 767, 769). Das entspricht dem Pressekodex des Deutschen Presserates. Ziffer 4 des Pressekodex lautet (vgl. www.presserat.de): "Bei der Beschaffung von personenbezogenen Daten, Nachrichten, Informationen und Bildern dürfen keine unlauteren Methoden angewandt werden." Die dazugehörige Richtlinie Ziffer 4.1. II schränkt das jedoch wie folgt ein: "Verdeckte Recherche ist im Einzelfall gerechtfertigt, wenn damit Informationen von besonderem öffentlichen Interesse beschafft werden, die auf andere Weise nicht zugänglich sind".

b)

Es besteht kein Zweifel, dass der Verfügungsklägerin Tierhaltung grundsätzlich erlaubt ist und die Tierversuche, die sie vornimmt, durchweg behördlich genehmigt sind (§§ 8, 11 TierSchG). Auch kann dahinstehen, ob die von der Klägerin verwendeten Käfige tatsächlich nicht den im Anhang zur Richtlinie 86/609/EWG angegebenen Größen entsprechen. Diese ist als Richtlinie nicht unmittelbar geltendes Recht, insofern kann der Klägerin hier kein Rechtsverstoß vorgeworfen werden. Auch ist der schwerste gegen die Klägerin erhobene Vorwurf, nämlich der Vorwurf der strafbaren Tierquälerei, unberechtigt. Die Kammer ist jedoch in Übereinstimmung mit der Entscheidung des OLG I (Urteil vom 21.07.2004, Az. 3 U ......#) aber der Auffassung, dass das Filmmaterial dennoch bedeutsame Informationen für die öffentliche Debatte enthält.

Das zeigen bereits die von den Parteien überreichten divergierenden Stellungnahmen mehrerer Wissenschaftler, die das Filmmaterial in einem unterschiedlichen Licht erscheinen lassen. Wegen der Einzelheiten wird auf die eingehenden Ausführungen des OLG I in seinem Urteil vom 21.07.2004 (Az. 3 U ......#, Seiten 21 bis 27) Bezug genommen. Nach den Stellungnahmen der Wissenschaftler zeichnen sich im Wesentlichen drei Bewertungsrichtungen ab. Die Wissenschaftler Dr. H, Prof. Dr. C und Dr. T sehen gravierende Missstände im Betrieb der Klägerin, die Wissenschaftler Prof. Dr. M und Dr. M sehen eher keine Missstände, jedenfalls keine namhaften. Zu einer differenzierten Stellungnahme sind die Wissenschaftler Dr. H2 und Dr. X3 gelangt. Angesichts der kontroversen Bewertungen der Wissenschaftler ist es für die Öffentlichkeit kaum abzugrenzen, wo die (vermeintliche) Normalität eines Tierversuchslabors aufhört und wo Missstände beginnen. Auch und gerade in einer solchen ambivalenten Situation spricht alles dafür, dass die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse an Informationen hat, um sich buchstäblich selbst ein Bild zu machen. Bereits mit Rücksicht darauf überwiegt die Bedeutung des Bildmaterials für die (weitere) Unterrichtung der Öffentlichkeit im Grundsatz eindeutig die Nachteile, die der Rechtsbruch für die Klägerin und die Geltung der Rechtsordnung nach sich zieht. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich die Klägerin auf einem von der Öffentlichkeit besonders beachteten und seit langem kontrovers diskutierten Geschäftsfeld bewegt. Sie muss daher im Vergleich zu anderen Branchen von vornherein mit größerer Beobachtung und auch mit größerer Kritik durch Andersdenkende rechnen. Dies stellt keine Sondersituation der Klägerin dar, sondern betrifft in ähnlicher Form etwa auch die Betreiber von Atomanlagen, die Rüstungsindustrie, die Tabakindustrie, Hersteller von Pelzmänteln, Geschäfte mit dem Walfang usw.

Dazu kommt ein weiterer Umstand. Selbst die gründlichste Stellungnahme, das Gutachten der Schweizer Wissenschaftler Dr. H2 und Dr. X3 vom 22.3.2004, lässt zumindest Kritikpunkte erkennen, welche ein schützenswertes öffentliches Interesse an der Verbreitung des Filmmaterials begründen. Dieses Gutachten zeichnet sich im Gegensatz zu den anderen Stellungnahmen durch eigene Untersuchungen im Unternehmen der Klägerin sowie durch die differenzierte Analyse aus. Die Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass sowohl der Ausbildungstand des von der Klägerin eingesetzten Personals, als auch der Umstand, dass bei der Klägerin Affen einzeln gehalten werden, kritikwürdig sei.

Die Gutachter haben in nachvollziehbarer Weise festgestellt, dass der Ausbildung des Personals größeres Augenmerk zu schenken sei. Der Einsatz schlecht ausgebildeten oder unmotivierten Personals könne dazu führen, dass auch bei alltäglichen Eingriffen die Stress- und Schmerzbelastung für die Versuchstiere einen Grad erreiche, der durch die gesetzlichen Vorschriften nicht mehr gedeckt sei (vgl. Seite 7 des Gutachtens H2/X3 – Anlage K34 zum Schriftsatz der Klägerin vom 15.10.2004). Die Gutachter haben dabei festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Begutachtung im Februar 2004 nur vier von 39 bei der Klägerin eingesetzten Tierpflegern eine reguläre Tierpflegerausbildung haben. Die Klägerin bediene sich eines US-amerikanischen Ausbildungssystems, wobei ungelernte Kräfte nach einer sechsmonatigen Einarbeitungszeit und einer Überprüfung einfachster praktischer Tätigkeiten zur selbstständigen Arbeit eingeteilt würden. Diese Praxis ist nach den Feststellungen der Gutachter unzureichend. Die für die Haltung und Pflege der in der tierexperimentellen Forschung eingesetzten Primaten erforderlichen Kenntnisse könnten in der Regel nur im Rahmen einer geordneten Ausbildung erworben werden. Derartig minimal ausgebildetes Personal, wie es von der Klägerin eingesetzt werde, könne die notwendigen Kenntnisse jedoch nicht haben. Auch diese kritikwürdigen Umstände bildet das Filmmaterial ab. Das gilt namentlich für den Umgang des Tierpflegepersonals mit den Affen, dem einige markante Filmsequenzen gewidmet sind.

Auch die bei der Klägerin für kürzere Zeiträume weiterhin erfolgende Einzelhaltung von Primaten wird von den Gutachtern kritisiert. Nach ihrer Auffassung ist die Einzelhaltung zwar kein direkter Verstoß gegen momentane gesetzliche Normen, da sie durch versuchsbedingte Anforderungen begründet werden könne. Die Einzelhaltung von Primaten könne aber gleichwohl schon heute als nicht artgerecht interpretiert werden. Sie sei zu mindestens zugunsten einer Haltung in Zweiergruppen aufzugeben; dass dies möglich sei, zeigten Erfahrungen an verschiedenen Instituten in England (vgl. S. 9 und 12 des Gutachtens H2 / X3 – Anlage K34 zum Schriftsatz der Klägerin vom 15.10.2004). Die Klägerin weist diesbezüglich daraufhin, dass es während laufender Versuchsreihen nicht möglich sei, sämtliche Tiere in Gruppen zu halten, da dann Versuchsergebnisse verfälscht werden könnten. So sei es bei einer Sozialhaltung nicht möglich Urin- und Kotproben einzelnen Tieren zuzuordnen. Welche der vertretenen Auffassungen zutreffend ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Unbestritten ist, dass eine Einzelhaltung den Bedürfnissen der Tiere zumindest weit weniger gerecht wird als eine Paar- oder Gruppenhaltung. Die Frage, ob eine solche Einzelhaltung für die Durchführung von Versuchen notwendig ist, ist zu mindestens umstritten, so dass hier ein öffentliches Informationsinteresse begründet wird.

c)

Der Veröffentlichung des Filmmaterials steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin namentlich genannt wird. Es ist der Öffentlichkeit zuzubilligen, tierethische und tierschutzrechtliche Fragen nicht nur theoretischakademisch zu diskutieren, sondern anhand von konkreten Beispielen. Das schließt die Namensnennung ein. Denn es geht im vorliegenden Fall nicht nur um eine abstrakte Kontroverse über das Thema Tierversuche im Allgemeinen, sondern auch um etwaige konkrete Missstände im Unternehmen der Klägerin. Müsste die Namensnennung unterbleiben, würde das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG seinen wesentlichen Wert und seine Stoßkraft verlieren (OLG O, NJW-RR 2003, 40, 43).

d)

Es ist der Öffentlichkeit ferner ein Informationsinteresse speziell hinsichtlich des Filmmaterials, also der bewegten und teilweise mit Ton unterlegten Bilder zuzubilligen. Gerade Schmerz, Leiden und Qualen sind anders als bildlich schwerlich authentisch darstellbar. Entgegen der Ansicht der Klägerin muss sich die Beklagte daher nicht auf die Veröffentlichung von Standbildern oder eine mündliche oder schriftliche Information der Öffentlichkeit beschränken. Durch eine solche Information kann sich die Öffentlichkeit kaum ein Bild davon machen, ob sie die konkrete Situation von Versuchstieren in den Laboren der Klägerin und die derzeitige Gesetzeslage als mit den Belangen des Tierschutzes vereinbar erachtet.

e)

Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sie werde in unzulässiger Weise "gezielt vorgeführt". Die Entscheidung BGH NJW 1994, 1281 betraf eine schon im Ausgangspunkt andere Fallgestaltung. Dort wurde gezielt auf kritische Werte in einem Jahresabschluss aufmerksam gemacht. Dieser Jahresabschluss war zwar bereits im Bundesanzeiger veröffentlicht und damit jedermann zugänglich, ohne die erteilten Hinweise auf kritische Werte war an ihm aber kein breites oder gar öffentliches Interesse feststellbar. Hier liegt es genau entgegengesetzt: Es ist ein breites öffentliches Interesse an Fragen des Tierschutzes vorhanden, während Filmmaterial wie das streitgegenständliche gerade nicht ohne weiteres verfügbar ist.

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass es sich bei den mit der Verbreitung des Filmmaterials verfolgten Zielen gerade nicht um solche handele, die im allgemeinen Interesse liegen. Die Klägerin hat behauptet, das Filmmaterial werde nicht verbreitet, um Missstände bei der Klägerin aufzudecken und damit die Haltungsbedingungen bei der Klägerin zu verbessern, sondern es handele sich um eine großangelegte Kampagne mit dem Y, eine Schließung des Betriebes der Klägerin zu erreichen. Dies sei jedoch eben gerade kein im Allgemeinwohlinteresse liegendes Y. Der Kammer erscheint es jedoch schon zweifelhaft, ob sich eine entsprechende, durch Flugblätter und andere Veröffentlichungen belegte, Intention verschiedener Tierversuchsgegner auf den Beklagten übertragen lässt. Letztendlich war dies hier jedoch nicht entscheidungsrelevant. Auch wenn von verschiedenen Tierversuchsgegnern eine Schließung des Betriebes der Klägerin beabsichtigt ist, so stellt dies keinen Selbstzweck dar, sondern ist lediglich Zwischenziel bei der Abschaffung der Tierversuche insgesamt. Auch wenn Tierversuchsgegner die generelle Abschaffung der Tierversuche fordern, so setzen sie sich auch für eine Verbesserung der Haltungsbedingungen der Versuchstiere ein, sollte die Abschaffung nicht zu erreichen sein. Insofern werden hier durchaus Ziele verfolgt, die durch den Tierschutz als Allgemeinwohlinteresse gedeckt sind.

f)

Die Kammer verkennt nicht, dass die Klägerin substantiiert vorgetragen hat, sie habe in sämtlichen Punkten, für die seitens der Wissenschaftler Dr. X. H2 Verbesserungsvorschläge unterbreitet wurden, Maßnahmen ergriffen, um – über das gesetzlich Erforderliche hinaus – auch diesen Verbesserungsvorschlägen nachzukommen. Gleichwohl besteht das öffentliche Informationsinteresse zumindest derzeit fort:

Zur Ausbildungssituation der Tierpflegehelfer der Klägerin stellen die Gutachter Dr. X. H2 fest, dass von den insgesamt 39 Personen, die mit der Tierpflege zum Zeitpunkt der Begutachtung befasst waren, nur vier über eine Tierpflegerausbildung verfügten. Die Klägerin trägt diesbezüglich vor, dass sie "knapp 10 Tierpflegehelfer intensiv auf die im November diesen Jahres stattfindenden IHK-Prüfungen zum Tierpfleger" vorbereite. Ferner habe sie die Zusage, dass sie ab August 2004 für das Berufsbild "Tierpfleger – Forschung und Klinik" ausbilden könne. Die "ersten Auszubildenden" hätten die Ausbildung bereits begonnen. Die "knapp 10 Tierpflegehelfer", deren genaue Anzahl die Klägerin nicht vorträgt, haben indes die Prüfung bislang nicht abgelegt. Dazu, wie viele Auszubildende die Ausbildung zum "Tierpfleger – Forschung und Klinik" aufgenommen haben, macht die Klägerin ebenfalls keine Angaben. Selbst wenn man den bestrittenen Vortrag der Klägerin als richtig unterstellt, kann schon mit Rücksicht auf den Zeitablauf eine derart tief greifende und nachhaltige Verbesserung der Ausbildungssituation eines nennenswerten Anteils der Tierpflegehelfer bislang nicht angenommen werden. Das öffentliche Informationsinteresse besteht auch mit Rücksicht auf die unterschiedliche Bewertung der Frage fort, inwieweit es versuchsbedingt oder aus sonstigen Gründen einer Einzelhaltung von Versuchstieren bedarf.

4.

Die Überlegung der Klägerin, dass die einseitige Szenenauswahl zum Verbot des gesamten Filmmaterials führen müsse, ist nicht stichhaltig. Es ist zwar glaubhaft, dass es zahllose, hier nicht abgebildete Vorgänge in ihrem Unternehmen gibt, die nicht kritikwürdig sind. Daraus lässt sich aber nicht folgern, dass die Verbreitung des gesamten Filmmaterials unzulässig ist. Sollen Missstände abgebildet werden, muss die Presseberichterstattung stets eine Auswahl treffen. Zu Unrecht beruft sich die Klägerin in diesem Zusammenhang auf das Urteil des BGH vom 26.10.1999 (NJW ...#, ...#, ...#). Danach dürfen keine wesentlichen Umstände verschwiegen werden, wenn Tatsachen mitgeteilt werden, aus denen der Adressat eigene Schlussfolgerungen ziehen soll. Es verleiht den Filmsequenzen aber kein anderes Gewicht, dass im Unternehmen der Klägerin im Übrigen beanstandungsfrei gearbeitet werden mag.

Die Veröffentlichung und Weiterverbreitung des Filmmaterials ist weder uneingeschränkt zulässig noch unzulässig. Im Konflikt unterschiedlicher Grundrechte muss ein schonender Ausgleich nach dem Grundsatz praktischer Konkordanz für beide Seiten gesucht werden. Das bedeutet, dass nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal behauptet wird, sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren (BVerfG, NJW 1995, 2477, 2479; BGH, NJW 2002, 3536, 3537).

Dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit kann eine Veröffentlichung nur gerecht werden, wenn die mitgeteilten Erkenntnisse der Öffentlichkeit zutreffend mitgeteilt werden (Prinz/ Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 257). Das gilt gleichermaßen für legal und auch für illegal gefertigtes Filmmaterial. Es ist deshalb unzulässig, wenn der Klägerin mit Hilfe des Filmmaterials Tierquälerei oder systematische Gesetzesverstöße unterstellt werden sollen. Insbesondere für tierquälerisches Verhalten ist seitens der Beklagten unter Berücksichtigung der Ausführungen im Gutachten Dr. X. H2 weder hinreichend vorgetragen noch sonst etwas ersichtlich. Systematische Gesetzesverstöße sind ebenso wenig dargetan. Wer illegal erlangte Informationen zum Angriff auf sein Opfer verbreiten will, muss sich insoweit an einem durchaus strengen Bewertungsmaßstab messen lassen. Auch im Namen des Tierschutzes dürfen keine verfälschenden Informationen verbreitet werden. Wer sich auf ein – hier vorhandenes - überragendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit beruft, darf nicht der Versuchung erliegen, die Öffentlichkeit unter Verwendung widerrechtlich erlangten Filmmaterials zu desinformieren, um durch den erzeugten öffentlichen Druck eigene Ziele durchzusetzen, noch dazu, wenn die Tierversuche als solche – wie hier – behördlich genehmigt sind.

a)

Aus diesem Grund schließt sich die Kammer der Auffassung des OLG I (Urteil vom 21.07.2004, Az. 3 U ......#) an und hält die Veröffentlichung des Films "Poisoning for Profit" für unzulässig, weil dieses Werk einen verfälschenden Gesamteindruck erzeugt. Der Film wirft der Klägerin frühzeitig vor: "…in the German laboratory of D1. … the undercover investigation by the C1. revealed, that the law was being systematically ignored" (Minuten 1:50 - 2:03 Real Player). Damit steht der Film in seiner Gesamtheit unter einem irreführenden Leitmotiv. Die gezeigten Filmsequenzen erwecken dadurch den Eindruck, als verletze die Klägerin fortwährend das Recht. Durch diese Bewertung erhält "Poisoning for Profit" eine falsche Kernaussage. Die Unzulässigkeit von Bildveröffentlichungen kann sich auch allein oder im Wesentlichen aus dem begleitenden Text ergeben (vgl. BGH, NJW 2004, 1795, 1796 m. w. N.). Aus dem Gesichtspunkt der Verdachtsberichterstattung ergibt sich nichts anderes. Ein Verdacht darf nicht als Gewissheit dargestellt werden (vgl. BGH, NJW 2000, 1036f; Prinz/ Peters, Rn. 271). Der Film "Poisoning for Profit" stellt es aber als gewiss dar, dass die Verfügungsklägerin systematisch Recht und Gesetz ignoriert.

Der falsche Eindruck wird noch durch ein spezifisch filmisches Instrument, nämlich irreführende Schnittführung, untermauert. So wird in einer längeren Szene ein Affe gezeigt, der von einem Pfleger energisch an den Gliedmaßen gepackt wird, um ihn aus dem Käfig herauszunehmen. In der nächsten Szene ist ein Affe zu sehen, der seinen Arm in einer Schonhaltung hält; möglicherweise ist der Arm gebrochen ("Poisoning for Profit", Minuten 16:25 bis 17:06 Real Player). Diese Schnittfolge suggeriert, dass der Pfleger dem Affen den Arm gebrochen habe. Wie der Beklagte eingeräumt hat, handelt es sich jedoch um zwei verschiedene Affen (Bl. 140 der Ermittlungsakte 48 Js 629/03 – StA N2).

Der Umstand, dass der Film "Poisoning for Profit" bereits wiederholt gezeigt und auf verschiedenen Wegen verbreitet worden ist, ändert nichts an der Persönlichkeitsverletzung durch weitere Verbreitung. Auch eine wiederholte Publikation stellt eine, wenn auch möglicherweise abgeschwächte Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts dar (BVerfG-K, NJW 1991, 2339). Das gilt namentlich für persönlichkeitsverletzende Filmaufnahmen. Im Unterschied zum geschriebenen Wort wird das Persönlichkeitsrecht durch heimliche Filmaufnahmen ungleich stärker "verdinglicht" und verfügbar gemacht (so bereits BGHZ 80, 25, 42 für Tonbandaufnahmen). Das gilt umso mehr, wenn die Filmsequenzen praktisch permanent abrufbar gehalten werden, wie es im Internet geschieht.

b)

Zudem hält die Kammer in Anschluss an das OLG I (Urteil vom 21.07.2004 , Az. 3 U ......#) auch die weitere Verbreitung des am 10.12.2003 in einer Nachrichtensendung von SAT.1 ausgestrahlten, rund zweiminütigen Kurzbeitrages für unzulässig. Dort ist von "schwersten Fällen von Tierquälerei" die Rede. Die Affen würden "regelrecht gefoltert" und gingen "durch die Hölle, Tag für Tag". Sie würden auf "Streckrädern gequält"; ihre Bäuche würden "bei lebendigem Leib aufgeschlitzt". Viele litten an "schweren Verhaltensstörungen". Die Labormitarbeiter gingen mit "roher Brutalität" vor und empfänden Freude an der Qual der Tiere. Eine ähnliche Botschaft verbreitet der in Bild und Text im Wesentlichen übereinstimmende Nachrichtenbeitrag in Pro 7 vom gleichen Tag. All das geht effekthascherisch auf Sensationen aus und ist grob verfälscht. Die Filmsequenzen geben dafür nichts her. Gleiches gilt für die weithin übereinstimmenden Beiträge in den Pro 7- Magazinen "SAM" und "taff" vom 17.12.2003. Dort ist ebenfalls von "schlimmsten Misshandlungen" die Rede; die Tiere würden viele Jahre in engen Käfigen gehalten; die Affen würden von verärgerten Tierpflegern misshandelt; diese ließen ihren Launen freien Lauf; die Affen würden gezwungen, zur permanent dröhnenden Musik zu tanzen; um Tiere mit aufgeschnittenen Bäuchen kümmere man sich nicht.

Es ist ohne Belang, dass der Beklagte nach allem Dafürhalten persönlich nicht für die reißerische Art und Weise der Präsentation seines Filmmaterials in SAT.1 und Pro 7 verantwortlich sein dürfte. Der Unterlassungsanspruch ist verschuldensunabhängig. Objektiv kommt es lediglich darauf an, mit welcher Botschaft das Filmmaterial übermittelt wird. Die Botschaft darf nicht irreführend sein. Ebenso wie bei "Poisoning for Profit" ist dies aber in den von SAT.1 und Pro 7 ausgestrahlten Beiträgen der Fall.

c)

Die Kammer schließt sich der Auffassung des OLG I (Urteil vom 21.07.2004, Az. 3 U ......#) an, dass die Verurteilung zur Unterlassung einer Äußerung im Interesse der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden muss (BVerfG-K, NJW 2004, 1942, 1943). Der Beklagte ist deshalb im Grundsatz nicht gehindert, das vorhandene Filmmaterial etwa zu einem neuen Film zusammenzustellen. Das gilt auch für die in "Poisoning for Profit" und die von SAT.1 und Pro 7 verwendeten Sequenzen. Denn das Filmmaterial zeigt für sich allein gesehen authentische Szenen. Die Kammer teilt die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts N2, wonach die Beurteilung des Filmmaterials allerdings eine gewisse Sachkunde erfordert (Beschluss vom 15.3.2004 – 20 B 180/04, S. 4 des Umdrucks). Der in der Regel nicht sachkundige Durchschnittsbetrachter wird in dem Filmmaterial deshalb das zu erkennen glauben, was ihm insbesondere durch Begleittext als Botschaft übermittelt wird. Die Veröffentlichungsbefugnis des Beklagten hat sich daher an einer verantwortungsvollen Güter- und Interessenabwägung zu legitimieren. Er darf, wie ausgeführt, keine irreführende Botschaft verbreiten, sei es durch verfälschenden Begleittext oder durch suggestive Schnittführung.

d)

Bezüglich der Weiterverbreitung der ZDF-Sendungen vom 9.12. und 16.12.2003 tritt die Kammer der Auffassung des OLG I (Urteil vom 21.07.2004, Az. 3 U ......#) bei und hält diese für zulässig.

Die Klägerin wendet hierzu ein, auch die ZDF-Beiträge seien nicht ausgewogen. Auch diese Sendungen seien durch den Vorwurf systematischer Gesetzesverstösse gekennzeichnet. Dies ergebe sich u.a. aus dem Untertitel "Quälerei in Deutschland" und dem Hinweis "Die verbotenen Bilder, die auch ein staatlicher Kontrolleur nicht zu sehen bekäme, sind so ausgewählt, dass man sie aushalten kann." Das suggeriere unzutreffend, dass es noch drastischere Szenen gebe. Ferner enthalte der Beitrag den Satz: "Teilweise werden die Tiere von Mitarbeitern geschlagen und angeschrieen." Der Vorwurf von Schlägen sei aber nicht belegt. Letzteres ist zutreffend, führt aber im Ergebnis nicht dazu, dass auch die Veröffentlichung der ZDF-Beiträge zu untersagen wäre. Entscheidend ist nämlich der Gesamteindruck, den der Beitrag beim Betrachter hervorruft. Dieser geht nicht dahin, die Klägerin betreibe Tierquälerei. Soweit im Untertitel der Begriff "Quälerei" verwendet wird, steht dieser in zulässiger Weise schlagwortartig und plakativ für das Leiden von Tieren in Versuchslaboren in Deutschland. Dass Tierversuche den Tieren Leiden und Schmerzen bereiten, ist systemimmanent und wird auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt. Insgesamt stehen die ZDF-Beiträge nicht unter einem verfälschenden Leitmotiv.

Sie fallen auch nicht unverhältnismäßig reißerisch aggressiv aus. Die Sendung vom 09.12.2003 ist insgesamt relativ ausgewogen. Die Kammer hat nicht den Eindruck, die Klägerin werde in diesem Beitrag als geldgieriges Unternehmen diffamiert. Der Klägerin wird lediglich der Vorwurf gemacht, sie setze die Pfleger unter enormen Leistungsdruck, da für sie Zeit Geld sei. Dieser Vorwurf ist jedoch an einem konkreten Missstand festzumachen, die Klägerin wird nicht allgemein aufgrund ihrer Eigenschaft als Auftragsforschungsinstitut angegriffen. Auch eine manipulative Schnittführung vermag die Kammer in dem Beitrag nicht zu erkennen. Es kann insbesondere nicht bereits als manipulativ bezeichnet werden, wenn im Rahmen eines zweiminütigen Kurzbeitrages, der im Übrigen nur zum Teil aus bei der Klägerin gedrehten Material besteht, keine für die Klägerin positiven Bilder gezeigt werden. Hier liegt es in der Natur der Sache, dass sich die Auswahl der Szenen auf solche beschränkt, die exemplarisch die mit der Berichterstattung kritisierten Verhältnisse verdeutlichen sollen.

Das ZDF lässt auch die Klägerin in hinreichender Weise zu Wort kommen. Im Rahmen der Kommentierung wurden Zitate der Klägerin eingebaut. Diese Zitate waren die Antworten der Klägerin auf diejenigen Fragen, die ihr das ZDF in dem Faxschreiben vom 08.12.2003 gestellt hatte. Zwar verkennt die Kammer nicht, das die Klägerin dort nicht über die Existenz des Filmmaterials aufgeklärt wurde und die ihr eröffnete Möglichkeit zur Stellungnahme deshalb eingeschränkt war. Eine derartige Aufklärung kann jedoch auch im Rahmen eines seriösen Journalismus nicht verlangt werden, da andernfalls eine unverfälschte Reaktion der Klägerin kaum zu erwarten gewesen wäre. Die Zitate der Klägerin werden auch nicht in verfälschender oder suggestiver Weise wiedergegeben, sondern beziehen sich jeweils auf die zuvor im Beitrag behandelten Zusammenhänge.

Die Sendung vom 16.12.2003 berichtet überdies schwerpunktmäßig lediglich über die öffentliche Reaktion auf den in der Vorwoche ausgestrahlten Beitrag; Filmmaterial aus dem Unternehmen der Klägerin wird in diesem Sendebeitrag nur vereinzelt eingesetzt.

5.

Es besteht eine objektive ernstliche Besorgnis erneuter Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts der Klägerin durch Weiterverbreitung des Filmmaterials, soweit es unzulässig ist. Bereits die vorangegangene rechtswidrige (BGH, NJW 1986, 2503, 2505) Beeinträchtigung begründet eine dahingehende tatsächliche Vermutung (Palandt/ Sprau, vor § 823 Rn. 20; Palandt/ Bassenge, § 1004 Rn. 32). Der Beklagte hat nicht versucht, diese Vermutung zu widerlegen.

6.

Da die Verbreitung des Filmmaterials grundsätzlich zulässig und dem Beklagten nicht zu untersagen war, besteht auch kein Auskunfts- und Herausgabe-, bzw. Beseitigungsanspruch der Klägerin bezüglich des Filmmaterials.

7.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 711 ZPO.






LG Münster:
Urteil v. 03.11.2004
Az: 12 O 85/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/df47bffd67f6/LG-Muenster_Urteil_vom_3-November-2004_Az_12-O-85-04




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