Landgericht München I:
Urteil vom 20. März 2012
Aktenzeichen: 1 HK O 1763/12, 1 HK O 1763/12

(LG München I: Urteil v. 20.03.2012, Az.: 1 HK O 1763/12, 1 HK O 1763/12)

Tenor

I. Die einstweilige Verfügung vom 27.1.2012 wird bestätigt.

II. Die weiteren Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Tatbestand

Der Antragsteller macht im Wege der einstweiligen Verfügung einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin geltend.

Der Antragsteller ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Mitglied des Antragstellers ist unter anderem der Kfz-Hersteller Audi AG (unter Mitgliedsnummer 0110 der Mitgliederliste (A 7)), die Kfz-Innung Schwaben (Mitgliedsnummer 1015) sowie der Bundesverband der freien Kraftfahrzeugimporteure e. V. (Mitgliedsnummer 0393).

Die Antragsgegnerin ist ein Kfz-Händler mit Sitz in ... Sie bietet im Internet auf der Verkaufsplattform www.autoscout24.de neue PKWs zum Verkauf an.

Auf der Plattform www.autoscout24.de kann der Verbraucher in einer Suchmaske diverse Kriterien für ein Fahrzeug eingeben, u. a. hinsichtlich des Fahrzeugtyps, der Marke, des Modells, der Fahrzeugart (Gebrauchtwagen, Neuwagen etc.), Erstzulassung, Kilometerlaufleistung, Motorleistung, Verbrauch, Farbe, Preis etc. (Anlage A 6). Wenn der Verbraucher eine Auswahl hinsichtlich verschiedener Kriterien getroffen hat, wird ihm über die Plattform eine Ergebnisliste mit Kurzbeschreibung des jeweiligen Fahrzeugs angezeigt (Anlage A 1). Wenn dann der Verbraucher das Fahrzeug anklickt, das ihn näher interessiert, erscheint eine weitere Seite, auf der dann das konkrete Fahrzeug weiter beschrieben wird, einschließlich des Händlers und der Kontaktadressen für den Händler.

Die Antragsgegnerin bot am 12.01.2012 auf dieser Plattform u. a. einen Audi A 1 Attraction als Neuwagen an (Anlage A 1) unter der Überschrift "Motor und Umwelt" findet sich zum Stichwort "CO2-Emissionen" der Wert von 118 g/km (kombiniert).

Der Antragsteller ist der Ansicht, dass die Angabe für den CO2-Ausstoß nicht ausreichend i. S. der §§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 und 2 PKW-EnVKV i. V. mit der Anlage 4 II Nr. 4 ist. Nach dieser seit 01.12.2011 gültigen Vorschrift müsse ein Händler, wenn er ein Fahrzeug in einem virtuellen Verkaufsraum anbietet, auch eine graphische Darstellung der CO2-Effizienzklasse im Internet einstellen. Der Antragsteller ist der Ansicht, für einen solchen virtuellen Verkaufsraum sei eine unmittelbare Bestellmöglichkeit nicht erforderlich. Bei den Suchkriterien der Plattform habe der Verbraucher bereits konkrete Entscheidungen über Ausstattungsmerkmale getroffen. Es handle sich nicht um einen Online-Prospekt oder eine Information wie den Internetseiten des Herstellers.

Der Antragsteller hat am 26. Januar 2012 den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt.

Das Landgericht München I hat am 27.01.2012 folgende dem Antrag entsprechende einstweilige Verfügung erlassen:

Der Antragsgegnerin wird im Weg der einstweiligen Verfügung unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt,

im geschäftlichen Verkehr neue Personenkraftwagen im Internet zum Kauf oder Leasing als bestimmtes Fahrzeugmodell in elektronischer Form anzubieten, ohne die CO2-Effizienzklasse einschließlich der grafischen Darstellung gem. Anlage 1 zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 PKW-EnVKV bei der Beschreibung des Fahrzeugmodells anzugeben,

sofern dies geschieht wie in Anlage 1 wiedergegeben.

Die Antragsgegnerin hat am 03.02.2012 Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt und beantragt,

Aufhebung der einstweiligen Verfügung und Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Der Antragsteller beantragt

Bestätigung der einstweiligen Verfügung.

Die Antragsgegnerin bestreitet die Aktivlegitimation des Antragsstellers. Sie könne sich nicht vorstellen, dass die Mitglieder des Antragstellers aus dem Kfz-Bereich mit der Vorgehensweise des Antragstellers einverstanden seien.

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, dass sie nicht verpflichtet sei, bei ihrer konkreten Werbung auf autoscout24.de eine grafische Darstellung für die Co2-Emissionen, wie vom Gesetzgeber gefordert, einzustellen. Die PKW-EnVKV enthalte keine eindeutigen Aussagen dazu, wann ein "virtueller Verkaufsraum" vorliege. Insbesondere enthalte die EnVKV keine Unterscheidung zwischen Angebot einerseits und "invitatio ad offerendum" andererseits. Die Werbung der Antragsgegnerin sei kein Angebot, sondern nur eine "invitatio ad offerendum", da der Verbraucher über diese Plattform keine Verträge mit der Antragsgegnerin abschließen könne. Der Verbraucher könne auch kein Fahrzeug konfigurieren.

Im übrigen könne die Antragsgegnerin aus technischen Gründen auf dieser Plattform die geforderte grafische Darstellung nicht eingeben, da die Eingabe solcher Daten in der Maske nicht vorgesehen sei.

Im übrigen wird hinsichtlich des Tatbestands auf die vorgelegten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.

Gründe

20Die einstweilige Verfügung war zu bestätigen, da der Antragsteller gem. § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 und 3, § 4 Nr. 11 UWG, § 3, 2 UklG i. V. m. § 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 und 2 PKW-EnVKV i. V. m. der Anlage 4 II Nr. 4 einen Unterlassungsanspruch hat. Das Angebot der Antragsgegnerin vom 12.01.2012 auf der Plattform autoscout24.de wie in der Anlage A 1 abgebildet, stellt einen virtuellen Verkaufsraum i. S. der Anlage 4 (zu § 5 EnVKV), dort Abschnitt II Ziffer 4, dar, für den die CO2-Emissionen grafisch dargestellt werden müssen in der Form der Anlage 1 zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 EnVKV.

Aktivlegitimation

Der Antragsteller verfügt über eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden, welche Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Der Hersteller Audi AG sowie die beiden genannten angeschlossenen Verbände, die Kfz-Innung Schwaben und der Verband der Importeure stellen eine solche ausreichende Anzahl dar. Als "Markt" i. S. des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist der örtliche Markt zu verstehen. Der Sitz der Antragsgegnerin in W gehört räumlich zum Marktbereich Schwaben.

Es kommt auch nicht darauf an, ob diese genannten Mitglieder des Antragstellers mit der Vorgehensweise des Antragstellers im Hinblick auf die geänderte EnVKV einverstanden sind, da der Antragsteller als gemeinnütziger Wettbewerbsverband abstrakt die Interessen der Mitglieder wahrnimmt. Zu diesen Interessen gehören grundsätzlich die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften wie die Kennzeichnungspflicht nach der EnVKV. Da diese Vorschriften die Vergleichbarkeit der Angebote der Wettbewerber im Hinblick auf die CO2-Emissionen gewährleisten bzw. erleichtern sollen, besteht grundsätzlich ein Interesse der Mitglieder des Verbands daran, dass alle Händler diese Kennzeichnungsvorschriften einhalten.

Technische Möglichkeiten

Unabhängig davon, ob die Eingabe der grafischen Darstellung auf der Eingabemaske für die Plattform technisch derzeit möglich ist € dies wurde von der Antragsgegnerin bestritten €, würde eine solche fehlende technische Möglichkeit die Antragsgegnerin nicht von der Eingabepflicht befreien: Wenn es ein Werbemedium nicht erlauben sollte, dass der Werbetreibende bestimmten gesetzlichen Vorschriften zur Werbung nachkommt, dann darf sich dieser Werbende eben nicht dieses Mediums bedienen. Im übrigen hätte es nach Ziffer 4. der Anlage 4, Abschnitt II. auch ausgereicht, wenn die Antragsgegnerin hinsichtlich der grafischen Darstellung auf die entsprechenden Internetseiten des Herstellers hingewiesen hätte. Dies hätte sie unschwer im Fließtext zu den CO2-Emissionen machen können.

Virtueller Verkaufsraum i. S. der Anlage 4 (zu § 5 EnVKV), dort Abschnitt II. Ziffer 4

Die Verpflichtung zur grafischen Darstellung besteht für einen Hersteller oder Händler, wenn er "Fahrzeugmodelle im Internet ausstellt oder zum Kauf oder Leasing anbietet (virtueller Verkaufsraum)".

Gemäß Satz 3 dieser Ziffer 4 muss sicher gestellt sein, dass die grafische Darstellung dem Benutzer spätestens in dem Augenblick zur Kenntnis gelangt, in welchem er ein Fahrzeugmodell ausgewählt oder eine Konfiguration abgeschlossen hat.

Unstreitig war bei dem ausgewählten Audi A 1 Attraction gem. Anlage 1 zu keinem Zeitpunkt eine grafische Darstellung der CO2-Emissionen sichtbar. Nach dem Wortlaut von Satz 3 dieser Ziffer 4 ist die "Konfiguration" (was auch immer darunter zu verstehen ist) nicht Voraussetzung für die Sichtbarkeit der grafischen Darstellung. Vielmehr ist dies nur eine Alternative für den Zeitpunkt, zu dem die Kenntnisnahme gem. Satz 3 möglich sein muss. Die andere Alternative ist der Zeitpunkt, in welchem der Verbraucher "das Fahrzeugmodell ausgewählt hat". Diese Alternative ist hier spätestens mit dem Anklicken eines konkreten Fahrzeugs wie des Audi A1 Attraction gem. Anlage A 1 gegeben. Zu diesem Zeitpunkt wird nur noch ein konkretes Fahrzeug angeboten, der Kunde hat keinerlei Möglichkeiten mehr, an diesem Fahrzeug irgendwelche Änderungen, z. B. im Rahmen einer Konfiguration zu Zusatzausstattungen, vorzunehmen.

Nach der Gesetzesbegründung zur EnVKV (Stand: 18.05.2011, Anlage A 5), dort Einleitung unter A, ist es das Ziel dieser Gesetzesänderung, die Effizienz der Fahrzeuge in leichter verständlicher Form darzustellen und damit dem Verbraucher für seine Kaufentscheidung weitere relevante Informationen zu geben. Diese sollen kompakt dargestellt und optisch gut wahrnehmbar sein. Auf Seite 48 der Gesetzesbegründung, dort letzter Absatz, sind die Ausführungen zum sog. virtuellen Verkaufsraum enthalten. Diese Regelung soll dazu dienen, eine Übereinstimmung mit der Kennzeichnungspflicht für tatsächlich ausgestellte und angebotene Fahrzeuge gem. § 1 der EnVKV herzustellen. Erfasst werden sollen "Konfigurationsmodelle und aktuelle Ausstellungsräume, in welchen der Verbraucher bereits konkrete Vergleiche und Auswahlentscheidungen trifft". Genau dies ist hier der Fall: Auf der Plattform autoscout24.de gibt der Verbraucher verschiedene Suchkriterien ein, nach denen ihm dann eine Liste von verfügbaren Fahrzeugen verschiedener Händler angeboten wird. Spätestens beim Anklicken verschiedener Fahrzeuge hat der Verbraucher eine Auswahlentscheidung getroffen, dass er diese Fahrzeuge konkret miteinander vergleichen kann. Wenn er ein bestimmtes Fahrzeug anklickt, erscheint dieses mit Bild und weiteren technischen Angaben sowie dem dazugehörenden Händler. Dies ist nichts anderes, als wenn er einen Verkaufsraum eines Händlers betritt und dann die dort konkret ausgestellten Fahrzeuge besichtigt.

31Es ist auch nicht entscheidend, ob es sich hier nur um eine "invitatio ad offerendum" handelt oder schon um ein bindendes Angebot im zivilrechtlichen Sinn: Gem. Ziffer 4 Satz 1 (Abschnitt II der Anlage 4 zu § 5 EnVKV) besteht die Pflicht zur grafischen Darstellung für Händler, die ihr Fahrzeug im Internet ausstellen oder zum Kauf oder Leasing anbieten. Das Angebot der Antragsgegnerin vom 12.01.2012 erfüllt auf jeden Fall die Alternative des "Ausstellens im Internet". Das Ausstellen reicht jedoch aus, um einen virtuellen Verkaufsraum darzustellen.

Kosten: § 91 ZPO.






LG München I:
Urteil v. 20.03.2012
Az: 1 HK O 1763/12, 1 HK O 1763/12


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/df4acba05220/LG-Muenchen-I_Urteil_vom_20-Maerz-2012_Az_1-HK-O-1763-12-1-HK-O-1763-12




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