Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 2. April 1998
Aktenzeichen: 13 B 213/98
(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 02.04.1998, Az.: 13 B 213/98)
Tenor
Der Antrag wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000,-- DM festgesetzt.
Gründe
Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
Der Senat hat keine ernstlichen Zweifel (§§ 146 Abs. 4, 124
Abs. 2 Nr. 1 VwGO) an der Richtigkeit des Beschlusses des
Verwaltungsgerichts vom 21. Januar 1998, durch den der Antrag
der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung
der Klage gegen Ziffer 1 des Bescheides der für die
Antragsgegnerin handelnden Regulierungsbehörde vom 2. Dezember
1997 abgelehnt worden ist.
Das Verwaltungsgericht hat die im Rahmen des Verfahrens
nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung der
widerstreitenden Interessen zu Recht zugunsten des
öffentlichen Interesses am sofortigen Vollzug der angesetzten
Maßnahme ausfallen lassen. Dies folgt unabhängig von der
Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur
Offenlegung der konzerninternen Liefer- und
Leistungsbeziehungen der Antragstellerin zu ihrer
Tochtergesellschaft D. bereits aus einer Betrachtung
der Auswirkungen, die die Befolgung der Aufforderung für die
Antragstellerin einerseits bzw. das Unterbleiben des
Sofortvollzugs für das von der Antragsgegnerin zu wahrende
öffentliche Interesse an einer wirkungsvollen Óberwachung des
Diskriminierungsverbotes auf dem Telekommunikationsmarkt
andererseits hätten.
Es ist weder in nachvollziehbarer Weise vorgetragen noch
ansonsten ersichtlich, daß die Vorlage der angeforderten
Belege schützenswerte Interessen der Antragstellerin in
nennenswertem Umfange tangieren würde. Insoweit ist zunächst
zu berücksichtigen, daß die Offenlegung nicht gegenüber
potentiellen Konkurrenten oder gegenüber der Àffentlichkeit,
sondern gegenüber der zur Neutralität und Objektivität
verpflichteten Regulierungsbehörde erfolgen soll, deren
Bedienstete nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften
zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Auch ist nicht
ersichtlich, daß mit der Vorlage der Belege ein unvertretbar
hoher Verwaltungsaufwand verbunden wäre. Gegen eine
fehlerhafte Interpretation ihrer Angaben und hieraus
resultierende Maßnahmen im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht steht
der Antragstellerin zudem ggf. voller Rechtsschutz vor den
Verwaltungsgerichten zu.
Demgegenüber steht das öffentliche Interesse an der
Förderung des Wettbewerbs (§ 1 TKG) und der Verhinderung von
Mißbräuchen im Bereich der Telekommunikation. Die Bedeutung,
welche der Gesetzgeber hierbei einem zügigen Verfahrensablauf
und der schnellen Umsetzung von Entscheidungen der
Regulierungsbehörde beigemessen hat, zeigen § 80 Abs. 1 und 2
TKG, wonach ein Vorverfahren nicht stattfindet und Klagen
gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde grundsätzlich
keine aufschiebende Wirkung haben. Daß hierbei der
Feststellung der für eine Entscheidungsfindung notwendigen
Fakten besondere Bedeutung zukommt, liegt auf der Hand. Nur
wenn die Regulierungsbehörde über eine umfassende
Faktenkenntnis verfügt, kann sie die ihr vom Gesetzgeber
zugewiesenen Aufgaben wirksam erfüllen. Genauso wichtig wie
die Feststellung der Fakten an sich ist aber auch, daß diese
Feststellung zügig erfolgt. In einem Markt, der sich in einem
derart raschen Wandel befindet wie der
Telekommunikationsmarkt, können selbst geringe zeitliche
Verzögerungen bei notwendigen Reaktionen der
Regulierungsbehörde zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen
führen. Deshalb ist die Auskunftspflicht des § 72 TKG eines
der Kernstücke des Gesetzes und besteht an einer zügigen
Auskunftserteilung ein hohes öffentliches Interesse, dem hier
- wie ausgeführt - entsprechend gewichtige Interessen der
Antragstellerin nicht entgegenstehen.
Eine andere Beurteilung könnte im Rahmen des vorliegenden
einstweiligen Rechtsschutzbegehrens allenfalls dann geboten
sein, wenn ganz überwiegende Gründe für die Rechtswidrigkeit
des Auskunftsverlangens nach Ziff. 1 des Bescheides vom 2.
Dezember 1997 sprächen. Dies ist indes nicht der Fall. Die von
der Antragstellerin insoweit vorgebrachten Argumente gegen die
Richtigkeit der entsprechenden Ausführungen des
Verwaltungsgerichts vermögen nicht zu überzeugen.
Dies gilt zunächst für die erhobenen Bedenken gegen die
Bestimmtheit der Verfügung. Das Verwaltungsgericht hat
insoweit zutreffend dargelegt, daß der Bescheid der
Antragsgegnerin den in § 72 TKG normierten Anforderungen
gerecht wird. Rechtsgrundlage, Gegenstand und Zweck des
Auskunftsverlangens (vgl. § 72 Abs. 2 Satz 1 TKG) sind
angegeben. Daß es nicht nur um Teilnehmerdaten für den
Sprachtelefondienst, sondern auch um die Verwendung von
Teilnehmerdaten im Sprachtelefondienst durch
"Konkurrenzunternehmen" geht, ergibt sich bereits aus dem
Wortlaut des Bescheides. Die Antragstellerin kann im übrigen
nicht ernsthaft geltend machen, ihr sei von entsprechenden
Klagen von Konkurrenzunternehmen über eine angebliche
Diskriminierung in diesem Bereich nichts bekannt gewesen. Das
Gegenteil ergibt sich bereits aus dem von der Antragstellerin
selbst zu den Gerichtsakten gereichten Bescheid des
Bundesministeriums für Post und Telekommunikation an sie vom
11. Dezember 1997 zu den Anträgen der Firma T. , in der
u. a. ein Antrag dieser Firma auf Einschreiten im Wege der
Mißbrauchsaufsicht nach § 33 Abs. 2 TKG wegen einer
angeblichen Diskriminierung im Verhältnis zur
Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin D. abgelehnt
wird. Aus dem im vorliegenden Verfahren gestellten
Beiladungsantrag der Firma O. - also eines weiteren
"Wettbewerbers" im Sinne des § 33 Abs. 1 TKG - ergibt sich
ferner, daß auch diese Firma entsprechende Vorwürfe erhoben
und wegen der Weigerung der Antragsgegnerin, gegen die
Antragstellerin im Wege der Mißbrauchsaufsicht vorzugehen,
sogar bereits ein Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht
Köln anhängig gemacht hat.
Nach Auffassung des Senats konnten angesichts dieser, der
Antragstellerin bekannten, Umstände bei ihr keine Zweifel an
der Erforderlichkeit der verlangten Auskunft für die
Beurteilung eines eventuellen Mißbrauchs entstehen. Der von
ihr vermißten konkreten Darlegung der im Bescheid erwähnten
Hinweise bedurfte es danach ebenso wenig wie der Darlegung,
weshalb die begehrten Daten benötigt werden, um über das
Vorliegen eines Mißbrauchs im Sinne von § 33 TKG zu
entscheiden. Der Senat teilt in diesem Zusammenhang die
Auffassung des Verwaltungsgerichts, daß an die Intensität des
nach § 72 Abs. 1 TKG erforderlichen "Anfangsverdachts" keine
hohen Anforderungen zu stellen sind. Anderenfalls wäre nämlich
eine effektive Mißbrauchsaufsicht nach § 33 Abs. 2 TKG nicht
zu gewährleisten, weil verläßliche Informationen über die
Bedingungen, zu denen der marktbeherrschende Anbieter sich
selbst seine intern genutzten und seine am Markt angebotenen
Leistungen zur Verfügung stellt, allenfalls im Wege der
Wirtschaftsspionage zu gewinnen wären. Im übrigen versteht es
sich von selbst, daß eine Konkretisierung der Verfügung durch
Angabe von Sachverhalten, die gerade festgestellt werden
sollen, nicht möglich ist.
Nach Auffassung des Senats ist ein Vorgehen nach § 72 TKG
daher bereits dann rechtlich zulässig, wenn der Mißbrauch
einer marktbeherrschenden Stellung von einem Wettbewerber
konkret behauptet wird und nach Einschätzung der
Regulierungsbehörde nicht von vornherein ausgeschlossen
erscheint.
Auf die vom Verwaltungsgericht herangezogenen Zitate aus
den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin kommt es danach
vorliegend nicht entscheidend an.
Schließlich vermag der Senat auch die Bedenken der
Antragstellerin gegen die Anwendbarkeit des § 33 Abs. 1 TKG
nicht zu teilen. Wie aus der Verfügung eindeutig zu entnehmen
ist, handelt es sich um die Verwendung der Teilnehmerdaten im
Zusammenhang mit dem Sprachtelefondienst, in dessen Rahmen
ohne Frage Nachrichten ausgetauscht, übermittelt und empfangen
(vgl. § 3 Nr. 18 TKG) werden. Daß die Antragstellerin gerade
auf dem Markt der Sprachtelefondienstleistungen für die
Àffentlichkeit über eine marktbeherrschende Stellung verfügt,
steht ebenso fest wie die Tatsache, daß es sich bei den
vorstehend genannten Konkurrenzunternehmen um (potentielle)
Wettbewerber auf diesem Markt handelt. Daß die Teilnehmerdaten
daneben möglicherweise auch von (anderen) Anbietern genutzt
werden oder genutzt werden sollen, die selbst keine
Wettbewerber auf einem Markt für
Telekommunikationsdienstleistungen sind, stünde der Anwendung
des § 33 TKG nur dann entgegen, wenn es sich hierbei um die
einzigen Nachfrager handeln würde.
Auch kann nicht ernstlich zweifelhaft sein, daß die
Antragstellerin die Teilnehmerdaten für den
Sprachtelefondienst intern nutzt. Entgegen der Auffassung der
Antragstellerin handelt es sich bei den Teilnehmerdaten auch
um intern genutzte, wesentliche Leistungen i.S.d. § 33 Abs. 1
Satz 1 TKG, wobei es nicht entscheidend darauf ankommt, ob es
sich bei den Teilnehmerdaten selbst um
Telekommunikationsdienstleistungen i.S.d. § 3 Ziff. 18 TKG
handelt. Der Senat hat zu diesen Begriffen in seinem den
Parteien bekannten Hinweis vom 29. September 1997 im Verfahren
13 B 1987/97 u. a. folgendes ausgeführt:
"Der Auffassung der Antragstellerin, der Begriff der
Leistung in § 33 Abs. 1 TKG sei dahingehend zu
interpretieren, daß hierunter nur
"Telekommunikationsdienstleistungen" i.S.d. § 3 Ziff.
18 TKG zu verstehen seien, ... vermag sich der Senat
nicht anzuschließen. Schon nach dem reinen Wortsinn
ist der Begriff der Leistung umfassender als der der
Telekommunikationsdienstleistung. Daß der Gesetzgeber
die Begriffe dennoch sinngleich in ein und derselben
Vorschrift verwendet, wäre gänzlich ungewöhnlich und
könnte allenfalls angenommen werden, wenn sonstige
eindeutige Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser
Auslegung sprächen. Dies ist hier indes nicht der
Fall. Die Argumentation der Antragstellerin, aus den
Worten "anderer Telekommunikationsdienstleistungen"
in § 33 Abs. 1 TKG sei abzuleiten, daß es sich bei
den zuvor genannten Leistungen nur um
Telekommunikationsdienstleistungen handeln könne, ist
keineswegs zwingend. Denn die vom marktbeherrschenden
Anbieter erbrachten
Telekommunikationsdienstleistungen sind zwangsläufig
andere (nämlich nicht dieselben)
Telekommunikationsdienstleistungen als die von den
Wettbewerbern unter Inanspruchnahme der Leistungen
des marktbeherrschenden Anbieters beabsichtigten oder
durchgeführten. Zu Recht hat die Beigeladene auch
darauf verwiesen, daß sich der Begriff der
"Leistungen" in § 33 Abs. 1 TKG eindeutig auch auf
die zuvor genannten "intern genutzten Leistungen"
beziehe, Telekommunikationsdienstleistungen i.S.v. §
3 Ziff. 18 TKG nach der gesetzlichen Definition aber
immer gewerblicher Natur und daher an Dritte
gerichtet seien, was ebenfalls dafür spreche, daß der
Begriff der Leistung weiter sei als der der
Telekommunikationsdienstleistung. Schließlich wird
auch nur ein so verstandener weiter Leistungsbegriff
dem Anliegen des Telekommunikationsgesetzes gerecht,
"die staatlichen Rahmenbedingungen in der
Telekommunikation so zu gestalten, daß
chancengleicher Wettbewerb sichergestellt und ein
funktionsfähiger Wettbewerb gefördert wird" (
13/3609#Seite=1" rel="nofollow" title="Bundestagsdrucksache">BT-Drs.
13/3609, S. 1).
Falls die neu hinzukommenden Wettbewerber auf die
Inanspruchnahme des bestehenden
Dienstleistungsangebotes des marktbeherrschenden
Anbieters ... beschränkt würden, ist der vom
Gesetzgeber angestrebte echte Wettbewerb nicht
möglich. Ein "diskriminierungsfreier" Zugang i.S.d. §
33 Abs. 1 TKG ist hierdurch nach Auffassung des
Senats jedenfalls nicht gewährleistet. ..."
"... Für den Begriff der intern genutzten Leistung
kommt es nach Auffassung des Senats in
Óbereinstimmung mit dem Wortsinn lediglich darauf an,
daß eine Nutzung durch den marktbeherrschenden
Anbieter überhaupt erfolgt; nicht entscheidend ist,
in welchen Zusammenhängen dies geschieht und ob die
Leistung intern ge- oder entbündelt genutzt wird. Den
Satzteil "soweit sie wesentlich sind" interpretiert
der Senat dahingehend, daß es sich abstrakt, d. h.
unabhängig vom Bedarf des jeweiligen Wettbewerbers,
um solche Leistungen handeln muß, die objektiv für
die Erbringung der beabsichtigten Telekommunikation
wesentlich sind; ..."
An dieser Auffassung hält der Senat auch nach erneuter
Óberprüfung fest.
Auch der gerügte Verfahrensfehler - Verstoß gegen das
rechtliche Gehör durch Heranziehung der der Antragstellerin
unbekannten Verwaltungsvorgänge - liegt bereits in der Sache
nicht vor. Aus den Gerichtsakten ergibt sich, daß das
Verwaltungsgericht der Antragstellerin Mitteilung vom Eingang
der Verwaltungsvorgänge durch Óbersendung einer Kopie des
Begleitschreibens der Antragsgegnerin vom 6. Januar 1998
gemacht hat. Eine Aktenanforderung oder ein Antrag der
Antragstellerin auf Gewährung von Akteneinsicht läßt sich
demgegenüber den Gerichtsakten nicht entnehmen. Schon deshalb
scheidet eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der
Antragstellerin durch Verwertung des Inhalts der
Verwaltungsvorgänge aus. Wer die ihm prozessual gegebenen und
zumutbaren Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör - hier durch
Aktenanforderung und Kenntnisnahme vom Inhalt der
Verwaltungsvorgänge - zu verschaffen, nicht wahrnimmt, kann
sich anschließend nicht auf die Verletzung rechtlichen Gehörs
berufen (vgl. hierzu BVerfG, Beschluß vom 2. Mai 1995 - 2 BvR
611/95 -, NVwZ-Beil. 8/1995, 57).
Im übrigen kommt es auf die vom Verwaltungsgericht
verwertete Àußerung des Pressesprechers der Antragstellerin
nach den vorstehenden Ausführungen auch nicht an. Es kann
daher ausgeschlossen werden, daß der Beschluß des
Verwaltungsgerichts auf dem behaupteten Verfahrensfehler
beruht (vgl. §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
Schließlich liegt auch der Zulassungsgrund der besonderen
rechtlichen Schwierigkeiten (§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 2
VwGO) nicht vor. Fragen, die das normale Schwierigkeitsmaß
überschreiten und im vorliegenden summarischen Verfahren
überhaupt beantwortbar wären, sind von der Antragstellerin
weder aufgezeigt worden noch ansonsten ersichtlich.
OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 02.04.1998
Az: 13 B 213/98
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/df673f241a42/OVG-Nordrhein-Westfalen_Beschluss_vom_2-April-1998_Az_13-B-213-98